Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de

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1.9.2.4 Frauen in der SM-Szene Um zu prüfen, welche der beiden Thesen am ehesten empirisch zutrifft, habe ich Fallanalysen durchgeführt. Sie erlauben dem Forscher tiefergehende Einsichten in schwer zugängliche Un- tersuchungsfelder, indem sie die Komplexität eines Falles erhalten und Zusammenhänge von Funktions- und Lebensbereichen in der Ganzheit der Person sowie ihrem lebensgeschichtli- chen Hintergrund erfassen. Die biographischen Porträts von Frauen mit sadomasochistischen Interessen habe ich nach verschiedenen Aspekten strukturiert, die den Schlüssel zum Phäno- men des weiblichen Sadomasochismus liefern sollen: Abb.: Struktur der Fallanalysen Biographischer Hintergrund Erziehung 176 Kindheit Jugend Zugang und Erfahrungen Realisierung Partizipation Partner SM-Identität und Alltagsrolle Selbstbild Bewertung Emanzipation Durch die Einbeziehung des ‚biographischen Hintergrunds’ lassen sich die spezifischen Sozi- alisationsverläufe nachzeichnen. Wenn ich durch dieses Vorgehen auch keine ätiologischen Aussagen treffen kann, so lässt sich mit diesen Daten doch die Frage beantworten, ob tatsäch- lich - wie von vielen Autorinnen und Autoren vermutet - traditionelle weibliche Erziehungs- inhalte eine prägende Funktion übernehmen. In der Kategorie ‚Zugang und Erfahrungen’ werden die spezifischen Realisierungs- und Partizipationsformen von SM und die Beziehun- gen zu den entsprechenden Partnern dargestellt. Durch die Untersuchung dieser Frage möchte ich feststellen, ob überhaupt genuin weibliche Teilnahmeformen am Sadomasochismus exis- tieren. Die Ausprägung ‚SM-Identität und Alltagsrolle’ behandelt die Art und Weise, wie die Neigungen in Bezug auf das Rollenverständnis als Frau einzuordnen sind und welche Formen der Integration in alltägliche Lebenszusammenhänge beobachtbar sind. Gleichzeitig ist zu

fragen, wie die Erfahrungen mit sadomasochistischen Sexualpraktiken bewertet werden. Aber auch die Reflexion feministischer Auffassungen durch die Sadomasochistinnen geben Hin- weise auf ihr Selbstbild. Bei den dargestellten Fallbeispielen handelt es sich ausschließlich um heterosexuelle Frauen, die entweder passiv oder aktiv sind. In einem Fall wechselt die Rollenpräferenz. Finanzielle Interessen spielen bei ihnen keine Rolle. 1.9.2.5 Fallbeispiele masochistischer und sadistischer Frauen Fall 1: Vanessa - ...ich suche einen Typen, der mich prügelt Den Kontakt zu Vanessa konnten wir über eine SM-Gruppe knüpfen. Wir besuchten sie in ihrer Wohnung, wo wir auch noch andere SM-Interessierte interviewen konnten. Von ihrem äußeren Erscheinungsbild lassen sich keine Rückschlüsse auf ihre sadomasochistischen Nei- gungen schließen. Vanessa hat ein ruhiges, freundliches und selbstsicheres Auftreten. Im Rahmen ihrer sadomasochistischen Neigungen nimmt sie partnerspezifisch sowohl die aktive als auch die passive Rolle ein. Allgemeine Lebensumstände Zum Zeitpunkt des Interviews ist Vannessa 30 Jahre alt und lebt in einer Großstadt. Sie hat eine feste Beziehung zu einem Mann, mit dem sie aber nicht zusammen wohnt, weil sie sich dadurch in ihrem Freiraum beschnitten fühlen würde. Ihre Schul- und Berufsausbildung er- laubt es ihr, eine berufliche Position zu bekleiden, die ihr nicht nur finanzielle Unabhängig- keit, sondern auch gesellschaftliche Macht gewährt: Sie ist Akademikerin und arbeitet für eine Computerfirma. Ihr Aufgabenprofil ist auf Selbständigkeit und Entscheidungsbefugnis angelegt. Biographischer Hintergrund Vanessa wuchs mit ihren Geschwistern auf dem Land auf. Sie hatte einen sehr strengen A- doptivvater, den ihre Mutter heiratete, als sie fünf Jahre alt war. Er legte sehr viel Wert auf gute schulische Leistungen, was für Vanessa jedoch kein Problem war, da sie diesem An- spruch gerecht werden konnte. Dennoch hatte sie als Kind Angst vor ihrem Adoptivvater, weshalb sie ihrer Meinung nach als erwachsene Frau eine Zeit lang Depressionen hatte: Also 177

fragen, wie die Erfahrungen mit sadomasochistischen Sexualpraktiken bewertet wer<strong>de</strong>n. Aber<br />

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Rollenpräferenz. Finanzielle Interessen spielen bei ihnen keine Rolle.<br />

1.9.2.5 Fallbeispiele masochistischer <strong>und</strong> sadistischer Frauen<br />

Fall 1: Vanessa - ...ich suche einen Typen, <strong>de</strong>r mich prügelt<br />

Den Kontakt zu Vanessa konnten wir über eine SM-Gruppe knüpfen. Wir besuchten sie in<br />

ihrer Wohnung, wo wir auch noch an<strong>de</strong>re SM-Interessierte interviewen konnten. Von ihrem<br />

äußeren Erscheinungsbild lassen sich keine Rückschlüsse auf ihre sadomasochistischen Nei-<br />

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Allgemeine Lebensumstän<strong>de</strong><br />

Zum Zeitpunkt <strong>de</strong>s Interviews ist Vannessa 30 Jahre alt <strong>und</strong> lebt in einer Großstadt. Sie hat<br />

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eine Computerfirma. Ihr Aufgabenprofil ist auf Selbständigkeit <strong>und</strong> Entscheidungsbefugnis<br />

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Biographischer Hintergr<strong>und</strong><br />

Vanessa wuchs mit ihren Geschwistern auf <strong>de</strong>m Land auf. Sie hatte einen sehr strengen A-<br />

doptivvater, <strong>de</strong>n ihre Mutter heiratete, als sie fünf Jahre alt war. Er legte sehr viel Wert auf<br />

gute schulische Leistungen, was für Vanessa jedoch kein Problem war, da sie diesem An-<br />

spruch gerecht wer<strong>de</strong>n konnte. Dennoch hatte sie als Kind Angst vor ihrem Adoptivvater,<br />

weshalb sie ihrer Meinung nach als erwachsene Frau eine Zeit lang Depressionen hatte: Also<br />

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