11.11.2012 Aufrufe

der im Griff – eine Familienpflegerin hilft Karin, ihren All - Nusz

der im Griff – eine Familienpflegerin hilft Karin, ihren All - Nusz

der im Griff – eine Familienpflegerin hilft Karin, ihren All - Nusz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

16<br />

SchreiBabyAmbulanz<br />

Wenn Kin<strong>der</strong> k<strong>eine</strong> Ruhe finden ...<br />

Verzweifelte Eltern können hier lernen, Krisen zu bewältigen<br />

Von Nora Northmann<br />

Mathilda lacht. Sie kaut an ihrem<br />

Spielzeug – bald werden die ersten<br />

Zähnchen kommen. Dann blickt sie<br />

sich um, schaut aufmerksam zu ihrer<br />

Mutter, lächelt. Das soll ein Schreibaby<br />

sein? Mit sechs Wochen schrie Mathilda<br />

stundenlang ohne ersichtlichen Grund.<br />

Sie war gesund, satt, wurde geschaukelt,<br />

durchs Z<strong>im</strong>mer getragen und kam dennoch<br />

nicht zur Ruhe. Ebenso wenig wie<br />

ihre Eltern, die verzweifelt versuchten,<br />

geduldig zu sein. Doch Mathilda schlief<br />

we<strong>der</strong> be<strong>im</strong> Summen des warmen Föhns<br />

noch be<strong>im</strong> sanften Schaukeln auf dem<br />

Hüpfball. Und wenn sie kurz wegnickte,<br />

hatten ihre Eltern schon Angst vor dem<br />

Baby Mathilda und <strong>der</strong> Psychologe Gerd Poerschke Foto: Alexan<strong>der</strong> Lehnert<br />

ersten W<strong>im</strong>mern, das <strong>eine</strong>n erneuten<br />

Ausbruch ankündigte. Sie waren hilflos, enttäuscht<br />

und erschöpft. Was machten sie nur falsch?<br />

zeigt <strong>eine</strong> Übung zum Aggressionsabbau: wildes Ru<strong>der</strong>n mit<br />

„Dass Kin<strong>der</strong> schreien, ist normal“, sagt <strong>der</strong> Körperpsycho- den Armen. Auch Massagen helfen Eltern und Kin<strong>der</strong>n.<br />

therapeut Gerd Poerschke. „Aber mehrere Stunden hinterein- Ein Baby ist nicht ist nicht nur etwas Wun<strong>der</strong>bares, Neues,<br />

an<strong>der</strong>, manchmal sogar 1 Stunden am Tag, das ist auffällig. Schönes, son<strong>der</strong>n zugleich <strong>eine</strong> starke körperliche und seelische<br />

Denn ein Kind schreit nicht ohne Grund.“<br />

Belastung für die Eltern. Diese Belastung kann sich zur Krise<br />

Mathildas Mutter erinnert sich, dass sie von <strong>der</strong> ersten The- auswachsen, die <strong>im</strong> schl<strong>im</strong>msten Fall zur Gewalt gegen das<br />

rapiestunde enttäuscht war. Sie hatte konkrete Tipps erwartet, Kind führt. An<strong>der</strong>e Folgen werden erst später sichtbar: Soziale<br />

statt dessen wurde über Stress in <strong>der</strong> Schwangerschaft, Über- Anpassungsstörungen, Leistungsstörungen, Hyperaktivität sofor<strong>der</strong>ung,<br />

Probleme mit dem Partner, traumatische Erlebnisse wie Sucht- und Delinquenzkarrieren o<strong>der</strong> psychosomatischen<br />

gesprochen. Babys reagieren sensibel wie ein Seismograph, Erkrankungen. Im Sinne von Wilhelm Reich, <strong>der</strong> postulierte,<br />

wenn etwas nicht st<strong>im</strong>mt – darum kommt bei <strong>der</strong> Therapie „al- man solle nicht erst mit Erwachsenen therapeutisch arbeiten,<br />

les auf den Tisch“. Auch <strong>eine</strong> Zangengeburt o<strong>der</strong> ein Kaiser- rief 199 Renate Wilkening, Geschäftsführerin des NUSZ, als<br />

schnitt können die Ursache für endloses Schreien sein. „Wenn Präventivmaßnahme die SchreiBabyAmbulanz ins Leben – zu-<br />

das vegetative Nervensystem reagiert, <strong>der</strong> natürliche Wechsel sammen mit Thomas Harms, damals noch FU-Student.<br />

von Aktion und Ruhe nicht mehr funktioniert, dann ist k<strong>eine</strong><br />

tiefe Entspannung mehr zu erreichen.“<br />

Später entwickelte Paula Die<strong>der</strong>ichs das Konzept weiter.Weil<br />

Erstaunlicherweise sind viele Babys in <strong>der</strong> ersten Therapie- <strong>im</strong>mer mehr Eltern Hilfe in <strong>der</strong> ersten SchreiBabyAmbulanz<br />

stunde völlig ruhig. „Der typische Vorführeffekt. Die Eltern suchten, richteten auch Nachbarschaftszentren <strong>im</strong> Wedding, in<br />

befürchten dann, unglaubhaft zu sein, aber das ist natürlich Steglitz-Zehlendorf, Weißensee und Kreuzberg Ambulanzen<br />

Unsinn. Denn wenn es k<strong>eine</strong> Krisensituation gäbe, wären sie ein. Zwei weitere gibt es in Spandau und Lichtenrade – sie ar-<br />

nicht hier.“<br />

beiten noch ohne För<strong>der</strong>gel<strong>der</strong>. Doch Geld ist das A und O für<br />

die Existenz <strong>der</strong> SchreiBabyAmbulanzen. Und dafür, dass junge<br />

Familien sich die Therapie tatsächlich leisten können, denn<br />

<strong>der</strong> Geburt <strong>eine</strong>s Kindes folgt meist auch <strong>eine</strong> finanzielle Zäsur.<br />

Dass inzwischen weit über hun<strong>der</strong>t Familien geholfen werden<br />

konnte, ist auch <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung durch die Charlotte-Steppuhn-<br />

Stiftung zu danken, die seit 2001 „mit <strong>im</strong> Boot“ ist.<br />

Jetzt schreit Mathilda doch. Sie ist wütend, weil sie we<strong>der</strong><br />

angezogen noch in den Kin<strong>der</strong>wagen gelegt werden will – gute<br />

Gründe also, lautstark Unwillen zu äußern. Ihre Mutter bleibt<br />

gelassen. Als <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>wagen sich in Bewegung setzt, wird<br />

Mathilda ruhiger. Wahrscheinlich schläft sie bald.<br />

Gerd Poerschke ist nicht nur Therapeut – er ist auch ein Außenstehen<strong>der</strong>.<br />

So kann er <strong>eine</strong>n ersten Impuls zur Entspannung<br />

geben, während er ein schreiendes Baby <strong>im</strong> Arm hält, mit ihm<br />

redet, leicht in den Knien wippt. „Ein wenig Entspannung wird<br />

mit nach Hause genommen und bleibt erhalten. Be<strong>im</strong> nächsten<br />

Mal gibt es <strong>eine</strong>n neuen Impuls, die Entspannung hält länger<br />

an, ist tiefer. Und so weiter, bis sich die Situation nach fünf<br />

o<strong>der</strong> sechs Therapiestunden deutlich verbessert hat.“<br />

Auch die Eltern – vor allem die Eltern! – lernen, wie sie<br />

durch richtiges Atmen ruhiger und lockerer werden. Sie müssen<br />

sich ihre Wut und Müdigkeit eingestehen. Absolut tabu ist<br />

hingegen, sich am Kind abzureagieren. Am besten, man geht<br />

ins Nebenz<strong>im</strong>mer und lässt das Baby allein. Gerd Poerschke<br />

SchreiBabyAmbulanz <strong>im</strong> Familientreffpunkt, Viktoriastr. 13,<br />

12105 Berlin, Tel. 75 50 31 22

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!