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Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de

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1.9 Frauen <strong>und</strong> Sadomasochismus<br />

Das Themenfeld Frauen <strong>und</strong> Sadomasochismus ist in <strong>de</strong>r theoretischen Literatur schon seit<br />

Beginn <strong>de</strong>s 20. Jahrh<strong>und</strong>erts berücksichtigt wor<strong>de</strong>n. Wie die an<strong>de</strong>ren Perversionen, war <strong>de</strong>r<br />

‚Masochismus <strong>de</strong>r Frau’, <strong>und</strong> um ihn geht es fast ausschließlich in diesen Schriften, Gegens-<br />

tand sexualwissenschaftlicher <strong>und</strong> medizinisch-psychiatrischer Arbeiten. Bevor ich die Er-<br />

gebnisse aus <strong>de</strong>n Interviews mit SM-praktizieren<strong>de</strong>n Frauen darstelle, sollen die wichtigsten<br />

Ansichten <strong>de</strong>r frühen Sexualwissenschaft <strong>und</strong> Psychoanalyse zum weiblichen Masochismus<br />

<strong>und</strong> die Fortführung <strong>de</strong>r Debatte in <strong>de</strong>r Frauenbewegung dargestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

1.9.1 Weiblicher Sadomasochismus in <strong>de</strong>r wissenschaftlichen Diskussion<br />

Krafft-Ebing (1886/1984, S. 155) zufolge stellt <strong>de</strong>r Masochismus eine „krankhafte Ausartung<br />

spezifisch weiblicher psychischer Eigentümlichkeit“ dar. Das Dienen sei gleichsam <strong>de</strong>r Natur<br />

<strong>von</strong> Frauen inhärent. Demnach resultiere <strong>de</strong>r weibliche Masochismus aus <strong>de</strong>n ohnehin schon<br />

bestehen<strong>de</strong>n natürlichen Verhaltensdispositionen sowie <strong>de</strong>n kulturellen <strong>und</strong> sozialen Prägun-<br />

gen, die dieses Verhalten noch verstärken. Krafft-Ebing räumt zwar ein, dass sich masochisti-<br />

sches Sexualverhalten auch bei Männern zeige (<strong>und</strong> hat in diesem Zusammenhang fast nur<br />

männliche Fallbeispiele zusammengetragen), kann dafür aber keine schlüssige Erklärung an-<br />

geben. Auch Sigm<strong>und</strong> Freud geht <strong>von</strong> best<strong>im</strong>mten geschlechtsspezifischen Eigenschaften aus.<br />

Er sieht aber auch das prägen<strong>de</strong> soziale Bedingungsgefüge: „Die <strong>de</strong>m Weib konstitutionell<br />

vorgeschriebene <strong>und</strong> sozial auferlegte Unterdrückung seiner Aggression begünstigt die Aus-<br />

bildung starker masochistischer Regungen, <strong>de</strong>nen es ja gelingt, die nach innen gewen<strong>de</strong>ten<br />

<strong>de</strong>struktiven Ten<strong>de</strong>nzen erotisch zu bin<strong>de</strong>n. Der Masochismus ist also, wie man sagt, echt<br />

weiblich“ (Freud 1933, S. 123). Auch wenn Freud hier soziale Codierungen <strong>de</strong>s Verhaltens<br />

einräumt, so sind Masochismus <strong>und</strong> Passivität für ihn typisch weibliche, invariante Verhal-<br />

tensmerkmale. 99<br />

99 Ähnlich wie sein Zeitgenosse Krafft-Ebing führt er seine Vorstellungen über <strong>de</strong>n femininen Masochismus<br />

ausschließlich auf Erfahrungen mit männlichen Fallbeispielen zurück: "Wir kennen diese Art <strong>de</strong>s Masochismus<br />

be<strong>im</strong> Manne (auf <strong>de</strong>n ich mich aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Materials beschränke) in zureichen<strong>de</strong>r Weise aus<br />

<strong>de</strong>n Phantasien masochistischer (häufig darum <strong>im</strong>potenter) Personen, die entwe<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n onanistischen Akt<br />

auslaufen o<strong>de</strong>r für sich allein die Sexualbefriedigung darstellen." Er fährt fort: "Hat man aber die Gelegenheit<br />

Fälle zu studieren, in <strong>de</strong>nen die masochistischen Phantasien eine beson<strong>de</strong>rs reiche Verarbeitung erfahren, so<br />

macht man leicht die Ent<strong>de</strong>ckung, daß sie die Person in eine für die Weiblichkeit charakteristische Situation<br />

versetzen, also Kastriertwer<strong>de</strong>n, Koitiertwer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Gebären be<strong>de</strong>uten. Ich habe darum diese Erscheinungsform<br />

<strong>de</strong>s Masochismus <strong>de</strong>n femininen (...) genannt" (Freud 1940, S. 374).<br />

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