Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de
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sie akzeptabel. Dass <strong>im</strong> Spiel mit <strong>de</strong>m Risiko eine Gefahr für unbeteiligte An<strong>de</strong>re nicht auszu-<br />
schließen ist, macht das Spiel <strong>und</strong> seine Grenzen prekär. Die Grün<strong>de</strong> für Grenzübertretungen<br />
sind unterschiedlich. Sicherlich spielt <strong>de</strong>r Kontrollverlust unter Alkoholeinfluss eine Rolle,<br />
möglich auch, dass die antizipierte Medienaufmerksamkeit nach <strong>de</strong>m Motto ‘Hel<strong>de</strong>n für einen<br />
Tag’ be<strong>de</strong>utsam ist. Nicht auszuschließen ist auch, dass sich die Hooligans gera<strong>de</strong> in interna-<br />
tionalem Zusammenhang in die Rolle nationaler Hel<strong>de</strong>n phantasieren. Viel f<strong>und</strong>amentaler als<br />
diese St<strong>im</strong>uli dürfte aber <strong>de</strong>r Rahmenbruch durch die erzeugten spezifischen Emotionen selbst<br />
sein. Gera<strong>de</strong> weil das Spiel <strong>de</strong>r Hools so real ist, funktioniert das Rahmenmanagement nicht<br />
<strong>im</strong>mer <strong>und</strong> Entgleisungen sind die Folge. Das Spiel ist um so faszinieren<strong>de</strong>r, je echter das<br />
Spiel ist. Je echter das Spiel ist, um so eher verliert es seinen spielerischen Charakter. Der<br />
Rahmen bricht - mit fatalen Folgen, wie in Lens.<br />
Trotz unterschiedlicher ‘Authentizitätsstufen’ in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Szenen han<strong>de</strong>lt es sich um<br />
Spiele (vgl. Caillois 1982; Huizinga 1987), die über Grenzziehungen <strong>und</strong> Transformationsre-<br />
geln außeralltägliche Erfahrungen ermöglichen. Spiele grenzen Alltag aus <strong>und</strong> produzieren in<br />
einem eigenen Rahmen Spannung. Der Rahmen konstituiert sich über Spielregeln, Chancen-<br />
gleichheit <strong>und</strong> ungewissen Ausgang. Die Faszination <strong>de</strong>s Spiels dürfte nicht nur auf die inne-<br />
wohnen<strong>de</strong>n Spannungsquellen zurückzuführen sein, son<strong>de</strong>rn auch auf die Ausgrenzung <strong>von</strong><br />
Alltag. Das Spiel stellt eine abgegrenzte Form <strong>de</strong>s Erlebens dar, die durch einen ‘Als-Ob-<br />
Charakter’ gekennzeichnet ist. Während <strong>de</strong>s Spiels tut man so, als ob es nur die Wirklichkeit<br />
<strong>de</strong>s Spiels gebe. Der Rahmen, die Einbettung in an<strong>de</strong>re Wirklichkeiten ist nicht mehr bewusst.<br />
Die Spieler gehen <strong>im</strong> Spiel auf.<br />
Sadomasochisten, Paintballspieler <strong>und</strong> Hooligans zeigen, dass sich neue Regeln <strong>de</strong>s Umgangs<br />
mit <strong>de</strong>struktiven Affekten prinzipiell fin<strong>de</strong>n lassen. Dieses Ergebnis ist allerdings an <strong>de</strong>n en-<br />
gen Rahmen <strong>von</strong> persönlichen Beziehungsnetzen <strong>und</strong> freiwilligen Vereinbarungen geb<strong>und</strong>en<br />
<strong>und</strong> daher nicht ohne weiteres auf die Gesellschaft übertragbar. Gleichwohl trägt das in ihr<br />
entwickelte Lösungsmuster Züge, die letztlich <strong>de</strong>r Transformation <strong>de</strong>r Ethik <strong>im</strong> Mo<strong>de</strong>rnisie-<br />
rungsprozess entstammen: Konkrete Rechte <strong>und</strong> Pflichten wer<strong>de</strong>n <strong>im</strong>mer mehr durch abstrak-<br />
tere, universalistische Regeln ersetzt, die nichts positiv vorschreiben, son<strong>de</strong>rn Bedingungen<br />
<strong>und</strong> Grenzen für inhaltlich best<strong>im</strong>mte Handlungen formulieren.<br />
Es sind typischerweise Situationen, welche die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r jeweiligen Kultur respektive<br />
Szene als folgenlos verstehen, entwe<strong>de</strong>r weil die Opfer keinen Zugang zu Justiz haben o<strong>de</strong>r<br />
weil ein Einverständnis zwischen Opfern <strong>und</strong> Gegnern besteht, dass das Ganze nur ein Spiel<br />
sei o<strong>de</strong>r - <strong>im</strong> Falle <strong>de</strong>r Paintballspieler - tatsächlich nur ein Spiel ist. Der Charakter dieser<br />
Formen <strong>de</strong>r Gewalt also ist <strong>von</strong> an<strong>de</strong>ren Gewaltformen gr<strong>und</strong>sätzlich verschie<strong>de</strong>n. Während<br />
die Schlägerei in <strong>de</strong>r Kneipe, die Vergewaltigung o<strong>de</strong>r Tötung <strong>im</strong>mer auch (staatliche) Ge-<br />
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