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Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de

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Auch in <strong>de</strong>r SM-Interaktion wer<strong>de</strong>n Rituale 80 eingesetzt. Sie sind hier keine <strong>im</strong>pliziten, son-<br />

<strong>de</strong>rn explizite Handlungsregulative. Neben <strong>de</strong>r Bewusstheit ihrer Verwendung gibt es weitere<br />

Unterschie<strong>de</strong> zu <strong>de</strong>n Alltagsritualen. Zuvorkommenheits- <strong>und</strong> Vermeidungsrituale beispiels-<br />

weise wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n SM-Enklaven übersteigert verwen<strong>de</strong>t. Es reicht nicht, wenn <strong>de</strong>r Sklave<br />

zur Domina ‚Guten Tag, Frau Schmitt’ sagen wür<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn er muss beispielsweise bei <strong>de</strong>r<br />

Begrüßung auf die Knie fallen <strong>und</strong> seine Herrin durch Fußküsse <strong>und</strong> übergebührliche Huldi-<br />

gungen begrüßen. Auf Außenstehen<strong>de</strong> wirkt das zumeist theatralisch übertrieben, in <strong>de</strong>r SM-<br />

Situation ist es gleichwohl ein wichtiges Element. An<strong>de</strong>re Rituale haben die Funktion <strong>de</strong>r<br />

Entweihung. Sie reichen weit in die Persönlichkeitssphäre hinein <strong>und</strong> machen auch nicht vor<br />

<strong>de</strong>n ‚w<strong>und</strong>en’ Punkten einer Person halt. Sie zielen <strong>im</strong> Gegenteil darauf ab, die betreffen<strong>de</strong><br />

Person erniedrigen <strong>und</strong> <strong>de</strong>mütigen zu können. Die SM-Fähigkeit <strong>de</strong>s Sklaven hängt wesent-<br />

lich da<strong>von</strong> ab, dass er Image-Verletzungen - das ‚Gesicht verlieren’ - als Erwartung an sich<br />

akzeptiert. Je besser die jeweiligen Akteure sich dabei kennen, <strong>de</strong>sto eher wissen sie um die<br />

beson<strong>de</strong>rs verletzbaren physischen <strong>und</strong> psychischen Punkte bei ihrem Gegenüber. Diese<br />

Kenntnisse wer<strong>de</strong>n für die Gestaltung <strong>de</strong>s Szenarios ausgenutzt. Die ritualisierte Verletzung<br />

<strong>de</strong>s Schamgefühls durch die öffentliche Vorführung o<strong>de</strong>r best<strong>im</strong>mte Formen <strong>de</strong>r Entweihung<br />

sind Mittel dazu. Neben <strong>de</strong>n bekräftigen<strong>de</strong>n (die zumeist <strong>de</strong>r Sklave erbringt), gibt es auch<br />

eine ganze Reihe <strong>von</strong> negativen Ritualen, die nicht nur als Reaktion auf unterbliebene Re-<br />

spektbezeugungen begriffen wer<strong>de</strong>n können. Diese Handlungen erfolgen auch dann, wenn <strong>de</strong>r<br />

Sklave sich mustergültig verhält. So entsteht eine paradoxe Situation: Zum einen stellt die<br />

Ritualisierung Verhaltensschablonen zur Verfügung, um Handlung <strong>und</strong> Erwartung voraus-<br />

sehbar zu machen, zum an<strong>de</strong>ren ist gera<strong>de</strong> die permanente Verletzung <strong>de</strong>r Erwartung (durch<br />

die aktive Person) maßgeblicher Teil <strong>de</strong>r SM-Rituale. Der Sklave kann, vereinfacht ausge-<br />

drückt, gemessen an <strong>de</strong>r Reaktion (Bestätigung) <strong>de</strong>s dominanten Teils, nie etwas richtig ma-<br />

chen, weil fast <strong>im</strong>mer negative Sanktionen erfolgen. Diese Willkürlichkeit <strong>de</strong>s Verhaltens ist<br />

intendiert, <strong>de</strong>nn so kann das Ritual unentwegt fortgeführt wer<strong>de</strong>n:<br />

Martin: 1985 habe ich <strong>de</strong>n wahrscheinlich wahnsinnigsten Schmerz erlebt. Nach<strong>de</strong>m<br />

die Erziehungsst<strong>und</strong>e zu En<strong>de</strong> war <strong>und</strong> ich vor <strong>de</strong>r ganz jungen Herrin zu<br />

En<strong>de</strong> onaniert hatte, erklärte sie mir, dass sie mich jetzt entschädigen wer<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn<br />

meine stark strapazierte Eichel müsse jetzt gepflegt wer<strong>de</strong>n, sie habe dafür einen<br />

Balsam. Sie rieb mir, <strong>de</strong>m voll Ernüchterten, die Eichel mit Rheumabalsam ein<br />

<strong>und</strong> versprach mir eine sehr lin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Wirkung, ohne zu verraten, dass es Rheumabalsam<br />

ist. Ich kniete vor ihr, bedankte mich für alles, zog mich an <strong>und</strong> bat um<br />

Entlassung. Draußen auf <strong>de</strong>r Straße begann <strong>de</strong>r Balsam seine Wirkung zu zeigen.<br />

Es brannte <strong>im</strong>mer schl<strong>im</strong>mer, ich war ganz ratlos. Was sollte ich hier auf <strong>de</strong>r Stra-<br />

80<br />

Zum ‚Ritual’ als Mittel <strong>de</strong>r Kommunikation <strong>und</strong> Orientierungshilfe in <strong>de</strong>r sozialen Interaktion vgl. die Arbeiten<br />

<strong>von</strong> Douglas (1986) o<strong>de</strong>r Soeffner (1992).<br />

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