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Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de

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mir-sein (...), ein wenig die Kontrolle über mich zu verlieren, sie abzugeben an<br />

<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren, verantwortungslos <strong>im</strong> wörtlichen Sinne. Ich erlebe mich als Körper,<br />

Gefühl <strong>und</strong> Kopf, <strong>und</strong> dabei nicht allein zu sein. Auch die Erschütterungen <strong>de</strong>s<br />

an<strong>de</strong>ren mitzuspüren, sich durch Berührungen mitzuteilen. Die körperlichen Reize<br />

bringen meinen Körper zum Zucken, zum Schwitzen, aufbäumen. Ich erlebe mich<br />

sehr elementar (47 Jahre, M, schwul)<br />

Diese Interviewpassagen ver<strong>de</strong>utlichen, dass außeralltägliche Erfahrungen <strong>und</strong> das Tangieren<br />

bzw. Überschreiten individueller physischer wie auch psychischer Grenzen eine zentrale Rol-<br />

le spielen (vgl. Kap IV.). Ohnmacht, To<strong>de</strong>ssehnsucht, Sich-Fallen-Lassen, Überwindung <strong>von</strong><br />

Konventionen <strong>und</strong> zivilisatorischen Standards, Abstreifen <strong>von</strong> Routinen <strong>und</strong> Sicherheit sind<br />

Emotionen <strong>und</strong> Erfahrungen, die <strong>im</strong> Verhältnis <strong>von</strong> Dominanz <strong>und</strong> Submission, <strong>im</strong> Ausleben<br />

<strong>von</strong> Macht <strong>und</strong> <strong>im</strong> Erleben <strong>de</strong>r Demütigung, <strong>im</strong> Ekelerlebnis o<strong>de</strong>r <strong>im</strong> Schmerz ermöglicht<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

1.7 Das Problem <strong>de</strong>r Gewalt<br />

Das sadomasochistische Verhalten macht Erfahrungen möglich, die auch in an<strong>de</strong>ren Extrem-<br />

bereichen gemacht wer<strong>de</strong>n können. Seine ‚Einzigartigkeit’ gewinnt <strong>de</strong>r Sadomasochismus<br />

durch die Synthetisierung <strong>von</strong> Sexualität <strong>und</strong> Gewalt, wobei die Grenzen <strong>de</strong>s normalen Emp-<br />

findungsspektrums häufig überschritten wer<strong>de</strong>n. Verletzungen o<strong>de</strong>r dauerhafte Schä<strong>de</strong>n, in<br />

Einzelfällen mit To<strong>de</strong>sfolge, 93 können die Konsequenzen einer entgleisten Aktion sein. Die<br />

93 Nach Becker/Schorsch (1977, S. 51 ) realisiert sich Sadomasochismus "vor allem in sadomasochistischen<br />

Gruppenarrangements in <strong>de</strong>r Subkultur Gleichgesinnter, in Salons, Privatzirkeln, Bor<strong>de</strong>llen; Nichtinteressierte<br />

erfahren da<strong>von</strong> meistens nichts; sehr selten schließlich sind kr<strong>im</strong>inelle Realisierungen in Form <strong>von</strong> sadistischen<br />

Gewaltakten." SM-Delikte mit Tötungsfolge kommen - soweit unsere Metho<strong>de</strong> eine solche Feststellung<br />

zuläßt - äußerst selten vor. Tauchen sie aber <strong>de</strong>nnoch auf, so sind die Ermittlungsbehör<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Gutachter<br />

bei <strong>de</strong>r Beurteilung häufig ratlos: "Die Automatik, mit <strong>de</strong>r sexuelle Tötungen juristisch in <strong>de</strong>r Regel als<br />

'Mord' qualifiziert wer<strong>de</strong>n, beruht vor allem auf <strong>de</strong>m rationalen Konstrukt eines 'Motivs zur Befriedigung <strong>de</strong>s<br />

Geschlechtstriebs'. Dieses ist angesichts eines jeweils komplexen psychischen (psychopathologischen) Geschehens<br />

ein Fremdkörper <strong>und</strong> wird als eine Schablone gehandhabt, die <strong>von</strong> außen an ein Geschehen angelegt<br />

wird <strong>und</strong> zur Ausblendung <strong>de</strong>r psychischen Hintergrün<strong>de</strong> verführt. Die folgenschwere Bewertung eines<br />

Tötungs<strong>de</strong>likts als Mord o<strong>de</strong>r Totschlag basiert auf Kriterien, die in <strong>de</strong>r psychischen Realität keine Entsprechungen<br />

haben" (Schorsch 1987a, S. 126). Eine an<strong>de</strong>re Reaktion ist die Psychiatrisierung solcher Fälle, d.h.<br />

statt Gefängnisstrafen droht die Kasernierung in <strong>de</strong>r Psychiatrie. So etwa auch in einem uns bekannt gewor<strong>de</strong>nen<br />

Fall: Ja, das ganze war so: An meinem Arbeitsplatz habe ich eine Frau kennen gelernt, <strong>von</strong> <strong>de</strong>r ich<br />

sehr schnell wusste, dass sie auf Sadomasochismus steht. (...) Irgendwann war ich mit ihr <strong>und</strong> ihrer Fre<strong>und</strong>in<br />

unterwegs in Kneipen <strong>und</strong> wir haben ziemlich viel getrunken. Die bei<strong>de</strong>n haben mich zu sich nach Hause<br />

mitgenommen, <strong>und</strong> es wur<strong>de</strong> ein richtiges Saufgelage. Die bei<strong>de</strong>n hatten sehr schnell raus, dass ich so eine<br />

masochistische Neigung habe <strong>und</strong> darauf stehe, anal genommen zu wer<strong>de</strong>n. Sie haben sich dann richtiggehend<br />

an mir vergangen, was ich ja auch wollte. (...) Es war viel Alkohol <strong>im</strong> Spiel bei dieser Sache <strong>und</strong> irgendwann<br />

entglitt die Situation dahingehend, dass die anfingen, mir Filme <strong>von</strong> schwarzen Messen <strong>und</strong> so ein<br />

Horrorzeugs mit Zerstückelungen vorzuführen <strong>und</strong> mir damit drohten, dass sie mir <strong>de</strong>n Schwanz abschnei<strong>de</strong>n<br />

wür<strong>de</strong>n <strong>und</strong> fielen wie die Hyänen über mich her. Ich hatte Angst, dass sie es tun wür<strong>de</strong>n. Da<strong>von</strong> bin ich also<br />

heute noch überzeugt, dass sie es getan hätten. Ich habe dann wie wild um mich geschlagen <strong>und</strong> bin ab-<br />

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