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Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de

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die zunehmend als Automatismus funktioniert, <strong>und</strong> das aus ihr folgen<strong>de</strong> Verhalten wird als<br />

‘natürliches’ Verhalten gewertet - so, wie es <strong>im</strong>mer schon war.<br />

Von diesem Prozess ist auch die Sexualität nicht ausgeschlossen. So kann sich schließlich die<br />

bürgerliche Sexualordnung <strong>de</strong>s 17. Jahrh<strong>und</strong>erts nicht nur in öffentlichen Räumen etablieren,<br />

son<strong>de</strong>rn dringt auch in das Int<strong>im</strong>- <strong>und</strong> Privatleben ein. Es errichtet sich - um mit Foucault<br />

(1977, S. 230) zu sprechen, „eine Mikrojustiz <strong>de</strong>r Zeit (Verspätungen, Abwesenheiten, Unter-<br />

brechungen), <strong>de</strong>s Körpers (falsche Körperhaltungen <strong>und</strong> Gesten, Unsauberkeit), <strong>de</strong>r Sexualität<br />

(Unanständigkeit, Schamlosigkeit).“<br />

Die damit verb<strong>und</strong>ene Verdrängung <strong>de</strong>r Sexualität aus <strong>de</strong>m öffentlichen Alltag führt zur<br />

Schaffung <strong>von</strong> Ausweichräumen, in <strong>de</strong>nen Tabuverletzungen mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r toleriert wer-<br />

<strong>de</strong>n, wie Eckert u.a. (1990, S. 101) für die Pornographie festhalten: „Die Ausgrenzung <strong>de</strong>r<br />

Sexualität aus <strong>de</strong>m Alltag evoziert sozusagen die Schaffung medialer Bildwelten, die zur<br />

Konstitution <strong>von</strong> Ausweichräumen o<strong>de</strong>r Nischen beitragen <strong>und</strong> in <strong>de</strong>nen man die strengen<br />

Alltagsnormen umgehen kann.“ Dies zeigt sich gera<strong>de</strong> am Beispiel <strong>de</strong>s puritanischen Eng-<br />

lands, das gekennzeichnet ist durch <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rspruch zwischen öffentlicher Sittenstrenge <strong>und</strong><br />

ihrer gleichzeitigen Überschreitung <strong>im</strong> Verborgenen (vgl. Kleinspehn 1989). In diesem Zu-<br />

sammenhang entstand hier eine wahre Flut pornographischer Schriften.<br />

Im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert haben sich die zivilisatorischen Standards verän<strong>de</strong>rt; sie wer<strong>de</strong>n sichtbar<br />

gelockert, aber keineswegs aufgehoben. Mittlerweile ist die Psycho-Genese so weit fortge-<br />

schritten, dass in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten Bereichen externe Kontrollmechanismen überflüssig<br />

gewor<strong>de</strong>n sind. Sie wer<strong>de</strong>n durch situatives Verhalten ersetzt (vgl. Kap. III. 1.8). Dies gilt<br />

auch für <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r Sexualität <strong>und</strong> Körperlichkeit.<br />

Zivilisationstheoretische Aspekte <strong>de</strong>r Perversionen<br />

Von <strong>de</strong>r Transformation <strong>de</strong>r Sexualität sind auch die Formen sexuellen Verhaltens betroffen,<br />

die heute vor allem in ‘zivilisierten’ Gesellschaften <strong>im</strong> ‘Kanon <strong>de</strong>r Perversionen’ zu fin<strong>de</strong>n<br />

sind. In <strong>de</strong>r Antike durchaus zum ‘normalen’ Sexualverhalten gehörend - „as an ordinary part<br />

of the range of human eroticism“ (Boswell 1980, S. 333) - wer<strong>de</strong>n sie seit Beginn <strong>de</strong>r Neuzeit<br />

gera<strong>de</strong> unter <strong>de</strong>m Einfluss <strong>de</strong>r Kirche zunehmend verpönt. Das Erlaubte <strong>und</strong> Verbotene wird<br />

nicht mehr - wie <strong>im</strong> hellinistischen Griechenland - in großen Teilen vom Individuum selbst<br />

geregelt, son<strong>de</strong>rn durch Sittenvorschriften <strong>und</strong> Zwänge, die in engem Zusammenhang mit<br />

kanonischem Recht, christlicher Pastoraltheologie <strong>und</strong> Zivilrecht stehen. Walter (1985) weist<br />

darauf hin, dass vor allem seit <strong>de</strong>m Aufstieg <strong>de</strong>s Christentums zur Staatsreligion das ganze<br />

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