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Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de

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Außeralltäglichkeit verb<strong>und</strong>en, die als temporärer Ausstieg aus <strong>de</strong>n allgemein gelten<strong>de</strong>n Ver-<br />

haltenskonventionen verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n kann. Den Alltag als Bezugspunkt <strong>de</strong>r Außeralltäg-<br />

lichkeit beschreibt Weber (1921/1976) in seinen soziologischen Gr<strong>und</strong>begriffen bzw. in seiner<br />

Theorie sozialen Han<strong>de</strong>lns als ein sich in sehr kleinen Abstän<strong>de</strong>n regelmäßig wie<strong>de</strong>rholen<strong>de</strong>s<br />

Han<strong>de</strong>ln. Somit liegt <strong>de</strong>r Unterschied zwischen Alltag <strong>und</strong> Außeralltäglichkeit in <strong>de</strong>r Häufig-<br />

keit <strong>de</strong>s Vorkommens. Weber versteht unter Alltag aber auch gelebtes, traditionales Han<strong>de</strong>ln.<br />

Zum Alltag dazu gehörig fasst er schließlich zweckrationales Han<strong>de</strong>ln, das durch die rationale<br />

Abwägung <strong>de</strong>s Zwecks, <strong>de</strong>r zu verwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Mittel <strong>und</strong> <strong>de</strong>r zu erwarten<strong>de</strong>n Nebenfolgen<br />

gekennzeichnet ist. 134 Mit <strong>de</strong>r zunehmen<strong>de</strong>n Rationalisierung <strong>de</strong>r Welt unterstellt Weber<br />

(1921/1988) die Abnahme <strong>von</strong> magischen <strong>und</strong> mystischen Vorgängen <strong>und</strong> bezeichnet diesen<br />

jahrh<strong>und</strong>ertelangen Prozess, <strong>de</strong>r bereits in frühen Hochkulturen begonnen habe <strong>und</strong> bis heute<br />

anhält, als die „Entzauberung <strong>de</strong>r Welt“. Luckmann (1991) formuliert, dass die ‘Religion’<br />

nicht verschwin<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn diff<strong>und</strong>iert. Menschen haben religiöse <strong>und</strong> o<strong>de</strong>r spirituelle Erleb-<br />

nisse in an<strong>de</strong>ren, unterschiedlichen Bereichen, so z.B. <strong>de</strong>r Zapfenstreich be<strong>im</strong> Militär. Auch<br />

<strong>im</strong> Sport <strong>und</strong> in verschie<strong>de</strong>nen Hobbys sind vormals religiöse Erfahrungen vorhan<strong>de</strong>n. 135<br />

Rituale übernehmen hier eine beson<strong>de</strong>re Funktion: Einerseits strukturieren sie <strong>de</strong>n Alltag,<br />

machen Verhalten erwartbar; an<strong>de</strong>rerseits stellen Rituale aber gera<strong>de</strong> auch <strong>de</strong>n Übergang vom<br />

134 Die Dialektik <strong>von</strong> Alltag <strong>und</strong> Außeralltäglichkeit vermag Schulze (1999, S. 79) an einem sehr einfachen, aber<br />

plastischen Beispiel zu beschreiben: „Der Film ‘Baka’, vor Jahrzehnten <strong>von</strong> französischen Ethnologen gedreht,<br />

gibt Szenen aus <strong>de</strong>m Leben eines Naturvolks in Afrika wie<strong>de</strong>r. Ab <strong>und</strong> zu sieht man einen alten Mann,<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn signalisiert, dass er ihnen eine Geschichte erzählen möchte. Die Kin<strong>de</strong>r hören auf zu spielen,<br />

setzen sich hin <strong>und</strong> schauen ihn erwartungsvoll an. Alle seine Geschichten beginnen mit <strong>de</strong>r Floskel: ‘Das<br />

war so’, <strong>und</strong> sie en<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Satz ‘So war das’. Was hier sichtbar wird, ist eine Ur-I<strong>de</strong>e: gemeinsam aus<br />

<strong>de</strong>m Fluss <strong>de</strong>s Alltagsgeschehens herauszutreten <strong>und</strong> eine Enklave in Raum <strong>und</strong> Zeit zu schaffen, in <strong>de</strong>r ein<br />

Arrangement zwischen Akteuren <strong>und</strong> Beobachtern gilt - <strong>de</strong>r Tausch <strong>von</strong> Aufmerksamkeit gegen eine bemerkenswerte<br />

Darbietung. Noch nie aber so scheint es, hat es so zahlreiche Verabredungen zwischen <strong>de</strong>m universellen<br />

Erzähler <strong>und</strong> seinem ewigen Publikum gegeben“ (Schulze 1999, S. 79).<br />

135 Aus <strong>de</strong>r Vielzahl psychologischer Erklärungsversuche möchte ich hier explizit auf die Ansätze <strong>von</strong> Balint<br />

<strong>und</strong> Zuckerman/Bone verweisen. Balint unterstellt <strong>de</strong>m Menschen Lustgewinn durch das Erfahren <strong>von</strong> Angst<br />

<strong>im</strong> Sinne <strong>de</strong>s Wissens um Risiko <strong>und</strong> Gefahr in Grenzsituationen. Dabei sind drei Elemente konstitutiv: 1.<br />

Das Bewusstein eines äußeren Risikos o<strong>de</strong>r einer Gefahr, 2. Die freiwillige Konfrontation mit <strong>de</strong>r Gefahr <strong>und</strong><br />

3. die Hoffnung <strong>und</strong> das Vertrauen auf die Bewältigung <strong>de</strong>r Gefahrensituation <strong>und</strong> das Wie<strong>de</strong>rherstellen <strong>de</strong>r<br />

Sicherheit (vgl. Balint 1982). Zuckerman geht <strong>von</strong> einem gewissen Gr<strong>und</strong>bedürfnis <strong>de</strong>s Menschen nach Aktivität,<br />

Spannung <strong>und</strong> Erregung aus. Dieses jedoch ist nicht bei allen Menschen gleich ausgeprägt. So gibt es<br />

die ‘high-sensation-seekers’ <strong>und</strong> die ‘low-sensation-seekers’. Hohe Reizsucher haben einen stark ausgeprägten<br />

St<strong>im</strong>ulationsbedarf, <strong>de</strong>n er durch eine sensorische Deprivation erklärt. Die Schwelle <strong>de</strong>s Empfin<strong>de</strong>ns <strong>von</strong><br />

Angst z.B. liegt bei hohen Reizsuchern sehr viel höher als bei an<strong>de</strong>ren. Für hohe Spannungssucher stellt sich<br />

das Problem, dass das Alltagsleben als zu spannungslos empf<strong>und</strong>en wird <strong>und</strong> sich diese Erfahrungsräume suchen,<br />

die ihren Bedürfnissen entgegen kommen (vgl. Zuckerman/Bone 1972). Apter (1994) schließt sich diesen<br />

Konzepten weitestgehend an, in<strong>de</strong>m er auch das Bedürfnis nach Risko-Erfahrung als etwas Natürliches<br />

betrachtet <strong>und</strong> dafür plädiert, ‘Räume <strong>de</strong>s Risikos’ zu schaffen. Zum Thema Risikolust vgl. auch Hauck<br />

(1989) sowie Brengelmann (1991).<br />

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