Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de

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11.11.2012 Aufrufe

und so: Ja, ich geh zum Fußball und dann ging die Boxerei ab und die haben noch nie einen umgeboxt oder mal eine gekriegt, aus dem einfachen Grunde, weil se viel zu weit weg waren, das erst mal aus der Ferne beobachtet haben. Das sind eigentlich sehr viele. Es gibt’n harten Kern und dann gibt es Mitläufer. Ansehen und Prestige wird nur den ‘wirklichen Kämpfern’ zu Teil. Aber nicht nur der kurz- fristige Erfolg, sondern vor allem - eng damit verknüpft - eine entsprechende Szenekarriere (‘Die Alten’) bestimmen den Rang eines Gruppenmitglieds. Oben steht, wer lange und erfolg- reich dabei ist. Neulinge müssen sich zuerst einmal bewähren: A: Und, ja, was heißt Mutproben, wenn halt gesehen wurde, man hat halt schon mal am Anfang ein, zwei Mal was hinter die Löffel gekriegt sozusagen, also nicht schlimm, aber es wurde halt so gesagt: „Hier, geb mal’n Bier aus oder sei froh, dass du mitfahren darfst. Und wenn ich dich nachher nicht vorne sehe, dann kriegst du nach dem Spiel von mir noch eine.“ A: Akzeptiert wirst de eigentlich erst, wenn de richtig mit vorne dabei bist und dich auch stellst, wenn die gegnerischen Hooligans kommen und nicht gleich wegrennst. Aber das kriegen die Leute nach ‘ner Zeit auch mit, wer mitmacht. Man muss sich das wirklich erkämpfen. Es gibt ja auch Nachwuchsleute, wenn die ewig da wegrennen, ja, dann kriegen die was aufs Maul, ist klar. Weil, ich weiß nicht, ist nun mal so. Die Alten sind nicht nur die Angesehensten, sie sorgen auch dafür - sofern das möglich ist - dass die Tradition und insbesondere ihre Verkörperung durch bestimmte Regeln (z.B. Verbot des Waffengebrauchs) eingehalten werden. Abgeklärter als die jungen Nachwuchshools üben sie eine wichtige Kontrollfunktion in der affektiv geladenen Situation der Schlägerei aus. Sie halten die jungen ‘Heißsporne’ vor den ärgsten Ausschreitungen zurück. Kritisch anzumerken ist, dass ihnen das allerdings nicht immer gelingt. F: Kriegen die Druck von den andern, wenn se das machen? A: Wenn se erwischt werden, ja. Zumindest, es sind ja meist die Leute, die erst anfangen, die mehr hinten in der Reihe stehen. Und die Leute, die zu den Alten gehören, die packen sich die dann schon mal und geb’n ihnen zur Not auch eine aufs Maul, ne. Zum Beispiel war ein Spiel gewesen, da hat einer en Stein aufgehoben und da kam’n Alter an und sagte: „Ja, wenn du den net gleich wegschmeißt, dann fliegst du da hinterher.“ Ich find’s nicht korrekt, ne. Weil dadurch ja wirklich viel passieren kann und richtig was, wenn du so’n Stein an den Kopf kriegst, wenn der unglücklich dann landet, ne, dann liegst de daneben. Der Einfluss der Alten machte sich überall im Gruppenleben bemerkbar. Sie haben Vorbild- funktion. So gelang der Kontakt zu dieser Szene über eine solche ‘zentrale Figur’: 268

A: Wenn [nennt Namen] dich hierher bringt, dann hör’ ich dir wenigstens zu. In dieser hoch gewaltaffinen Gruppe werden bestimmte Autoritäten selten in Frage gestellt. Möglicherweise ist diese Struktur im Zusammenhang mit dem hohen Risiko im Gewaltritual zu sehen. Angesichts der hohen Dynamik der Situation können nicht hinterfragte Führerfigu- ren funktional sinnvoll sein. In der Gruppe gibt es aber noch eine andere wichtige Funktion. Vor dem Showdown haben alle ein mulmiges Gefühl oder Angst - was auch von den meisten offen eingestanden wird. Hier helfen die ‘Pusher’, indem sie stimulieren, anfeuern, euphorisieren und so ein Gefühl der Unbesiegbarkeit produzieren: A: Ich hab’s schon erlebt, dass sich Leute an den Händen gefasst haben und irgendwo raufgerannt sind, nur um sich gegenseitig zu pushen, und um sich gegenseitig vielleicht auch’n bisschen Mut zu machen und, also es ist halt ganz wichtig, diese Mischung aus Motivation und Gruppengefühl. Es gibt Leute, die können andere so gut pushen, dass sie einfach keine Angst mehr haben oder einfach gut drauf sind oder so, gute Stimmung verbreiten und dann natürlich auch halt die richtige Stimmung kriegen, um zu sagen: Selbst, wenn ich umfalle oder sonst was passiert, da muss ich jetzt durch, und zwar mit meinen Kollegen und mit meinen Freunden zusammen. Diese Personen haben in gewissem Sinne die gleiche Funktion, wie die Trommler und Fah- nenträger in historischen Militärschlachten. Durch ihre ‘Motivationsarbeit’ wird es für den Einzelnen subjektiv leichter, die Norm der Tapferkeit einzuhalten: Es ist wichtig, nicht zu kneifen. Nur wenn niemand kneift, hat die Gruppe überhaupt eine Chance oder besteht gar die Aussicht auf den Sieg (und die anschließende Siegesfeier). Dementsprechend wichtig ist Tap- ferkeit und Solidarität im Kampf. A: Da ist sicherlich was dran, man kennt sich, man weiß, dass man sich auf viele Leute verlassen kann und dieses Gruppengefühl kommt gerade immer dann, wenn man irgendwo anders ist, ich sag mal, in ‘ner fremden Stadt, wo man nicht weiß, was ist nun, und wenn man dann vielleicht nur mit 30 Leuten da ist, dann muss man sich halt irgendwie zusammengehörig fühlen, um überhaupt irgendwas hinzukriegen (...). Ich glaube, dass es auch ‘ne Sache war, warum es die Leute auch so zum Fußball hinzieht. Das ist halt irgendwie schon, du hast da Freunde, für die du sonst was machen würdest, auf die du dich verlassen kannst. du bist sicherlich nicht mit jedem gut Freund, aber ich kann für mich persönlich sagen, dass ich da 10 Leute rumlaufen habe, für die würde ich, auf gut deutsch gesagt, in jeder Situation des Lebens meinen Arsch hinhalten. Die erfahrene Solidarität im Kampf wird zu einem besonderen Ausweis für Verlässlichkeit. Nur diejenigen, die mit ihrem Körper für mich einstehen, sind einen besonderen Einsatz wert und - so ließe sich weiterführen - sind die Garanten für die interne Stabilität des Rituals. Ge- 269

A: Wenn [nennt Namen] dich hierher bringt, dann hör’ ich dir wenigstens zu.<br />

In dieser hoch gewaltaffinen Gruppe wer<strong>de</strong>n best<strong>im</strong>mte Autoritäten selten in Frage gestellt.<br />

Möglicherweise ist diese Struktur <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong>de</strong>m hohen Risiko <strong>im</strong> Gewaltritual<br />

zu sehen. Angesichts <strong>de</strong>r hohen Dynamik <strong>de</strong>r Situation können nicht hinterfragte Führerfigu-<br />

ren funktional sinnvoll sein.<br />

In <strong>de</strong>r Gruppe gibt es aber noch eine an<strong>de</strong>re wichtige Funktion. Vor <strong>de</strong>m Showdown haben<br />

alle ein mulmiges Gefühl o<strong>de</strong>r Angst - was auch <strong>von</strong> <strong>de</strong>n meisten offen eingestan<strong>de</strong>n wird.<br />

Hier helfen die ‘Pusher’, in<strong>de</strong>m sie st<strong>im</strong>ulieren, anfeuern, euphorisieren <strong>und</strong> so ein Gefühl <strong>de</strong>r<br />

Unbesiegbarkeit produzieren:<br />

A: Ich hab’s schon erlebt, dass sich Leute an <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n gefasst haben <strong>und</strong> irgendwo<br />

raufgerannt sind, nur um sich gegenseitig zu pushen, <strong>und</strong> um sich gegenseitig<br />

vielleicht auch’n bisschen Mut zu machen <strong>und</strong>, also es ist halt ganz wichtig,<br />

diese Mischung aus Motivation <strong>und</strong> Gruppengefühl. Es gibt Leute, die können<br />

an<strong>de</strong>re so gut pushen, dass sie einfach keine Angst mehr haben o<strong>de</strong>r einfach gut<br />

drauf sind o<strong>de</strong>r so, gute St<strong>im</strong>mung verbreiten <strong>und</strong> dann natürlich auch halt die<br />

richtige St<strong>im</strong>mung kriegen, um zu sagen: Selbst, wenn ich umfalle o<strong>de</strong>r sonst was<br />

passiert, da muss ich jetzt durch, <strong>und</strong> zwar mit meinen Kollegen <strong>und</strong> mit meinen<br />

Fre<strong>und</strong>en zusammen.<br />

Diese Personen haben in gewissem Sinne die gleiche Funktion, wie die Trommler <strong>und</strong> Fah-<br />

nenträger in historischen Militärschlachten. Durch ihre ‘Motivationsarbeit’ wird es für <strong>de</strong>n<br />

Einzelnen subjektiv leichter, die Norm <strong>de</strong>r Tapferkeit einzuhalten: Es ist wichtig, nicht zu<br />

kneifen. Nur wenn niemand kneift, hat die Gruppe überhaupt eine Chance o<strong>de</strong>r besteht gar die<br />

Aussicht auf <strong>de</strong>n Sieg (<strong>und</strong> die anschließen<strong>de</strong> Siegesfeier). Dementsprechend wichtig ist Tap-<br />

ferkeit <strong>und</strong> Solidarität <strong>im</strong> Kampf.<br />

A: Da ist sicherlich was dran, man kennt sich, man weiß, dass man sich auf viele<br />

Leute verlassen kann <strong>und</strong> dieses Gruppengefühl kommt gera<strong>de</strong> <strong>im</strong>mer dann, wenn<br />

man irgendwo an<strong>de</strong>rs ist, ich sag mal, in ‘ner frem<strong>de</strong>n Stadt, wo man nicht weiß,<br />

was ist nun, <strong>und</strong> wenn man dann vielleicht nur mit 30 Leuten da ist, dann muss<br />

man sich halt irgendwie zusammengehörig fühlen, um überhaupt irgendwas hinzukriegen<br />

(...). Ich glaube, dass es auch ‘ne Sache war, warum es die Leute auch<br />

so zum Fußball hinzieht. Das ist halt irgendwie schon, du hast da Fre<strong>und</strong>e, für die<br />

du sonst was machen wür<strong>de</strong>st, auf die du dich verlassen kannst. du bist sicherlich<br />

nicht mit je<strong>de</strong>m gut Fre<strong>und</strong>, aber ich kann für mich persönlich sagen, dass ich da<br />

10 Leute rumlaufen habe, für die wür<strong>de</strong> ich, auf gut <strong>de</strong>utsch gesagt, in je<strong>de</strong>r Situation<br />

<strong>de</strong>s Lebens meinen Arsch hinhalten.<br />

Die erfahrene Solidarität <strong>im</strong> Kampf wird zu einem beson<strong>de</strong>ren Ausweis für Verlässlichkeit.<br />

Nur diejenigen, die mit ihrem Körper für mich einstehen, sind einen beson<strong>de</strong>ren Einsatz wert<br />

<strong>und</strong> - so ließe sich weiterführen - sind die Garanten für die interne Stabilität <strong>de</strong>s Rituals. Ge-<br />

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