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WEN DEPUN KT - Depression.ch

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<strong>WEN</strong><strong>DEPUN</strong><strong>KT</strong><br />

Informationen zu <strong>Depression</strong> und Angststörungen I 1/2007<br />

SEITE 3 I BURNOUT<br />

«Kürzer treten oder eine Pause<br />

einlegen kam ni<strong>ch</strong>t in Frage»<br />

Porträt Claudio Minder, Ex-Mister S<strong>ch</strong>weiz<br />

SEITE 8 I SUIZID<br />

Tabuthema Suizid anspre<strong>ch</strong>en<br />

Gesprä<strong>ch</strong>e können die enorme<br />

innere Not lindern<br />

SEITE 10 I DEPRESSION<br />

Der «Wolf in der Säule»:<br />

Art brut mitten in Züri<strong>ch</strong><br />

Ein Ort für besondere Künstler<br />

Lundbeck (S<strong>ch</strong>weiz) AG<br />

Dokument letztmals geprüft:<br />

27.12.2012


«I<strong>ch</strong> hatte esni<strong>ch</strong>t mehr<br />

imGriff»<br />

BURNOUT<br />

BURNOUT IST SCHON LÄNGST NICHT MEHR NUR EINE KRANKHEIT VON MANAGERN.ES KANN JEDEN TREFFEN.<br />

AUCH JUNGE MENSCHEN.CLAUDIO MINDER, DEN MISTER SCHWEIZ AUS DEM JAHRE 2000, HAT ES MIT 25<br />

GETROFFEN.ER TANZTE AUF ZU VIELEN HOCHZEITEN, WAR RUND UM DIE UHR BESCHÄFTIGT, ÜBERFORDERTE<br />

SICH UND SEINEN KÖRPER.DIE FOLGE: MASSIVE KONZENTRATIONS- UND SCHLAFSTÖRUNGEN,ALPTRÄUME.<br />

D<br />

ie ersten Anzei<strong>ch</strong>en spürte er im<br />

Herbst 2005: Claudio Minder konnte<br />

si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr konzentrieren. Ers<strong>ch</strong>werend<br />

kam dazu, dass er sehr viel Arbeit<br />

hatte, er wusste ni<strong>ch</strong>t, wo er beginnen<br />

sollte, was er s<strong>ch</strong>on erledigt hatte und<br />

was zu wel<strong>ch</strong>em Termin fertig werden<br />

sollte. «I<strong>ch</strong> hatte es einfa<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr<br />

im Griff», erzählt der heute 26-Jährige.<br />

Da waren die vers<strong>ch</strong>iedenen Jobs:<br />

Kommunikationsberater, Moderator bei<br />

Radio Lie<strong>ch</strong>tenstein, Redaktor und Produzent<br />

bei «Fenster zum Sonntag» auf SF 2,<br />

Ges<strong>ch</strong>äftsführer einer Mode-Boutique,<br />

Model. Dies alles auf die Reihe zu kriegen,<br />

überfordert ni<strong>ch</strong>t nur einen Claudio<br />

Minder. «I<strong>ch</strong> tanzte auf zu vielen Ho<strong>ch</strong>zeiten»,<br />

sagt er heute. Aus den vielen<br />

Teilzeitjobs wurde am S<strong>ch</strong>luss ein 130-<br />

Prozent-Engagement. Kam no<strong>ch</strong> dazu,<br />

dass er kurz vorher, in den Ferien in<br />

Italien, einen s<strong>ch</strong>reckli<strong>ch</strong>en Unfall gehabt<br />

hatte. «I<strong>ch</strong> sprang von einem 12 Meter<br />

hohen Felsen ins Meer. Beim Aufs<strong>ch</strong>lag<br />

aufs Wasser stellte es mir die Atmung ab.<br />

I<strong>ch</strong> konnte meine Beine und Arme ni<strong>ch</strong>t<br />

mehr bewegen. Dann wurde es s<strong>ch</strong>warz<br />

vor meinen Augen», erzählt Claudio von<br />

seinem Horrorunfall. Als er wieder zu si<strong>ch</strong><br />

kam, lag er am Strand, sein Vater war über<br />

ihn gebeugt. Er massierte Claudios Brust.<br />

Zufällig war in der Nähe ein Arzt, der<br />

sofort erste Hilfe leistete. Langsam setzte<br />

Claudios Atmung wieder ein. Die Muskeln<br />

ZUR PERSON<br />

an den Extremitäten waren aber no<strong>ch</strong><br />

immer total verkrampft. «Wenn mein<br />

Vater mi<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t heraus gezogen hätte,<br />

wäre i<strong>ch</strong> heute tot», ist Claudio überzeugt.<br />

Die Konzentrationss<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e war nur der<br />

Anfang. Bald konnte er ni<strong>ch</strong>t mehr s<strong>ch</strong>lafen,<br />

und wenn er kurz Ruhe fand, s<strong>ch</strong>reckten<br />

ihn Horrorträume aus dem S<strong>ch</strong>laf.<br />

Claudio Minder wurde 1980 in Uster/ZH geboren. Kurz na<strong>ch</strong> seiner Geburt<br />

kehrten seine Eltern na<strong>ch</strong> Italien zurück. Er wu<strong>ch</strong>s mit fünf Ges<strong>ch</strong>wistern in<br />

der Nähe von Avellino auf. Als Claudio 16 war, s<strong>ch</strong>ickten ihn seine Eltern zur<br />

Ausbildung in die S<strong>ch</strong>weiz zurück. Hier absolvierte er eine Lehre als Zollte<strong>ch</strong>niker<br />

und holte nebenbei die Berufsmatura na<strong>ch</strong>. Im Jahr 2000 wurde Claudio<br />

Minder zum s<strong>ch</strong>önsten S<strong>ch</strong>weizer erkoren. Na<strong>ch</strong> dem Mister-S<strong>ch</strong>weiz-Jahr<br />

arbeitete er als Kommunikationsberater, Moderator, Ges<strong>ch</strong>äftsführer einer<br />

Mode-Boutique, Redaktor und Produzent einer TV-Sendung und Model. In<br />

jüngster Zeit engagiert si<strong>ch</strong> Claudio Minder au<strong>ch</strong> als Bots<strong>ch</strong>after für ein Hilfswerk,<br />

das in Malawi, Afrika, den Ärmsten hilft.<br />

3


BURNOUT<br />

Trotzdem: Die positiven Seiten, die er als<br />

Mister S<strong>ch</strong>weiz erlebte, überwogen am<br />

Ende.<br />

Claudio Minder ist si<strong>ch</strong>er au<strong>ch</strong> einer der<br />

Jüngsten, von dem bereits eine Biografie<br />

existiert. Na<strong>ch</strong> seinem Mister-S<strong>ch</strong>weiz-<br />

Jahr s<strong>ch</strong>rieb ein Journalist na<strong>ch</strong> den Angaben<br />

von Claudio eine Biografie: «Gold in<br />

Si<strong>ch</strong>t – das Leben als Mister S<strong>ch</strong>weiz».<br />

Herausgegeben wurde das Bu<strong>ch</strong> in einer<br />

Auflage von 6500 Stück vom Brunnen<br />

Verlag in Basel.<br />

Das Moderieren beim Radio hat Claudio Minder seiner Gesundheit zuliebe aufgegeben.<br />

«Oft erwa<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>weissgebadet. Alles<br />

drehte si<strong>ch</strong> in meinem Kopf. I<strong>ch</strong> fragte<br />

mi<strong>ch</strong> dauernd, was i<strong>ch</strong> am nä<strong>ch</strong>sten Tag<br />

no<strong>ch</strong> erledigen musste, ob i<strong>ch</strong> am Tag<br />

vorher alles so gema<strong>ch</strong>t hatte, wie es<br />

verlangt wurde.» No<strong>ch</strong> heute begreift<br />

Claudio Minder ni<strong>ch</strong>t, wie er in diesen<br />

Teufelskreis hineingeraten war.<br />

Claudio Minder war der jüngste Mister<br />

S<strong>ch</strong>weiz aller Zeiten, damals im Jahr<br />

2000. Der ehemalige Zollbeamte und<br />

Pfarrerssohn aus Basel wu<strong>ch</strong>s mit seinen<br />

Eltern und fünf Ges<strong>ch</strong>wistern in Italien<br />

auf, genauer in Volturara bei Avellino, in<br />

der Provinz Irpinia. Sein Vater Paul, ein<br />

reformierter Pfarrer, und seine Mutter<br />

Erika hatten die S<strong>ch</strong>weiz kurz na<strong>ch</strong><br />

Claudios Geburt verlassen. Mit 16 s<strong>ch</strong>ickten<br />

die Eltern Claudio zur Ausbildung<br />

zurück in die S<strong>ch</strong>weiz. Hier absolvierte er<br />

eine Lehre als Zollte<strong>ch</strong>niker, holte nebenbei<br />

die Berufsmatura na<strong>ch</strong>. Bei der Mister-<br />

S<strong>ch</strong>weiz-Wahl steckte er mitten in den<br />

Abs<strong>ch</strong>lussprüfungen. «I<strong>ch</strong> hatte ni<strong>ch</strong>t viel<br />

«Es ist total<br />

zermürbend,<br />

wenn man<br />

Erwartungen,<br />

die Mens<strong>ch</strong>en an einen herantragen,<br />

ni<strong>ch</strong>t erfüllen kann»<br />

Zeit, mir über den Titel den Kopf zu zerbre<strong>ch</strong>en.»<br />

Bei der TED-Umfrage erhielt er<br />

von den TV-Zus<strong>ch</strong>auern mit Abstand die<br />

meisten Stimmen. Claudio Minder war für<br />

ein Jahr ni<strong>ch</strong>t nur der s<strong>ch</strong>önste S<strong>ch</strong>weizer,<br />

sondern er ist au<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>er der Spra<strong>ch</strong>begabteste,<br />

beherrs<strong>ch</strong>t er do<strong>ch</strong> Italienis<strong>ch</strong>,<br />

Deuts<strong>ch</strong>, Englis<strong>ch</strong> und Französis<strong>ch</strong> perfekt.<br />

Viel wurde über sein Verhältnis zur Religion<br />

ges<strong>ch</strong>rieben. Er fasst es kurz: «Für<br />

mi<strong>ch</strong> ist Gott wie die Leitplanke auf der<br />

Autobahn. Sie führt mi<strong>ch</strong> auf meinem<br />

Weg.» Kritik an seiner Person hat ihn<br />

damals s<strong>ch</strong>wer getroffen: «I<strong>ch</strong> war oft<br />

ri<strong>ch</strong>tiggehend am Boden zerstört.»<br />

Und Claudio Minder gehört mit seinen<br />

heute 26 Jahren fast si<strong>ch</strong>er zum Kreis der<br />

jüngsten Burnout-Opfer. Na<strong>ch</strong> monatelangen<br />

Konzentrationss<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>en, s<strong>ch</strong>laflosen<br />

Nä<strong>ch</strong>ten und Alpträumen ents<strong>ch</strong>loss<br />

si<strong>ch</strong> Claudio, professionelle Hilfe anzunehmen.<br />

«Es ist total zermürbend, wenn man<br />

Erwartungen, die Mens<strong>ch</strong>en an einen<br />

herantragen, ni<strong>ch</strong>t erfüllen kann.» Der<br />

Psy<strong>ch</strong>ologe fand anhand der Symptome<br />

s<strong>ch</strong>nell heraus, dass Claudio an einem<br />

Burnout litt. Er riet ihm dringend, eine<br />

Auszeit zu nehmen, si<strong>ch</strong> Ruhe zu gönnen.<br />

«Kürzer zu treten oder gar eine Pause einzulegen,<br />

kam zu diesem Zeitpunkt für<br />

mi<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t in Frage. I<strong>ch</strong> war mitten in den<br />

Vorbereitungen für die Moderation der<br />

nä<strong>ch</strong>sten Mister-S<strong>ch</strong>weiz-Wahl in Chiasso.<br />

Für diese Live-Übertragung zusammen<br />

mit der Tessiner Ko-Moderatorin Carla<br />

Norghauer wollte i<strong>ch</strong> mein Bestes<br />

geben», erzählt der ehemals s<strong>ch</strong>önste<br />

S<strong>ch</strong>weizer. Er musste einen andern Weg<br />

finden. Claudio begann damit, kleine<br />

Aufträge abzusagen. Zwei Mal pro Wo<strong>ch</strong>e<br />

versu<strong>ch</strong>te er, Sport zu treiben. Eine Zeitlang<br />

legte er si<strong>ch</strong> sogar ein Handy- und<br />

E-Mail-Verbot auf. «Nur so konnte i<strong>ch</strong><br />

mi<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ützen. Wenn man tägli<strong>ch</strong> fast<br />

100 Mails beantworten sollte, zehrt das<br />

ganz s<strong>ch</strong>ön an einem», sagt er. Seinen 40-<br />

Prozent-Moderationsjob bei Radio Lie<strong>ch</strong>tenstein<br />

hat er aufgegeben. «Jetzt habe i<strong>ch</strong><br />

mehr Freizeit, die i<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> geniesse. I<strong>ch</strong><br />

will mi<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>onen. Nur so<br />

komme i<strong>ch</strong> aus dem Teufelskreis heraus»,<br />

ist Claudio überzeugt. Au<strong>ch</strong> mit dem<br />

S<strong>ch</strong>lafen klappt es besser. Zwar ist sein<br />

S<strong>ch</strong>lafrhythmus no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t optimal. Aber<br />

Claudio ist auf dem besten Weg, sein<br />

Burnout Vergangenheit werden zu lassen.<br />

4


BURNOUT<br />

«Raubbauan den eigenen Kräften<br />

verursa<strong>ch</strong>tBurnout»<br />

AUSGEBRANNT, ERSCHÖPFT, ANTRIEBSLOS.KNAPP JEDER VIERTE UNTER DER ARBEITENDEN BEVÖLKERUNG IN<br />

DER SCHWEIZ LEIDET AN EINEM MILDEN BIS MITTELGRADIGEN BURNOUT.DREI BIS VIER PROZENT SIND<br />

SOGAR SCHWER DAVON BETROFFEN.WAS VERBIRGT SICH HINTER DEM WORT BURNOUT DIE FACHÄRZTIN<br />

DR.BARBARA HOCHSTRASSER SAGT, WER AM EHESTEN EIN RISIKO FÜR EIN BURNOUT HAT.<br />

Gibt es Mens<strong>ch</strong>en, die anfälliger für<br />

Burnout sind<br />

Vers<strong>ch</strong>iedene Einstellungen und Persönli<strong>ch</strong>keitsmerkmale<br />

sind mit einem erhöhten<br />

Risiko verknüpft. Dies sind insbesondere<br />

eine starke Verausgabungsbereits<strong>ch</strong>aft<br />

und Perfektionismus, hohes Engagement<br />

und geringe Distanzierungsfähigkeit.<br />

Weiter sind es Mens<strong>ch</strong>en, die eher wenig<br />

offen sind für Veränderungen, Problemen<br />

auswei<strong>ch</strong>en, statt sie anzupacken, bei<br />

Misserfolgen eher resignieren, und introvertierte<br />

Mens<strong>ch</strong>en mit wenig Selbstwertgefühl.<br />

Untersu<strong>ch</strong>ungen haben au<strong>ch</strong><br />

gezeigt, dass Alleinstehende ein erhöhtes<br />

Risiko haben, ein Burnout zu entwickeln.<br />

ZUR PERSON<br />

Ist Burnout eine männli<strong>ch</strong>e Krankheit,<br />

oder reagieren Frauen früher<br />

Zur Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>terverteilung des Burnouts<br />

gibt es widersprü<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Resultate. Daher lässt si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

behaupten, dass Burnout eine Männerkrankheit<br />

sei. Es s<strong>ch</strong>einen vielmehr bestimmte<br />

Persönli<strong>ch</strong>keitsmerkmale, aber<br />

au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wierige Arbeitssituationen für<br />

«Alleinstehende<br />

haben ein erhötes<br />

Risiko,<br />

ein Burnout zu entwickeln»<br />

Dr. med. Barbara Ho<strong>ch</strong>strasser ist Fa<strong>ch</strong>ärztin FMH für Psy<strong>ch</strong>iatrie und Psy<strong>ch</strong>otherapie.<br />

Als Chefärztin hat sie in der Privatklinik Meiringen BE eine renommierte<br />

Burnout-Abteilung aufgebaut.<br />

die Entstehung eines Burnouts verantwortli<strong>ch</strong><br />

zu sein.<br />

Was sind die ersten Symptome eines<br />

Burnouts<br />

Müdigkeit, die trotz genügender Erholungszeit<br />

ni<strong>ch</strong>t abnimmt, Gefühlslabilität,<br />

Empfindli<strong>ch</strong>keit auf Stresssituationen,<br />

Demotivation bei der Arbeit und negative<br />

Gefühle gegenüber Anspre<strong>ch</strong>partnern.<br />

Es können au<strong>ch</strong> psy<strong>ch</strong>osomatis<strong>ch</strong>e<br />

Bes<strong>ch</strong>werden auftreten.<br />

Wie sieht die «erste Hilfe» aus, wenn<br />

ein Patient zum Arzt/zur Ärztin kommt<br />

Es ist wi<strong>ch</strong>tig, den Patienten von belastenden<br />

Situationen zu befreien, Zeit zu<br />

s<strong>ch</strong>affen für Erholung und Regeneration.<br />

Oft ist die Regulierung des S<strong>ch</strong>lafs ein<br />

wi<strong>ch</strong>tiger Bestandteil. Eine mässige körperli<strong>ch</strong>e<br />

Aktivität und die Balance von<br />

Arbeit und Erholung sind wi<strong>ch</strong>tige Therapiebausteine.<br />

Dem Körper muss die Mögli<strong>ch</strong>keit<br />

gegeben werden, si<strong>ch</strong> zu regenerieren<br />

und zu erholen. Je na<strong>ch</strong> Situation<br />

5


BURNOUT<br />

sind au<strong>ch</strong> Medikamente angezeigt, allerdings<br />

nur im Rahmen einer ärztli<strong>ch</strong>en<br />

Behandlung.<br />

Und was beinhaltet die Langzeittherapie<br />

An si<strong>ch</strong> die glei<strong>ch</strong>en Faktoren wie in der<br />

Akutbehandlung. Wi<strong>ch</strong>tig ist vor allem<br />

eine angemessene Belastung, Disziplin<br />

im Einhalten von Ruhephasen und Entspannung,<br />

aber au<strong>ch</strong> körperli<strong>ch</strong>er Aktivität,<br />

regelmässiger und genügend S<strong>ch</strong>laf,<br />

Zeit für Beziehungen und für si<strong>ch</strong> selber.<br />

Es ist wi<strong>ch</strong>tig, die eigenen Körpersignale<br />

zu bea<strong>ch</strong>ten und darauf zu reagieren.<br />

Meist führt die Bewältigung eines<br />

Burnouts notgedrungen au<strong>ch</strong> zu einer<br />

Veränderung von Werten und persönli<strong>ch</strong>en<br />

Prioritäten.<br />

Wie können Angehörige einem<br />

Burnout-Kranken helfen<br />

Indem sie Verständnis und Geduld zeigen,<br />

den Betroffenen entlasten und<br />

ermutigen, Werts<strong>ch</strong>ätzung entgegenbringen,<br />

au<strong>ch</strong> ohne Leistung. Auf keinen<br />

Fall ans<strong>ch</strong>uldigen oder Vorwürfe ma<strong>ch</strong>en.<br />

Sie sollen offen sein für ein Gesprä<strong>ch</strong>,<br />

ohne zu bedrängen. Vors<strong>ch</strong>läge<br />

ma<strong>ch</strong>en für erfreuli<strong>ch</strong>e und ni<strong>ch</strong>t anstrengende<br />

Aktivitäten. Humor und<br />

Freude verbreiten.<br />

Kann ein Betroffener na<strong>ch</strong> dem<br />

Überwinden seines Burnouts in<br />

seinem Alltag wieder normal funktionieren<br />

Ja, aber der Alltag muss anders organisiert<br />

werden, damit ni<strong>ch</strong>t wieder Raub-<br />

«Es ist<br />

ni<strong>ch</strong>t ratsam,<br />

in die glei<strong>ch</strong>e Arbeitssituation<br />

zurückzukehren<br />

wie vor dem Burnout»<br />

Ist eine vollständige Heilung<br />

mögli<strong>ch</strong><br />

Je na<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>weregrad und Dauer der<br />

Burnout-Symptomatik ist eine Heilung<br />

mögli<strong>ch</strong>. Meist bleibt aber eine gewisse<br />

Sensibilität hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> hoher Stressbelastung<br />

zurück.<br />

bau an den eigenen Kräften entsteht.<br />

Mit einer guten Balance zwis<strong>ch</strong>en<br />

Aktivität und Ruhe, mit genügend Zeit<br />

für körperli<strong>ch</strong>e Aktivität, Entspannung,<br />

persönli<strong>ch</strong>e Beziehungen und für die<br />

Selbstreflexion sollte dies gelingen. Im<br />

Allgemeinen ist es aber ni<strong>ch</strong>t ratsam,<br />

in die genau glei<strong>ch</strong>e Arbeitssituation<br />

zurückzukehren wie vor dem Burnout.<br />

Es müssen Anpassungen in den Belastungen<br />

und den Arbeitsrhythmen vorgenommen<br />

werden, die den verfügbaren<br />

Kräften entspre<strong>ch</strong>en.<br />

BURNOUT UND<br />

DEPRESSION HABEN<br />

VIELES GEMEINSAM<br />

Burnout und <strong>Depression</strong> haben gemäss<br />

Dr. Barbara Ho<strong>ch</strong>strasser vieles<br />

gemeinsam. So ist erwiesen, dass<br />

Mens<strong>ch</strong>en, die in der Vergangenheit<br />

von einer <strong>Depression</strong> betroffen<br />

waren oder in ihrer Familie Angehörige<br />

mit <strong>Depression</strong>en haben, ein<br />

erhöhtes Risiko aufweisen, an einem<br />

Burnout zu erkranken.<br />

Burnout umfasst drei Dimensionen:<br />

emotionale Ers<strong>ch</strong>öpfung, Zynismus<br />

und die persönli<strong>ch</strong>e Eins<strong>ch</strong>ätzung<br />

einer Leistungsminderung bei der<br />

Arbeit. Zynismus, das heisst eine<br />

negative und abwertende Haltung<br />

gegenüber anderen Mens<strong>ch</strong>en,<br />

besonders im Beruf, fehlt bei der<br />

<strong>Depression</strong>.<br />

Burnout zei<strong>ch</strong>net si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> aus dur<strong>ch</strong><br />

eine besonders grosse Ers<strong>ch</strong>öpfung<br />

in psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>er und körperli<strong>ch</strong>er Hinsi<strong>ch</strong>t<br />

und einer reduzierten Belastbarkeit<br />

auf Stress, sei dies Zeitdruck,<br />

s<strong>ch</strong>wierige mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Interaktionen<br />

oder physis<strong>ch</strong>e Faktoren wie Hitze<br />

oder Lärm. Klinis<strong>ch</strong> lässt si<strong>ch</strong> bei<br />

vielen Burnout-Betroffenen eine ausgeprägte<br />

vegetative Labilität na<strong>ch</strong>weisen.<br />

Na<strong>ch</strong> einem<br />

Arbeitsp<br />

So s<strong>ch</strong>nell wie mögli<br />

B<br />

JE LÄNGER BURNOUT-PATIENTEN OHN<br />

AKUTBEHANDLUNG SO SCHNELL WIE M<br />

WEISE UND MIT DER BEGLEITUNG DURC<br />

urnout – wie weiter In der S<strong>ch</strong>weiz<br />

s<strong>ch</strong>eiden immer mehr Frauen und<br />

Männer wegen eines Burnouts aus dem<br />

Arbeitsleben aus. Krankges<strong>ch</strong>rieben, abges<strong>ch</strong>rieben,<br />

verzweifelt. Der Weg zurück ins<br />

Berufsleben s<strong>ch</strong>eint vorerst versperrt.<br />

Abges<strong>ch</strong>oben und meist in gekündigter<br />

Stellung wartet der Betroffene auf Besserung.<br />

So wurden Patienten mit Ers<strong>ch</strong>öpfungsdepression<br />

vor no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t so langer<br />

Zeit therapiert. Man wartete, bis sie si<strong>ch</strong><br />

gesundheitli<strong>ch</strong> erholt hatten und wagte erst<br />

dann wieder den Einstieg in den Arbeitsprozess.<br />

Das Warten war für den Selbstwert<br />

des Betroffenen ni<strong>ch</strong>t förderli<strong>ch</strong>, der<br />

Wiedereinstieg wurde mit zunehmender<br />

Dauer der Abwesenheit zum immer grösseren<br />

Problem. «Heute versu<strong>ch</strong>en wir, Burnout-Kranke<br />

na<strong>ch</strong> einer Akutbehandlung so<br />

s<strong>ch</strong>nell wie mögli<strong>ch</strong> wieder an den Arbeitsplatz<br />

zurückzubringen», erklärt Bettina<br />

Bärts<strong>ch</strong>, Job-Coa<strong>ch</strong> an der Psy<strong>ch</strong>iatris<strong>ch</strong>en<br />

Universitätsklinik Züri<strong>ch</strong>. «Am besten am<br />

glei<strong>ch</strong>en Arbeitsplatz, aber ni<strong>ch</strong>t unter den<br />

glei<strong>ch</strong>en Bedingungen. Ohne Druck, wenn<br />

6


SUIZID<br />

Suizid: Spre<strong>ch</strong>en<br />

istbesserals S<strong>ch</strong>weigen<br />

JÄHRLICH KOMMEN IN DER SCHWEIZ FAST DREIMAL MEHR MENSCHEN DURCH SUIZID UMS LEBEN ALS<br />

DURCH VERKEHRSUNFÄLLE. OFT TRIFFT DER SUIZID FAMILIEN UNERWARTET UND HINTERLÄSST TIEFE<br />

WUNDEN UND SPUREN. TROTZ DER HÄUFIGKEIT IST SUIZID NOCH IMMER EIN TABUTHEMA.<br />

A<br />

lle se<strong>ch</strong>s Stunden nimmt si<strong>ch</strong> in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz ein Mens<strong>ch</strong> das Leben. Jährli<strong>ch</strong><br />

sterben fast 1500 Mens<strong>ch</strong>en an<br />

Suizid. Dur<strong>ch</strong> Suizide verlieren mehr Mens<strong>ch</strong>en<br />

ihr Leben als dur<strong>ch</strong> Verkehrsunfälle,<br />

Drogen, Aids und Gewalttaten zusammen.<br />

Im europäis<strong>ch</strong>en Verglei<strong>ch</strong> hat die<br />

S<strong>ch</strong>weiz die neunthö<strong>ch</strong>ste Suizidrate –<br />

na<strong>ch</strong> Ländern wie Russland, Ungarn oder<br />

Österrei<strong>ch</strong>. Warum si<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz so<br />

viele Mens<strong>ch</strong>en das Leben nehmen,<br />

wissen Experten ni<strong>ch</strong>t. Vermutet werden –<br />

als einer von vielen Faktoren – S<strong>ch</strong>amgefühle:<br />

Über die eigenen Probleme wird<br />

ni<strong>ch</strong>t gespro<strong>ch</strong>en, und es wird in Krisensituationen<br />

keine Hilfe gesu<strong>ch</strong>t.<br />

Betroffen sind vor allem Mens<strong>ch</strong>en in<br />

einer Übergangsphase<br />

«Suizidalität unterliegt au<strong>ch</strong> heute no<strong>ch</strong><br />

einem Tabu, obwohl fast jeder in seinem<br />

Leben irgendwann einmal Gedanken an<br />

einen Selbstmord hatte oder dur<strong>ch</strong> Bekannte<br />

oder Verwandte damit in Berührung<br />

gekommen ist. Wi<strong>ch</strong>tig ist deshalb<br />

vor allem eine Entstigmatisierung von<br />

Suizid und psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Problemen ganz<br />

allgemein», erklärt Barbara Weil, Ges<strong>ch</strong>äftsleiterin<br />

von «Ipsilon», der «Initiative<br />

zur Prävention von Suizid in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz».<br />

«Niemand wird<br />

Suizid<br />

anspre<strong>ch</strong>en»<br />

begehen, weil wir ihn darauf<br />

Suizid ist nur die Spitze eines Entwicklungsprozesses,<br />

der s<strong>ch</strong>on lange vorher<br />

begonnen hat. Rund 90 Prozent der<br />

Mens<strong>ch</strong>en, die ihrem Leben ein Ende setzen,<br />

litten zur Zeit der Handlung an einer<br />

psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Störung. Überwiegend war<br />

das eine <strong>Depression</strong> (40 bis 70%) oder<br />

eine Alkohol- und Drogensu<strong>ch</strong>t (25 bis<br />

50%). Der psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Störung wiederum<br />

sind vielfa<strong>ch</strong> bereits lang dauernde<br />

Belastungen vorausgegangen. Dazu gehö-<br />

ren unter anderem Arbeitslosigkeit, Pensionierung,<br />

Eheprobleme, Lehrstellenoder<br />

S<strong>ch</strong>ulprobleme, Krankheit, Änderung<br />

der Lebensumstände wie eine Mutters<strong>ch</strong>aft<br />

oder die Ablösung vom Elternhaus.<br />

Bei länger andauernden Krisen können<br />

häufig au<strong>ch</strong> psy<strong>ch</strong>osomatis<strong>ch</strong>e Störungen<br />

auftreten. Das sind We<strong>ch</strong>selwirkungen<br />

von körperli<strong>ch</strong>en und psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en<br />

Symptomen, wie S<strong>ch</strong>lafstörungen,<br />

<strong>Depression</strong>en, Ängste, Panikattacken,<br />

Magenprobleme, Rückens<strong>ch</strong>merzen, risikorei<strong>ch</strong>er<br />

Alkoholkonsum oder Essstörungen.<br />

Die Intensität der Krise hat den<br />

Betroffenen letztendli<strong>ch</strong> überfordert.<br />

Oftmals kann die Person das körperli<strong>ch</strong>e<br />

Symptom (z.B. S<strong>ch</strong>lafstörung) und die<br />

Ursa<strong>ch</strong>e au<strong>ch</strong> gar ni<strong>ch</strong>t mehr in Zusammenhang<br />

bringen. Irgendwann rei<strong>ch</strong>en<br />

die eigenen Ressourcen dann ni<strong>ch</strong>t mehr<br />

aus. Der Betroffene fühlt si<strong>ch</strong> ohnmä<strong>ch</strong>tig<br />

und kann si<strong>ch</strong> aus eigener Kraft<br />

ni<strong>ch</strong>t aus der Krise helfen. Der Suizid<br />

8


SUIZID<br />

Langfristige Begleitung reduziert<br />

Suizidhandlungen<br />

«Leider unternimmt die S<strong>ch</strong>weiz im Verglei<strong>ch</strong><br />

mit dem Ausland im Berei<strong>ch</strong> der<br />

Suizidverhütung sehr wenig», bedauert<br />

Prof. Dr. med. Konrad Mi<strong>ch</strong>el, Universitätsklinik<br />

für Psy<strong>ch</strong>iatrie in Bern. In<br />

S<strong>ch</strong>weden konnte gezeigt werden, dass<br />

dur<strong>ch</strong> gezielte Fortbildung bei den Ärzten<br />

die Suizidrate abnimmt. Die Psy<strong>ch</strong>iatris<strong>ch</strong>e<br />

Universitätsklinik in Bern wurde<br />

deshalb selber aktiv: Angeboten wird eine<br />

spezifis<strong>ch</strong>e Kurzintervention na<strong>ch</strong> erfolgtem<br />

Suizidversu<strong>ch</strong>. Denn in der Suizidfors<strong>ch</strong>ung<br />

zei<strong>ch</strong>net si<strong>ch</strong> ab, dass mögli<strong>ch</strong>erweise<br />

Kurzinterventionen, gefolgt<br />

von einem langfristigen Kontaktangebot,<br />

am ehesten eine Chance haben, das<br />

Risiko weiterer Suizidhandlungen zu<br />

reduzieren. Der Erstkontakt erfolgt innerhalb<br />

von zwei Wo<strong>ch</strong>en, weitere Konsultationen<br />

folgen in kurzen Abständen.<br />

Dana<strong>ch</strong> erhalten die Patienten über zwei<br />

Jahre hinweg regelmässig Briefe, in<br />

denen sie an Warnzei<strong>ch</strong>en und gemeinsam<br />

erarbeitete Verhaltensmassnahmen<br />

erinnert werden.<br />

Quelle:<br />

Krise und Suizid, Basisdokument, Seminare für<br />

Ärzte, FMH·BAG, Bern 1992; 2. Auflage 1995¸<br />

3. überarbeitete Auflage 2000<br />

wird als vermeintli<strong>ch</strong>e Lösungsmögli<strong>ch</strong>keit<br />

in Betra<strong>ch</strong>t gezogen. Die Hoffnungslosigkeit<br />

wird zum zentralen Element.<br />

«Es ist sinnvoll,<br />

Mens<strong>ch</strong>en<br />

von Suizidhandlungen<br />

abzuhalten»<br />

Die Na<strong>ch</strong>frage hätte bereits helfen<br />

können<br />

Die Na<strong>ch</strong>frage von Freunden, Bekannten,<br />

Verwandten oder dem Hausarzt hätte<br />

die Not viellei<strong>ch</strong>t lindern können. «Suizid<br />

ist kein freier Wille, sondern das Bedürfnis,<br />

einem extremen inneren S<strong>ch</strong>merz zu<br />

entgehen. Der Betroffene befindet si<strong>ch</strong><br />

fast wie in einer Trance», hält Barbara<br />

Weil fest. Darum ist es sinnvoll, Mens<strong>ch</strong>en<br />

von Suizidhandlungen abzuhalten.<br />

Typis<strong>ch</strong> ist au<strong>ch</strong>, dass die Situation<br />

anders beurteilt wird, wenn die Krise<br />

überstanden ist. Au<strong>ch</strong> die immer wieder<br />

aufgeworfene Befür<strong>ch</strong>tung, dass si<strong>ch</strong><br />

jemand das Leben nimmt, weil er darauf<br />

angespro<strong>ch</strong>en wurde, trifft ni<strong>ch</strong>t zu. Im<br />

Gegenteil. «Niemand wird Suizid begehen,<br />

weil wir ihn darauf anspre<strong>ch</strong>en.<br />

Mens<strong>ch</strong>en werden aber viellei<strong>ch</strong>t Suizid<br />

begehen, wenn wir sie ni<strong>ch</strong>t auf Suizidgedanken<br />

und Krisen anspre<strong>ch</strong>en», so<br />

Weil.<br />

Hilfe in der Krise<br />

Die Dargebotene Hand ist eine der Anlaufstellen,<br />

an die si<strong>ch</strong> suizidgefährdete<br />

Mens<strong>ch</strong>en oder Angehörige, die si<strong>ch</strong><br />

Sorgen ma<strong>ch</strong>en, wenden können. «Wir<br />

hören in allen psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Krisen und<br />

Lebenslagen zu und versu<strong>ch</strong>en, Verständnis<br />

und Vertrauen zu s<strong>ch</strong>affen. Dies ist<br />

ein äusserst wi<strong>ch</strong>tiger S<strong>ch</strong>ritt. Wir wollen<br />

den Betroffenen ni<strong>ch</strong>t unter Druck setzen<br />

und su<strong>ch</strong>en na<strong>ch</strong> Ressourcen, über<br />

die si<strong>ch</strong> wieder Mut s<strong>ch</strong>öpfen lässt»,<br />

erklärt Tony Styger, Leiter der Zür<strong>ch</strong>er<br />

Regionalstelle.<br />

BÜCHER:<br />

Der Suizid<br />

Thomas Bronis<strong>ch</strong><br />

Ursa<strong>ch</strong>en, Warnsignale, Prävention<br />

Verlag C. H. Beck, Mün<strong>ch</strong>en, 1999,<br />

ISBN 3406390064<br />

Wie weiter<br />

Peter Gill<br />

Trauern und Abs<strong>ch</strong>iednehmen bei Suizid<br />

und plötzli<strong>ch</strong>en Todesfällen<br />

Bu<strong>ch</strong>handlung Dr. Vetter,<br />

S<strong>ch</strong>neidergasse 27, 4001 Basel, 1999,<br />

ISBN 3898959960<br />

Suizid. Das Trauma der Hinterbliebenen<br />

Manfred Otzelberger<br />

Erfahrungen und Auswege<br />

Deuts<strong>ch</strong>er Tas<strong>ch</strong>enbu<strong>ch</strong> Verlag, Mün<strong>ch</strong>en,<br />

2002, ISBN 3423362588<br />

Warum hast du uns das angetan<br />

Chris Paul<br />

Ein Begleitbu<strong>ch</strong> für Trauernde, wenn si<strong>ch</strong><br />

jemand das Leben genommen hat<br />

Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh,<br />

1998, ISBN 3579009893<br />

9


«Wolf in der Säule»:<br />

EinRaum derKreativität<br />

DEPRESSION<br />

MENSCHEN MIT EINER PSYCHISCHEN ERKRANKUNG HABEN HÄUFIG KEINE MÖGLICHKEIT, IHRE<br />

KREATIVITÄT AUSZULEBEN. DER «WOLF IN DER SÄULE» IST EIN EINZIGARTIGES ATELIER, DAS<br />

SCHÖPFERISCHEN MENSCHEN DIESEN RAUM UND MATERIAL ZUM MALEN ANBIETET.<br />

E<br />

s herrs<strong>ch</strong>t ein ges<strong>ch</strong>äftiges Hin und<br />

Her. Die einen kommen s<strong>ch</strong>nell auf ein<br />

kurzes Gesprä<strong>ch</strong> vorbei oder trinken erst<br />

einmal gemütli<strong>ch</strong> Kaffee. Andere setzen<br />

si<strong>ch</strong> soglei<strong>ch</strong> an die Staffelei und beginnen,<br />

ihre Ideen auf die Leinwand zu bannen.<br />

Seit knapp einem Jahr leitet Andrea<br />

Fetz-Thaler das Atelier «Wolf in der<br />

Säule»; sie ist immer wieder aufs Neue<br />

fasziniert von der kreativen Energie jedes<br />

einzelnen Benutzers. «Wir werden gerne<br />

als Freizeitangebot verstanden, was aber<br />

fals<strong>ch</strong> ist. Hier malen ernsthafte Künstler,<br />

die ein eigenes Atelier auf Grund ihrer<br />

Krankheit ni<strong>ch</strong>t aufre<strong>ch</strong>t erhalten kön-<br />

nen», erklärt sie. Die meisten Mens<strong>ch</strong>en,<br />

die den Raum aufsu<strong>ch</strong>en, sind Mens<strong>ch</strong>en<br />

mit einer psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Erkrankung wie<br />

<strong>Depression</strong> oder S<strong>ch</strong>izophrenie. Gespro<strong>ch</strong>en<br />

wird au<strong>ch</strong> von der so genannten Art<br />

brut. Das ist Kunst von Mens<strong>ch</strong>en, die aus<br />

dem normalen Rahmen der kulturellen<br />

und sozialen Gesells<strong>ch</strong>aft fallen oder einfa<strong>ch</strong><br />

ausgestiegen sind. Im Atelier «Wolf<br />

in der Säule» sind es ehemalige Patienten<br />

einer psy<strong>ch</strong>iatris<strong>ch</strong>en Klinik.<br />

Experimentieren mit Materialien<br />

Das Atelier besteht aus insgesamt drei<br />

Räumen. Im Erdges<strong>ch</strong>oss befindet si<strong>ch</strong> das<br />

helle, sonnendur<strong>ch</strong>flutete Atelier. An zwei<br />

Tis<strong>ch</strong>en wird gewerkelt. Mehrere Staffeleien<br />

stehen zur Verfügung. Jeder Künstler<br />

muss einen Teil der Kosten übernehmen.<br />

Ein Papier für die Staffelei kostet beispielsweise<br />

einen Franken. Ein Stock tiefer<br />

befindet si<strong>ch</strong> ein grosser, runder Tis<strong>ch</strong>, an<br />

dem alle zusammen sitzen können. No<strong>ch</strong><br />

ein Stock tiefer ist der Stau- und Computerraum.<br />

Ein Stapel beinhaltet die Bilder<br />

des Japaners Massami Ishihara: einen<br />

gerade ausbre<strong>ch</strong>enden Vulkan. Und obwohl<br />

er immer das glei<strong>ch</strong>e Motiv malt,<br />

sieht jedes Bild anders aus. Er wohnt seit<br />

rund 20 Jahren in der S<strong>ch</strong>weiz und<br />

begann während eines Klinikaufenthaltes<br />

vor se<strong>ch</strong>s Jahren zu malen. Massami fühlt<br />

si<strong>ch</strong> «beim Malen wohl und ni<strong>ch</strong>t einsam».<br />

Daneben befinden si<strong>ch</strong> die Bilder<br />

von Arnold («Noldi») Federle. Er war als<br />

Glasbläser bis 1993 selbstständig. Seither<br />

lebt er im ständigen Kampf, «normal» zu<br />

Massami Ishihara: Fühlt si<strong>ch</strong> beim Malen wohl<br />

und ni<strong>ch</strong>t einsam.<br />

10


DEPRESSION<br />

Arnold Federle: Zei<strong>ch</strong>nen, Malen, Übermalen –<br />

Experimentieren je na<strong>ch</strong> Stimmung.<br />

funktionieren. Er experimentiert gerne mit<br />

Materialien, zei<strong>ch</strong>net, bemalt, zerstört,<br />

übermalt oder kratzt. Je na<strong>ch</strong> Stimmung.<br />

Damit das Leben im Atelier reibungslos<br />

abläuft, sind an fünf Tagen in der Wo<strong>ch</strong>e<br />

von 15 bis 19 Uhr freiwillige Aufsi<strong>ch</strong>tspersonen<br />

anwesend. Das Aufgabengebiet ist<br />

breit gefä<strong>ch</strong>ert und rei<strong>ch</strong>t von simpler<br />

Putzarbeit bis hin zur Öffentli<strong>ch</strong>keitsarbeit.<br />

Im Notfall muss au<strong>ch</strong> einmal Streit<br />

ges<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>tet werden, wenn zu viele Benutzer<br />

auf engem Raum zusammenkommen.<br />

Eri<strong>ch</strong> gehört mittlerweile zum Aufsi<strong>ch</strong>tsteam<br />

dazu – trotz psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>er<br />

Krankheit. Au<strong>ch</strong> er hat einen speziellen<br />

künstleris<strong>ch</strong>en Ausdruck. Teilweise sind die<br />

Figuren wie abgerundet, oft treten ganz<br />

viele Kreise und S<strong>ch</strong>laufen aus den Köpfen<br />

heraus.<br />

Jeden Tag benutzen rund 10 bis 15 Personen<br />

das Atelier. Oftmals sind es seit<br />

Jahren immer wieder die glei<strong>ch</strong>en Personen.<br />

So au<strong>ch</strong> André Zehntner. Er wurde<br />

na<strong>ch</strong> seiner Berufsausbildung und dem<br />

Konservatoriumsbesu<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> seine<br />

Krankheit aus der Bahn geworfen. Seine<br />

Bilder drücken zwis<strong>ch</strong>enmens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e<br />

Beziehungen aus – man<strong>ch</strong>mal sehr expressiv.<br />

Mit dicken Stri<strong>ch</strong>en werden dann<br />

Personen skizziert, sogar bes<strong>ch</strong>rieben.<br />

Heute tigert er im Atelier herum. Kann<br />

si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t konzentrieren, weil ihn «starke<br />

finanzielle Sorgen quälen». Er muss si<strong>ch</strong><br />

mit seinem Beistand beraten, und das<br />

geht ihm pausenlos dur<strong>ch</strong> den Kopf. «Hat<br />

er allerdings einen guten Tag», so Andrea<br />

Fetz-Thaler, «malt er mehrere Bilder<br />

glei<strong>ch</strong>zeitig».<br />

Ein Freiraum ausserhalb der Institution<br />

Spital<br />

Ins Leben gerufen wurde das Atelier 1998<br />

von Karin Mai. Die ehemalige Psy<strong>ch</strong>iatries<strong>ch</strong>wester<br />

hatte damals bereits in der<br />

Universitätsklinik Burghölzli ein freies<br />

Malatelier gegründet. «Der Wolfender<br />

Soirler» s<strong>ch</strong>rieb damals ein Patient unter<br />

ein erstes Bild, das in der Klinik entstanden<br />

war. Der Name gab der ersten Bildersammlung<br />

den Namen. Mai hatte zum<br />

Ziel, au<strong>ch</strong> ausserhalb der Institution Spital<br />

ein Atelier anzubieten. Sie mietete deshalb<br />

mit eigenem Geld Räume an der<br />

Ra<strong>ch</strong>ergasse. Als sie jemandem von der<br />

Bildersammlung erzählte und der Betreffende<br />

fragte: «Wie – Wolf in der<br />

Säule», stand au<strong>ch</strong> der Name fest. Heute<br />

hat der Verein fast 100 Mitglieder und befindet<br />

si<strong>ch</strong> an der Merkurstrasse 44.<br />

André Zehntner: Malt au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on mal mehrere<br />

Bilder glei<strong>ch</strong>zeitig.<br />

«Uns ist wi<strong>ch</strong>tig, dass unser Atelier ni<strong>ch</strong>t<br />

als Therapie verstanden wird, sondern als<br />

Werkstatt und künstleris<strong>ch</strong>er Freiraum»,<br />

betont die Präsidentin Gabi Rosenberg.<br />

«Der ‘Wolf in der Säule’ bietet einen<br />

Rückzug in den kreativen Raum», unterstrei<strong>ch</strong>t<br />

au<strong>ch</strong> Andrea Fetz-Thaler die Bedeutung<br />

des Ateliers. Deshalb wird viel<br />

Wert darauf gelegt, dass die Künstler<br />

selbstständig werden. Kürzli<strong>ch</strong> wurden die<br />

Kosten für einen Computerkurs von Pro<br />

Mente Sana übernommen. Das ermögli<strong>ch</strong>t<br />

den Künstlern, ein E-Mail-Konto einzuri<strong>ch</strong>ten<br />

und Informationen aus dem<br />

Internet zu beziehen. Obwohl der «Wolf<br />

in der Säule» mit Therapie ni<strong>ch</strong>ts zu tun<br />

hat, wird das Füreinander gross ges<strong>ch</strong>rieben.<br />

«Fehlt jemand für einige Zeit,<br />

rufen wir ihn zu Hause an», bestätigt<br />

Andrea Fetz-Thaler. So ergänzt das<br />

Atelier auf wunderbare Weise künstleris<strong>ch</strong>e<br />

Freiheit und Entfaltung für Mens<strong>ch</strong>en,<br />

die ihre Kreativität sonst kaum<br />

leben könnten.<br />

Kommen darf letztendli<strong>ch</strong> jeder. Sehr<br />

s<strong>ch</strong>nell wird aber deutli<strong>ch</strong>, dass hier<br />

Künstler am Werk sind. Mehrere Ausstellungen,<br />

au<strong>ch</strong> im Ausland, bezeugen die<br />

Qualität der künstleris<strong>ch</strong>en Arbeiten. Geplant<br />

ist bereits die nä<strong>ch</strong>ste Ausstellung in<br />

der Stiftung Züriwerk (2. Februar bis 13.<br />

April 2007). Material ist genug da.<br />

ATELIER «WOLF IN DER SÄULE»<br />

Der Verein «Wolf in der Säule» ist gemeinnützig und erhält keine staatli<strong>ch</strong>en<br />

Mittel. Deshalb werden immer wieder neue Mitglieder und Gönner gesu<strong>ch</strong>t.<br />

Weitere Informationen: Atelier «Wolf in der Säule», Telefon: 044 271 78 52,<br />

E-Mail: info@wolfindersaeule.<strong>ch</strong>, Internet: wolfindersaeule.<strong>ch</strong><br />

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