Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de
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Joach<strong>im</strong>: Die Illusion <strong>von</strong> Machtgefühl, <strong>de</strong>r totalen Unterwerfung eines Menschen,<br />
die (theoretische) Möglichkeit, uneingeschränkt alles mit <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren machen<br />
zu können, was gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Sinn kommt, turnt mich unhe<strong>im</strong>lich an (40<br />
Jahre, S/M, schwul).<br />
Katrin: Es hat einfach viel damit zu tun, die an<strong>de</strong>re zu beherrschen, ja, richtige<br />
Macht über sie zu haben. Das Gefühl, sie macht alles für mich. Das gibt mir Ruhe<br />
<strong>und</strong> Lust, es befriedigt (32 Jahre, S/M, lesbisch).<br />
Mit <strong>de</strong>m subjektiven Gefühl <strong>de</strong>s Herrschens können Lustgefühle entstehen resp. damit ver-<br />
b<strong>und</strong>en sein. Für diese Zustän<strong>de</strong> scheint es vermutlich eine biophysiologische Basis zu geben:<br />
Dominante Individuen produzieren unter Anspannung (was <strong>im</strong> SM-Ritual zumeist <strong>de</strong>r Fall<br />
ist) körpereigene Stoffe (Testosteron), die sexuell st<strong>im</strong>ulierend sein können. Diese Reaktionen<br />
wur<strong>de</strong>n allerdings erst bei Pr<strong>im</strong>aten untersucht. Die Übertragbarkeit in <strong>de</strong>n Humanbereich<br />
wur<strong>de</strong> bislang nicht ausreichend geprüft. Ob es sich bei Dominanz <strong>und</strong> Submission um<br />
Gr<strong>und</strong>d<strong>im</strong>ensionen <strong>von</strong> Emotionen - genau wie beispielsweise Lust <strong>und</strong> Unlust - han<strong>de</strong>lt, ist<br />
ebenfalls wenig erforscht (vgl. Birbaumer 1983). Über diesen Aspekt dominanten Verhaltens<br />
lassen sich <strong>de</strong>shalb zur Zeit nur Vermutungen anstellen. Über die Verbindung <strong>von</strong> Gewalt <strong>und</strong><br />
Lust könnten auch die Exper<strong>im</strong>ente <strong>von</strong> Malamuth u.a. 81 Aufschluss geben. Sie haben ge-<br />
zeigt, dass Versuchspersonen, die zuvor sexuell erregt wur<strong>de</strong>n, sich anschließend in einer<br />
Versuchssituation eher aggressiv verhielten. Auch <strong>de</strong>r umgekehrte Weg erbrachte ein ähnli-<br />
ches Ergebnis: Nach<strong>de</strong>m Versuchspersonen aggressiv st<strong>im</strong>uliert wur<strong>de</strong>n, zeigten sie einer<br />
anschließen<strong>de</strong>n Versuchssituation ein höheres sexuelles Erregungsniveau. Die enge Verbin-<br />
dung <strong>von</strong> Sexualität <strong>und</strong> Aggression wird dabei auf die spezifische Organisation <strong>de</strong>s l<strong>im</strong>bi-<br />
schen Systems <strong>und</strong> auf best<strong>im</strong>mte hormonelle Einflüsse zurückgeführt. Dieser Ansatz könnte<br />
auch für die Erklärung <strong>de</strong>s SM-Verhaltens herangezogen wer<strong>de</strong>n. Jemand, <strong>de</strong>r in einer sexuel-<br />
len Situation Macht (Aggression) ausübt, wird dadurch auch sexuell stärker st<strong>im</strong>uliert. Diese<br />
These ist allerdings bislang empirisch kaum belegt.<br />
Dominante Verhaltensmuster können auch ein Versuch sein, Nähe gegenüber <strong>de</strong>m Partner<br />
herzustellen. Die Befragten gebrauchen dafür Begriffe wie ‘aufbrechen’, ‘durchdringen’,<br />
‘auflösen’ o<strong>de</strong>r ‘verschmelzen’. An<strong>de</strong>re Personen erschließen sich durch die masochistischen<br />
‘Opfer’ das Gefühl <strong>de</strong>r Sicherheit vor <strong>de</strong>m Partnerverlust. Die Torturen, die <strong>de</strong>r Masochist auf<br />
sich n<strong>im</strong>mt, wer<strong>de</strong>n zu einem symbolischem Treue-Eid für die aktive Person: ‘Sie zeigt mir<br />
dadurch, dass sie alles auf sich n<strong>im</strong>mt, dass sie mir gehört’. Hinter diesen unterschiedlichen<br />
81 Im Einzelnen kann auf die folgen<strong>de</strong>n Arbeiten hingewiesen wer<strong>de</strong>n: Malamuth u.a. (1977); (1980a); (1980b);<br />
(1980c) sowie Jaffe u.a. (1974).<br />
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