Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de
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„All diese Ästhetisierung <strong>und</strong> Pseudo-Entästhetisierung <strong>von</strong> Produkten ist Teil eines<br />
umfassen<strong>de</strong>n Wan<strong>de</strong>ls, <strong>de</strong>r nicht auf <strong>de</strong>n Markt <strong>de</strong>r Güter <strong>und</strong> Dienstleistungen<br />
beschränkt bleibt. Leben schlechthin ist zum Erlebnisprojekt gewor<strong>de</strong>n. Zunehmend<br />
ist das alltägliche Wählen zwischen Möglichkeiten durch <strong>de</strong>n bloßen Erlebniswert<br />
<strong>de</strong>r gewählten Alternative motiviert: Konsumartikel, Eßgewohnheiten,<br />
Figuren <strong>de</strong>s politischen Lebens, Berufe, Partner, Wohnsitutationen, Kind o<strong>de</strong>r<br />
Kin<strong>de</strong>rlosigkeit. Der Begriff <strong>de</strong>s Erlebnisses ist mehr als ein Terminus <strong>de</strong>r Freizeitsoziologie.<br />
Er macht die mo<strong>de</strong>rne Art zu leben insgesamt zum Thema“ (ebd.<br />
1993, S. 13f). 126<br />
2. Spezialkulturen in <strong>de</strong>r Erlebnisgesellschaft<br />
Einen ähnlichen Ansatz haben die Trierer Soziologen entwickelt. Sie sprechen <strong>von</strong> speziali-<br />
sierten (Affekt)Kulturen, die sich in <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Gesellschaft herauskristallisieren. Ausge-<br />
hend <strong>von</strong> einer historisch-strukturtheoretischen Arbeit (vgl. Winter/Eckert 1990) wur<strong>de</strong>n ver-<br />
schie<strong>de</strong>nste Spezialkulturen in unterschiedlichen Studien (Gewalt/Horror, Sexuali-<br />
tät/Pornographie, Neue Medien/Computernetzwerke/Internet, agressionsaffine Jugendgrup-<br />
pen) nachgezeichnet. 127 Das Phänomen <strong>de</strong>r Spezialkulturen wird dabei wie folgt erklärt:<br />
„Zentrales Charakteristikum <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen, medienvermittelten Kultur scheint zu<br />
sein, spezifische Gefühlslagen <strong>und</strong> -praxen, die in <strong>de</strong>r bisherigen Geschichte <strong>de</strong>r<br />
Menschheit in religiöse, familiale, politische <strong>und</strong> militärische Symbolik eingeb<strong>und</strong>en<br />
waren, aus diesen übergreifen<strong>de</strong>n Sinnzusammenhängen herauszulösen<br />
<strong>und</strong> sie isoliert <strong>und</strong> spezialisiert zur ‘Wahl’ zu stellen. So lassen sich spezifische<br />
Meditationstechniken in <strong>de</strong>r Hoffnung auf spirituelle Erfahrungen einüben, ohne<br />
das Lehrgebäu<strong>de</strong> zu übernehmen, in <strong>de</strong>m sie entwickelt wor<strong>de</strong>n sind; so können<br />
die <strong>Grenzerfahrung</strong>en eines Überlebenstrainings ‘gebucht’ wer<strong>de</strong>n, ohne dass sie<br />
als Vorbereitung auf einen Krieg 'Sinn' machen; so sind symmetrische Kommunikationsformen<br />
erlernbar, ohne dass diese an genossenschaftlich-<strong>de</strong>mokratische<br />
Organisationsstrukturen geb<strong>und</strong>en wären. Liebe <strong>und</strong> Sexualität, die auch in <strong>de</strong>r<br />
Vergangenheit eher normativ als faktisch an Ehe <strong>und</strong> Familie geb<strong>und</strong>en waren,<br />
legit<strong>im</strong>ieren sich zusehends aus sich selbst. Nach<strong>de</strong>m die persönlichen Beziehungen<br />
heute weitestgehend aus <strong>de</strong>r Jurisdiktion <strong>und</strong> Kontrolle <strong>von</strong> Verwandtschaft<br />
<strong>und</strong> Nachbarschaft entlassen sind, ist nicht einfach ein ‘Freiraum’ entstan<strong>de</strong>n,<br />
son<strong>de</strong>rn eher ein Marktplatz, auf <strong>de</strong>m Menschen als Anbieter <strong>und</strong> Nachfrager <strong>von</strong><br />
Fre<strong>und</strong>schaft, Liebe, Geborgenheit <strong>und</strong> Abenteuer auftreten. Auf diesen Märkten<br />
differenzieren sich spezifische Sinnwelten heraus, die wir als Spezialkulturen bezeichnen.<br />
In ihnen fin<strong>de</strong>n sich Menschen zusammen, die eine gemeinsame Wahrnehmung<br />
<strong>de</strong>r Wirklichkeit o<strong>de</strong>r gemeinsame Interessen <strong>und</strong> Spezialisierungen<br />
126 Schon <strong>de</strong>r Autokauf hängt nicht mehr <strong>von</strong> funktionalen Aspekten ab, son<strong>de</strong>rn vom Erlebniswert, <strong>de</strong>n diese<br />
o<strong>de</strong>r jene Automarke vermittelt (BMW postuliert ‘Freu<strong>de</strong> am Fahren’ <strong>im</strong> Cla<strong>im</strong> <strong>de</strong>r Marke).<br />
127 Vgl. Eckert u.a. (1990; 1991); Eckert u.a. (2000); Wetzstein u.a. (1995)<br />
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