Programmheft - Badisches Staatstheater - Karlsruhe
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ein stäubchen<br />
gegen die<br />
Unendlichkeit<br />
Heinrich von Kleist<br />
Mein liebster Rühle, wenn ich bisher<br />
mit meinen Antworten über die Maßen<br />
zögerte, so tatest Du wohl ein übriges, und<br />
ergriffst von selbst die Feder, um den auseinander<br />
gehenden Kranz unsrer Freundschaft<br />
zu umwickeln, auch wohl ein neues<br />
Blümchen noch obenein hinzuzutun; doch<br />
diesmal läßt Du gewähren, und Deinethalben,<br />
scheint es, könnt er auf immer auseinander<br />
schlottern. Nun, mein guter Junge,<br />
es hat nichts zu sagen, und ich küsse Dich.<br />
Dieser Kranz, er ward beim Anfang der<br />
Dinge gut gewunden, und das Band wird<br />
schon, auch ohne weiteres Zutun, so lange<br />
aushalten, als die Blumen. Wenn Du Dich<br />
im Innern so wenig veränderst, als ich, so<br />
können wir einmal, wenn wir uns früh oder<br />
spät wiedersehen, zu einander: guten Tag!<br />
sagen, und: wie hast du geschlafen und<br />
unsere Gespräche von vor einem Jahre,<br />
als wären sie von gestern, fortsetzen.<br />
Ich habe durch die Kleisten den letzten Teil<br />
Deiner Liebens- und Lebensgeschichte<br />
erhalten. Liebe, mein Herzensjunge, so<br />
lange Du lebest; doch liebe nicht, wie der<br />
Mohr die Sonne, dass Du schwarz wirst!<br />
Wirf, wenn sie auf oder untergeht, einen<br />
freudigen Blick zu ihr hinauf, und laß Dich<br />
in der übrigen Zeit von ihr in Deinen guten<br />
Taten bescheinen, und stärken zu ihnen,<br />
und vergiß sie. Der Gedanke will mir noch<br />
nicht aus dem Kopf, dass wir noch einmal<br />
zusammen etwas tun müssen.<br />
Wer wollte auf dieser Welt glücklich sein.<br />
Pfui, schäme Dich, möcht ich fast sagen,<br />
wenn Du es willst! Welch eine Kurzsichtigkeit,<br />
o Du edler Mensch, gehört dazu,<br />
hier, wo alles mit dem Tode endigt, nach<br />
etwas zu streben. Wir begegnen uns, drei<br />
Frühlinge lieben wir uns: und eine Ewigkeit<br />
fliehen wir wieder auseinander. Und was<br />
ist des Strebens würdig, wenn es die Liebe<br />
nicht ist! Ach, es muß noch etwas anderes<br />
geben, als Liebe, Glück, Ruhm usw., x, y,<br />
z, wovon unsre Seelen nichts träumen.<br />
Es kann kein böser Geist sein, der an der<br />
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