Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de
Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de
Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
das sehr, sehr in die ganzen Patriarchatskisten rein. Das ist extrem, sich gera<strong>de</strong> als Frau <strong>von</strong><br />
einem Typen vermachen zu lassen. Der feministische Frauenanspruch <strong>und</strong> das Selbstverständ-<br />
nis, das Vanessa als Frau hatte, ließ sich für sie zunächst also nur sehr schwer mit <strong>de</strong>r Tatsa-<br />
che vereinbaren, sich einem Mann - wenn auch nur sexuell - zu unterwerfen. Erst <strong>de</strong>r Einstieg<br />
<strong>und</strong> die Integration in eine organisierte Szene befreite sie <strong>von</strong> ihrem selbst auferlegten Stigma<br />
<strong>de</strong>r Außenseiterin: Als ich Leute aus <strong>de</strong>r Szene traf, habe ich festgestellt, dass an<strong>de</strong>re auch<br />
auf SM stehen <strong>und</strong> trotz<strong>de</strong>m herzerfrischend normal sind. Das war wirklich so eine richtige<br />
Befreiungsgeschichte. Leute zu treffen <strong>und</strong> festzustellen, die stehen darauf, die praktizieren es<br />
auch. Leute, die am ehesten so meiner sonstigen Szene <strong>von</strong> Leuten entsprechen, mit <strong>de</strong>nen ich<br />
mich umgebe, also etwa in meinem Alter sind <strong>und</strong> politisch halbwegs ähnlich <strong>de</strong>nken wie ich.<br />
Das hat mir total gut getan. Da hatte ich nicht mehr das Gefühl, dass das irgendwie so ein<br />
Ding ist, das an mir an<strong>de</strong>rs ist, als an an<strong>de</strong>ren Leuten, son<strong>de</strong>rn ich habe mich halt wie<strong>de</strong>rge-<br />
f<strong>und</strong>en in <strong>de</strong>n Leuten, die das auch wollen.<br />
Die Frage, ‚Dürfen Frauen, die sich <strong>im</strong> Alltag feministischen I<strong>de</strong>alen verpflichtet fühlen, in<br />
ihrer Sexualität masochistisch sein?’, war für Vanessa ein großes Problem. Es brachte sie aber<br />
nicht nur in ständigen Konflikt mit sich selbst, son<strong>de</strong>rn vor allem mit ihrem sozialen Umfeld.<br />
Keine ihrer Fre<strong>und</strong>innen konnte verstehen, wie sie sich als selbstbewusste <strong>und</strong> emanzipierte<br />
Frau mit sadomasochistischen Sexualpraktiken i<strong>de</strong>ntifizieren konnte. Dennoch wur<strong>de</strong> dieser<br />
Umstand, so Vanessas Einschätzung, <strong>von</strong> Frauen, die nicht in die Frauenszene integriert wa-<br />
ren, - wenn auch mit Unbehagen - akzeptiert. An<strong>de</strong>rs verhielt es sich mit Feministinnen. Ins-<br />
beson<strong>de</strong>re durch ihr Eingeständnis, sich einem Mann sexuell zu unterwerfen, stieß sie in die-<br />
sen Reihen als Verräterin feministischer I<strong>de</strong>ale auf Ablehnung <strong>und</strong> Verachtung, wohingegen<br />
ihre sadistischen Interessen akzeptiert wur<strong>de</strong>n: Ich habe darüber meine zeitlebens beste<br />
Fre<strong>und</strong>in verloren. Der beson<strong>de</strong>re Clou an <strong>de</strong>m Ganzen ist, dass die eine SM-Lesbe ist, die<br />
auch sehr wohl selber SM macht. Aber ich mache es mit Typen <strong>und</strong> bin <strong>de</strong>shalb nicht mehr<br />
diskutabel. (...) SM-Lesben hatten nie ein Problem, wenn ich Typen vermacht habe, das hat<br />
<strong>de</strong>nen überhaupt nichts ausgemacht. Das fan<strong>de</strong>n sie total okay. Aber dann zu hören, dass ich<br />
jetzt einen Typen habe, <strong>de</strong>r mich vermacht, da war es vorbei.<br />
Vanessa hat versucht, diesen Konflikt zum einen dadurch zu lösen, dass sie sich <strong>von</strong> <strong>de</strong>r fe-<br />
ministischen Szene, mit <strong>de</strong>r sie ursprünglich assoziiert war, zurückgezogen hat: Ich bin es<br />
einfach leid, permanent diese Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen auszufechten. Die Toleranz, die ich ih-<br />
nen gewähre, ist <strong>von</strong> ihrer Seite nicht da. Die können mich nicht tolerieren. Sie sagen, dass<br />
ich mich in die patriarchalische Struktur stelle, die wir eigentlich alle überwin<strong>de</strong>n wollen. Ich<br />
sehe es aber nicht so. (...) Deswegen habe ich mich <strong>von</strong> <strong>de</strong>r einen Welt auch völlig verab-<br />
schie<strong>de</strong>t <strong>und</strong> mache da auch selber nichts mehr, um <strong>de</strong>n Kontakt zu halten. Ich habe dieses<br />
Hin- <strong>und</strong> Hergerissensein nicht mehr ausgehalten. Zum an<strong>de</strong>ren lassen sich für Vanessa Fe-<br />
180