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Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de

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keine Fingernägel mehr gehabt. Da ist er einem richtigen Sadisten in die Hän<strong>de</strong><br />

gefallen, <strong>de</strong>r nicht danach gefragt hat, ob er mit diesem o<strong>de</strong>r jenem einverstan<strong>de</strong>n<br />

ist. Der hat ihn ans Andreaskreuz geb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ihm die Fingernägel ausgezogen.<br />

Was sollte er <strong>de</strong>nn da machen? (...) Der hat sich die Fingernägel nicht absichtlich<br />

rausziehen lassen. Das war was, wo er an einen richtigen Sadisten kam. Wie <strong>de</strong>r<br />

das gemacht hat, da konnte er nicht mehr loskommen. Da nutzte ihm sogar sein<br />

Karate nichts. Hinterher, wie er dann los war, was wollte er da ohne Fingernägel<br />

machen? Das war wahrscheinlich nur ein irrer Schmerz. Mit Anzeigen kommen<br />

sie auch nicht weiter. Weil sie sind ja selber schuld, sie gehen ja freiwillig dahin.<br />

(...) Ich wür<strong>de</strong> mich nie als richtige Sadistin in diesem Sinne bezeichnen. Ein Sadist<br />

ist für mich ein kranker Mensch, <strong>de</strong>r zerstören <strong>und</strong> wirklich verletzen will, so<br />

wie <strong>de</strong>r Typ mit <strong>de</strong>n Fingernägeln. SM soll aber Spaß machen, auch wenn es<br />

manchmal ein bisschen weh tut. Einem [wirklichen] Sadisten macht es auch Spaß,<br />

aber erst dann, wenn es normalerweise so weit ist, dass man aufhören sollte, wenn<br />

man die Grenze <strong>de</strong>r Freiwilligkeit überschreitet (40 Jahre, S, heterosexuell).<br />

Rex: Also wie manche Leute SM verherrlichen, das kann ich nicht verstehen. Natürlich<br />

läuft <strong>im</strong> Großen <strong>und</strong> Ganzen alles nach Regeln <strong>und</strong> Vereinbarungen <strong>und</strong><br />

mit Freiwilligkeit <strong>und</strong> so weiter. Aber man muss doch auch mal ganz ein<strong>de</strong>utig<br />

sagen, dass Regeln verletzt <strong>und</strong> Grenzen überschritten wer<strong>de</strong>n. Das ist sicher nicht<br />

wünschenswert <strong>und</strong> auch nicht unproblematisch. Aber das gibt es in <strong>de</strong>r SM-<br />

Szene <strong>und</strong> das möchte ich doch mal feststellen. Ich möchte damit nicht behaupten,<br />

dass das schlechthin typisch ist für SM, man muss da ja sehr vorsichtig sein, um<br />

funktionieren<strong>de</strong> SM-Beziehungen <strong>und</strong> -Aktionen nicht zu kr<strong>im</strong>inalisieren o<strong>de</strong>r pathologisieren,<br />

aber es kommt halt hin <strong>und</strong> wie<strong>de</strong>r vor (35 Jahre, S, heterosexuell).<br />

Aus strafrechtlicher Perspektive liegen in diesen Fällen also Körperverletzungen gemäß §223<br />

(Körperverletzung) o<strong>de</strong>r §224 StGb (schwere Körperverletzung) vor. Solche erzwungenen<br />

Handlungen sind <strong>von</strong> daher generell strafbar. Gleichzeitig machen die Befragten <strong>de</strong>utlich,<br />

dass es sich bei solchen Gewalthandlungen um Ausnahmen han<strong>de</strong>lt. Im Normalfall fin<strong>de</strong>n<br />

SM-Handlungen unter <strong>de</strong>r Voraussetzung <strong>de</strong>r Einwilligung statt, ähnlich wie <strong>de</strong>r ärztliche<br />

Eingriff <strong>und</strong> Verletzungen <strong>im</strong> Rahmen <strong>von</strong> Sportveranstaltungen. Vom Selbstverständnis <strong>de</strong>r<br />

Betroffenen ausgehend sind sadomasochistische Handlungen <strong>de</strong>shalb Son<strong>de</strong>rformen, die nicht<br />

als Körperverletzung geahn<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n können. Der Gesetzgeber ist hier aber an<strong>de</strong>rer Auffas-<br />

sung: „Wer eine Körperverletzung mit Einwilligung <strong>de</strong>s Verletzten vorn<strong>im</strong>mt, han<strong>de</strong>lt nur<br />

dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz <strong>de</strong>r Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt“<br />

(§226a StGb). Die Sittenwidrigkeit nach §226a wird be<strong>im</strong> Sadomasochismus angenommen<br />

<strong>und</strong> <strong>de</strong>mzufolge wäre je<strong>de</strong> sadomasochistische Körperverletzung strafbar, <strong>de</strong>nn die Einwilli-<br />

gung <strong>de</strong>r passiven Person ist unter rechtlichen Gesichtspunkten hinfällig. 98 Problematisch ist<br />

98 Einen guten Überblick zur Vorgeschichte dieses Gesetzes gibt Sitzmann (1991, S. 72f): "Einer <strong>de</strong>r ersten, <strong>de</strong>r<br />

sich - wenn auch nur am Ran<strong>de</strong> - mit <strong>de</strong>r Strafbarkeit einer Körperverletzung auf Verlangen auseinan<strong>de</strong>rsetzte,<br />

war Erich Wulffen. Er vertrat die prinzipielle Straflosigkeit <strong>de</strong>r Beteiligten. Die Handlungen seien zwar<br />

tatbeständig Körperverletzungen, jedoch greife <strong>de</strong>r Gr<strong>und</strong>satz rechtfertigend ein.<br />

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