Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de
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SM-Lesben haben sich zu diesen Formen sexuellen Verhaltens nicht geäußert. Das Fehlen<br />
solcher Praktiken in <strong>de</strong>n Schil<strong>de</strong>rungen ihres SM-Verhaltens ist aber vermutlich mehr das<br />
Resultat <strong>de</strong>r bei ihnen zu beobachten<strong>de</strong>n Unsicherheit <strong>im</strong> Umgang mit ihren Neigungen als<br />
ein Beleg für die Nichtexistenz fäkaler Handlungen in ihren Arrangements. 92<br />
Das Beschmieren mit <strong>und</strong> das Essen bzw. Trinken <strong>von</strong> Fäkalien stellt ein Demutsritual dar.<br />
Die zivilisatorisch entstan<strong>de</strong>ne „Ächtung <strong>de</strong>r menschlichen Exkremente“ (Gleichmann 1982,<br />
S. 277) wird auf die eigene Rolle übertragen. Die ‚Selbstentweihung’ durch Fäkalien ist eine<br />
<strong>Grenzerfahrung</strong>, die sich jenseits <strong>de</strong>r gelten<strong>de</strong>n sozialen <strong>und</strong> kulturellen Regeln abspielt. Ob<br />
neben diesen soziogenetischen Ausformungen auch biogenetische Faktoren eine Rolle spie-<br />
len, kann gegenwärtig nicht beurteilt wer<strong>de</strong>n. Über die physiologische Basis <strong>de</strong>s Ekels ist so<br />
gut wie nichts bekannt, was aber auch für an<strong>de</strong>re Gefühlsqualitäten (Trauer, Furcht, Freu<strong>de</strong><br />
etc.) gilt: „Alle Versuche, die verschie<strong>de</strong>nen Gefühlsqualitäten anhand <strong>de</strong>r Aktivität best<strong>im</strong>m-<br />
ter Hirnareale o<strong>de</strong>r anhand <strong>von</strong> Reaktionen <strong>de</strong>s autonomen o<strong>de</strong>r hormonellen Systems zu un-<br />
terschei<strong>de</strong>n, sind aber bisher gescheitert“ (Asendorf 1990, S. 108). Für <strong>de</strong>n ganzen Bereich<br />
<strong>de</strong>r Ekelforschung hat auch nach mehreren Jahrzehnten die Feststellung <strong>von</strong> Kolanai (1929, S.<br />
122) noch ihre Gültigkeit: „Das Problem <strong>de</strong>s Ekels ist, soweit unsere Kenntnis reicht, bisher<br />
arg vernachlässigt wor<strong>de</strong>n. Verglichen mit <strong>de</strong>m wissenschaftlich-psychologischen <strong>und</strong> meta-<br />
physischen Interesse, das sich <strong>de</strong>m Haß <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Angst, <strong>von</strong> <strong>de</strong>r ‚Unlust’ gar zu schweigen,<br />
zugewandt hat, stellt <strong>de</strong>r Ekel, obwohl ein gewöhnlicher <strong>und</strong> recht prägnanter Bestandteil <strong>de</strong>s<br />
Gefühlslebens, ein unbearbeitetes, unerforschtes Gebiet dar.“<br />
Auf eine wichtige Differenzierung muss noch hingewiesen wer<strong>de</strong>n. Manche Personen sind<br />
<strong>von</strong> diesen Fäkalpraktiken fasziniert <strong>und</strong> fin<strong>de</strong>n es erregend, sich beschmutzen zu lassen o<strong>de</strong>r<br />
jeman<strong>de</strong>n zu beschmutzen resp. Exkremente zu essen o<strong>de</strong>r zu trinken. In diesen Fällen sind<br />
Koprophilie (Koprophagie) <strong>und</strong> Urolagnie nicht zwangsläufig mit Ekelreaktionen verb<strong>und</strong>en,<br />
wie Boss (1947/1984, S. 81) beschreibt: „Da<strong>von</strong> kann in<strong>de</strong>ssen bei unserem Rico Daterra<br />
schon <strong>de</strong>shalb nicht die Re<strong>de</strong> sein, weil <strong>de</strong>rartige Ekelschranken gegenüber <strong>de</strong>m Kot über-<br />
haupt <strong>und</strong> zum vornherein bei ihm gar nie bestan<strong>de</strong>n haben; er daher auch gar nicht gegen sie<br />
angehen konnte (...). Im Gegensatz zum Fetischisten Konrad Schwing haben nun, wenn wir<br />
die ganzen perversen Beziehungsmöglichkeiten unseres koprophilen Rico Daterra zusammen-<br />
fassen wollen, die Schranken seines nur noch ‚wurmhaften’ Sich-Verhaltenkönnens das Er-<br />
92 Auf die Möglichkeit, (Natur)Sekt <strong>und</strong> Kaviar in eine lesbische SM-Beziehung zu integrieren, weist Califia<br />
(1981b, S. 276f) hin: "Da Pisse <strong>und</strong> Scheiße mit Dreck gleichgesetzt wer<strong>de</strong>n, können sie auch symbolisch zur<br />
Erniedrigung eingesetzt wer<strong>de</strong>n. Die Int<strong>im</strong>ität, die in <strong>de</strong>r Kontrolle über jemands Ausscheidung liegt, kann<br />
bewirken, dass sich <strong>de</strong>ine Partnerin hilflos, akzeptiert <strong>und</strong> geborgen fühlt. (...) Eine gute Investition für Sekt<strong>und</strong>-Kaviar-Fans<br />
ist eine Gummiunterlage um <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>in Bett zu schonen."<br />
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