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Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de

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gereien bei Treffen <strong>von</strong> Lesben <strong>und</strong> SM-Lesben zeigt, wie eine <strong>von</strong> uns befragte Sadomaso-<br />

chistin bemerkte.<br />

Typisch für die Diskussion <strong>und</strong> die Argumente ist, dass die SM-Debatte in <strong>de</strong>r Frauenbe-<br />

wegung <strong>im</strong>mer nur eine Masochismusdiskussion ist. Während die sexuelle Unterwerfung <strong>von</strong><br />

Frauen problematisiert wird, ist die (mögliche) Existenz <strong>von</strong> Sadistinnen kein Thema. Inner-<br />

halb <strong>de</strong>r Masochismusdiskussion zeigt sich, dass ein großes Spektrum <strong>von</strong> weiblichen Verhal-<br />

tensweisen als masochistisch bezeichnet wird. 111 Die einen sprechen vom sexuellen Maso-<br />

chismus, <strong>de</strong>r Erregung, St<strong>im</strong>ulans <strong>und</strong> Orgasmus be<strong>de</strong>utet. Daneben wird eine Art autoritärer<br />

(moralischer o<strong>de</strong>r kultureller) Masochismus diskutiert, die wi<strong>de</strong>rstandslose Unterordnung<br />

unter Autoritäten aller Art, <strong>und</strong> nicht zuletzt <strong>de</strong>r weibliche Masochismus, die Frauenrolle an<br />

sich, „die <strong>von</strong> einem Sklavenleben mit Befehlen, Verboten <strong>und</strong> raffinierten Strafen han<strong>de</strong>lt,<br />

die verinnerlichte Polizei, das schlechte Gewissen, das sofort in Aktion tritt, sobald wir keine<br />

guten Mütter, Geliebten, Hausfrauen usw. mehr sind“ (Marcus 1982/83, S. 95). 112 Die Prota-<br />

gonistinnen sadomasochistischer Praktiken möchten sexuellen Sadomasochismus aber los<br />

geslöst sehen <strong>von</strong> <strong>de</strong>n unterschiedlichen Formen subtiler Gewalt <strong>und</strong> Unterdrückung, <strong>von</strong><br />

hierarchischen Strukturen in unserer Gesellschaft <strong>und</strong> <strong>im</strong> sozialen <strong>und</strong> politischen Leben. Die<br />

Gegnerinnen bestehen auf einer engen Verflechtung zwischen diesen unterschiedlichen Aus-<br />

drucksformen <strong>von</strong> Macht <strong>und</strong> Unterwerfung. Frauen, die sich jenseits feministisch-<br />

subkultureller Organisationsformen bewegen, Arbeiterinnen, Angestellte, Hausfrauen usw.,<br />

kommen in <strong>de</strong>n meisten Analysen überhaupt nicht zu Wort. Ich habe auch die Perspektive<br />

<strong>de</strong>rjenigen Frauen rekonstruiert, die ansonsten in Wissenschaft <strong>und</strong> Medien kaum Berücksich-<br />

tigung fin<strong>de</strong>n, vielleicht weil man sich <strong>von</strong> ihnen nichts son<strong>de</strong>rlich ‚Aufregen<strong>de</strong>s’ verspricht.<br />

<strong>de</strong>m Hinweis verweigert wur<strong>de</strong>: Wer behauptet, Frauen hätten auch noch Spaß daran, SM zu praktizieren,<br />

hat bei uns nichts zu suchen.<br />

111 Hierauf verweist auch Caplan (1986, S. 51): "Wie wir bereits festgestellt haben, hatte <strong>de</strong>r Begriff 'masochistisch'<br />

ursprünglich eine sehr spezifische Be<strong>de</strong>utung, nämlich Schmerz zu genießen. Inzwischen wird dieser<br />

äußerst spezielle Begriff jedoch auf eine Reihe <strong>von</strong> an<strong>de</strong>ren - meistens weiblichen - Verhaltensformen angewandt,<br />

<strong>und</strong> <strong>de</strong>nnoch hat er seinen Beigeschmack <strong>von</strong> Krankhaftigkeit <strong>und</strong> Abnormität beibehalten. (...) Selbst<br />

zu Freuds Lebzeiten (war es) 'überraschend', daß sich <strong>de</strong>r Begriff 'Masochismus' in kurzer Zeit <strong>de</strong>rart verbreitet<br />

hatte <strong>und</strong> daß er auf die verschie<strong>de</strong>nsten Phänomene angewandt wur<strong>de</strong>, <strong>von</strong> <strong>de</strong>nen man früher nicht gedacht<br />

hätte, sie hätten mit Masochismus, so, wie man ihn ursprünglich verstand, etwas zu tun."<br />

112 Bereits Freud (1940) hat unterschiedliche Formen <strong>de</strong>s Masochismus beschrieben: a) Masochismus als Lebenseinstellung<br />

(moralischer Masochismus), b) Masochismus in seiner femininen Gestalt, als Ausdruck <strong>de</strong>s<br />

weiblichen Wesens (femininer Masochismus) <strong>und</strong> c) Masochismus in 'Reinkultur' als eine Beson<strong>de</strong>rheit sexueller<br />

Erregung (<strong>de</strong>r erogene Masochismus). Auch Reik (1941/1977) unterschied zwischen Masochismus<br />

als einer sexuellen Perversion <strong>und</strong> einer Lebenseinstellung, die <strong>de</strong>m Ich ein unterwürfiges <strong>und</strong> lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s<br />

Verhalten vorschreibt. Im Gegensatz zu <strong>de</strong>n Annahmen <strong>de</strong>r Feministinnen beruht nach Meinung Freuds <strong>und</strong><br />

Reiks aber nicht <strong>de</strong>r sexuelle Masochismus auf <strong>de</strong>m sozialen, son<strong>de</strong>rn umgekehrt <strong>de</strong>r soziale Masochismus<br />

auf <strong>de</strong>m sexuellen: "Jene Form <strong>de</strong>s All-ro<strong>und</strong>-Masochismus, die wir hier als soziale beschreiben, hat sich aus<br />

<strong>de</strong>r sexuellen Triebneigung entwickelt" (ebd. S. 331).<br />

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