Außeralltäglichkeit und Grenzerfahrung im Kontext von ... - PBportal.de

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11.11.2012 Aufrufe

hungen zwischen Prostituierter und Zuhälter immer partnerschaftliche sind, (...) sondern daß auch Gewalt die Kommunikation bestimmt“ (Girtler 1990, S. 83). Zu Beginn unserer Studie sprachen wir mit einem Zuhälter, der angab, dass auch Dominas nicht ohne Zuhälter arbeiten können. Er erklärte dies wie folgt: Wenn z.B. eine Domina ein Studio aufmacht, dann frisst die unser Geld weg mit ihrer ganzen Stammkundschaft. Das geht nicht. Das können wir [die führenden Zuhälter der Stadt] nicht zulassen. Dann wird der Rat einberufen, und wir sitzen dann am Stammtisch, und dann wird beredet, was zu tun ist. Da wird abgestimmt. Wenn wir beschlossen haben, dass ein Club geschlossen wird, dann wird z.B. in einer Nacht- und Nebelaktion das Studio demoliert. Es gibt auch noch andere Methoden: Man schickt z.B. einen getarnten Freier hoch, der klingelt ganz normal und geht rein und haut alles kurz und klein. Die Dominas bewerten das anders. Sie berichten, dass Zuhälterei nicht zwangsläufig mit dem Dominagewerbe verbunden sein muss. Sicherlich gibt es einige Studios, die durch Zuhälter kontrolliert werden und dies insbesondere dann, wenn die Domina vorher als Prostituierte gearbeitet und sich im gleichen Ort ‘auf pervers’ spezialisiert hat. Häufig sind die Studios aber ganz aus den ‚Sperrbezirken’ ausgelagert. Die Domina arbeitet als eigenständige Ge- schäftsfrau oder zumindest als Leiterin des Etablissements: Hanna: Der Bereich der Zuhälterei, der war schon immer in diesem Milieu gegeben. Dass irgendwelche Frauen mit irgendwelchen Leuten aus dieser Szene Kontakt kriegen, notgedrungen oder gewollt, das ist auch gegeben. Aber ich sage mir immer: Wer sich in die Gefahr begibt, kommt darin um. Es kommt immer darauf an, wo man sich hinbegibt. Wenn man als Domina meint, man muss in die Stammdiskotheken oder in die Milieukneipen gehen und sich da publik machen, ist natürlich die Gefahr da, dass man solche Leute auf sich aufmerksam macht, die da vielleicht Geld riechen. Wenn man sich aber nur auf seinen Job konzentriert und ein normal geregeltes Privatleben hat, ist die Gefahr so gut wie nicht gegeben. Die Repressalien von früher sind immer mehr am nachlassen, die Frauen sind emanzipierter geworden. Mittlerweile gibt es sehr viele Vereinigungen, wie die ‚HWG’ in Frankfurt, dann gibt es ‚Straps und Grips’ oben in Münster u.s.w. Ich habe da mit einigen Leuten Kontakt. Es ist so, dass schon ein gewisser Schutz da ist. Zwar nicht von den Behörden selbst, aber dadurch, dass die ganze Grauzone etwas lockerer geworden ist. Es gibt zwar die Sperrgebiete und gewisse Auflagen für die Frauen, die der normalen Prostitution oder dem Studiobereich nachgehen. Aber dadurch, dass da eine andere Zusammenarbeit stattfindet, und dass das Ganze ein bisschen mehr an die Öffentlichkeit kommt, und nicht mehr so der verruchte Touch da ist, kann man sich halt zu gewissen Dingen offizieller äußern. Dadurch ist auch die Zuhälterei sehr ins Hintertreffen geraten (38 Jahre, Domina, Studioinhaberin). Aber nicht nur durch eigenständige Organisation und ‚Unternehmensführung’ unterscheidet sich das Dominagewerbe von der Prostitution. Sie distanzieren sich von den ‘Nutten’ und 102

verstehen sich nicht als Prostituierte, sondern eher als ‚Therapeutinnen’, die Erziehungsfehler kompensieren, gesellschaftlich stigmatisierte Wünsche erfüllen und Bedürfnisse von Men- schen befriedigen, die sonst nirgends ausgelebt werden können. 1.4 Codes und Symbole Auch in den sadomasochistischen Spezialkulturen bilden sich - genau wie in anderen Berei- chen 62 - typische Wissensvorräte aus. Die sozialen Regeln bei Gruppeninszenierungen oder bestimmte Fertigkeiten (z.B. bei Bondage-Praktiken) sind Beispiele für dieses Szenewissen. Daneben gibt es zahlreiche Symbole und Codes als Elemente dieser spezialkultur-typischen Relevanzsysteme, die der Außenseiter nicht ohne Weiteres decodieren kann. Ihre Funktionen sind im Folgenden dargestellt. Dabei sind zwei größere Bereiche zu unterscheiden: 1) Die spezifischen verbalen Sprachcodes aus den Kontaktanzeigen und 2) die symbolvermittelten - non-verbalen Bedeutungsträger (Kleidung, Schmuck etc.). Letztere haben auch fetischistische Funktionen, die im Anschluss dargestellt werden. 1.4.1 Kontaktanzeigen Medien spielen in den sadomasochistischen Spezialkulturen eine wichtige Rolle (vgl. Wetz- stein u.a. 1993). Ein großer Teil der Print- und der elektronischen Medien dient dabei Anima- tionszwecken. Es gibt aber auch zahlreiche Kontaktzeitschriften, in denen Interessierte nach persönlichen Beziehungen suchen oder sie anbieten. In jedem Szenegeschäft sind solche Kon- taktführer zu finden. Dies war nicht immer so. Bis in die siebziger Jahre hinein gab es keine ausgeprägte subkulturelle Organisation und kaum Medien für solche spezialisierten Interes- sen. Was aber nicht heißen soll, dass keine Kontakte über Medien geknüpft wurden: Dorothea: Anzeigen gibt es eigentlich schon sehr lange. Die waren früher allerdings ziemlich verschlüsselt. Also nicht so offen, wie man das heute formuliert. Heute gibt es ja Hefte, in denen stehen Anzeigen drin, die sind ja nun wirklich deftig, so dass ich mich manchmal wundere, was für Worte da gebraucht werden. Aber früher hat man ja diese Anzeigen verschlüsselt abgefasst. Die Zeitungen hätten das ja auch gar nicht aufgenommen, wenn man das anders formuliert hätte. Sogar heute gibt es Zeitungen, in denen man sehr vorsichtig formulieren muss (50 Jahre, S., heterosexuell). 62 Als Beispiele können hier etwa die Welten der Videofans (vgl. Eckert u.a. 1990; Vogelgesang 1991), der Computerfreaks (vgl. Eckert u.a. 1991), die Bodybuilding-Kultur (vgl. Honer 1985) oder auch die Do-ityourself-Bastler (vgl. Hitzler/Honer 1988) genannt werden. 103

verstehen sich nicht als Prostituierte, son<strong>de</strong>rn eher als ‚Therapeutinnen’, die Erziehungsfehler<br />

kompensieren, gesellschaftlich stigmatisierte Wünsche erfüllen <strong>und</strong> Bedürfnisse <strong>von</strong> Men-<br />

schen befriedigen, die sonst nirgends ausgelebt wer<strong>de</strong>n können.<br />

1.4 Co<strong>de</strong>s <strong>und</strong> Symbole<br />

Auch in <strong>de</strong>n sadomasochistischen Spezialkulturen bil<strong>de</strong>n sich - genau wie in an<strong>de</strong>ren Berei-<br />

chen 62 - typische Wissensvorräte aus. Die sozialen Regeln bei Gruppeninszenierungen o<strong>de</strong>r<br />

best<strong>im</strong>mte Fertigkeiten (z.B. bei Bondage-Praktiken) sind Beispiele für dieses Szenewissen.<br />

Daneben gibt es zahlreiche Symbole <strong>und</strong> Co<strong>de</strong>s als Elemente dieser spezialkultur-typischen<br />

Relevanzsysteme, die <strong>de</strong>r Außenseiter nicht ohne Weiteres <strong>de</strong>codieren kann. Ihre Funktionen<br />

sind <strong>im</strong> Folgen<strong>de</strong>n dargestellt. Dabei sind zwei größere Bereiche zu unterschei<strong>de</strong>n: 1) Die<br />

spezifischen verbalen Sprachco<strong>de</strong>s aus <strong>de</strong>n Kontaktanzeigen <strong>und</strong> 2) die symbolvermittelten -<br />

non-verbalen Be<strong>de</strong>utungsträger (Kleidung, Schmuck etc.). Letztere haben auch fetischistische<br />

Funktionen, die <strong>im</strong> Anschluss dargestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

1.4.1 Kontaktanzeigen<br />

Medien spielen in <strong>de</strong>n sadomasochistischen Spezialkulturen eine wichtige Rolle (vgl. Wetz-<br />

stein u.a. 1993). Ein großer Teil <strong>de</strong>r Print- <strong>und</strong> <strong>de</strong>r elektronischen Medien dient dabei An<strong>im</strong>a-<br />

tionszwecken. Es gibt aber auch zahlreiche Kontaktzeitschriften, in <strong>de</strong>nen Interessierte nach<br />

persönlichen Beziehungen suchen o<strong>de</strong>r sie anbieten. In je<strong>de</strong>m Szenegeschäft sind solche Kon-<br />

taktführer zu fin<strong>de</strong>n. Dies war nicht <strong>im</strong>mer so. Bis in die siebziger Jahre hinein gab es keine<br />

ausgeprägte subkulturelle Organisation <strong>und</strong> kaum Medien für solche spezialisierten Interes-<br />

sen. Was aber nicht heißen soll, dass keine Kontakte über Medien geknüpft wur<strong>de</strong>n:<br />

Dorothea: Anzeigen gibt es eigentlich schon sehr lange. Die waren früher allerdings<br />

ziemlich verschlüsselt. Also nicht so offen, wie man das heute formuliert.<br />

Heute gibt es ja Hefte, in <strong>de</strong>nen stehen Anzeigen drin, die sind ja nun wirklich<br />

<strong>de</strong>ftig, so dass ich mich manchmal w<strong>und</strong>ere, was für Worte da gebraucht wer<strong>de</strong>n.<br />

Aber früher hat man ja diese Anzeigen verschlüsselt abgefasst. Die Zeitungen hätten<br />

das ja auch gar nicht aufgenommen, wenn man das an<strong>de</strong>rs formuliert hätte.<br />

Sogar heute gibt es Zeitungen, in <strong>de</strong>nen man sehr vorsichtig formulieren muss (50<br />

Jahre, S., heterosexuell).<br />

62 Als Beispiele können hier etwa die Welten <strong>de</strong>r Vi<strong>de</strong>ofans (vgl. Eckert u.a. 1990; Vogelgesang 1991), <strong>de</strong>r<br />

Computerfreaks (vgl. Eckert u.a. 1991), die Bodybuilding-Kultur (vgl. Honer 1985) o<strong>de</strong>r auch die Do-ityourself-Bastler<br />

(vgl. Hitzler/Honer 1988) genannt wer<strong>de</strong>n.<br />

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