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Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de

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die noxische Reizung so weit geht, dass <strong>de</strong>r Schmerz nicht mehr ertragen wer<strong>de</strong>n kann) indi-<br />

viduell unterschiedlich ist. Was <strong>de</strong>m einen weh tut, kann <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re noch gut verkraften.<br />

Möglicherweise liegt also bei einigen Sadomasochisten die Toleranzgrenze ohnehin schon<br />

höher als bei an<strong>de</strong>ren Menschen. 87 Zu<strong>de</strong>m sind normale Reaktionen auf schmerzhafte Reize<br />

nicht angeboren, son<strong>de</strong>rn müssen in einer frühen Entwicklungsphase erlernt wer<strong>de</strong>n. 88 Ent-<br />

sprechend könnten vielleicht auch best<strong>im</strong>mte Entwicklungsstörungen für eine drastische De-<br />

sensibilisierung <strong>von</strong> Nociceptoren verantwortlich gemacht wer<strong>de</strong>n, so dass bei manchen Sa-<br />

domasochisten die Noxen erst auf einem recht hohen Niveau Schmerzempfindungen auslö-<br />

sen. Jedoch liegen entsprechen<strong>de</strong> exper<strong>im</strong>entelle Untersuchungen nicht vor.<br />

Wichtig sind auch die endogenen Schmerzkontrollsysteme, die das Schmerzerlebnis blockie-<br />

ren können. Eines <strong>von</strong> ihnen wirkt in <strong>de</strong>r Verbindung <strong>von</strong> Opiatrezeptoren <strong>und</strong> ihnen zugehö-<br />

rige körpereigenen Ligan<strong>de</strong>n (Endorphine, Enkephaline <strong>und</strong> Dynorphine). Aufgr<strong>und</strong> spezifi-<br />

scher Rezeptoren an <strong>de</strong>n Neuronen <strong>de</strong>s nociceptiven Systems können diese körpereigenen<br />

Opiate sehr gezielt wirken. Schmerzempfindungen können dadurch - analog zu <strong>de</strong>r Wir-<br />

kungsweise <strong>von</strong> körperfrem<strong>de</strong>n Schmerzmitteln - reduziert o<strong>de</strong>r ganz unterdrückt wer<strong>de</strong>n.<br />

Eine an<strong>de</strong>re Form endogener Schmerzkontrolle ist möglicherweise <strong>im</strong> Zusammenhang mit<br />

best<strong>im</strong>mten elektrophysiologischen Prozessen <strong>im</strong> Gehirn zu sehen. Larbig u.a. (1982) weisen<br />

darauf hin, dass z.B. bei Fakiren o<strong>de</strong>r Feuerläufern ein Zustand kortiko-subkortikaler Dissozi-<br />

ationen (Hirnschlaf-körperliche Aktivität) zu beobachten ist, <strong>de</strong>r mit erhöhten Thetaaktivitä-<br />

ten verb<strong>und</strong>en ist: „Das ekstatische, hypermotorische Tanzen <strong>de</strong>s Pyrovaten auf <strong>de</strong>r Glut bei<br />

eingeschränkter Aufmerksamkeit auf Musik, Ikonen, religiöse Vorstellungen, kombiniert mit<br />

‚schlafen<strong>de</strong>n’ Hirnteilen (erhöhte Thetaaktivität, entsprechend Schlafstadium 3-4), ist ver-<br />

gleichbar mit somnambulen Reaktionen o<strong>de</strong>r hysterischen ‚fugues’. Diese psychopathologi-<br />

schen Zustän<strong>de</strong> sind ebenfalls charakterisiert durch motorische ‚automatisierte’ Aktivität bei<br />

gleichzeitigem Hirnschlaf“ (ebd. S. 108/109). Vergleichbare Zustän<strong>de</strong> sind bei <strong>de</strong>r sexuellen<br />

Erregung, insbeson<strong>de</strong>re be<strong>im</strong> Orgasmus nachzuweisen: „Während <strong>de</strong>s sexuellen Höhepunktes<br />

87 Exper<strong>im</strong>ente haben gezeigt, dass die Schmerztoleranz <strong>im</strong> interkulturellen Vergleich unterschiedlich ist: "In<br />

einer Studie in <strong>de</strong>n USA wur<strong>de</strong>n beispielsweise jüdische, italienische <strong>und</strong> indianische Hausfrauen miteinan<strong>de</strong>r<br />

verglichen. Obwohl es bei <strong>de</strong>n drei Bevölkerungsgruppen keine Unterschie<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>n Schmerzschwellen<br />

gab, zeigten die Italienerinnen eine erheblich geringere Schmerztoleranz als die Jüdinnen o<strong>de</strong>r die Indianerinnen.<br />

Das entspricht <strong>de</strong>m durch die Karl-May-Tradition genährten Klischee, daß Indianer mehr Schmerz<br />

aushalten können" (Pöppel 1982, S. 240).<br />

88 So bemerken Birbaumer/Schmidt(1990, S. 352): "Bleiben diese frühkindlichen Erfahrungen aus, so lassen sie<br />

sich später nur schwer erlernen: Junge H<strong>und</strong>e, die in <strong>de</strong>n ersten 8 Lebensmonaten vor allen schädigen<strong>de</strong>n<br />

Reizen bewahrt wur<strong>de</strong>n, waren unfähig, auf Schmerzen angemessen zu reagieren, <strong>und</strong> lernten dies nur langsam<br />

<strong>und</strong> unvollkommen. Sie schnupperten <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r an offenen Flammen <strong>und</strong> ließen sich Na<strong>de</strong>ln tief in<br />

die Haut stechen, ohne mehr als lokale reflektorische Zuckungen zu zeigen. Vergleichbare Beobachtungen<br />

wur<strong>de</strong>n auch an jungen Rhesusaffen erhoben."<br />

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