Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de
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ße tun? Nach längerem Herumirren fand ich eine Gastwirtschaft, setzte mich in<br />
eine Ecke, legte <strong>de</strong>n Mantel über meinen Schoß <strong>und</strong> nahm unter <strong>de</strong>r Tisch<strong>de</strong>cke<br />
<strong>und</strong> <strong>de</strong>m Mantel, ungesehen <strong>von</strong> allen mein Glied heraus, wischte es erst einmal<br />
ab, kühlte es dann mit meinem Bier. Ich litt einfach unsagbare Schmerzen, die<br />
Tränen liefen mir ungewollt aus <strong>de</strong>n Augen, ich litt <strong>und</strong> litt <strong>und</strong> litt. Diese<br />
Schmerzen kann man nicht beschreiben. Nach einer halben St<strong>und</strong>e etwa ließen die<br />
Schmerzen dann langsam nach. Ich zahlte <strong>und</strong> ging. Zu Hause angekommen nahm<br />
ich <strong>de</strong>n Telefonhörer, rief die junge Herrin an <strong>und</strong> bedankte mich vielmals für die<br />
fre<strong>und</strong>liche <strong>und</strong> rücksichtsvolle Behandlung. Ihre Reaktion lautete einfach ‚Idiot’<br />
<strong>und</strong> <strong>de</strong>r Hörer knallte in die Gabel. Wenige Tage später war ich wie<strong>de</strong>r da. Ich<br />
wollte Buße tun, weil ich <strong>de</strong>n köstlichen Balsam abgewischt hatte, <strong>de</strong>n sie mir gegen<br />
meine Schmerzen gegeben hatte (58 Jahre, M. heterosexuell).<br />
Ein an<strong>de</strong>rer Aspekt kommt noch hinzu. Im Bereich <strong>von</strong> totalen Institutionen beschreibt Goff-<br />
man (1973) einen Prozess, <strong>de</strong>n er als Diskulturation bezeichnet: „Der Neuling kommt mit<br />
einem best<strong>im</strong>mten Bild <strong>von</strong> sich selbst in die Anstalt, welches durch best<strong>im</strong>mte stabile soziale<br />
Bedingungen seiner he<strong>im</strong>ischen Umgebung ermöglicht wur<strong>de</strong>. Be<strong>im</strong> Eintritt wird er sofort <strong>de</strong>r<br />
Hilfe beraubt, die diese Bedingungen ihm boten“ (ebd., S. 25). Dazu wer<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>ne<br />
Maßnahmen eingeleitet. An erster Stelle steht <strong>de</strong>r Entzug <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ntitätsausrüstung: Der per-<br />
sönliche Besitz (wie Kleidung, Uhren, Schreibutensilien, Radios, Bücher etc.) wird eingezo-<br />
gen <strong>und</strong> gegen eine Anstaltsuniform eingetauscht. Der Name wird durch eine Nummer er-<br />
setzt, die selbstbest<strong>im</strong>mte Verfügbarkeit über <strong>de</strong>n eigenen Körper wird z.B. durch best<strong>im</strong>mte<br />
Nacktheitsrituale nicht mehr gewährleistet. Ein ähnlicher Prozess fin<strong>de</strong>t <strong>im</strong> SM-Arrangement<br />
statt. Durch <strong>de</strong>n Verlust <strong>de</strong>r alltäglichen I<strong>de</strong>ntitätsrequisiten <strong>und</strong> die Reduktion auf <strong>de</strong>n Kör-<br />
per sind <strong>de</strong>m Sklaven die Möglichkeiten seiner alltäglichen Rollen nicht mehr gegeben. So ist<br />
auch <strong>de</strong>r ‘Firmenboss <strong>im</strong> Studio keine Autoritätsperson mehr, son<strong>de</strong>rn nur ein einfacher Skla-<br />
ve’.<br />
Im Unterschied zur totalen Institution sind diese Mechanismen <strong>im</strong> SM-Bereich aber freiwillig,<br />
gespielt <strong>und</strong> temporär. Die Akteure geben ihre Alltags-I<strong>de</strong>ntität an <strong>de</strong>r Tür zum ehelichen<br />
Folterraum o<strong>de</strong>r zum Dominastudio ab. Sie erhalten sie erst dann wie<strong>de</strong>r zurück, wenn die<br />
Situation verlassen wird (vgl. Kap. III.1.8). Diese bei<strong>de</strong>n Punkte markieren die Grenzen <strong>de</strong>s<br />
SM-Rahmens, <strong>de</strong>r durch verschie<strong>de</strong>ne Modulationen vom Alltag abgetrennt ist. ‚Module’ sind<br />
dabei folgen<strong>de</strong>rmaßen <strong>de</strong>finiert: „Darunter verstehe ich das System <strong>von</strong> Konventionen, wo-<br />
durch eine best<strong>im</strong>mte Tätigkeit, die bereits <strong>im</strong> Rahmen eines pr<strong>im</strong>ären Rahmens sinnvoll ist,<br />
in etwas transformiert wird, das dieser Tätigkeit nachgebil<strong>de</strong>t ist, <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Beteiligten aber als<br />
etwas ganz an<strong>de</strong>res gesehen wird“ (Goffman 1980, S. 55). Die Modulationen verschie<strong>de</strong>ner<br />
Alltagsrituale durch Hyperritualisierungen, Verzerrungen <strong>de</strong>s Wechselspiels <strong>von</strong> Erwartung<br />
<strong>und</strong> Bestätigung o<strong>de</strong>r - nicht zu vergessen - <strong>de</strong>r Verlust <strong>de</strong>r alltäglichen Requisiten, machen<br />
die Eigenart <strong>de</strong>s SM-Arrangements maßgeblich aus.<br />
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