Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de

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11.11.2012 Aufrufe

zwei Personen, die sich überschneiden. (...) Da würde man anecken. Das geht nicht. Also auf gesellschaftlicher Ebene muss ich mich auch entsprechend verhalten. Wie alle anderen. Fall 6: Marion - ...SM ist für mich die aktivste Seite von Sex Wir trafen Marion in einer Großstadt, wo sie gerade eine Woche Urlaub machte, um Gleich- gesinnte treffen zu können. Das Interview wurde in der Wohnung eines ihrer Freunde durch- geführt. Sie ist entsprechend ihrer sadomasochistischen Interessen ganz schwarz gekleidet, trägt hohe Stöckelschuhe, ist dezent geschminkt, hat aber grell rote Fingernägel. Marion hat ein ruhiges, freundliches und selbstsicheres Auftreten. Im sadomasochistischen Arrangement nimmt sie vorzugsweise die masochistische Rolle ein. Ihre dominanten Phantasien lebt sie nur sehr selten aus. Lebensumstände Zum Zeitpunkt des Interviews ist Marion 36 Jahre alt und lebt ohne festen Partner in einer Großstadt. Sie ist als Freiberuflerin mit akademischem Abschluss tätig. Biographischer Hintergrund Nach ihrer Erziehung, Kindheit und Jugend befragt, weiß Marion nichts besonderes zu berich- ten, was ihrer Meinung nach im Zusammenhang mit SM stehen könnte. Über ihre Eltern sagt sie: Meine Eltern hatten nicht viel Zeit, waren ganz freundlich zu mir. Ich hatte ein kühleres Verhältnis zu meiner Mutter. Zwischen mir und meinem Vater gab es eine ziemlich heiße Lie- be. Marion gibt aber an, dass sadomasochistische Phantasien und Vorstellungen bei ihr schon sehr früh vorhanden gewesen seien: In meiner Kindheit war das so lange ich denken kann da. Es war Sexualität und hatte damals aber noch keinen Namen. Es war etwas, das immer viel mit Macht zu tun hatte. (...) Ich weiß nicht, ob mir jemand meine Neigungen eingeredet hat. Wenn es mir jemand eingeredet hat, dann war das wohl schon im dritten Lebensjahr. Zugang und Erfahrungen Obwohl es Marion mit 15 Jahren eigentlich schon bewusst war, wo ihre sexuellen Interessen liegen, hat sie bis zum Erwachsenenalter keine Anstrengungen unternommen, diese zu reali- sieren. In Hochschul- und Studentenkreisen, in denen sie sich lange Zeit bewegte, war es 206

nicht üblich, diese Art der Sexualität zu diskutieren, geschweige denn zu praktizieren. Erst im Alter von 25 Jahren machte sie ihre ersten praktischen Erfahrungen. Sie begegnete einem Mann, der sie dominierte: Ich bin vor knapp zehn Jahren, da war ich 25, einem Mann begeg- net, der sowieso eine sehr starke erotische Ausstrahlung auf mich hatte. Der hat mich domi- niert, also in einer eher soften Art und Weise. Er hat mir die Hände gefesselt und dann ein- fach sein Spiel gespielt. Und ich habe gemerkt, indem er sein Spiel spielt, war das für mich ein phantastisches Erlebnis. Als ob sich die neue Welt für mich real macht. (...) Ich hatte Spu- ren an den Handgelenken und ich war ungeheuer stolz darauf, weil ich dachte ‚Ich habe meins gefunden’. Der vorsichtige Versuch, mit anderen über diese Erfahrung zu reden, schlug jedoch fehl, woraufhin sie für eine lange Zeit keine Anstrengungen unternahm, diese Erfah- rung zu wiederholen: Das war die Zeit Ende der siebziger in die achtziger Jahre rein, wo ich auch in Zusammenhängen gelebt habe, die man als Alternativbereich bezeichnen kann. So in der Frauenbewegung und alles, was da so dran hing. Und da war so ziemlich das letzte, was angesagt war, zu thematisieren, dass Macht in der Sexualität Lust machen kann. (...) Es wa- ren nur tastende Versuche, Ansprechpartner zu finden und ich habe sie nicht gefunden. So ergab es sich, dass sadomasochistische Sexualität für Marion wieder einige Jahre tabu war. Ausschlaggebend hierfür war auch die Schwierigkeit, einen entsprechenden Partner zu finden: Ich bin nie auf jemanden getroffen, der mir da entsprochen hätte und ich habe auch keinen Weg gesehen, aktiv zu suchen. Weil, man erkennt einander nicht, man sieht es sich nicht an. (...) Ich wusste aber die ganzen Jahre ‚Das ist mein Ding und das bin ich eigentlich’. Ich kann Sexualität ansonsten auch genießen, aber je softer es ist, umso langweiliger ist es eigentlich und im Grunde suche ich was anderes. Geändert hat sich diese Situation für Marion im Alter von 33 Jahren, als sie zum erstenmal auf eine codierte Kontaktanzeige in einer allgemeinen deutschen Tageszeitung antwortete, in der zwei Männer eine Geliebte suchten. Hieraus entwi- ckelte sich eine Dreierbeziehung, die drei Monate dauerte. Zu einem der beiden Männer hatte Marion darüber hinaus eine längere Beziehung, in der sie ihre sadomasochistischen Neigun- gen ausleben konnte: Und dieser eine Mann, der sozusagen übrig blieb, mit dem ich lange noch Kontakt hatte, der hat eine ausgeprägt sadomasochistische Ader. Er liebt Fesselspiele, er liebt es auch zu schlagen und er hat auch die andere Seite in sich, dass er auch unterwor- fen werden will. Und mit dem hatte ich die letzten zweieinhalb Jahre eine ganz lockere Bezie- hung. Wir haben uns alle vier, sechs oder acht Wochen getroffen. Das war ein ganz lockeres Verhältnis. Damit war für mich der Weg offen, das zu leben, was ich will. Seitdem lebt Marion ihre Neigungen regelmäßig aus und hat ihre Interessen und Aktivitäten in diesem Bereich ständig weiterentwickelt. Abgesehen von ihrer szenetypischen Kleidung hat sie sich spezielle Kleidungsstücke und Werkzeuge zugelegt: Ich habe eine schwarze Le- dercorsage und auch noch Geschirr, ach das kennt ihr bestimmt. Das ist so ein Konstrukt aus 207

zwei Personen, die sich überschnei<strong>de</strong>n. (...) Da wür<strong>de</strong> man anecken. Das geht nicht. Also auf<br />

gesellschaftlicher Ebene muss ich mich auch entsprechend verhalten. Wie alle an<strong>de</strong>ren.<br />

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Wir trafen Marion in einer Großstadt, wo sie gera<strong>de</strong> eine Woche Urlaub machte, um Gleich-<br />

gesinnte treffen zu können. Das Interview wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Wohnung eines ihrer Fre<strong>und</strong>e durch-<br />

geführt. Sie ist entsprechend ihrer sadomasochistischen Interessen ganz schwarz geklei<strong>de</strong>t,<br />

trägt hohe Stöckelschuhe, ist <strong>de</strong>zent geschminkt, hat aber grell rote Fingernägel. Marion hat<br />

ein ruhiges, fre<strong>und</strong>liches <strong>und</strong> selbstsicheres Auftreten. Im sadomasochistischen Arrangement<br />

n<strong>im</strong>mt sie vorzugsweise die masochistische Rolle ein. Ihre dominanten Phantasien lebt sie nur<br />

sehr selten aus.<br />

Lebensumstän<strong>de</strong><br />

Zum Zeitpunkt <strong>de</strong>s Interviews ist Marion 36 Jahre alt <strong>und</strong> lebt ohne festen Partner in einer<br />

Großstadt. Sie ist als Freiberuflerin mit aka<strong>de</strong>mischem Abschluss tätig.<br />

Biographischer Hintergr<strong>und</strong><br />

Nach ihrer Erziehung, Kindheit <strong>und</strong> Jugend befragt, weiß Marion nichts beson<strong>de</strong>res zu berich-<br />

ten, was ihrer Meinung nach <strong>im</strong> Zusammenhang mit SM stehen könnte. Über ihre Eltern sagt<br />

sie: Meine Eltern hatten nicht viel Zeit, waren ganz fre<strong>und</strong>lich zu mir. Ich hatte ein kühleres<br />

Verhältnis zu meiner Mutter. Zwischen mir <strong>und</strong> meinem Vater gab es eine ziemlich heiße Lie-<br />

be. Marion gibt aber an, dass sadomasochistische Phantasien <strong>und</strong> Vorstellungen bei ihr schon<br />

sehr früh vorhan<strong>de</strong>n gewesen seien: In meiner Kindheit war das so lange ich <strong>de</strong>nken kann da.<br />

Es war Sexualität <strong>und</strong> hatte damals aber noch keinen Namen. Es war etwas, das <strong>im</strong>mer viel<br />

mit Macht zu tun hatte. (...) Ich weiß nicht, ob mir jemand meine Neigungen eingere<strong>de</strong>t hat.<br />

Wenn es mir jemand eingere<strong>de</strong>t hat, dann war das wohl schon <strong>im</strong> dritten Lebensjahr.<br />

Zugang <strong>und</strong> Erfahrungen<br />

Obwohl es Marion mit 15 Jahren eigentlich schon bewusst war, wo ihre sexuellen Interessen<br />

liegen, hat sie bis zum Erwachsenenalter keine Anstrengungen unternommen, diese zu reali-<br />

sieren. In Hochschul- <strong>und</strong> Stu<strong>de</strong>ntenkreisen, in <strong>de</strong>nen sie sich lange Zeit bewegte, war es<br />

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