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The International Newsletter of Communist Studies Online

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XII (2006), no 19 23<br />

• Die zweite Inkonsequenz ergibt sich aus der ersten. Fast alle ostdeutschen Erwachsenen<br />

waren Beschäftigte. Diese spezifische soziale Stellung muss ihre Erfahrung zwangsläufig<br />

geprägt haben. 1989 ist jedoch häufig als eine Konsumentenrevolution beschrieben worden –<br />

die den Produzentenrevolutionen gegenübergestellt wurde, da sie primär in Versammlungen<br />

nach Feierabend Ausdruck gefunden und von politischen sowie materiellen Erwägungen<br />

angetrieben gewesen sei.<br />

• Die Unterscheidung zwischen zwei Revolutionstypen erscheint fragwürdig. Differenzierten die<br />

Beschäftigten, die damals „wir sind das Volk!“ riefen, zwischen Produktionsausfällen, die ihre<br />

Löhne gefährdeten, und dem Mangel an Konsumgütern Hätten sie Anlass zu einer solchen<br />

Differenzierung gehabt Hätte ihre Erfahrung sie nicht viel mehr davon überzeugen müssen, dass<br />

beide Phänomene auf die gleichen wirtschaftlichen Probleme zurückzuführen waren Die<br />

Unterscheidung zwischen Produzenten und Konsumenten bleibt problematisch, weil es sich um<br />

dieselben Personen handelt, weil Lohn und Konsum voneinander abhängig sind, und weil<br />

Interessengegensätze in beiden Fällen die Beschäftigten und die Vertreter des DDR-Regimes<br />

einander gegenüberstellten.<br />

• Der Teil dieser Dissertation, der der Rolle arbeitsbezogener Konflikte im Zusammenbruch<br />

der DDR gewidmet ist 4 , verfolgt ein explizites und ein implizites Ziel. Explizit wird versucht,<br />

aufzuzeigen, wie wesentlich bis zu ihrem Ende die industriellen Interessengegensätze für die<br />

politische Entwicklung der DDR waren. Implizit soll hier versucht werden, einen Beitrag zum<br />

Projekt der global labor history zu liefern. 5 Bei diesem methodologischen Ansatz geht es um<br />

den Versuch, durch eine weitreichend geographisch-zeitliche Erweiterung, z. B. mittels des<br />

Vergleichs der Handlungs- und Organisationsformen der Beschäftigten, die Krise der<br />

westlichen Sozialgeschichte der Arbeit zu überwinden. Das Gewicht, das dabei auf die Frage<br />

gelegt wird, wie die Beschäftigten in verschiedenen Kontexten private und öffentliche<br />

Strategien kombinierten, um ihre Interessen zu verteidigen, soll dazu anregen, die in der DDR<br />

möglichen Kombinationen besser durchleuchten zu können. Für die global labor history stellt<br />

die DDR wiederum ein Extremfall dar, in dem kollektive Handlungen der Beschäftigten quasi nur<br />

als massiver Ausdruck individueller Strategien zu verstehen sind und eine nur geringe<br />

öffentliche Interessenverteidigung vorhanden war. Sie kann demzufolge Orientierungen in<br />

diesem umfangreichen Vergleichsprojekt fördern. 6<br />

• Einige Autoren haben betont, wie entscheidend für die Entschlossenheit der arbeitenden<br />

Bevölkerung und für die Revolution der Abwärtstrend gewesen ist, ihre Lebens- und<br />

Arbeitsbedingungen umzukehren. 7 Ohne die Berücksichtigung der Arbeitswelt können die<br />

Ereignisse von 1989-1990 nicht zufriedenstellend erklärt werden. Die von Störungen<br />

4 Es geht um den zweitel Teil der Arbeit. Der erste Teil stellt die Lage der Interessenverteidigung<br />

der Arbeitnehmer in der BRD sowie in der DDR in den 1980er Jahren vor. Der dritte Teil, mit dem Titel<br />

„For this System, all our Men all our Money“, analysiert die Strategien der DGB-Gewerkschaften in 1989<br />

- 1990, und die Rezeption dieser Strategien durch ostdeutsche Arbeitnehmer, Gewerkschafter und<br />

Oppositionelle.<br />

5 Van der Linden, Marcel; Lucassen, Jan: Prolegoma for a global labour history, Amsterdam,<br />

1999.<br />

6 Kopfstein, Jeffrey: Does everyday resistance matter Lessons from the two German dictatorships.<br />

In: McFalls, Laurence; Probst, Lothar (eds.): After the DDR: New Perspectives on the old GDR and the<br />

young Länder, Atlanta 2001, S. 97-108.<br />

7 Zatlin, Johannes: Hard Marks and S<strong>of</strong>t Revolutionaries: <strong>The</strong> Economics <strong>of</strong> Entitlement and the<br />

Debate on German Monetary Union, November 9, 1989 – March 18, 1990. In: German Politics and Society<br />

33 (Herbst 1994), S. 57-84.

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