pdf-Download - Evangelische Jugendhilfe Godesheim
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IMPULSE<br />
IMPULSE<br />
1 2007<br />
Maßnahmenkatalog<br />
zum Kinderschutz
Inhalt<br />
Aktuelles<br />
News<br />
Charity 2<br />
Kinderwünsche werden wahr…<br />
Für Sie gelesen 3<br />
Die Charity-Initiative<br />
des Kaufhofs Bonn<br />
„Prinzip Menschlichkeit“<br />
oder der Antrieb unseres Lebens<br />
Schwerpunkt<br />
Handlungsbedarf<br />
beim Kinderschutz 4<br />
Ein Interview mit Klaus Graf<br />
Aus dem Alltag<br />
Fußball im <strong>Godesheim</strong><br />
– kein Wintermärchen 8<br />
Aktuelles<br />
Ende der Schulzeit –<br />
heute begleiten,<br />
morgen gestalten 9<br />
Zwischenbilanz<br />
Glauben Sie an Gott 11<br />
Jubiläen 12<br />
Schlussstein 12<br />
Ein altes englisches Sprichwort sagt „Charity<br />
begins at home“ und das konnte man<br />
bei der Charity Aktion des Kaufhofs Bonn<br />
laut sagen. In der Vorweihnachtszeit kam<br />
die Geschäftsführung auf uns zu. Man<br />
wollte mit einem Wunschzettelbaum Kinderwünsche<br />
erfüllen. Kunden hatten beim<br />
Einkauf dann die Möglichkeit, sich einen<br />
oder auch mehrere dieser Wunschzettel<br />
vom Baum zu pflücken und die Wünsche<br />
der Kinder im Heim zu erfüllen.<br />
Auch wenn die bei uns lebenden Kinder<br />
und Jugendlichen sich sicher genauso über<br />
Weihnachtsgeschenke freuen wie andere,<br />
machte unsere Kinder- und Jugendvertretung<br />
den Vorschlag, die Wunschzettel und<br />
damit die Geschenke an die Kinder unseres<br />
Partnerheims MOST in Kaliningrad abzugeben.<br />
„Diese Kinder haben keine Geschenke“,<br />
meinten sie und malten eifrig<br />
Bilder, schrieben die Namen der russischen<br />
Kinder und deren Alter dazu und hängten<br />
die Zettel in den Weihnachtsbaum des<br />
Kaufhofs. Insgesamt kamen so 80 Wunschzettel<br />
zusammen.<br />
Inspiriert von dieser tollen Idee, unterstützte<br />
auch die Belegschaft des Maritim<br />
Hotels in Bonn diese Aktion der Nächstenliebe,<br />
indem sie auf ihrer Weihnachtfeier<br />
für den guten Zweck sammelte. Nun ist es<br />
bald soweit und 5 große Kartons mit Weihnachtsgeschenken<br />
gehen per LKW auf ihre<br />
lange Reise nach Kaliningrad. Die Kinder<br />
und Jugendlichen in MOST warten voller<br />
Vorfreude darauf. Wie mir Valentina Pannasenko,<br />
Leiterin des Kinderheims in<br />
MOST telefonisch berichtete, machen die<br />
Kinder schon Fotos von der Einrichtung,<br />
um den Spendern einen kleinen Eindruck<br />
aus ihrem Zuhause zu vermitteln. Natürlich<br />
werden auch Bilder von der Geschenkübergabe<br />
nicht fehlen, die wir in der kommenden<br />
IMPULSE für Sie veröffentlichen.<br />
Die gesamte Aktion hat nicht nur viele<br />
schöne Geschenke gebracht, sondern auch<br />
allen Beteiligten riesigen Spaß gemacht.<br />
Die fiebrige Erwartung auf die überraschten<br />
Kindergesichter beim Auspacken in<br />
MOST hält die Spannung hoch.<br />
Uwe Nadolny<br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
<strong>Evangelische</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Godesheim</strong><br />
Venner Str. 20, 53177 BN-Bad Godesberg<br />
Redaktionsteam:<br />
Klaus Graf, Antje Martens,<br />
Rolf Wermund<br />
V.i.S.d.P.: Klaus Graf<br />
Tel. 02 28/38 27-0<br />
Fax 02 28/38 27-116<br />
amartens@godesheim.de oder<br />
rwermund@godesheim.de<br />
Gestaltung: kippconcept gmbh<br />
Druck: Engelhardt, Neunkirchen<br />
Fotos: H. Weil, K. U. Schimansky, H. Kau<br />
Spendenkonto<br />
Pro Sociale, der Förderverein<br />
für soziale Arbeit, Bonn e.V.<br />
Commerzbank AG Bonn,<br />
BLZ 380 400 07, Konto 3 035 888<br />
Umfassend informiert: die IMPULSE!<br />
Ein Novum ist geplant<br />
und findet<br />
schon in der nächsten<br />
Ausgabe seine<br />
Umsetzung. Künftig<br />
wird ein neuer Auftritt<br />
das Bild der IM-<br />
PULSE prägen, denn<br />
wir werden umfassender<br />
berichten. Die<br />
kommunikative Weiterentwicklung<br />
basiert<br />
auf der Idee, Ihnen aktuelle<br />
und informative<br />
Themen der Kinder-, Jugend-<br />
und Behindertenhilfe<br />
in einem Newsletter<br />
zu präsentieren. Obwohl die<br />
einzelnen Bereiche autark<br />
und spezialisiert sind, ganz eigene<br />
Schwerpunkte der inhaltlichen<br />
Arbeit haben, eint sie das gemeinsame<br />
Bestreben, dort diakonische<br />
Leistungen zu<br />
erbringen, wo Hilfe von<br />
Nöten ist. Dies möchten<br />
wir Ihnen in einem<br />
Gesamtauftritt<br />
spiegeln. Trotz<br />
Aktualisierung<br />
und Erweiterung<br />
halten wir an bewährten<br />
Bausteinen<br />
wie News, Schwerpunktthema<br />
und Aktuelles<br />
fest.<br />
Wir freuen uns<br />
auf die Veränderung.<br />
2
Für Sie gelesen<br />
Unser Buchtipp<br />
Überlebenskampf<br />
oder Mitmenschlichkeit<br />
Über den Antrieb unseres Lebens<br />
Zahllose Konfliktherde in aller Welt, Gewalt in den Schulen, nahezu jede<br />
zweite Ehe wird geschieden, Massenentlassungen angesichts von Rekordgewinnen<br />
in der Wirtschaft – trotz alledem behauptet Joachim Bauer in<br />
seinem neuesten Buch, der Mensch sei von Natur aus ein kooperatives Wesen.<br />
Da auch der Mensch über ein erhebliches<br />
Aggressionspotenzial verfügt,<br />
liegt die Vermutung nahe, dass der<br />
elementare Antrieb unseres Lebens in<br />
der Konkurrenz und im Kampf liegt.<br />
So behaupten dies einige Wissenschaftler<br />
spätestens seit Darwin. Aber<br />
genau dagegen wendet sich Bauer. So<br />
wenig er die Abstammungslehre Darwins<br />
anzweifelt, so sehr bezweifelt er<br />
dessen „Kampf ums Überleben“ als<br />
Grundregel menschlichen Lebens.<br />
Denn neuere Erkenntnisse der Neurobiologie<br />
zeichnen ein anderes Bild des<br />
Menschen: Der Mensch stellt sich im<br />
Lichte dieser Forschungen ganz und<br />
gar als Wesen dar, „… dessen zentrale<br />
Motivation auf Zuwendung und gelingende<br />
mitmenschliche Beziehung gerichtet<br />
ist.“ Dem zugrunde liegt die<br />
Entdeckung der Motivationssysteme,<br />
deren Kern ihren Sitz an ganz zentraler<br />
Stelle im Mittelhirn hat. Diese Motivationssysteme<br />
werden aktiviert,<br />
wenn von den Emotionszentren Informationen<br />
darüber eintreffen, ob die<br />
Umwelt Ziele in Aussicht stellt, für die<br />
sich ein Einsatz lohnt. Folge: Es wird<br />
ein Botenstoff namens Dopamin ausgeschüttet,<br />
der mit der Wirkung einer<br />
Suchtdroge gleichzusetzen ist.<br />
Damit stellt sich die entscheidende<br />
Frage: Welches sind denn solche lohnenswerten<br />
Ziele Die Antwort verblüffte<br />
auch die Fachwelt: „Kern aller<br />
Motivation ist zwischenmenschliche<br />
Anerkennung, Wertschätzung, Zuwendung<br />
oder Zuneigung zu finden<br />
und zu geben. Wir sind – aus neurobiologischer<br />
Sicht – auf soziale Resonanz<br />
und Kooperation konstruierte<br />
Wesen.“<br />
Als Beweis führt Bauer u.a. Erkenntnisse<br />
aus der psychosomatischen<br />
Medizin an. Störungen im zwischenmenschlichen<br />
Bereich, die eine gewisse<br />
Schwere und Dauer erreicht haben,<br />
machen Menschen krank. Schlafstörungen,<br />
Herz-Kreislauferkrankungen,<br />
Depressionen, Angsterkrankungen<br />
usw. sind hierfür hinlänglich<br />
bekannte Beispiele. Besonders empfindlich<br />
reagieren Kinder: Trauma-Erfahrungen,<br />
wie zum Beispiel eine Vergewaltigung,<br />
hinterlassen nachweisbare<br />
Spuren in den Angstzentren des<br />
Gehirns. Gute soziale Beziehungen<br />
hingegen wirken sich günstig aus. Das<br />
menschliche Gehirn macht sozusagen<br />
aus Erfahrungen Biologie. Bauer bestreitet<br />
keineswegs ein Konkurrenzdenken<br />
in der Natur, welches sich überall<br />
dort findet, wo lebensnotwendige<br />
Ressourcen zu knapp sind. Er wehrt<br />
sich jedoch ganz entschieden gegen<br />
die „Fantasiekonstruktion“ von den<br />
egoistischen Genen, die angeblich gegeneinander<br />
kämpfen. „Die zwei bis<br />
drei Leute, die sich das ausdachten, haben<br />
übrigens niemals selbst an Gehirnen<br />
geforscht.“ Dennoch stehe<br />
dieser Unsinn auch heute noch in<br />
Schul- und Lehrbüchern.<br />
Und Darwin Er machte sich laut Bauer<br />
vor allem Sorgen um die Degeneration<br />
des Menschen, lehnte den Wohlfahrtsstaat<br />
als „unnatürlich“ ab und<br />
übertrug das, was er im Raubtierkapitalismus<br />
Englands im 19. Jahrhundert<br />
beobachtete, auf die Biologie. Darwin<br />
war daher auch überzeugt davon, dass<br />
die Saurier von den Säugetieren ausgerottet<br />
wurden – ein Irrtum, wie wir<br />
heute wissen. Allesamt Behauptungen,<br />
die z.B. von den Nazis nur allzu<br />
gerne aufgegriffen wurden, um die<br />
vermeintlich Schwachen auszusortieren.<br />
Bauer beschreibt schon lange bekannte<br />
Ergebnisse der neurologischen<br />
Forschung und stellt den Sachverhalt<br />
auch für den Laien nachvollziehbar<br />
dar. Wenn wir diese gezielten Erkenntnisse<br />
ernst nehmen, dann sollte<br />
es in allen Lebensbereichen vor allem<br />
darum gehen, unsere Beziehungskompetenz<br />
immer weitergehender zu<br />
schulen. Nebenbei bemerkt würde<br />
dies auch für den ganz persönlichen<br />
Bereich gelten, denn: „Langfristig<br />
können nur Menschen mit emotionaler<br />
und sozialer Intelligenz erfolgreich<br />
und gesund sein“.<br />
Joachim Bauer „Prinzip Menschlichkeit.<br />
Warum wir von Natur aus kooperieren“<br />
Verlag Hoffmann und Campe, 192 Seiten,<br />
19,95 Euro.<br />
Joachim Bauer ist Medizinprofessor und<br />
Psychotherapeut in Freiburg. Für seine neurobiologischen<br />
Forschungen erhielt er u.a.<br />
1996 den Organon-Preis der Deutschen Gesellschaft<br />
für Biologische Psychiatrie.<br />
Klaus Graf<br />
3
Schwerpunkt<br />
Die Jugendministerkonferenz<br />
und das<br />
Janusz-Korczak-Haus<br />
– Maßnahmenkataloge<br />
zum Kinderschutz –<br />
Anlässlich der in jüngster Vergangenheit öffentlich gewordenen Fälle<br />
schwerer Kindesvernachlässigungen bzw. Kindesmisshandlungen<br />
kam die Jugend- und Familienministerkonferenz im November 2006<br />
zu einer Sondersitzung in Berlin zusammen.<br />
Es galt eine Standortbestimmung vorzunehmen,<br />
die Wirksamkeit von Kinderschutz kritisch zu diskutieren<br />
und Handlungsbedarfe zu bestimmen.<br />
4
Schwerpunkt<br />
Teilnehmer der Konferenz waren:<br />
■ Bremens Jugend und Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter<br />
■ Familiensenatorin Birgit Schnieber-Jastram aus Hamburg<br />
■ Familienminister NRW Armin Laschet<br />
■ Bayerns Familienministerin Christa Stewens<br />
■ Schleswig-Holsteins Jugend- und Familienministerin Gitta Trauernicht<br />
■ Brandenburgs Minister für Bildung, Jugend und Sport Holger Rupprecht.<br />
Impulse führte ein Interview mit Klaus Graf, dem Geschäftsführer der <strong>Evangelische</strong>n <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Godesheim</strong> und Vorsitzenden<br />
des <strong>Evangelische</strong>n Fachverbandes für Erzieherische Hilfen im Rheinland und fragte dabei auch nach den konkreten<br />
Maßnahmen innerhalb des eigenen <strong>Jugendhilfe</strong>verbundes.<br />
Impulse: Herr Graf, wir haben uns<br />
bereits in der letzten Impulse unter<br />
dem Titel „Die Würde des Menschen<br />
ist unantastbar“, mit den Themen<br />
Kinderschutz, Kinderrechte und Kindeswohl<br />
beschäftigt. Nun hat auch<br />
die Politik mit einer Sondersitzung<br />
der Jugendministerkonferenz reagiert.<br />
Der Katalog der Maßnahmen<br />
ist sehr umfangreich (Internet: Jugendministerkonferenz<br />
2006). Wir<br />
möchten einige der dortigen Positionen<br />
mit Ihnen klären. In dem genannten<br />
Papier wird auf Defizite und<br />
Schwächen der Helfer eingegangen.<br />
Dabei kommen die Minister zu der<br />
Feststellung, dass „manchmal eine erforderliche<br />
Intervention zu spät erfolgt“.<br />
Welche Ursachen hat das verspätete<br />
Eingreifen<br />
Klaus Graf: Lassen Sie mich bitte<br />
zunächst etwas Grundsätzliches dazu<br />
sagen:<br />
Ich begrüße es sehr, dass sich verantwortliche<br />
Politiker zu diesem Thema<br />
äußern und dabei sogar ganz leise<br />
selbstkritische Töne anklingen. Allerdings<br />
wird man fragen dürfen und<br />
müssen, ob diese (Sonder-)Konferenz<br />
ohne die erschütternden Ereignisse in<br />
Bremen und andernorts überhaupt<br />
zustande gekommen wäre. Denn die<br />
jugendhilfepolitische Doktrin der vergangenen<br />
Jahre bestand doch überwiegend<br />
darin, erforderliche Hilfestrukturen<br />
auf allen Ebenen aus Kostengründen<br />
heraus eher ab- als aufzubauen.<br />
Da sollte man sich dann in<br />
der Folge auch öffentlich überhaupt<br />
nicht wundern, wenn erforderliche<br />
Interventionen zu spät erfolgen.<br />
Impulse: Einigen Fachkräften der<br />
Jungendhilfe wird vorgeworfen,<br />
„kein ausreichendes Bild über den Lebensalltag<br />
von Kindern, die in familiären<br />
und sozialen Konfliktsituationen<br />
aufwachsen, zu haben“. Wie<br />
schätzen Sie diese Aussage ein<br />
Klaus Graf: Natürlich kann es sein,<br />
dass einzelne Fachkräfte unzureichend<br />
arbeiten, so etwas kommt immer<br />
und in allen möglichen Arbeitsund<br />
Lebensbereichen vor. Die entscheidende<br />
Frage aber ist doch eine<br />
andere: Liegen die Ursachen dieses<br />
Versagens im Einzelnen begründet<br />
oder sind diese sozusagen strukturell<br />
durch unzureichende Hilfesysteme<br />
angelegt Ich halte daher Aussagen<br />
in dieser pauschalen Form in der Öffentlichkeit<br />
für wenig hilfreich, ja sogar<br />
für gefährlich, weil damit schnell<br />
ein Sündenbock gefunden ist, und<br />
wir die unangenehme Suche nach<br />
den tieferen Hintergründen schnell<br />
wieder aufgeben können.<br />
5
Schwerpunkt<br />
6<br />
Impulse: An anderer Stelle heißt es:<br />
„Kinder und Familien in schwierigen<br />
Lebenssituationen haben Anspruch<br />
auf rechtzeitige und verlässliche Hilfen.<br />
Kinder sind darauf angewiesen,<br />
dass sie, wenn erforderlich, auch<br />
außerhalb des Elternhauses entsprechend<br />
gefördert und geschützt werden.<br />
Auf Realisierung dieses Anspruches<br />
müssen sie sich verlassen können.“<br />
Wie sieht diese Realisierung in<br />
der Praxis aus<br />
Klaus Graf: Tatsache ist, dass die Zahl<br />
der Heimunterbringungen in den<br />
Jahren 2000 bis 2005 bundesweit<br />
von mehr als 69.000 Hilfen auf<br />
knapp über 61.000 zurückgegangen<br />
ist (–11,4 %). Allerdings gibt es dabei<br />
starke „regionale Disparitäten“ wie<br />
die Statistiker dies nennen, d.h. vor<br />
allem in einigen der neuen Bundesländer<br />
war regional sogar ein Ansteigen<br />
der Fallzahlen zu verzeichnen.<br />
Impulse: Die Jugendministerkonferenz<br />
spricht sich für eine ganze Reihe<br />
unterschiedlicher bundeseinheitlicher<br />
Regelungen aus. Unter anderem sollen<br />
so genannte Frühwarnsysteme<br />
ausgebaut werden. Der Bund will den<br />
Ausbau und die Entwicklung in den<br />
nächsten 5 Jahren mit 10 Mio. Euro<br />
fördern. Kann die <strong>Jugendhilfe</strong> so etwas<br />
leisten und glauben Sie, dass<br />
diese Summe ausreichen wird<br />
Klaus Graf: Nichts von dem, was dort<br />
beschlossen wurde, ist neu. Die <strong>Jugendhilfe</strong><br />
kann all dies seit Jahren leisten.<br />
Allerdings natürlich nur dort,<br />
wo man sich die einzelnen Maßnahmen<br />
bislang auch leisten wollte. Mit<br />
anderen Worten: das Know-how<br />
steht längst bereit! Es hat bislang an<br />
entschlossenem politischem Handeln<br />
gefehlt. Es ist gut und richtig, dass der<br />
Bund zusätzliche Fördergelder bereitstellt.<br />
Man kann sich leicht klarmachen,<br />
dass mit dem, was letztlich von<br />
dieser Summe vor Ort in der einzelnen<br />
Kommune landet, nichts Substantielles<br />
bewegt werden kann.<br />
Worauf es vielmehr ankommt, ist der<br />
Faktor „Nachhaltigkeit in der Förderung“.<br />
Eine einmalige Fördersumme<br />
ist schön; kein Mensch kann aber<br />
ernsthaft annehmen, dass damit dauerhaft<br />
die Probleme gelöst werden<br />
können, zumal in der Konferenz auch<br />
festgestellt wurde, dass die Zahl der<br />
von Vernachlässigung und Verwahrlosung<br />
bedrohten Kinder offensichtlich<br />
wächst. Auch muss man wissen,<br />
dass die Kosten je „Fall“ in der Erziehungshilfe<br />
bereits seit längerem rückläufig<br />
sind. Insgesamt haben wir in<br />
Deutschland im Jahr 2005 (aktuellere<br />
Daten liegen uns nicht vor) übrigens<br />
etwas mehr als 20 Milliarden Euro für<br />
die öffentliche <strong>Jugendhilfe</strong> ausgegeben.<br />
Dies entspricht einem faktischen<br />
Rückgang zum Jahr 2004 um ca.<br />
1,7 %. Wenn Sie bedenken, dass darin<br />
unter anderem auch bereits alle Kosten<br />
für die Tageseinrichtungen, d.h.<br />
für jeden einzelnen Kindergarten in<br />
dieser Republik, enthalten sind, ist<br />
diese Summe, verglichen mit den<br />
Etatansätzen in anderen Haushaltsbereichen<br />
nichts, worauf eines der<br />
reichsten Länder der Welt besonders<br />
stolz sein kann.<br />
Impulse: Neben dem öffentlichen<br />
Träger der <strong>Jugendhilfe</strong> können ja<br />
auch die freien Träger Beiträge zur<br />
Lösung der Problematik leisten. Welche<br />
konkreten Maßnahmen sind in<br />
der <strong>Evangelische</strong>n <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>Godesheim</strong><br />
angedacht<br />
Klaus Graf: Innerhalb unseres <strong>Jugendhilfe</strong>verbundes<br />
ist Kinderschutz<br />
ein Thema, das uns von Jahr zu Jahr<br />
mehr beschäftigt. Dies hängt unter<br />
anderem damit zusammen, dass wir<br />
insbesondere für die Bundesstadt<br />
Bonn, zum Teil aber auch für andere<br />
Kommunen, die kommunale Pflichtaufgabe<br />
der so genannten Inobhutnahme<br />
nach § 42 SGB VIII wahrnehmen.<br />
Damit gehen weitere Aufgaben,<br />
wie z.B. die <strong>Jugendhilfe</strong>bereitschaft,<br />
also sozusagen der<br />
Notdienst an Wochenenden und Feiertagen,<br />
einher. Zur Lösung dieser<br />
Aufgaben haben wir z.B. in enger<br />
Abstimmung und Zusammenarbeit<br />
mit dem Amt für Kinder, Jugend und<br />
Familie in Bonn ein ganzes Netzwerk<br />
unterschiedlicher Hilfeangebote geschaffen,<br />
angefangen von der Jugendschutzstelle<br />
über eine Notschlafstelle<br />
und ein Kriseninterventionszentrum,<br />
bis hin zu Unterbringungsmöglichkeiten<br />
für Säuglinge und<br />
Kleinkinder, deren Kindeswohl akut<br />
gefährdet ist. Hinzu kommen zahlreiche<br />
ambulante Systeme. Unter anderem<br />
lassen wir gerade besonders erfahrene<br />
Mitarbeitende zu Kinderschutzfachkräften<br />
ausbilden. Zugleich<br />
arbeiten wir im präventiven<br />
Bereich, etwa in den Tageseinrichtungen,<br />
die unserem Verbund angehören<br />
oder aber in einem internetgestützten<br />
Beratungsforum, das von<br />
unserem Förderverein Pro Sociale<br />
(www.pro-sociale.de) finanziert wird.<br />
Ungeachtet dessen sehen wir uns aufgrund<br />
aktueller Bedarfe gerade im<br />
Bereich des Kinderschutzes aufgefordert,<br />
ein zusätzliches, neues stationäres<br />
Angebot ins Leben zu rufen.
Schwerpunkt<br />
Anfang April eröffnen wir daher in<br />
Meckenheim bei Bonn das „Janusz-<br />
Korczak-Haus“, benannt nach dem<br />
Leiter des Warschauer Waisenhauses,<br />
der freiwillig mit seinen Kindern in<br />
den Tod ging. Wir werden uns dort<br />
insbesondere Kindern im Alter zwischen<br />
ca. 6 und 12 Jahren widmen, da<br />
wir im vergangenen Jahr die Erfahrung<br />
gemacht haben, dass eine<br />
immer größer werdende Zahl von<br />
Kindern bereits in diesem Alter aufgrund<br />
erfahrener Traumata ungewöhnlich<br />
starke Verhaltensauffälligkeiten<br />
entwickelt. Zusätzlich wird es<br />
in anderen Teilen des Hauses weitere<br />
Schutzmöglichkeiten auch für Jugendliche<br />
geben. Es geht uns primär<br />
darum, die Kinder und Jugendlichen<br />
zur Ruhe kommen zu lassen und eine<br />
versierte Diagnostik vorzunehmen,<br />
um dann gemeinsam mit allen Beteiligten,<br />
den Fachkräften der Jugendämter<br />
und optimalerweise gemeinsam<br />
mit den Sorgeberechtigten, Zukunftsperspektiven<br />
zu eröffnen.<br />
Neben stationären Hilfen bieten wir<br />
von dort auch ambulante erzieherische<br />
Hilfen an. Wir werden mit einem<br />
Team sehr erfahrener Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter unter der Leitung<br />
von Frau Schlipphacke antreten,<br />
die die oben genannten Aufgaben<br />
bislang sehr erfolgreich mit Jugendlichen<br />
in unserem Kriseninterventionsund<br />
Diagnosezentrum – KIDZ – umgesetzt<br />
haben.<br />
Vor allem freuen wir uns sehr, dass<br />
wir innerhalb unseres Verbundes neben<br />
einem eigenen psychologischen<br />
Dienst nun auch einen eigenen, hoch<br />
qualifizierten, ärztlichen Dienst unter<br />
Leitung des Kinder- und Jugendpsychiaters<br />
Dr. Dr. Arndt beschäftigen.<br />
Dies eröffnet uns in fachlicher Hinsicht<br />
völlig neue Möglichkeiten.<br />
Impulse: Vielen Dank Herr Graf<br />
Das Interview führte<br />
Rolf Wermund<br />
vom Redaktionsteam<br />
Für weitere Informationen zum Janusz-Korczak-Haus stehen Ihnen unsere Fachberater<br />
sowie der zuständige Regionalleiter Herr Steinberg sehr gerne zur Verfügung.<br />
Fachberatung: Frau Weber Telefon 02 28/38 27-150 tweber@godesheim.de<br />
Herr Pfeil Telefon 02 28/38 27-196 fpfeil@godesheim.de<br />
Regionalleitung: Herr Steinberg Telefon 02 28/3 82 71 17 csteinberg@godesheim.de<br />
7
Aus dem Alltag<br />
Die Fußball-AG <strong>Godesheim</strong><br />
– kein Wintermärchen<br />
Von wegen! England ist das Mutterland des Fußballspiels.<br />
Schon die Azteken traten einen mit Federn gefüllten kleinen Lederball<br />
durch einen in beachtlicher Höhe positionierten steinernen Ring.<br />
Hierbei war die Motivation recht hoch, denn nicht nur der Gewinner<br />
wurde reich belohnt, nein, der Verlierer diente im Anschluss an das<br />
Spiel auch noch rituellen Opferzwecken. Ja, da hätte ein Herr Beckham<br />
bei der WM auch mehr verlieren können als nur seinen Mageninhalt.<br />
Ähnlich enthusiastisch, wenn auch<br />
ohne diese endgültigen Konsequenzen,<br />
trifft sich dienstags von 15.25 Uhr<br />
bis ca. 16.30 Uhr die Fußball-AG des<br />
<strong>Godesheim</strong>s.<br />
Wenn auf der Freiluftkampfbahn „Zum<br />
lustigen Wildschwein“ oder in der<br />
legendären „Joe-Gutenberg-Arena“<br />
zum Training angetreten wird, dann<br />
geben die Teilnehmer alles. Pünktlichkeit,<br />
Disziplin und Teamgeist ist das,<br />
was vor allem anderen eingefordert<br />
wird, erst dann wird nach den Qualitäten<br />
und Anlagen eines Verteidigers,<br />
Stürmers, Mittelfeldgenies oder<br />
Schlussmannes geschaut. Dass die<br />
Jungs natürlich von Anfang an lieber<br />
einfach nur die ganze Zeit spielen und<br />
tricksen möchten wie ihre Vorbilder, ist<br />
nur verständlich. Da fallen dann große<br />
Namen wie Robinho, Jorginho, Ronaldinho<br />
– ich persönlich glaube ja der<br />
Portugiese an sich ist in seinem Sprachgebrauch<br />
bezüglich Endungen ein<br />
wenig einfallslos –, aber auch „Zuge-<br />
reiste“ wie der Herr Podolski oder der<br />
Herr Ballack sind sehr beliebt. Obwohl,<br />
meine Einschätzung geht ja dahin, dass<br />
der Ostdeutsche an sich einfach kein<br />
Führungsspieler ist, denn schließlich<br />
hatte Luther ja auch schon Probleme<br />
mit dem sagenumwobenen Fritz-<br />
Walter-Wetter und saß lange beim<br />
FC Wartburg auf der Reservebank.<br />
Trotzdem, das Beharren auf Trainingsmethoden,<br />
die denen der großen<br />
Mannschaften in nichts nachstehen,<br />
zeigt Erfolg:<br />
Vergangenen Sommer traten wir bei<br />
einem Fußballturnier des Kinderheims<br />
„Maria im Walde“ (Gelungenes Sommerfest!)<br />
an und kickten uns mit Elan<br />
und Taktik zum Gesamtsieg. Trainerkollege<br />
Volker Nagel traf denselbigen<br />
an diesem Tag mit seinen goldrichtigen,<br />
strategischen Entscheidungen<br />
stets auf den Kopf, während hingegen<br />
meine Wenigkeit mehr als einmal die<br />
Coaching-Zone verließ und mit fingerdicken<br />
Adern am Hals den Gegner<br />
fair und diplomatisch zu de-<br />
moralisieren suchte. Gegen die Institution<br />
Stephansheide haben wir uns bereits<br />
zweimal mit einem haushohen<br />
Heimspielsieg und einem umkämpften<br />
Auswärts – Unentschieden bewährt.<br />
Von den Spielern beider Mannschaften<br />
wurden hervorragende Aktionen gezeigt.<br />
Elegante Heber, rasante Spurts<br />
und Dribblings, überlegtes Zusammenspiel<br />
und tolle Torwartparaden erfreuten<br />
die Augen auch jener Betrachter,<br />
die ansonsten denken so ein Fußball<br />
würde hüpfen, weil da ein Frosch eingenäht<br />
ist.<br />
Das dritte Spiel, diesmal wieder auf<br />
heimischem Boden, wird sicher knallhart.<br />
Zudem erwarten wir zeitnah noch<br />
einen richtig gut aufgestellten, quasi<br />
semiprofessionellen Gegner. Damit wir<br />
dann nicht aussehen wie beim Sportartikelsommerschlussverkauf,<br />
haben wir<br />
nun für die Jungs, ob ihrer bisher beachtlichen<br />
Leistungen, eine einheitliche<br />
Trikotausstattung geordert.<br />
So der geneigte Leser sich angesprochen<br />
fühlt, kann er ja mal vorbei kommen<br />
und ein Spiel angucken,um dann<br />
selbst auch sagen zu können:<br />
„Ich war dabei, als die tintenfassblauen<br />
Teufel (schon wieder so ein Wortspiel)<br />
des <strong>Godesheim</strong>s Zauberfußball gespielt<br />
haben!“<br />
Für die Fussball-AG<br />
Helmuth Weil<br />
8
Zukunft gestalten:<br />
das berufsvorbereitende Praktikum<br />
Aktuelles<br />
Schulschluss: Sommer 2007<br />
Abgangszeugnis 9. Klasse<br />
E-Schule…<br />
Eigentlich eine schöne Überschrift: ein Abschluss ist geschafft.<br />
Ende der Schulzeit, keine Hausaufgaben mehr, keine Pausenzeit, ohne<br />
das Schulgelände verlassen zu dürfen, kein frühes Aufstehen mehr, kein…<br />
Was bei anderen ein Grund ist, tief<br />
durchzuatmen und erst einmal die<br />
Seele baumeln zu lassen, heißt bei<br />
uns: Ärmel hochkrempeln, denn jetzt<br />
geht die Arbeit mit den Jungen unserer<br />
intensivpädagogischen Wohngruppe<br />
erneut richtig los. Bereits Monate<br />
vor Schulende spüren sie, dass<br />
wesentliche Änderungen auf sie zukommen.<br />
Durchschnittlich leben die<br />
Jungen 2 bis 4 Jahre bei uns. Sie wissen,<br />
was Veränderung bedeutet, wie<br />
anstrengend Veränderung sein kann<br />
und welche Kämpfe mitunter ausgefochten<br />
werden müssen.<br />
Dennoch, jetzt fühlt es sich anders an.<br />
Im Rahmen der Hilfeplangespräche,<br />
an denen die Jungen aktiv beteiligt<br />
sind, beim Formulieren der Ziele,<br />
beim Benennen der Aufmerksamkeitsrichtung,<br />
wird ihnen deutlich,<br />
dass ein neuer, weit reichender Veränderungsschritt<br />
vor der Tür steht:<br />
das berufsvorbereitende Praktikum!<br />
Die Schulen fangen an, führen langsam<br />
und mit Bedacht die potenziellen<br />
Schulabgänger an dieses Verfahren<br />
heran. Sie teilen Adresslisten aus, die<br />
es abzuarbeiten gilt, die in der Wohngruppe<br />
zwischen den Betreuern und<br />
den Jugendlichen immer wieder<br />
besprochen werden. In unserm Team<br />
haben wir einen Vorteil: die meisten<br />
von uns Betreuern machten vor<br />
der pädagogischen Ausbildung selber<br />
eine Lehre: Elektriker, Schreiner/<br />
Tischler, Einzelhandelskaufmann, Bauschlosser,<br />
(Kinder-)Krankenpfleger,<br />
Gärtner, Maler und Lackierer, usw.<br />
So können wir viele Berufe gut mit<br />
Leben und praktischen Beispielen füllen.<br />
Die Jugendlichen suchen diese lebendigen<br />
Gespräche, hören gerne die<br />
Geschichten, die sich im Alltag, auch<br />
rund um den sozialen Bereich einer<br />
Firma abspielen. In den Gesprächen<br />
entwickeln sich oft konkrete Berufsvorstellungen,<br />
aber oft wird das Denken<br />
auch von Wünschen und Träumen<br />
geleitet. Die Schwierigkeit für<br />
uns besteht genau in diesem Spannungsfeld.<br />
Auf der einen Seite ist da die Motivation<br />
der Jugendlichen, das Wollen,<br />
endlich… die Jungen wollen arbeiten<br />
und teilhaben an der Welt „da<br />
draußen“. Auf der anderen Seite ist<br />
die Realität „da draußen“, der reale<br />
Arbeitsmarkt sehr eng, gute Schulabschlüsse<br />
sind gefragt, einwandfreie<br />
und kurvenlose Lebensläufe sind<br />
Grundbedingung für einen Ausbildungsplatz.<br />
Wir unterstützen, wir lassen sie losziehen,<br />
lassen sie verschiedene Firmen<br />
aufsuchen. Einfach mal nachfragen,<br />
ob da Praktikanten genommen<br />
werden, drei Wochen zum Beispiel im<br />
November. Wir unterstützen vielfältig:<br />
vor Ort, im Betrieb selber, innerhalb<br />
des gruppalen Kontextes, bei<br />
Themenabenden der Gruppe, in flankierenden<br />
Kontakten mit den Betrieben<br />
oder auch motivativ während<br />
einer gemeinsamen Autofahrt zum<br />
Betrieb. Wir Betreuer sind ständig<br />
dran, korrigieren, lenken, beschwichtigen,<br />
hören zu. Denn die Begegnung<br />
mit „der Realität“ ist hart: die Jugendlichen<br />
erfahren, dass sie die<br />
Schule zwar bald geschafft haben,<br />
aber dass ihr Abgangszeugnis der<br />
Schule für Erziehungshilfe, nicht gerade<br />
die ideale Eintrittskarte zur Berufswelt<br />
darstellt.<br />
9
Aktuelles<br />
10<br />
Manchmal haben wir Glück, können<br />
durch private Kontakte den Weg der<br />
Jungen in ein Praktikum erleichtern.<br />
Und dann wird’s ernst, die Arbeit<br />
geht los. Jetzt heißt es schon abends<br />
die Arbeitssachen ordentlich zurecht<br />
zu legen, morgens noch früher raus<br />
aus den Federn, Essen für die Mittagspause<br />
richten und ganz pünktlich<br />
„ohne wenn und aber“ im Betrieb zu<br />
erscheinen.<br />
Wenn es Betriebe sind, die bewusst<br />
diese Verantwortung für die Jungen<br />
übernehmen, beispielsweise Kleinunternehmen<br />
wie K.E. Motoren Technik<br />
in Meckenheim oder Großbetriebe<br />
wie Remondis in Bonn, dann<br />
wird „angebissen“, an dem Tun, an<br />
dem Mitmachen, an dem wertgeschätzt<br />
werden durch eigene Arbeitsleistung.<br />
Den jeweiligen Betrieben sei es KFZ-<br />
Branche, Sanitärbranche, seien es<br />
Garten- und Landschaftsbauunternehmen,<br />
Einzelhandelsunternehmen<br />
oder der Ver-/Entsorgungsbetrieb<br />
der Stadt Bonn, ihnen allen sei hier an<br />
dieser Stelle ausdrücklich gedankt,<br />
dass sie sich dieser Verantwortung<br />
umfassend und kompromisslos stellen.<br />
Abends kommen die Jungs<br />
zurück in die Gruppe. Jungen wie<br />
René, voller Eindrücke, erkennbar<br />
stolz, den Tag mit all seinen Stunden<br />
in einem Betrieb überstanden zu haben,<br />
ihn sogar aktiv und produktiv<br />
mitgestaltet zu haben.<br />
Oder Dennis kommt zurück, erschöpft<br />
und ausgepowert und um die<br />
Erkenntnis reicher, dass sein Berufswunsch,<br />
Ver- und Entsorger, auch bedeutet,<br />
bei jedem Wetter raus zu<br />
müssen, auf den LKW, aus dem LKW,<br />
Abroll-Container zurecht ziehen, Hebehydraulik<br />
adäquat bedienen, usw.<br />
Dazu gehört mehr als „Eimer auf,<br />
Müll raus, Eimer zu.“ Die Einstellung,<br />
die Arbeit ordentlich machen zu wollen,<br />
die muss stimmen.<br />
In der Gruppe wird tagtäglich nachbereitet,<br />
kleine Situationen mit anfangs<br />
fremden Vorgesetzten werden<br />
durchgespielt, teilweise in die Gedankenwelt<br />
des Jugendlichen übersetzt.<br />
Was kann ich am kommenden Tag<br />
besser machen Wo stimmt meine<br />
Ansprache an den Chef, an die Mitarbeiter,<br />
an die Kollegen nicht so<br />
ganz Wo kann und muss ich nachfeilen<br />
Unterstützt wird das alles durch die<br />
enge Verzahnung mit dem Betrieb,<br />
der Schule und uns Betreuern. Informationen<br />
müssen aktuell und zeitnah<br />
zwischen allen Beteiligten fließen.<br />
Nur so kann am Ende ein Bild stehen,<br />
wie es auf den Fotos zu sehen ist: Jugendliche,<br />
die erkannt haben, dass es<br />
Spaß macht und Bestätigung bringen<br />
kann, dass es ausfüllen kann, arbeiten<br />
zu gehen. Es ist immer wieder interessant<br />
zu beobachten, wie auch die<br />
Jüngeren in der Wohngruppe aufmerksam<br />
zuhören, wenn die Praktikanten<br />
erzählen, was es heißt, ein<br />
Praktikant als Mechatronicer oder als<br />
Ver- und Entsorger zu sein. Sie wollen<br />
dann oftmals auch teilhaben an der<br />
Arbeitswelt, ihr „Ding“ machen, es allen<br />
zeigen, vielleicht auch den Eltern.<br />
Im besten Falle entstehen wie bei<br />
René und Dennis nach einem erfolgreichen<br />
Praktikum konkrete berufliche<br />
Perspektiven, Möglichkeiten einer<br />
Lehrstelle für 2008 oder eines<br />
weiteren Langzeitpraktikums nach<br />
Beendigung der regulären Schulzeit.<br />
Das Team der heilpädagogischen<br />
Intensivgruppe, Haus 9<br />
Daniel Kryschak, Frank Krzoßa,<br />
Horst Rieger, Timo Vitt,<br />
Kay Uwe Schimansky
Zwischenbilanz<br />
Zwischenbilanz…<br />
Im Oktober 2005 kam „die Pfarrerin“<br />
ganz ins <strong>Godesheim</strong><br />
Vorher war ich schon ein gutes Jahr<br />
lang einmal wöchentlich auf dem<br />
Gelände, zur Gottesdienstgruppe. In<br />
dieser Zeit bin ich für die Jugendlichen<br />
von „der Priesterin“ über „Frau<br />
Religion“ zu „Iris“ geworden. Rückblickend<br />
muss ich sagen, es war eine<br />
spannende Zeit mit vielen neuen Erfahrungen<br />
und Begegnungen.<br />
Am Anfang standen viele Fragezeichen:<br />
würde ich als Pfarrerin angenommen<br />
werden Erfahrungsmodelle<br />
gab es ja nicht. Denn eine Pfarrerin<br />
im Heim, das ist Neuland!<br />
So gab es beispielsweise Diskussionen,<br />
ob wir den Unterricht, den ich in<br />
der BEGo, (s. Kasten) geben sollte,<br />
nicht besser irgendwie anders nennen<br />
sollten als „Religion“, weil das<br />
vermutlich zu viele Jugendliche abschrecken<br />
würde.<br />
Nach einigem Hin und Her, entschieden<br />
wir, dass wir es doch Religion<br />
nennen und mal gucken, was passiert.<br />
Nun, es gab so gut,<br />
wie keine Abmeldungen.<br />
Die Neugierde der Jugendlichen<br />
war geweckt. Anfangs<br />
wurde mir oft die<br />
Frage gestellt:<br />
„Wie ist es denn im <strong>Godesheim</strong><br />
Wie reagieren die<br />
Jugendlichen auf eine Pfarrerin<br />
Können die damit<br />
etwas anfangen...“<br />
Aber ich traf bei keinem auf Ablehnung.<br />
Sicher, manche mussten erst einmal<br />
Stellung beziehen, und klar machen,<br />
dass sie nicht an Gott glauben!!<br />
Ein typisches Gespräch lief beispielsweise<br />
so ab.<br />
Jugendlicher: Sind sie die Priesterin<br />
Ich: Ja, ich bin die Pfarrerin.<br />
J.: Glauben sie an Gott<br />
Ich: Ja, das tue ich.<br />
J.: Also ich glaube ja nicht an Gott. Ich<br />
glaube die Welt ist durch den Urknall<br />
entstanden!<br />
Ich: Ja, das glaube ich auch. Aber das<br />
ist für mich kein Widerspruch.<br />
Und der Jugendliche staunte…<br />
Religion, Glaube, Gott, das wurde ein<br />
offenes Thema auf dem Gelände.<br />
Nicht weil ich das dauernd angesprochen<br />
hätte, sondern weil die Menschen<br />
es hier plötzlich ansprechen<br />
konnten…<br />
Im Religionsunterricht hören wir<br />
manchmal Musik oder gucken Filme,<br />
BEGo<br />
Schule neu gedacht: für Kinder und Jugendliche,<br />
die als nicht beschulbar gelten, wurde<br />
unter dem Namen BEGo „Bildungs- und<br />
Erziehungspartnerschaft Godesberg“ eine<br />
spezielle Fördermaßnahme entwickelt. Kinder<br />
und Jugendliche werden motiviert,<br />
Ängste abzubauen und Schule neu zu entdecken.<br />
In enger Kooperation gestalten<br />
Sonderschullehrer und pädagogische Mitarbeiter<br />
eine Ganztagsschulbetreuung mit<br />
wechselnden schulischen und außerschulischen<br />
Förderorten und Förderinhalten.<br />
dann sprechen wir über uns und unser<br />
Leben, oft fällt das Wort Gott oder Jesus<br />
kein einziges Mal. Und am Ende<br />
der Stunde höre ich dann: Ja, du immer<br />
mit deinem Gott, ständig kommst<br />
Du mit dem! Ich muss dann innerlich<br />
lachen, denn ich weiß genau, dass ich<br />
ihn dieses Mal nicht mitgebracht<br />
habe, sondern dass die Jugendlichen<br />
ihn im Gepäck hatten. Und<br />
wie so oft stelle ich fest,<br />
dass Dinge, über die man<br />
nicht spricht, doch ständig<br />
Thema sein können.<br />
Gott, Glaube, Religion, das<br />
ist hier Thema, vielleicht<br />
sogar mehr als anderswo,<br />
vielleicht auch nicht, vielleicht<br />
fällt es mir hier nur<br />
mehr auf…<br />
Und ich antwortete dann<br />
immer: Das, was mir da am<br />
meisten entgegen weht, ist<br />
freundliche Neugierde von<br />
groß und klein! Denn<br />
natürlich hatten auch die<br />
Erwachsenen so ihre Fragen,<br />
was ich denn nun da<br />
soll!<br />
Die Kinder und Jugendlichen<br />
haben zum Teil noch<br />
nie eine Kirche von innen<br />
gesehen, kennen kaum Geschichten<br />
aus der Bibel, beschäftigen<br />
sich aber dennoch<br />
damit, wie denn Gott<br />
zu ihrem Leben, ihren Erlebnissen<br />
und ihren Taten steht.<br />
11
Zwischenbilanz<br />
Und überraschenderweise haben<br />
diese Kinder häufig ein tiefes Vertrauen<br />
zu Gott. Und ich als „professionell<br />
Gläubige“ staune nicht<br />
schlecht, woher sie das holen, nach all<br />
dem, was sie schon erlebt haben.<br />
Natürlich gibt es auch viel Wut. Die<br />
Jugendlichen sind wütend über das,<br />
was sie erlebt haben. Sie hatten sich<br />
Hilfe und Gerechtigkeit von Gott gewünscht<br />
und sind enttäuscht worden.<br />
Sie beschimpfen Gott, wollen mich<br />
damit provozieren und haben das Gefühl,<br />
dass sie etwas ganz Verbotenes<br />
machen. Ich denke, es tut ihnen gut,<br />
zu erleben, dass sie das tun dürfen,<br />
dass sie nicht vom Blitz erschlagen<br />
werden oder sonst etwas Schlimmes<br />
passiert, wenn sie ihre Wut und Enttäuschung<br />
rauslassen. Wenn der<br />
Dampf dann raus ist, kommt es<br />
manchmal zu guten Gesprächen. „Ich<br />
kann mir einfach nicht vorstellen,<br />
dass es einen Gott gibt, der so etwas<br />
zulässt“, hör ich dann manchmal. Wer<br />
hat sich das nicht auch schon viele<br />
Male gefragt<br />
Und dann gibt es noch diese anderen<br />
Gespräche: da erzählen mir Kinder<br />
und Jugendliche, dass sie ohne Gott<br />
schon längst tot wären, dass Gott aber<br />
auf sie aufgepasst hat. Sie erzählen<br />
dann von Unfällen oder schlimmen Erlebnissen<br />
und sehen sich gerade in den<br />
schrecklichsten Momenten ihres Lebens<br />
von Gott behütet.<br />
„Wie kannst du das aushalten, ist<br />
das nicht total schwer“ werde ich<br />
manchmal gefragt. Und ich kann darauf<br />
nur sagen, manchmal ist es total<br />
schwer, aber ich kriege ganz viel von<br />
diesen Kindern und Jugendlichen geschenkt:<br />
Vertrauen, Respekt, Neugierde,<br />
Freude, …<br />
Ich bin froh, hier zu sein. Und gespannt,<br />
wie sich das noch weiterentwickelt.<br />
Iris Gronbach<br />
Jubiläen<br />
Sein 25-jähriges Dienstjubiläum<br />
feierte Gerwin<br />
Quast. 1981 als Lehrer für<br />
den Förderunterricht eingestellt,<br />
leitete der passionierte<br />
Künstler zusätzlich<br />
die „Offene Kunstwerkstatt“. Viele<br />
Kinder und Jugendliche fanden hier<br />
eine Möglichkeit, traumatische Erlebnisse<br />
„künstlerisch“ auszudrücken.<br />
Zahlreiche Kunstwerke fanden den<br />
Weg in unterschiedlichste Ausstellungen.<br />
Auch kam es zu interessanten<br />
Workshops mit bedeutenden deutschen<br />
Gegenwartskünstlern. Neben<br />
dem Förderunterricht und der Kunstwerkstatt<br />
leitet Herr Quast ein Projekt,<br />
innerhalb dessen Kinder Natur in besonderer<br />
Art auf einem biologisch betriebenen<br />
Bauernhof erleben dürfen.<br />
Mehrere Mitarbeiterinnen feierten mit<br />
uns ihr 10-jähriges Dienstjubiläum:<br />
Alexandra Blank arbeitete<br />
als pädagogische Mitarbeiterin<br />
in der damals neu<br />
eingerichteten Clearinggruppe.<br />
Frau Blank kehrte<br />
nun nach 6-jähriger Elternzeit<br />
als Teilzeitbeschäftigte in unseren<br />
Freizeitbereich zurück.<br />
Karin Blesgen begann<br />
1996 in einer Verselbständigungsgruppe.<br />
1997 startete<br />
sie in ein pädagogisches<br />
Projekt besonderer<br />
Art: die Sozialpädagogische<br />
Lebensgemeinschaft, in der sie seit<br />
dieser Zeit Tür an Tür mit Jugendlichen<br />
und jungen Erwachsenen lebt, die auf<br />
dem Weg in die Eigenständigkeit einer<br />
engen Begleitung bedürfen. Inzwischen<br />
hat Frau Blesgen ein weiteres Angebot<br />
in unmittelbarer Nachbarschaft<br />
aufgebaut, das sie zusätzlich betreut.<br />
Sirin Decker begann 1996<br />
als studentische Hilfskraft<br />
im Seniorenzentrum Kolfhaus<br />
und wechselte nach<br />
zwei Jahren ins <strong>Godesheim</strong>.<br />
Hier arbeitete sie 4<br />
Jahre eng mit Frau Stockhausen, damals<br />
Verwaltungsleiterin, zusammen.<br />
Mit der Installation einer offiziellen<br />
Verwaltung wurde Frau Decker als Mitarbeiterin<br />
fest angestellt. Sie ist heute<br />
Mutter einer zweijährigen Tochter und<br />
„Fachfrau für Beihilfen“.<br />
Viktoria Peiler kam als Sozialarbeiterin<br />
mit <strong>Jugendhilfe</strong>erfahrung<br />
zu uns und<br />
begann in einer koedukativen<br />
Regelwohngruppe.<br />
Der frische Wind, den sie<br />
mitbrachte, ihr Engagement und ihre<br />
offene Art passten stimmig in die „alte<br />
<strong>Godesheim</strong>familie“. Ihr selbst sind aus<br />
der Anfangszeit besonders die Ferienfahrten<br />
mit den Kindern in Erinnerung.<br />
1998 wurde Sohn Nick geboren. Ab<br />
‘99 arbeitete sie wieder stundenweise<br />
in den familienunterstützenden Diensten.<br />
Die individuelle und flexible Arbeitsform,<br />
die ein hohes Maß an<br />
Selbstmanagement voraussetzt, lag ihr<br />
sehr. Nach der Geburt des zweiten Sohnes<br />
Theo und erneuter Elternzeit, unterstützt<br />
Frau Peiler nun seit Oktober<br />
eine Tagesgruppe in Teilzeit.<br />
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