Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de
Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de
Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
kunst. An<strong>de</strong>re interpretieren weibliche Unterdrückungsphantasien als die Folge spezifischer<br />
Sozialisationserfahrung <strong>und</strong> Ohnmacht, nicht aber als einen Ausdruck weiblichen Masochis-<br />
mus. Sie gestehen zwar ein, dass Sex <strong>und</strong> Gewalt heute in <strong>de</strong>n Phantasien vieler Frauen mit-<br />
einan<strong>de</strong>r verb<strong>und</strong>en sind; dies sei jedoch anerzogen <strong>und</strong> angeprügelt. Lawrenz/Orzegowski<br />
(1988, S. 9) beispielsweise machen vor allem sozio-kulturelle Bedingungen für die Existenz<br />
masochistischer Sexualphantasien <strong>von</strong> Frauen verantwortlich. Sie versuchen, „die Verknüp-<br />
fungen zwischen sexuellen Phantasien, individueller Lebensgeschichte <strong>und</strong> gesellschaftlichen<br />
Weiblichkeitsbil<strong>de</strong>rn aufzu<strong>de</strong>cken (...)“, <strong>und</strong> sprechen in diesem Zusammenhang <strong>von</strong> ‚Ge-<br />
wor<strong>de</strong>nheit’ <strong>und</strong> ‚Mehr<strong>de</strong>utigkeit’ solcher Phantasien. Frauen seien aufgr<strong>und</strong> spezifischer<br />
Sozialisationserfahrungen nicht in <strong>de</strong>r Lage, selbstbezogen zu entschei<strong>de</strong>n <strong>und</strong> zu han<strong>de</strong>ln.<br />
Der weibliche Charakter wer<strong>de</strong> in unserer Kultur seit jeher <strong>im</strong>mer mit Aufopferungsbereit-<br />
schaft <strong>und</strong> Verzicht auf <strong>de</strong>n eigenen Willen gleichgesetzt. Sie gehen sogar noch einen Schritt<br />
weiter <strong>und</strong> behaupten, Frauen fehle vor diesem Hintergr<strong>und</strong> die Kenntnis <strong>de</strong>s eigenen Wil-<br />
lens. Das, was sie als eigenen Willen empfin<strong>de</strong>n, sei die Verinnerlichung <strong>de</strong>r äußeren Unter-<br />
drückung, sie sind „schließlich tatsächlich, was die Gesellschaft [ihnen] vorschreibt zu sein“<br />
(ebd. S. 146f). Dies gelte auch für die Sexualität. Daher dürfe ihrem Verständnis nach <strong>de</strong>r<br />
Vorgang <strong>de</strong>r Erniedrigung nicht ignoriert <strong>und</strong> masochistische Sexualphantasien nicht glorifi-<br />
ziert wer<strong>de</strong>n. Das bei Frauen häufige Auftreten masochistischer Phantasieinhalte erscheine<br />
vor <strong>de</strong>m Hintergr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r spezifisch weiblichen Sozialisationserfahrungen nur als Folge ihrer<br />
realen Machtlosigkeit. Macht sei aber notwendiger Bestandteil <strong>de</strong>r Lust. An<strong>de</strong>rnfalls müsse<br />
die Lust an <strong>de</strong>r Macht eines an<strong>de</strong>ren teilnehmen, <strong>und</strong> sei es als Opfer. So ließen sich die Phan-<br />
tasiebil<strong>de</strong>r als Versuch <strong>de</strong>s Umgangs mit Unterdrückungsverhältnissen verstehen. Aus Unlust<br />
wür<strong>de</strong> Lust, wenn passiv erlittene Unterdrückung auf initivative Weise in kontrollierbare Situ-<br />
tationen verkehrt wer<strong>de</strong>n könne (vgl. ebd. S. 153). 104<br />
Der Wi<strong>de</strong>rstand <strong>von</strong> Feministinnen gegen die Unterstellung weiblicher Masochis-<br />
musphantasien machte auch vor <strong>de</strong>n „literarisch gestalteten Phantasien <strong>von</strong> Frauen“ (Deja<br />
1991, S. 31) nicht halt. Sie protestierten gegen die Schil<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r freiwilligen Unterwerfung<br />
einer Frau in Pauline Réages Geschichte <strong>de</strong>r O 105 <strong>und</strong> auch die weibliche Autorenschaft die-<br />
104 Lawrenz/Orzegowski (1988) führen aufgr<strong>und</strong> ihrer Erfahrungen mit Frauen <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r Sommeruniversität<br />
<strong>de</strong>r Frauen unterschiedliche theoretische Erklärungen masochistischer Phantasien an. Die hier beschriebene<br />
mögliche Verflechtung masochistischer Phantasien mit gesellschaftlichen Strukturen wird jedoch <strong>von</strong><br />
<strong>de</strong>n Autorinnen selbst in <strong>de</strong>n Mittelpunkt gestellt <strong>und</strong> kann als stellvertretend für die Argumentation <strong>de</strong>r<br />
Gegnerinnen masochistischer Sexualphantasien <strong>von</strong> Frauen verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />
105 So z.B. Dworkin (1974) <strong>und</strong> Griffin (1981) <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r feministischen Antipornographiebewegung.<br />
170