Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de
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verbin<strong>de</strong>t. Dabei ist es nicht erfor<strong>de</strong>rlich, dass zwischen allen Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r<br />
Spezialkulturen unmittelbare face-to-face-Beziehungen entstehen, vielmehr gruppieren<br />
sie sich auch überlokal um spezifische Themen <strong>und</strong> Sinnangebote“ (Wetzstein<br />
u.a. 1993, S. 17f).<br />
Als ein Gr<strong>und</strong> für die Herausbildung <strong>von</strong> Spezialkulturen ist die kommunikative Infrastruktur<br />
<strong>de</strong>r Medien zu nennen, die es <strong>im</strong>mer leichter macht, ‘Wahlnachbarschaften’ für spezielle Inte-<br />
ressen aufzubauen. Ein an<strong>de</strong>rer <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ener Gr<strong>und</strong> liegt in <strong>de</strong>m Be<strong>de</strong>utungszu-<br />
wachs <strong>de</strong>r Selbstverwirklichung. Mit <strong>de</strong>r Aus<strong>de</strong>hnung <strong>de</strong>r Bildungsbeteiligung erfahren <strong>im</strong>-<br />
mer mehr Menschen, dass sie selbst Gegenstand ihrer Arbeit sind <strong>und</strong> sein müssen (vgl.<br />
Eckert 1984; Eckert 1990). Gesteigerte Reflexivität <strong>und</strong> Selbstbezogenheit ist die Folge. Der<br />
sich Bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> wird ten<strong>de</strong>nziell zum Baumeister seiner eigenen I<strong>de</strong>ntität.<br />
Der Schub an Reflexivität in <strong>de</strong>n letzten Jahrzehnten, maßgeblich getragen durch die mediale<br />
Universalisierung <strong>von</strong> Selbstbezogenheit <strong>und</strong> Selbstverwirklichungsi<strong>de</strong>alen, führt zu <strong>im</strong>mer<br />
weiter fortschreiten<strong>de</strong>n Differenzierungen, zur Herausbildung <strong>von</strong> <strong>im</strong>mer neuen Spezialkultu-<br />
ren, in <strong>de</strong>nen <strong>im</strong>mer spezifischere Bedürfnisse ausgelebt <strong>und</strong> ausagiert wer<strong>de</strong>n. Während<br />
Selbstverwirklichung in <strong>de</strong>r bildungsbürgerlichen Tradition noch begründungspflichtig war,<br />
<strong>und</strong> beispielsweise durch <strong>de</strong>n genialen Beitrag zur Innovation in Kunst <strong>und</strong> Wissenschaft legi-<br />
t<strong>im</strong>iert wur<strong>de</strong>, ist heute bereits durch die unzähligen Wahlmöglichkeiten <strong>im</strong> Konsum sicher-<br />
gestellt, dass die subjektive Gefühlslage zum Kriterium wer<strong>de</strong>n kann, auch ohne dass dies<br />
begründungspflichtig ist. Der Wi<strong>de</strong>rspruch zwischen Pflicht <strong>und</strong> Neigung, wie er bei Kant<br />
<strong>und</strong> Schiller thematisiert wird, ist in vielen Lebensbereichen, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Freizeit, durch<br />
die Selbstlegit<strong>im</strong>ation <strong>de</strong>r Neigung aufgelöst. Erlebnisorientierte Spezialisierungen gehören<br />
<strong>de</strong>shalb zur Gr<strong>und</strong>struktur <strong>de</strong>r Freizeitgesellschaft. 128<br />
3. Außeralltäglichkeit, Gewalt <strong>und</strong> Zivilisation<br />
Neben Spezialkulturen, die sich um Themen wie ‘Aquarell-Malen’, ‘Briefmarken-Sammeln’,<br />
‘Mo<strong>de</strong>lleisenbahn’, ‘He<strong>im</strong>werken’ o<strong>de</strong>r ‘Camping’ herauskristallisieren, haben sich auch sol-<br />
128 Selbstverwirklichung be<strong>de</strong>utet dann aber auch Selbstvergewisserung hinsichtlich <strong>de</strong>s Körpers <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Gefühle.<br />
Sie wird hergestellt in persönlichen Beziehungen, <strong>im</strong> Extremsport, <strong>im</strong> Medienkonsum. Der Wunsch, <strong>de</strong>n<br />
Körper, das an<strong>im</strong>alische, <strong>de</strong>n Affekt zu spüren, <strong>Grenzerfahrung</strong>en <strong>und</strong> Ekstase zu erleben, ist Ausdruck einer<br />
postmo<strong>de</strong>renen Variante <strong>de</strong>r Selbstthematisierung, die in <strong>im</strong>mer schnellerem Tempo <strong>im</strong>mer neue Räume <strong>de</strong>r<br />
Außeralltäglichkeit <strong>und</strong> <strong>de</strong>s Thrills produziert. Körpererfahrung wird für manche Menschen zum zentralen<br />
Konstruktionsprinzip <strong>de</strong>r subjektiven I<strong>de</strong>ntität, weil gera<strong>de</strong> sie unhintergehbare Authentizität zu beglaubigen<br />
scheint (vgl. Trilling 1989).<br />
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