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für die Zustellerinnen und Zusteller einen Riegel<br />

vorschieben will.<br />

Bei Durchschnittsdienstplänen wird nämlich<br />

unterstellt, dass sich Abweichungen der tatsächlichen<br />

Arbeitszeit von der dienstplanmäßigen<br />

Arbeitszeit im Laufe eines Jahres durch die<br />

Sendungsmengenschwankungen ausgleichen.<br />

Graue Theorie<br />

Dies soll dadurch sichergestellt sein, dass die<br />

Größe der Zustellbezirke – das ist eine immer<br />

gleiche Gruppe von Straßenabschnitten, die ein<br />

Zusteller täglich mit Post zu versorgen hat –<br />

durch ein höchst kompliziertes Bemessungssystem<br />

1 bestimmt wird. Sendungsmenge, Bezirksstruktur,<br />

sowie Hin- und Rückwege zwischen<br />

jeweils Zustellbasis und Zustellstützpunkt und<br />

andere Maßstäbe werden dabei zu Grunde gelegt.<br />

Am Ende sollen jede Zustellerin und jeder<br />

Zusteller dabei im Durchschnitt auf die tarifvertragliche<br />

oder je individuelle Wochenarbeitszeit<br />

kommen – so die Theorie.<br />

Doch sind hier in der Tat Theorie und Praxis<br />

zweierlei. Tatsache ist: Seit Jahren wächst die<br />

Belastung für die Beschäftigten in der Zustellung.<br />

Spätestens als die Version IBIS 3.3 angewendet<br />

werden sollte, müsste auch dem Letzten,<br />

der vielleicht bis dahin noch mit seiner Arbeitszeit<br />

zurecht gekommen ist, klar geworden<br />

sein, dass das System vor allem dazu dient, die<br />

Belastungsschraube weiter anzuziehen.<br />

Durch diese Version sollten zirka 3000 Zustellbezirke,<br />

das sind etwa 5000 Arbeitsplätze,<br />

eingespart und die Arbeit auf die verbliebenen<br />

Bezirke aufgeteilt werden. Im Klartext hätte<br />

dies bedeutet, dass jeder verbliebene Zustellbezirk<br />

um zirka zwei weitere Stunden pro Woche<br />

vergrößert worden wäre, rund 20 Minuten täglich<br />

in der Sechs- und etwa 25 Minuten in der<br />

Fünf-Tage-Woche – ohne Anerkennung und<br />

Ausgleich für die Zustellerinnen und Zusteller.<br />

Das hätte mit Arbeitszeitgerechtigkeit nichts zu<br />

tun.<br />

Faule Zusteller<br />

1<br />

In der Briefzustellung handelt es sich dabei um das System IBIS,<br />

Informationstechnisch gesteuertes Bemessungs- und Informationssystem,<br />

in der Paketzustellung wird mit einer weniger aufwendigen<br />

Bereichsbemessung gearbeitet.<br />

Arbeitszeitgerechtigkeit ist nur zu erreichen,<br />

wenn die tatsächlich anfallende Arbeitszeit erfasst<br />

und abgerechnet wird. Dass in diesem Zusammenhang<br />

immer wieder das Schreckgespenst<br />

fauler und bummelnder Zustellerinnen<br />

und Zusteller an die Wand gemalt wird, zeugt<br />

vor allem von tiefem und ungerechtfertigtem<br />

Misstrauen des Managements gegenüber den<br />

Beschäftigten in der Zustellung.<br />

Eine Fortsetzung der einseitigen Bestimmung<br />

der Arbeitszeitdauer durch den Arbeitgeber<br />

ist für ver.di nicht akzeptabel. Wenn die<br />

Deutsche Post AG keinen eigenständigen Tarifvertrag<br />

zur Arbeitszeit mit Gruppenarbeit in der<br />

Zustellung will, dann muss sie wohl oder übel<br />

mit der Geltung der allgemeinen tarifvertraglichen<br />

Grundregelung zur Arbeitszeit vorlieb<br />

nehmen.<br />

Diese sieht vor, dass jede Überschreitung<br />

der zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat festzulegenden<br />

täglichen dienstplanmäßigen Arbeitszeit<br />

ab der zehnten Minute zuschlagpflichtige<br />

Überzeitarbeit für Arbeiterinnen und Arbeiter<br />

ist. Dabei zählt jede angefangene halbe<br />

Stunde als halbe Stunde. Und zwar unabhängig<br />

davon, ob diese Dienstplanüberschreitung beispielsweise<br />

durch verspätete Zuführung oder<br />

andere, durch die bisher als Grundlage herangezogene<br />

Arbeitszeitrichtlinie Post vorgegebene<br />

Gründe veranlasst ist. Was allein zählt, ist<br />

die tatsächliche Dauer der Arbeitszeit.<br />

Ob die Post mit dieser Lösung besser fährt<br />

als mit der von ver.di favorisierten, auf die Besonderheiten<br />

der Brief- und Paketzustellung<br />

zugeschnittenen tarifvertraglichen Spezialregelung<br />

zur Arbeitszeit, wird nun die Praxis erweisen.<br />

Für die betroffenen Zustellerinnen und Zusteller<br />

bedeutet dies jedenfalls, dass die Post ab<br />

April zwar noch mit Hilfe des Bemessungssystems<br />

– in welcher Version auch immer – den Zuschnitt<br />

von Zustellbezirken verändern kann,<br />

dass sie dies aber nicht mehr auf dem Rücken<br />

der Beschäftigten geht. Die Betriebsräte werden<br />

von ver.di dabei unterstützt, Überzeitarbeit<br />

nur noch dann zuzustimmen, wenn sie an eine<br />

verbindliche, zeitnahe Freizeitabwicklung gebunden<br />

ist. Dies verhindert wirksam, dass Zustellerinnen<br />

und Zusteller dauerhaft zu groß<br />

geschnittene Bezirke bedienen müssen und dabei<br />

Berge von Überstunden aufbauen, von denen<br />

sie dann nicht mehr herunterkommen können.<br />

Peter Rebig<br />

Referent im Bereich Postdienste.<br />

Die tatsächliche Arbeitszeit<br />

ist zu erfassen<br />

und abzurechnen.<br />

ver.di | 3/2002 5

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