Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de
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noch nicht einmal für eine ansonsten verehrungswürdige Frau möglich (56 Jahre,<br />
M, heterosexuell).<br />
An<strong>de</strong>re Personen vermei<strong>de</strong>n hingegen jegliche orale o<strong>de</strong>r anale Praktiken. Manche Frauen<br />
haben einen unüberwindbaren Ekel vor Sperma. Gemeinsam ist diesen Aversionen, dass sie -<br />
sofern sie <strong>de</strong>m dominanten Partner bekannt sind - als Anknüpfungspunkt für Unterwerfungs-<br />
rituale genutzt wer<strong>de</strong>n. Die Reaktionen <strong>de</strong>r Betroffenen auf diese Reize wer<strong>de</strong>n übereinst<strong>im</strong>-<br />
mend als körperlicher Wi<strong>de</strong>rwille - unter Umstän<strong>de</strong>n mit Brechreiz verb<strong>und</strong>en - beschrieben,<br />
also ein Verhalten, wie es universell bei Ekelsituationen vorkommt. 90 Ekelreaktionen zeigten<br />
sich bei <strong>de</strong>n Befragten insgesamt am <strong>de</strong>utlichsten in Bezug auf Exkremente. Diese Form <strong>de</strong>s<br />
Ekelerlebens ist vornehmlich auf die passive Rolle beschränkt. Zwar haben <strong>von</strong> uns befragte<br />
S-Personen auch vom Ekel gegenüber best<strong>im</strong>mten Praktiken gesprochen, sie sind aber <strong>de</strong>n<br />
entsprechen<strong>de</strong>n Situationen nicht so direkt ausgesetzt, weil sie aufgr<strong>und</strong> ihres Status größere<br />
Entscheidungsfreiheiten haben. Sicherlich können auch die Masochisten Praktiken mit Ex-<br />
krementen aus ihrem SM-Spektrum ausklammern, manche <strong>von</strong> ihnen suchen aber gera<strong>de</strong> -<br />
entsprechend einem radikalen Rollenverständnis - die Überschreitung dieser Grenzen, die<br />
nachgera<strong>de</strong> als signifikantester Beleg für eine <strong>de</strong>vote Haltung erbracht wird:<br />
Egmont: In <strong>de</strong>r Phantasie wer<strong>de</strong> ich gerne zu best<strong>im</strong>mten Praktiken gezwungen.<br />
In <strong>de</strong>r Wirklichkeit ist es aber die Hölle für mich. Natursekt, Kaviar <strong>und</strong> homosexuelle<br />
Handlungen sind mir zutiefst zuwi<strong>de</strong>r. Was an diesen Praktiken so abstoßend<br />
ist, kann ich nicht sagen, aber es ist eben abstoßend. (...) Genauso fin<strong>de</strong> ich<br />
orale Praktiken ekelhaft. Ich wür<strong>de</strong> einer Frau niemals freiwillig orale Dienste tun<br />
(52 Jahre, M, heterosexuell).<br />
Nikolaus: Dann verlangte sie <strong>von</strong> mir, in eine unausgewaschene Urinflasche zu<br />
urinieren, um dann mein eigenes Zeug zu trinken. Aber ich war kurz zuvor auf <strong>de</strong>r<br />
Toilette gewesen, <strong>und</strong> außer<strong>de</strong>m verwehrte die Aussicht auf das Kommen<strong>de</strong><br />
schon rein psychisch <strong>de</strong>n Harnstrahl. ‚Dann wer<strong>de</strong> ich es dir halt mit <strong>de</strong>m Katheter<br />
holen!’ brüllte sie mich an. Da ich aber soeben eine Prostataoperation hinter<br />
mir hatte, bat ich sie, flehte sie an, zu hören, dass <strong>de</strong>r Arzt gesagt hatte: ‚Katheter<br />
nur <strong>im</strong> Krankenhaus setzen lassen’. Sie akzeptierte diese wahrheitsgemäße Ausre<strong>de</strong><br />
<strong>und</strong> brüllte mich an: ‚Ich habe auch noch an<strong>de</strong>re Mittel du Schwein’. Und ich<br />
musste hinter ihr herkriechen durch <strong>de</strong>n Flur, zu einem Raum, <strong>de</strong>ssen Tür sie öff-<br />
90 Ekelreize lösen in allen Kulturen die gleichen Reaktionsmuster aus. Die evolutionstheoretische Erklärung<br />
könnte hierfür eine Begründung liefern: "Wenn uns etwas anekelt, möchten wir es beseitigen o<strong>de</strong>r in einer<br />
Weise verän<strong>de</strong>rn, daß es nicht länger ekelerregend ist. In <strong>de</strong>r Evolution hat Ekel wahrscheinlich dabei geholfen,<br />
Organismen zu motivieren, die Umwelt ausreichend hygienisch zu erhalten <strong>und</strong> sie da<strong>von</strong> abzuhalten,<br />
verdorbene Nahrung zu essen <strong>und</strong> verschmutztes Wasser zu trinken. Ekel ist kein perfekter Detektor <strong>von</strong> gefährlicher<br />
Verunreinigung, aber er hilft. Ferner spielt Ekel wahrscheinlich eine Rolle bei <strong>de</strong>r Erhaltung <strong>de</strong>r<br />
körperlichen Hygiene" (Izard 1981, S. 376f). Die Auslöser für Ekelreaktionen sind aber kulturell codiert <strong>und</strong><br />
variieren <strong>im</strong> interkulturellen Vergleich beträchtlich.<br />
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