Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de

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11.11.2012 Aufrufe

so eine Beziehung hinter mir, also eine ‚normale’ Beziehung, wo ich mit einem Pascha zu- sammen war. (...) Es gibt einen Unterschied zwischen Pascha und Herr und die meisten Sa- disten, die ich kenne, die kochen selber, die waschen selber ab, die kochen ihren Kaffee sel- ber, die staubsaugen selber. Wenn irgendwas ist, dann eher in der Art von einer Inszenierung. Dass der Herr der nackten Sklavin ein Schürzchen umbindet und sagt: „Jetzt mach’ den Ab- wasch! Wenn du nicht in so und so lange fertig bist, dann...“ Aber das würde nicht jeden Tag gehen, da wäre dann der Kick raus. Das ist eigentlich nicht so mein Ding. Ich sehe mich als sehr emanzipierte Frau. Und ich bin auch nicht der Typ, dem man so leicht über den Mund fährt. Ich kann mich schon durchsetzen. Im Gegenteil, ich glaube, ich bin eher in der norma- len Welt eine starke Frau. Also wenn ich normal jemanden in einer Diskothek kennenlerne, dann sind das fast nur Männer, die eine starke Frau suchen, die einen Halt suchen. Was an- deres lerne ich gar nicht kennen. Durchweg keine Sadisten, eher Mamajungs. Das Ausleben ihrer masochistischen Neigugnen als Sklavin stellt ihrer Meinung nach selbst schon einen emanzipatorischen Akt dar. Gerade in der heutigen Zeit, in der Gleichberechtigung einen wichtigen Stellenwert einnimmt, erfordere das Eingeständnis und die Realisation sadomaso- chistischen und darum abweichenden Verhaltens Ich-Stärke und Sicherheit: Ich sehe meinen Masochismus als Emanzipation. Weil ich mich wirklich insofern emanzipiere, dass ich das mache, wozu ich Lust habe, auch wenn es den Feministinnen überhaupt nicht gefällt. Dass ich also Reizwäsche trage, wenn ich ‚will’, oder dass ich eben angekettet auf die Straße gehe, wenn ich ‚will’. Und das ist auch eine Freiheit, meine Freiheit. Für die hat keine Feministin gekämpft. Ich kämpfe nicht, um in Latzhosen rumzurennen und Männerhasser zu sein. Ich mag Männer und ich akzeptiere sie. Ich lasse mir von ihnen nicht alles sagen, es sei denn, mein Herr ist es, der etwas verlangt. (...) Ich glaube, eine Frau oder ein Mann, die oder der nicht selbstbewusst ist, kann sich auch gar nicht in die Situation hineinbegeben. Rassismus, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung und Sklaverei sind für Maria tabu. Die Möglichkeit, auf ihre Sklavinnenrolle zu verzichten, erscheint ihr jedoch im Hinblick auf ihre bisherigen positiven wie auch negativen Erfahrungen ausgeschlossen und eine Sexualität, in der beide Partner gleichberechtigt sind, nicht wünschenswert: Ich mache meine Sachen ‚frei- willig’. Ich habe es mir ja ausgesucht. Ich bin nicht unterdrückt worden, sondern ich habe gesagt, ‚Ich will unterdrückt werden. (...) Ich habe ja fünf Jahre, nachdem ich schon SM- Erfahrungen gemacht hatte, ‚normale’ Partnerschaften gehabt. Und ich habe einfach ge- merkt, mir fehlt irgendwas. (...) Also darauf möchte und kann ich auf keinen Fall verzichten. 194

Fall 4: Eva - ...eine stinknormale Frau von nebenan Von einem gleichgesinnten Freund erfuhr Eva von unserem Forschungsprojekt, woraufhin sie uns in einem ausführlichen Brief ihre Unterstützung anbot. Zum Interview lud sie uns in ihre Wohnung ein. Ihre Kleidung ist vollkommen unauffällig: weder Schmuck noch spezifische Kleidungsstücke verraten etwas über ihre sadomasochistischen Neigungen. Eva macht einen sehr selbstsicheren, aber freundlichen Eindruck. In Bezug auf SM nimmt sie ausschließlich die aktive Rolle ein. Lebensumstände Zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme ist sie 52 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann, mit dem sie seit 30 Jahren verheiratet ist und Kinder hat, in einer Großstadt. Eva sollte Abitur machen, hat aber gegen den Willen ihrer Eltern mit mittlerer Reife eine Ausbildung an einer Fachschu- le als Erzieherin absolviert und ist seit ihrer Heirat Hausfrau. Biographischer Hintergrund Während des Krieges und in den ersten Nachkriegsjahren wuchs Eva mit ihrer Schwester zu- sammen auf dem Land auf. Außer den besonderen Bedingungen dieser Zeit weiß sie nichts Außergewöhnliches zu berichten. Sie sieht keine Verknüpfung zwischen sadomasochistischen Neigungen und spezifischen Kindheitserfahrungen oder Erziehungsstilen. Sie versucht auch nicht, ihre dominanten Aktivitäten über eine mögliche Veranlagung zu erklären. Früher war da absolut nichts. Wenn irgendwelche Leute sagen, es läge an der Kindheit und so, dann sehe ich das nicht so. (...) Ich habe eine sehr autoritäre Erziehung hinter mir, wie viele in meiner Generation. Aber meine Güte, das ist für mich kein Kriterium. Wir hatten, was wir brauchten und unsere Eltern taten verantwortlich für uns ihre Pflicht an uns Kindern. Ich habe keinen prügelnden Vater gehabt und keine Mutter, die um sich geschlagen hat. Die waren streng, aber das war damals ja jeder. Auch bezüglich ihrer schulischen Erfahrungen schildert Eva keine nennenswerten Ereignisse: Ich kann mich an nichts Spektakuläres erinnern. Ich habe die Schule nie geliebt, war immer eine mittlere bis gute Schülerin, nie herausragend, nie schlecht. (...) Um es aber nochmals zu sagen: Es ist schon möglich, dass Frauen vielleicht eher durch die Erziehung zum lieben, gehorsamen Mädchen und zu ebensolcher Frau zum Masochismus kommen. Aber genauso ist es doch auch vorstellbar, dass sie gerade deswegen nicht masochistisch werden, weil sie sich eben wehren wollen. Ich hätte aufgrund meiner Er- 195

so eine Beziehung hinter mir, also eine ‚normale’ Beziehung, wo ich mit einem Pascha zu-<br />

sammen war. (...) Es gibt einen Unterschied zwischen Pascha <strong>und</strong> Herr <strong>und</strong> die meisten Sa-<br />

disten, die ich kenne, die kochen selber, die waschen selber ab, die kochen ihren Kaffee sel-<br />

ber, die staubsaugen selber. Wenn irgendwas ist, dann eher in <strong>de</strong>r Art <strong>von</strong> einer Inszenierung.<br />

Dass <strong>de</strong>r Herr <strong>de</strong>r nackten Sklavin ein Schürzchen umbin<strong>de</strong>t <strong>und</strong> sagt: „Jetzt mach’ <strong>de</strong>n Ab-<br />

wasch! Wenn du nicht in so <strong>und</strong> so lange fertig bist, dann...“ Aber das wür<strong>de</strong> nicht je<strong>de</strong>n Tag<br />

gehen, da wäre dann <strong>de</strong>r Kick raus. Das ist eigentlich nicht so mein Ding. Ich sehe mich als<br />

sehr emanzipierte Frau. Und ich bin auch nicht <strong>de</strong>r Typ, <strong>de</strong>m man so leicht über <strong>de</strong>n M<strong>und</strong><br />

fährt. Ich kann mich schon durchsetzen. Im Gegenteil, ich glaube, ich bin eher in <strong>de</strong>r norma-<br />

len Welt eine starke Frau. Also wenn ich normal jeman<strong>de</strong>n in einer Diskothek kennenlerne,<br />

dann sind das fast nur Männer, die eine starke Frau suchen, die einen Halt suchen. Was an-<br />

<strong>de</strong>res lerne ich gar nicht kennen. Durchweg keine Sadisten, eher Mamajungs. Das Ausleben<br />

ihrer masochistischen Neigugnen als Sklavin stellt ihrer Meinung nach selbst schon einen<br />

emanzipatorischen Akt dar. Gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r heutigen Zeit, in <strong>de</strong>r Gleichberechtigung einen<br />

wichtigen Stellenwert einn<strong>im</strong>mt, erfor<strong>de</strong>re das Eingeständnis <strong>und</strong> die Realisation sadomaso-<br />

chistischen <strong>und</strong> darum abweichen<strong>de</strong>n Verhaltens Ich-Stärke <strong>und</strong> Sicherheit: Ich sehe meinen<br />

Masochismus als Emanzipation. Weil ich mich wirklich insofern emanzipiere, dass ich das<br />

mache, wozu ich Lust habe, auch wenn es <strong>de</strong>n Feministinnen überhaupt nicht gefällt. Dass ich<br />

also Reizwäsche trage, wenn ich ‚will’, o<strong>de</strong>r dass ich eben angekettet auf die Straße gehe,<br />

wenn ich ‚will’. Und das ist auch eine Freiheit, meine Freiheit. Für die hat keine Feministin<br />

gekämpft. Ich kämpfe nicht, um in Latzhosen rumzurennen <strong>und</strong> Männerhasser zu sein. Ich<br />

mag Männer <strong>und</strong> ich akzeptiere sie. Ich lasse mir <strong>von</strong> ihnen nicht alles sagen, es sei <strong>de</strong>nn,<br />

mein Herr ist es, <strong>de</strong>r etwas verlangt. (...) Ich glaube, eine Frau o<strong>de</strong>r ein Mann, die o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

nicht selbstbewusst ist, kann sich auch gar nicht in die Situation hineinbegeben.<br />

Rassismus, Vergewaltigung, Kin<strong>de</strong>smisshandlung <strong>und</strong> Sklaverei sind für Maria tabu. Die<br />

Möglichkeit, auf ihre Sklavinnenrolle zu verzichten, erscheint ihr jedoch <strong>im</strong> Hinblick auf ihre<br />

bisherigen positiven wie auch negativen Erfahrungen ausgeschlossen <strong>und</strong> eine Sexualität, in<br />

<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong> Partner gleichberechtigt sind, nicht wünschenswert: Ich mache meine Sachen ‚frei-<br />

willig’. Ich habe es mir ja ausgesucht. Ich bin nicht unterdrückt wor<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn ich habe<br />

gesagt, ‚Ich will unterdrückt wer<strong>de</strong>n. (...) Ich habe ja fünf Jahre, nach<strong>de</strong>m ich schon SM-<br />

Erfahrungen gemacht hatte, ‚normale’ Partnerschaften gehabt. Und ich habe einfach ge-<br />

merkt, mir fehlt irgendwas. (...) Also darauf möchte <strong>und</strong> kann ich auf keinen Fall verzichten.<br />

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