Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de

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3. Hooligans - Gewalt macht Spaß Besuch aus Deutschland ... „Als Markus Warnecke und 45 Gleichgesinnte (...) gegen Mitternacht am Busbahnhof Hannover den Bussa-Nova-Reisebus bestiegen, hatte keiner von ihnen eine Eintrittskarte für das Spiel der Nationalelf gegen Jugoslawien bei sich, dafür aber Massen von Bier und den festen Willen, sich zu prügeln. ‘Wir sind Hooligans’, bekennt Jörg Draht, Organisator der Fahrt, ‘einer gepflegten Schlägerei sind wir nicht abgeneigt’“ (Der Spiegel 1998, S. 74 – zu den Ereignisse in Lens 1998). Seit dem Brüsseler Heyseldrama 1985 evozieren gewaltbereite Fußballfans in der breiten Öf- fentlichkeit Empörung und Bestürzung. Erneut wurde das Problem der (Jugend)Gewalt in das Bewusstsein gerückt, als Hooligans aus Deutschland bei der Fußballweltmeisterschaft in Frankreich bei Krawallen in der nordfranzösischen Stadt Lens am 21. Juni 1998 den Gendar- men Daniel Nivel so schwer verletzten, dass dieser wochenlang im Koma lag und bleibende Schäden davon trug. Abb.: Tatfoto vom Juni 1998 in Lens: Ein Hooligan schlägt auf den am Boden liegenden Polizisten ein (Quelle: http://mainz-online.de) „Was im nordfranzösischen Lens (...) nach dem Spiel der Deutschen gegen die Jugoslawen geschehen war, hatte ‘die Welt entsetzt’ (‘Bild’). Der Beinahe- Totschlag, von blindwütig prügelnden Hooligans vollzogen an einem 43jährigen Polizisten, beherrschte tagelang die Medien, beschäftigte den Bundestag und wurde zum politischen Zankapfel zwischen Deutschen und Franzosen. (...) Waren die französischen Sicherheitskräfte schlecht vorbereitet auf ein erwartbares, von Düsseldorfer LKA-Leuten angekündigtes Spektakel der fliegenden Fäuste? (...) Einig waren sich alle im empörten Aufschrei und in der Verurteilung von Tat und Tätern. ‘Gewaltverbrecher’ nannte sie Außenminister Klaus Kinkel und forderte eine 252

‘Hooligan-Datenbank’ (die es längst gibt). Von ‘kaum resozialisierbaren’ Tätern sprach Innenminister Manfred Kanther. Über ‘reisende Gewalttäter’, die ‘dem Ansehen Deutschlands schwer geschadet’ haben, klagte der SPD-Agbeordnete Jürgen Meyer. DFB-Abgeordenete waren den Tränen nahe. Der Kanzler schämte sich stellvertretend für die ganze Nation“ (ebd. S. 73). Hooligans oder Hools sind gewaltbereite Gruppen, die sich seit 1987 innerhalb der deutschen Fußballszene ausbreiten und sich dabei an den englischen Vorbildern orientieren. Sie sind Teil eines Randaletourismus, wie er im oben zitierten Spiegel-Artikel beschrieben wird: Ort und Zeit für körperliche Auseinandersetzungen werden oftmals schon via Telefon/Handy oder Internet verabredet. In erster Linie geht es hier nicht unbedingt um Fußball, sondern um die Schlacht nach dem Spiel. Innerhalb der bundesdeutschen Fankulturen unterscheiden Utz/Benke (1997, S. 103) die Gruppen der Novizen, Kutten, Hools und Veteranen, „die sich hinsichtlich ihrer Figurations- struktur, der Interpretation der subkulturellen Wertvorstellungen und der daraus resultieren- den Logik ihres Ausschreitungsverhaltens unterscheiden.“ Die Novizen stoßen im Alter von zwölf bis 16 Jahren zur Fankultur. Dieser „Einstieg“ kann Ausgangspunkt einer längeren Fankarriere sein. In der Szene insgesamt haben die Novizen das geringste Ansehen; sie wer- den als „Kinder, Heuler- oder Lutschermob“ (ebd., S. 106) verhöhnt und müssen sich zuerst ihre Sporen verdienen. Ist ihnen das gelungen, können sie möglicherweise zu Kuttenträgern aufsteigen. Kuttenträger sind Fangruppen, die ihre Vorliebe für ihren Verein durch Schals und Mützen und die über und über mit Vereinsemblemen verzierte Jacke (Kutte) ausdrücken. Kut- ten gehören zu den etablierten und anerkannten Fans und sind auch für Außenstehende wäh- rend der Bundesligasaison beim samstäglichen Stadionbesuch leicht auszumachen. Der Vete- ran stellt den Ausstiegstyp aus der Fankultur dar. Er ist nur noch lose über Kneipen, Cliquen oder Freundesgruppen an die Szene gebunden und bewegt sich eher zurückhaltend in dieser Welt. Hooligans bezeichnen einen neuen Fantyp in der bundesdeutschen Fankultur und unter- scheiden sich von den übrigen Typen: „Sie rekrutieren sich zum Teil aus ehemaligen Kuttenträgern, die bereits eine Karriere als Novize hinter sich haben. Neuerdings scheinen sie direkt aus Novizenkreisen und jugendlichen Gruppen Zulauf zu haben, die keine spezifischen Fanerfahrungen mehr aufweisen, sondern sich umweglos an die Hools anzuschließen versuchen. Die Hooligans sind für den Außenstehenden nicht auf den ersten Blick wie etwa die gleichaltrigen Kuttenträger erkennbar. Zu ihrer ‘Standardausrüstung’ gehören teure Jeans, Jogging-Bekleidung, Imitationen amerikanischer Baseballjacken und die ihrem Verständnis nach unverzichtbaren Regenschirme. Auch den Hools dient die spezielle Kleidung als Mittel, sich gegenüber den anderen Typen der Fankultur intern abzugrenzen und nach außen für die gegnerischen Hools leicht erkennbar zu sein. Daß das Tragen von Symbolen in der Fanszene als abgrenzungsrelevantes Zugehörigkeitssymbol gelesen wird, zeigen Ausdrücke mit 253

‘Hooligan-Datenbank’ (die es längst gibt). Von ‘kaum resozialisierbaren’ Tätern<br />

sprach Innenminister Manfred Kanther. Über ‘reisen<strong>de</strong> Gewalttäter’, die ‘<strong>de</strong>m<br />

Ansehen Deutschlands schwer gescha<strong>de</strong>t’ haben, klagte <strong>de</strong>r SPD-Agbeordnete<br />

Jürgen Meyer. DFB-Abgeor<strong>de</strong>nete waren <strong>de</strong>n Tränen nahe. Der Kanzler schämte<br />

sich stellvertretend für die ganze Nation“ (ebd. S. 73).<br />

Hooligans o<strong>de</strong>r Hools sind gewaltbereite Gruppen, die sich seit 1987 innerhalb <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Fußballszene ausbreiten <strong>und</strong> sich dabei an <strong>de</strong>n englischen Vorbil<strong>de</strong>rn orientieren. Sie sind<br />

Teil eines Randaletourismus, wie er <strong>im</strong> oben zitierten Spiegel-Artikel beschrieben wird: Ort<br />

<strong>und</strong> Zeit für körperliche Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen wer<strong>de</strong>n oftmals schon via Telefon/Handy o<strong>de</strong>r<br />

Internet verabre<strong>de</strong>t. In erster Linie geht es hier nicht unbedingt um Fußball, son<strong>de</strong>rn um die<br />

Schlacht nach <strong>de</strong>m Spiel.<br />

Innerhalb <strong>de</strong>r b<strong>und</strong>es<strong>de</strong>utschen Fankulturen unterschei<strong>de</strong>n Utz/Benke (1997, S. 103) die<br />

Gruppen <strong>de</strong>r Novizen, Kutten, Hools <strong>und</strong> Veteranen, „die sich hinsichtlich ihrer Figurations-<br />

struktur, <strong>de</strong>r Interpretation <strong>de</strong>r subkulturellen Wertvorstellungen <strong>und</strong> <strong>de</strong>r daraus resultieren-<br />

<strong>de</strong>n Logik ihres Ausschreitungsverhaltens unterschei<strong>de</strong>n.“ Die Novizen stoßen <strong>im</strong> Alter <strong>von</strong><br />

zwölf bis 16 Jahren zur Fankultur. Dieser „Einstieg“ kann Ausgangspunkt einer längeren<br />

Fankarriere sein. In <strong>de</strong>r Szene insgesamt haben die Novizen das geringste Ansehen; sie wer-<br />

<strong>de</strong>n als „Kin<strong>de</strong>r, Heuler- o<strong>de</strong>r Lutschermob“ (ebd., S. 106) verhöhnt <strong>und</strong> müssen sich zuerst<br />

ihre Sporen verdienen. Ist ihnen das gelungen, können sie möglicherweise zu Kuttenträgern<br />

aufsteigen. Kuttenträger sind Fangruppen, die ihre Vorliebe für ihren Verein durch Schals <strong>und</strong><br />

Mützen <strong>und</strong> die über <strong>und</strong> über mit Vereinsemblemen verzierte Jacke (Kutte) ausdrücken. Kut-<br />

ten gehören zu <strong>de</strong>n etablierten <strong>und</strong> anerkannten Fans <strong>und</strong> sind auch für Außenstehen<strong>de</strong> wäh-<br />

rend <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esligasaison be<strong>im</strong> samstäglichen Stadionbesuch leicht auszumachen. Der Vete-<br />

ran stellt <strong>de</strong>n Ausstiegstyp aus <strong>de</strong>r Fankultur dar. Er ist nur noch lose über Kneipen, Cliquen<br />

o<strong>de</strong>r Fre<strong>und</strong>esgruppen an die Szene geb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> bewegt sich eher zurückhaltend in dieser<br />

Welt. Hooligans bezeichnen einen neuen Fantyp in <strong>de</strong>r b<strong>und</strong>es<strong>de</strong>utschen Fankultur <strong>und</strong> unter-<br />

schei<strong>de</strong>n sich <strong>von</strong> <strong>de</strong>n übrigen Typen:<br />

„Sie rekrutieren sich zum Teil aus ehemaligen Kuttenträgern, die bereits eine Karriere<br />

als Novize hinter sich haben. Neuerdings scheinen sie direkt aus Novizenkreisen<br />

<strong>und</strong> jugendlichen Gruppen Zulauf zu haben, die keine spezifischen Fanerfahrungen<br />

mehr aufweisen, son<strong>de</strong>rn sich umweglos an die Hools anzuschließen<br />

versuchen. Die Hooligans sind für <strong>de</strong>n Außenstehen<strong>de</strong>n nicht auf <strong>de</strong>n ersten Blick<br />

wie etwa die gleichaltrigen Kuttenträger erkennbar. Zu ihrer ‘Standardausrüstung’<br />

gehören teure Jeans, Jogging-Bekleidung, Imitationen amerikanischer Baseballjacken<br />

<strong>und</strong> die ihrem Verständnis nach unverzichtbaren Regenschirme. Auch <strong>de</strong>n<br />

Hools dient die spezielle Kleidung als Mittel, sich gegenüber <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Typen<br />

<strong>de</strong>r Fankultur intern abzugrenzen <strong>und</strong> nach außen für die gegnerischen Hools<br />

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