Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de
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die Erziehungsinhalte, die sich <strong>im</strong> Spektrum zwischen <strong>de</strong>r Vermittlung tradierter <strong>und</strong> emanzi-<br />
pierter Weiblichkeitskonzepte bewegen. Vanessa, eine in ihrer Sexualität sowohl masochisti-<br />
sche als auch sadistische Frau, war in ihrer Kindheit <strong>de</strong>r autoritären Erziehung ihres Adoptiv-<br />
vaters ausgesetzt. Im schulischen Bereich erwartete man <strong>von</strong> ihr - ebenso wie <strong>von</strong> ihren Brü-<br />
<strong>de</strong>rn - gute Leistungen. Carmen, eine Domina, wur<strong>de</strong> <strong>von</strong> ihren Eltern sehr offen erzogen,<br />
berichtet aber <strong>von</strong> prägen<strong>de</strong>n Erlebnissen (<strong>de</strong>m Ehebruch ihrer Eltern), die sie <strong>im</strong> Zusammen-<br />
hang mit ihrer dominanten Neigung sieht. Für Eva, ebenfalls eine Domina, wäre es aufgr<strong>und</strong><br />
ihrer autoritären Erziehung in <strong>de</strong>r Nachkriegszeit <strong>de</strong>nkbar gewesen, eine Masochistin zu wer-<br />
<strong>de</strong>n. Dorothea, auch sadistisch orientiert, wur<strong>de</strong> <strong>von</strong> ihrer Mutter sehr religiös erzogen <strong>und</strong><br />
litt unter <strong>de</strong>n Spannungen in <strong>de</strong>r elterlichen Ehe. Für Maria, eine Sklavin, lassen sich keine<br />
autoritären Familienstrukturen nachzeichnen. Sie wur<strong>de</strong> bewusst <strong>und</strong> konsequent zur Selb-<br />
ständigkeit <strong>und</strong> materiellen Unabhängigkeit <strong>von</strong> einem Mann erzogen <strong>und</strong> Marion, masochis-<br />
tisch orientiert, kann nichts Spektakuläres aus ihrer Kindheit berichten <strong>und</strong> wur<strong>de</strong> <strong>von</strong> ihren<br />
Eltern ‚normal’ <strong>und</strong> ohne beson<strong>de</strong>re Auffälligkeiten erzogen.<br />
Sicherlich ist mit <strong>de</strong>n Eltern nur ein Teil <strong>de</strong>r möglichen Sozialisationsagenten angesprochen -<br />
Schule, Beruf, Freizeit, Medien etc. kommen <strong>im</strong> Entwicklungsprozess ebenfalls maßgebliche<br />
Be<strong>de</strong>utung zu -, aber es wird <strong>de</strong>utlich, dass eine lineare Kausalität zwischen <strong>de</strong>n Erfahrungen<br />
aus <strong>de</strong>r Sozialisation <strong>und</strong> <strong>de</strong>r sadomasochistischen Orientierung nicht besteht. Hinzu kommt:<br />
Wenn geschlechtsspezifische Sozialisationserfahrungen für weiblichen Masochismus verant-<br />
wortlich wären, müssten - dieser These entsprechend - Männer, die in einer patriarchalen Ge-<br />
sellschaft genau die gegenteiligen Erfahrungen machen, eher sadistisch orientiert sein. Dass<br />
<strong>de</strong>m nicht so ist, beschreibt bereits Reik (1941/1977). Er sieht <strong>de</strong>n Masochismus als die häu-<br />
figste Perversion bei Männern, wohingegen er seiner Meinung nach bei Frauen äußerst selten<br />
ist. Neuere Untersuchungen weisen ebenfalls darauf hin, dass vor allem Männer die Lust am<br />
Schmerz suchen. So schreibt beispielsweise Weinberg (1983, S. 107): “An interesting phe-<br />
nomen in the sadomasochistic world is what appears to be an overrepresantation of ‘domi-<br />
nant’ women and ‘submissive’ men. (...) The presence of high proportions of dominant<br />
women and submissive men in a society in which men are supposed to be aggressive and<br />
women are <strong>de</strong>fined as passive presents an interesting paradox (...).”<br />
Auch wenn sadomasochistische Sexualpraktiken nicht selten durch einen Mann angeregt wer-<br />
<strong>de</strong>n, machen sich die Frauen häufig <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Fremdinitiation frei <strong>und</strong> entwickeln einen eigenen<br />
Stil <strong>im</strong> Umgang mit <strong>de</strong>r schwarzen Sexualität. Für <strong>de</strong>n weiblichen Sadomasoch<strong>im</strong>us lassen<br />
sich, genau wie be<strong>im</strong> männlichen Pendant, best<strong>im</strong>mte Habitusformen <strong>und</strong> spezialkulturelle<br />
Integrationen aufzeigen. Vanessa ist in eine organisierte Szene eingeb<strong>und</strong>en. Sie engagiert<br />
sich in einem Arbeitskreis für Sadomasochismus <strong>und</strong> n<strong>im</strong>mt regelmäßig an verschie<strong>de</strong>nen<br />
Veranstaltungen wie Feten <strong>und</strong> Gesprächsaben<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Rahmen <strong>von</strong> SM teil. Als wir sie inter-<br />
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