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Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de

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die genauere Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Begriffs ‚Sittenwidrigkeit’. Er erweist sich bei <strong>de</strong>r Findung<br />

einer klaren Rechtslage als das entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Hin<strong>de</strong>rnis <strong>und</strong> <strong>de</strong>mentsprechend wird <strong>de</strong>r §226<br />

unterschiedlich gehandhabt: „Hinsichtlich <strong>de</strong>r Strafbarkeit sado-masochistischer Körperver-<br />

letzungen ist zu differenzieren: nicht je<strong>de</strong>, namentlich nicht die lediglich <strong>von</strong> §223 <strong>und</strong> §223a<br />

erfaßte Tat ist bei vorliegen<strong>de</strong>r Einwilligung <strong>de</strong>s Masochisten strafbar. Dem Verdikt <strong>de</strong>r Sit-<br />

tenwidrigkeit unterfallen daher nur die Körperverletzungen nach §224ff. Zur Begründung<br />

dient ein gewan<strong>de</strong>ltes Verständnis vom Inhalt <strong>de</strong>s Begriffs . Auf bloße Mo-<br />

ralwidrigkeit kommt es nicht (mehr) an, entschei<strong>de</strong>nd kann nur sein, inwieweit das Verhalten<br />

in seinen Ursachen <strong>und</strong> Konsequenzen sozialwidrig ist. Der seinen Partner zu einer schweren<br />

Körperverletzung best<strong>im</strong>men<strong>de</strong> Masochist ist nicht wegen Anstiftung zu schwerer Körperver-<br />

letzung strafbar, da seine körperliche Integrität ihm selbst gegenüber - außer bei Verstümme-<br />

lung zu <strong>de</strong>liktischen Zwecken - strafrechtlich ungeschützt ist“ (Sitzmann 1991, S. 81).<br />

Die Verwendung <strong>de</strong>s Begriffes <strong>de</strong>r Sittenwidrigkeit ist umstritten. Er kann <strong>im</strong>mer nur vor <strong>de</strong>m<br />

Hintergr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r Annahme eines einheitlichen Sittlichkeits- <strong>und</strong> Moralempfin<strong>de</strong>ns in <strong>de</strong>r Be-<br />

völkerung formuliert wer<strong>de</strong>n. Solcherlei Vorstellungen können angesichts fortschreiten<strong>de</strong>r<br />

Differenzierungs- <strong>und</strong> Pluralisierungseffekte in <strong>de</strong>r Gesellschaft aber nicht mehr ohne Weite-<br />

res angenommen wer<strong>de</strong>n, ohne die Ansprüche <strong>von</strong> Minoritäten zu beschnei<strong>de</strong>n. In<strong>de</strong>ssen ist<br />

aus strafrechtlicher Sicht noch eine an<strong>de</strong>re Frage interessant. Bevor geklärt wer<strong>de</strong>n kann, ob<br />

gemäß §226a <strong>de</strong>r Einwilligung die rechtfertigen<strong>de</strong> Wirkung zu versagen ist, muss die Reich-<br />

weite <strong>de</strong>r Einwilligung geklärt sein. Sie bezieht sich nur auf <strong>de</strong>n Bereich, mit <strong>de</strong>m die passive<br />

Person vorab in einer Absprache einverstan<strong>de</strong>n war. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass blei-<br />

ben<strong>de</strong> Schädigungen (z.B. Kastration, Amputation), wie sie gelegentlich vorkommen sollen,<br />

generell <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Einwilligung ausgenommen sind.<br />

Das Kr<strong>im</strong>inalitätsfeld <strong>im</strong> Bereich SM ist aber nicht nur auf <strong>de</strong>n Tatbestand <strong>de</strong>r Körperver-<br />

letzung zu beschränken, son<strong>de</strong>rn muss weitergefasst wer<strong>de</strong>n. So kommen z.B. auch Er-<br />

pressungen vor. Sie sind <strong>im</strong> Domina- <strong>und</strong> Prostitutions- wie auch <strong>im</strong> semiprofessionellen Be-<br />

reich - wenn auch nicht an <strong>de</strong>r Tagesordnung, so doch hin <strong>und</strong> wie<strong>de</strong>r - zu fin<strong>de</strong>n. Auch Frei-<br />

Dies gelte aber dann nicht, wenn <strong>de</strong>r Masochist min<strong>de</strong>rjährig sei o<strong>de</strong>r infolge übermäßiger Flagellation sterbe.<br />

(...) En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r zwanziger Jahre beschäftigte sich erstmals die höchstrichterliche Rechtsprechung mit diesem<br />

Problemkreis. Da bei sadomasochistischen Praktiken die Körperverletzungen zu <br />

erfolgten, verstoße die Tat trotz einer Einwilligung gegen die guten Sitten. Die Einwilligung sei daher rechtlich<br />

be<strong>de</strong>utungslos. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang, dass bereits vor Einführung <strong>de</strong>s §226a am<br />

26.5.1933 für die Beurteilung <strong>de</strong>r Sittenwidrigkeit auf <strong>de</strong>n Tatzweck abgestellt wur<strong>de</strong>. Nach Einführung <strong>de</strong>s<br />

§226a wird ausdrücklich hervorgehoben, dass es für das Verdikt <strong>de</strong>r Sittenwidrigkeit ausschließlich auf die<br />

Sittenwidrigkeit <strong>de</strong>r Tat <strong>und</strong> nicht auf die <strong>de</strong>r Einwilligung ankomme. Eine sadomasochistische Körperverletzung<br />

sei sittenwidrig, da zum einen nicht <strong>de</strong>r Masochist, son<strong>de</strong>rn die Gesellschaftsordnung durch die Anwendung<br />

<strong>de</strong>s §226a geschützt wer<strong>de</strong>, Masochisten ansonsten auch in ein <br />

wür<strong>de</strong>n <strong>und</strong> gingen."<br />

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