Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de
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würfigkeit, Demut <strong>und</strong> Aufopferung seines masochistischen Partners. Die Erfahrungen <strong>de</strong>s<br />
aktiven Teils lassen sich am ehesten mit Vergewisserung <strong>und</strong> Bestätigung <strong>de</strong>r Macht be-<br />
schreiben. Es ist aber auch <strong>de</strong>nkbar, dass das Foltern <strong>und</strong> Quälen an sich Lustgefühle erzeugt.<br />
In <strong>de</strong>r Phantasie - so berichten einige <strong>de</strong>r Befragten - haben diese Vorstellungen durchaus eine<br />
st<strong>im</strong>ulieren<strong>de</strong> Funktion. Allerdings lehnen sie die Umsetzung aus moralischen Grün<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />
wegen möglicher negativer Sanktionen ab. Dieser Umstand darf aber nicht dahingehend ver-<br />
stan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, als gäbe es diese ‚Folterpraktiken’ nicht. Sie wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Szene totge-<br />
schwiegen, weil sie nicht selten mit Verletzungen <strong>de</strong>s Freiwilligkeitsgebotes einhergehen <strong>und</strong><br />
die Sadomasochisten als Gesamtheit diskreditieren. 85 Für einen Teil <strong>de</strong>r passiv orientierten<br />
Personen ist <strong>de</strong>r Schmerz während <strong>de</strong>s SM-Rituals ein notwendiges Übel <strong>und</strong> keineswegs nur<br />
eine angenehme Erfahrung. Masochisten erlei<strong>de</strong>n die Qual als <strong>de</strong>n signifikantesten Ausdruck<br />
<strong>von</strong> Selbstaufgabe <strong>und</strong> Ohnmacht:<br />
Nikolaus: Schmerz fügt sie mir zu. Sie fragt nicht, ob sie darf o<strong>de</strong>r ob ich es will,<br />
sie tut es, mit verschie<strong>de</strong>nen Schmerzgra<strong>de</strong>n. Die geringen Gra<strong>de</strong> empfin<strong>de</strong> ich<br />
unter Umstän<strong>de</strong>n direkt angenehm. Da spüre ich meine Herrin, die ich <strong>im</strong> Normalsex<br />
ja sonst ohnehin nie zu spüren bekomme. An <strong>de</strong>n Geschlechtsteilen, am<br />
Anus <strong>und</strong> vor allem an <strong>de</strong>n Brustwarzen habe ich diesen leichten Schmerz beson<strong>de</strong>rs<br />
gern. Aber dann kommen höhere Schmerzgra<strong>de</strong>, die schwer zu verkraften<br />
sind. Nur: wer fragt danach? Ich habe mich unterworfen, ich muss es erdul<strong>de</strong>n.<br />
Ich besch<strong>im</strong>pfe mich dann selbst laut als Feigling <strong>und</strong> Schwächling, dass mir das<br />
weh tut. Ich bitte die Herrin aufzuhören, aber sie verhöhnt mich nur <strong>und</strong> lacht<br />
(wahnsinnig <strong>de</strong>mütigend) <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Schmerz kann auch in das Unerträgliche gesteigert<br />
wer<strong>de</strong>n. (...) Ich schreie, bitte um Gna<strong>de</strong>, die nicht gewährt wird - aber hinterher<br />
bedanke ich mich, <strong>und</strong> dieser Dank ist trotz<strong>de</strong>m echt <strong>und</strong> nicht nur befohlen<br />
o<strong>de</strong>r gespielt. Da ich meine Herrin oft wechsle, ist es nicht nötig, die Schmerzintensität<br />
zu steigern, um <strong>de</strong>n ‚Spaß’, wie sie es nennen, zu erhöhen. Schmerzen<br />
machen natürlich keinen Spaß, aber eine Luststeigerung ist es schon. Wür<strong>de</strong> ich<br />
einen Salon verlassen, ohne Schmerz empf<strong>und</strong>en zu haben, so hätte ich nichts erlebt.<br />
Der Schmerz, <strong>de</strong>r mir zugefügt wird, also Strafe ohne Gr<strong>und</strong>, da ich doch gar<br />
kein Verschul<strong>de</strong>n auf mich gezogen habe, <strong>de</strong>mütigt mich sehr stark <strong>und</strong> je größer<br />
<strong>de</strong>r Schmerz war, um so tiefer die Demütigung (64 Jahre, M, heterosexuell).<br />
Neben dieser Personengruppe gibt es aber auch Masochisten, die aus <strong>de</strong>m unmittelbaren<br />
Schmerzerlebnis Lust gewinnen. 86 Dabei geht es nicht nur um Unterwerfung, son<strong>de</strong>rn um eine<br />
spezifische Steigerung <strong>de</strong>s Lusterlebnisses durch Schmerz:<br />
85 Auf diese Frage wer<strong>de</strong> ich ausführlich in Kap. III.1.7 eingehen, wenn es um die Verletzung <strong>von</strong> Grenzen <strong>und</strong><br />
Regeln <strong>im</strong> sadomasochistischen Arrangement geht.<br />
86 Schrenck-Notzing(1902) hat für diesen Sachverhalt <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Algolagnie eingeführt.<br />
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