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The International Newsletter of Communist Studies Online

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<strong>The</strong> <strong>International</strong> <strong>Newsletter</strong> <strong>of</strong> <strong>Communist</strong> <strong>Studies</strong> <strong>Online</strong><br />

Mathieu Denis, Forschungsassistent, Centre Universitaire Canadien de<br />

Berlin:<br />

Industrielle Interessen, Gegensätze und der Zusammenbruch der DDR.<br />

(Elemente aus einer Dissertation mit dem Titel: German Labor in the Revolution and<br />

Unification – <strong>The</strong> Paradox <strong>of</strong> Continuity).<br />

• Manche historischen Probleme sind schwieriger als andere. Unabhängig davon, wie viele<br />

Studien ihnen gewidmet werden, sind sie wie Erbsen, die verhindern, dass die Historiographie<br />

(statt im Märchen die Prinzessin) in den Schlaf versinkt. 40 Jahre von oben programmiertem<br />

Sozialismus in Deutschland <strong>of</strong>ferieren eine Vielzahl solcher historischer Probleme, von denen<br />

das der Interessengegensätze zwischen Regime und Beschäftigten in der DDR besonders<br />

knifflig zu sein scheint. So bieten unzählige Studien über die Geschichte der DDR und ihren<br />

Zusammenbruch, dadurch dass sie kein Wort über die Beschäftigten herausbringen, eine<br />

negative Antwort auf die Frage nach der Rolle der Arbeitnehmer in den Ereignissen von 1989-<br />

1990 an. Das Schweigen über diese Rolle findet einen rechtfertigenden Niederschlag im<br />

größten Teil der Studien, die sich der Frage zuwenden und sich damit befassen, die Gründe<br />

für die Abwesenheit der Beschäftigten in der Revolution zu erklären. In der Literatur wird<br />

allgemein davon ausgegangen, dass Interessengegensätze zwischen Regime und Beschäftigten<br />

entweder keinen, oder nur einen geringen Anteil an der Herbeiführung des Untergangs des<br />

SED-Regimes hatten. 1<br />

Dennoch, so wie im Märchen 20 Matratzen und 20 Daunendecken mit der Härte einer Erbse am<br />

Boden der Bettstelle nicht fertig werden können, so gelingt es dieser dominierenden Auffassung<br />

nicht, das Problem der Rolle der Beschäftigten für den Zusammenbruch der DDR endgültig ad acta<br />

zu legen. Es sind besonders zwei Inkonsequenzen in der Literatur, die sich als unbefriedigend<br />

erweisen.<br />

• Die DDR wird regelmäßig als Arbeitsgesellschaft bezeichnet, was sowohl auf den hohen<br />

Anteil von Lohnabhängigen, die ideologisch hohe Bedeutung von Arbeit und betriebliche<br />

Sozialpolitik, als auch auf den Einfluss der Arbeit auf soziale Differenzierung und Lebensläufe<br />

zurückzuführen ist. 2 Damit drängt sich die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der<br />

fundamentalen Bedeutung von Arbeit in der DDR und ihrem Ende auf. Beim Studium der<br />

Literatur muss geradezu der Eindruck entstehen, dass es keinerlei Zusammenhang zwischen<br />

den Gesellschaftsstrukturen und dem sozialen Umbruch 1989 gegeben habe. 3 Sollte dies<br />

allerdings zutreffen, dürfte man mit Recht von einem Paradoxon sprechen, dessen Auflösung<br />

seitens der sozialwissenschaftlichen Fakultäten weltweit weit mehr Kopfzerbrechen<br />

verdiente, als dies bisher der Fall gewesen ist.<br />

1 Kädtler, Jürgen; Kottwitz, Gisela: Betriebsräte und Wende und Ende in der DDR. In: Berliner<br />

Arbeitshefte und Berichte zur sozialwissenschaftlichen Forschung 42 (Oktober 1990). Fuller, Linda:<br />

Where was the working class Revolution in Eastern Germany, Urbana - Chigaco 1990.<br />

2 Kohli, Martin: Die DDR als Arbeitsgesellschaft In: Kaelble, Hartmut e.a. (eds.): Sozialgeschichte<br />

der DDR. Stuttgart 1994, S. 31-61. Reichel, Thomas: Die durchherrschte Arbeitsgesellschaft. In: Hürtgen,<br />

Renate; Reichel, Thomas (eds.): Der Schein der Stabilität. DDR-Betriebsalltag in der Ära Honecker,<br />

Berlin 2001, S. 85-110.<br />

3 Jeanett Madarász vertritt diesen Ansatz, in dem ihre Analyse der DDR-Gesellschaft 1987 endet<br />

als „das Land instabil wurde“. Vgl.: Conflict and compromise in East Germany. A precarious stability,<br />

Hound Mills 2003.

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