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Bilingualer Sachfachunterricht in der Sekundarstufe - narr-shop.de

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Sab<strong>in</strong>e Doff (Hg.)<br />

<strong>Bil<strong>in</strong>gualer</strong><br />

<strong>Sachfachunterricht</strong><br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Sekundarstufe</strong><br />

E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung


<strong>narr</strong> STUDIENBÜCHER


Sab<strong>in</strong>e Doff (Hg.)<br />

<strong>Bil<strong>in</strong>gualer</strong><br />

<strong>Sachfachunterricht</strong> <strong>in</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Sekundarstufe</strong><br />

E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung


Sab<strong>in</strong>e Doff ist Professor<strong>in</strong> für Fremdsprachendidaktik Englisch an <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität Bremen.<br />

Bibliografische Informationen <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Nationalbibliothek<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen<br />

Nationalbibliografie; <strong>de</strong>taillierte bibliografische Daten s<strong>in</strong>d im Internet über<br />

abrufbar.<br />

© 2010 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG<br />

Disch<strong>in</strong>gerweg 5 · D-72070 Tüb<strong>in</strong>gen<br />

Das Werk e<strong>in</strong>schließlich aller se<strong>in</strong>er Teile ist urheberrechtlich geschützt. Je<strong>de</strong> Verwertung außerhalb<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> engen Grenzen <strong>de</strong>s Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung <strong>de</strong>s Verlages unzulässig und<br />

strafbar. Das gilt <strong>in</strong>sbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die<br />

E<strong>in</strong>speicherung und Verarbeitung <strong>in</strong> elektronischen Systemen.<br />

Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier.<br />

Internet: http://<strong>narr</strong>-studienbuecher.<strong>de</strong><br />

E-Mail: <strong>in</strong>fo@<strong>narr</strong>.<strong>de</strong><br />

Satz: Informations<strong>de</strong>sign D. Fratzke, Kirchentell<strong>in</strong>sfurt<br />

Druck und B<strong>in</strong>dung: Gul<strong>de</strong>, Tüb<strong>in</strong>gen<br />

Pr<strong>in</strong>ted <strong>in</strong> Germany<br />

ISSN 0941-8105<br />

ISBN 978-3-8233-6591-4


Inhalt<br />

E<strong>in</strong>leitung<br />

Theorie und Praxis <strong>de</strong>s bil<strong>in</strong>gualen <strong>Sachfachunterricht</strong>s: Forschungsfel<strong><strong>de</strong>r</strong>,<br />

Themen, Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

von Sab<strong>in</strong>e Doff<br />

Kapitel 1: Fächer, Inhalte und Themen<br />

Alle Fächer eignen sich – o<strong><strong>de</strong>r</strong> doch nicht Überlegungen zu e<strong>in</strong>em<br />

bil<strong>in</strong>gualen Fächerkanon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

von Olivier Mentz<br />

<strong>Bil<strong>in</strong>gualer</strong> Geschichtsunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />

von Rolf Theis<br />

Wi<strong><strong>de</strong>r</strong> die gängige monol<strong>in</strong>guale Praxis! – Mehrperspektivität und<br />

kulturelle Skripte als Wegbereiter <strong><strong>de</strong>r</strong> Zweisprachigkeit im bil<strong>in</strong>gualen<br />

Geographieunterricht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58<br />

von Volker Albrecht & Maik Bö<strong>in</strong>g<br />

Biologie bil<strong>in</strong>gual: Die Perspektive <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterrichtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . 72<br />

von Matthias Bohn & Sab<strong>in</strong>e Doff<br />

Sich e<strong>in</strong> Bild machen und darüber re<strong>de</strong>n – das Fach Kunst im bil<strong>in</strong>gualen<br />

Unterricht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />

von Jutta Rymarczyk<br />

Kapitel 2: Akteure, Metho<strong>de</strong>n und Techniken<br />

Alltagstheorien, methodisches Wissen und unterrichtliches Han<strong>de</strong>ln von<br />

Lehrkräften im bil<strong>in</strong>gualen <strong>Sachfachunterricht</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107<br />

von Britta Viebrock<br />

Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler im bil<strong>in</strong>gualen <strong>Sachfachunterricht</strong> . . . . . . . . . . . . . 124<br />

von Dagmar Abendroth-Timmer<br />

Zur Konstruktion von Sprachgerüsten im bil<strong>in</strong>gualen <strong>Sachfachunterricht</strong> . . . . 137<br />

von Eike Thürmann


6 Inhalt<br />

Lern- und Arbeitstechniken im bil<strong>in</strong>gualen <strong>Sachfachunterricht</strong> . . . . . . . . . . . . 154<br />

von Hans-Ludwig Krechel<br />

<strong>Bil<strong>in</strong>gualer</strong> <strong>Sachfachunterricht</strong> schon <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundschule Vom Für und<br />

Wi<strong><strong>de</strong>r</strong> und <strong>de</strong>n Konsequenzen für die <strong>Sekundarstufe</strong> I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169<br />

von Sabr<strong>in</strong>a Bechler & Michaela Sambanis<br />

Critical Language Awareness im bil<strong>in</strong>gualen Unterricht: Relevanz für<br />

die Lernen<strong>de</strong>n und unterrichtliche Umsetzungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . 182<br />

von Sylvia Fehl<strong>in</strong>g<br />

Kapitel 3: Kompetenzen, Lernziele und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Überprüfung<br />

Fremdsprache und konzeptuelle Repräsentation: bil<strong>in</strong>gualer Unterricht<br />

aus kognitiver Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199<br />

von Lena He<strong>in</strong>e<br />

Inhalt und Sprache – vom E<strong>in</strong>fluss <strong>de</strong>s Fremdsprachengebrauchs auf<br />

das Lernen im Sachfach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213<br />

von Stefanie Lamsfuß-Schenk<br />

E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tegrierte Beurteilung von fachspezifischen und fremdsprachlichen<br />

Kompetenzen: Vorschläge für die Leistungsfeststellung im bil<strong>in</strong>gualen<br />

Geschichtsunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228<br />

Susanne Staschen-Dielmann<br />

Fachkompetenz als fachbasierte Diskursfähigkeit am Beispiel Geographie . . . . 242<br />

von Helmut Johannes Vollmer<br />

Die Überprüfung fächerübergreifen<strong><strong>de</strong>r</strong> transferfähiger Diskurskompetenzen<br />

im bil<strong>in</strong>gualen <strong>Sachfachunterricht</strong>. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258<br />

von Wolfgang Zydatiß<br />

Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273<br />

Autor<strong>in</strong>nen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291


H<strong>in</strong>weise zu <strong>de</strong>n verwen<strong>de</strong>ten Abbildungen und<br />

zu Onl<strong>in</strong>e-Materialien<br />

Im gesamten Band verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n die folgen<strong>de</strong>n erklärungsbedürftigen Abkürzungen:<br />

– SuS: Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler<br />

– BU: <strong>Bil<strong>in</strong>gualer</strong> Unterricht<br />

– BSFU: <strong>Bil<strong>in</strong>gualer</strong> <strong>Sachfachunterricht</strong><br />

– CLIL: Content and Language Integrated Learn<strong>in</strong>g<br />

Auf e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>heitlichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Term<strong>in</strong>ologie wur<strong>de</strong> bewusst verzichtet. Die Begriffe<br />

BU/BSFU/CLIL wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>shalb wie <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Orig<strong>in</strong>altexten <strong><strong>de</strong>r</strong> Autor/<strong>in</strong>nen alternierend<br />

und – wenn nicht an<strong><strong>de</strong>r</strong>s gekennzeichnet – gleichbe<strong>de</strong>utend verwen<strong>de</strong>t.<br />

Zu diesem Buch gibt es Onl<strong>in</strong>e-Zusatzmaterialien, auf die <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Texten mit <strong>de</strong>m<br />

Verweis s. Onl<strong>in</strong>e-Material aufmerksam gemacht wird und die Sie auf folgen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Website f<strong>in</strong><strong>de</strong>n: www.<strong>narr</strong>-studienbuecher.<strong>de</strong>.


EINLEITUNG


Theorie und Praxis <strong>de</strong>s bil<strong>in</strong>gualen <strong>Sachfachunterricht</strong>s:<br />

Forschungsfel<strong><strong>de</strong>r</strong>, Themen, Perspektiven<br />

Sab<strong>in</strong>e Doff<br />

BSFU zu begrün<strong>de</strong>n ist heute nicht mehr erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich. Die diesem Studienbuch zugrun<strong>de</strong><br />

liegen<strong>de</strong> Position hat sich heute weitgehend durchgesetzt, <strong><strong>de</strong>r</strong> zufolge <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Fremdsprache<br />

erteilter <strong>Sachfachunterricht</strong> e<strong>in</strong>e Antwort auf die Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen von Lebensbed<strong>in</strong>gungen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Heranwachsen<strong>de</strong>n im 21. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t ist. Das primäre Anliegen dieses<br />

Ban<strong>de</strong>s besteht also nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Legitimation <strong>de</strong>s BU, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr dar<strong>in</strong>, <strong>de</strong>n Status<br />

quo <strong><strong>de</strong>r</strong> Theorie wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis <strong>de</strong>s BSFU und <strong>in</strong>sbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Möglichkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Verzahnung<br />

bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Ebenen aufzuzeigen.<br />

Dieser e<strong>in</strong>führen<strong>de</strong> Beitrag vermittelt anhand e<strong>in</strong>es knappen Überblicks über e<strong>in</strong>e Auswahl<br />

aktueller Arbeiten aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Forschung zum BSFU (Abschnitt 1) zunächst e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck über<br />

maßgebliche theoretische Entwicklungen. Der zweite Abschnitt beschreibt im Anschluss<br />

daran das Konzept, die Themen und <strong>de</strong>n Aufbau <strong>de</strong>s vorliegen<strong>de</strong>n Studienbuches. Schließlich<br />

wer<strong>de</strong>n im dritten Abschnitt die verschie<strong>de</strong>nen Ebenen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Analysemo<strong>de</strong>ll für die<br />

Praxis <strong>de</strong>s BU zusammengeführt.<br />

1 Aktuelle Entwicklungen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Forschung:<br />

vom Theoretical Turn zum Takeover<br />

CLIL kann <strong>in</strong> Deutschland seit <strong>de</strong>n 1990er Jahren als e<strong>in</strong> zentrales Feld <strong><strong>de</strong>r</strong> Fremdsprachenforschung<br />

gelten, wie e<strong>in</strong> Blick <strong>in</strong> die Programme von Kongressen, <strong>in</strong><br />

Fachzeitschriften o<strong><strong>de</strong>r</strong> Qualifikationsarbeiten zeigt. Vorangegangen war dieser Entwicklung<br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Forschung e<strong>in</strong> vergleichbarer Prozess <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterrichtspraxis, wobei<br />

die Expansion <strong><strong>de</strong>r</strong> bil<strong>in</strong>gualen Angebote <strong>in</strong> allen Schulformen und Schulstufen<br />

Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 1990er Jahre e<strong>in</strong>en vorläufigen Höhepunkt erreicht hatte. Bil<strong>in</strong>guale<br />

Angebote an <strong>de</strong>utschen Gymnasien gibt es seit <strong>de</strong>n 1960er Jahren; die Theorie war<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis <strong>in</strong> diesem Feld also lange Zeit nachgeordnet, Fragestellungen für die Forschung<br />

speisten sich primär aus Impulsen, die <strong>de</strong>m praktischen Feld entstammten<br />

(bottom up-approach).<br />

E<strong>in</strong> genauerer Blick auf e<strong>in</strong>schlägige Forschungsarbeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> vergangenen fünf<br />

Jahre (2006–2010) zeigt, dass nicht nur <strong><strong>de</strong>r</strong>en Zahl enorm angestiegen ist, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

dass sich auch die Inhalte <strong>de</strong>s Fachdiskurses grundlegend geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t haben.<br />

Dies gilt sowohl h<strong>in</strong>sichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Fragestellungen als auch h<strong>in</strong>sichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Art <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Beantwortung, die <strong>de</strong>utliche Ten<strong>de</strong>nzen <strong><strong>de</strong>r</strong> "Verwissenschaftlichung" im S<strong>in</strong>ne


12 Sab<strong>in</strong>e Doff<br />

e<strong>in</strong>es theoretical turn zeigen. 1 Nachfolgend wer<strong>de</strong>n Dissertationen aus Deutschland<br />

im Forschungsfeld "Bil<strong>in</strong>guales Lernen und Lehren" zwischen 2006 und 2010 besprochen,<br />

die diese These illustrieren. 2<br />

Sucht man für die These <strong>de</strong>s theoretical turn e<strong>in</strong>en Beleg, so ist dieser wohl am<br />

e<strong>in</strong>drücklichsten <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Dissertation von Breidbach (2007) sichtbar, die im Untertitel<br />

e<strong>in</strong>e "reflexive Didaktik <strong>de</strong>s bil<strong>in</strong>gualen <strong>Sachfachunterricht</strong>s" ankündigt.<br />

Anschließend an e<strong>in</strong>e I<strong>de</strong>engeschichte grundlegen<strong><strong>de</strong>r</strong> Konzepte im Feld (Teil 1)<br />

stellt die hermeneutische Arbeit <strong>de</strong>n Versuch dar, im zweiten Teil e<strong>in</strong>e kritische<br />

Bildungs theo rie <strong>de</strong>s BSFU zu entwerfen. In Teil 1 i<strong>de</strong>ntifiziert <strong><strong>de</strong>r</strong> Autor Wissenschaft,<br />

Kultur und Sprache als die drei Eckpunkte für die Genese e<strong>in</strong>er kritischen<br />

Theorie <strong>de</strong>s BU, die er im Kontext <strong>de</strong>s umfassen<strong>de</strong>n Bildungs- und Erziehungsauftrags<br />

von Schule verortet. Das komplexe didaktische Mo<strong>de</strong>ll, das Breidbach im<br />

zweiten Teil se<strong>in</strong>er Arbeit entwirft, bezieht sich auf diese drei Säulen und bil<strong>de</strong>t<br />

e<strong>in</strong>en Rahmen für BSFU, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>ssen utilitaristische Perspektivierung sprengt und<br />

damit e<strong>in</strong> Plädoyer für die kritische didaktisch-methodologische Reflexion von<br />

Lehr-Lern-Prozessen im Allgeme<strong>in</strong>en bil<strong>de</strong>t.<br />

Die weiteren hier besprochenen Dissertationen erheben nicht <strong>in</strong> vergleichbarem<br />

Maße <strong>de</strong>n Anspruch auf Allgeme<strong>in</strong>gültigkeit, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n fokussieren E<strong>in</strong>zelaspekte<br />

e<strong>in</strong>er Didaktik <strong>de</strong>s BSFU mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Anb<strong>in</strong>dung an konkrete Sprachen (Englisch, Französisch)<br />

sowie an die bei<strong>de</strong>n am häufigsten bil<strong>in</strong>gual unterrichteten Sachfächer,<br />

Geschichte (Müller-Schneck 2006, Kollenrott 2008, Lamsfuß-Schenk 2008) und<br />

Erdkun<strong>de</strong> (Viebrock 2007, He<strong>in</strong>e 2007 und 2010, Müller-Bittner 2008, Coetzee-<br />

Lachmann 2009). Nachfolgend s<strong>in</strong>d die Arbeiten danach gruppiert, ob sie sich primär<br />

auf lehrer- o<strong><strong>de</strong>r</strong> lernerbezogene Fragestellungen beziehen, wobei es natürlich<br />

Schnittmengen zwischen bei<strong>de</strong>n Fel<strong><strong>de</strong>r</strong>n gibt.<br />

Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit von Viebrock (2007, vgl. auch Viebrock <strong>in</strong> diesem Band) wur<strong>de</strong><br />

die Lehrerperspektive im und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Be<strong>de</strong>utung für die Gestaltung von BSFU als<br />

wichtiges Thema <strong>in</strong> die Diskussion e<strong>in</strong>gebracht. Sie beschäftigt sich mit subjektiven<br />

didaktischen Theorien von Lehrkräften im BU (Geographie/Englisch) und<br />

mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage, wie diese auf die Didaktik <strong>de</strong>s BSFU <strong>in</strong> Theoriebildung und Alltagspraxis<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Lehrkräfte e<strong>in</strong>wirken. Es han<strong>de</strong>lt sich um e<strong>in</strong>e qualitative Studie,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>en Datengrundlage aus Lehrer<strong>in</strong>terviews (n = 10, vier Proban<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n für<br />

ausführliche Fallstudien im Hauptteil ausgewählt) und Unterrichtsbeobachtungen<br />

besteht. Viebrock erhebt nicht nur die subjektiven Theorien und das Alltagswissen<br />

1 Das be<strong>de</strong>utet nicht, dass es nicht zuvor auch schon wissenschaftliche Arbeiten im Forschungsfeld<br />

gegeben hätte; die Häufung <strong>in</strong> <strong>de</strong>n letzten Jahren ist jedoch auffällig und auch<br />

die Vielfalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Themen und Herangehensweisen hat <strong>in</strong> diesem Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t <strong>de</strong>utlich zugenommen.<br />

2 Die Auswahl <strong><strong>de</strong>r</strong> hier besprochenen Dissertationen erhebt ke<strong>in</strong>en Anspruch auf Vollständigkeit.<br />

Dissertationen als Kategorie wur<strong>de</strong>n ausgewählt, da davon ausgegangen wur<strong>de</strong>,<br />

dass sie schneller als an<strong><strong>de</strong>r</strong>e wissenschaftliche Publikationen neue Impulse <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Forschung<br />

setzen und diese <strong>in</strong> angemessener Tiefe bearbeiten.


Theorie und Praxis <strong>de</strong>s bil<strong>in</strong>gualen <strong>Sachfachunterricht</strong>s 13<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Lehrkräfte, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n setzt diese auch <strong>in</strong> Bezug zur Unterrichtspraxis und zu<br />

aktuellen Forschungsergebnissen <strong>in</strong> relevanten Bezugswissenschaften. Die Arbeit<br />

liefert e<strong>in</strong> gutes Beispiel dafür, wie Theorie und Praxis <strong>de</strong>s (bil<strong>in</strong>gualen) Unterrichts<br />

verknüpft wer<strong>de</strong>n können, <strong>in</strong><strong>de</strong>m sie Prozesse pädagogischen Denkens und Han<strong>de</strong>lns<br />

transparent macht und auf theoretische Grundlagen bezieht.<br />

Die Dissertation von Müller-Schneck (2006) illustriert ebenfalls die Lehrerperspektive,<br />

wenn auch über e<strong>in</strong>en an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Zugang. Im Wesentlichen erhebt und<br />

systematisiert sie Grundlagen <strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis <strong>de</strong>s BU im Fach Geschichte <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-<br />

Westfalen. Hierzu wur<strong>de</strong> e<strong>in</strong> Fragebogen zur Entwicklung, Organisation, methodischen<br />

Gestaltung, Implementierung und Evaluation <strong>de</strong>s bil<strong>in</strong>gualen Geschichtsunterrichts<br />

aus Lehrersicht an 117 Schulen mit e<strong>in</strong>schlägigen Angeboten versandt.<br />

Die auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage <strong><strong>de</strong>r</strong> zurückgesandten Fragebögen (76 %) erhobenen Daten<br />

zeigen, dass die Praxis <strong>de</strong>s BU im Fach Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit (noch) sehr heterogen<br />

ist, was u. a. Themen- und Materialwahl sowie die Konzeptualisierung und Implementierung<br />

didaktischer Pr<strong>in</strong>zipien (z. B. Anteil <strong><strong>de</strong>r</strong> L2, Kriterien <strong><strong>de</strong>r</strong> Leistungserhebung)<br />

betrifft. Auf dieser Grundlage macht die Autor<strong>in</strong> Vorschläge für die<br />

Konzeptualisierung e<strong>in</strong>er Didaktik <strong>de</strong>s bil<strong>in</strong>gualen Geschichtsunterrichts, die ihrer<br />

Me<strong>in</strong>ung nach nur von e<strong>in</strong>er soli<strong>de</strong>n theoretischen Basis ausgehend gel<strong>in</strong>gen kann,<br />

als <strong><strong>de</strong>r</strong>en Grundlage sie <strong>de</strong>n Konstruktivismus vorschlägt.<br />

Auch <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Dissertation von Müller-Bittner (2008) geht es um die Lehrersicht,<br />

und zwar im E<strong>in</strong>zelnen um die Materialgrundlage im <strong>de</strong>utsch-französischen Geographieunterricht.<br />

Die Arbeit umfasst e<strong>in</strong>e kritische Analyse von e<strong>in</strong>schlägigen<br />

Lehrwerken auf Deutsch und Französisch sowie von ausgewählten speziell für<br />

<strong>de</strong>n BU konzipierten Lehrwerken. In Interviews mit 18 Lehrkräften aus Nordrhe<strong>in</strong>-<br />

Westfalen und Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz wird <strong>de</strong>utlich, welche Kriterien bei <strong>de</strong>m komplexen<br />

Auswahlprozess e<strong>in</strong>es Lehrwerks und/o<strong><strong>de</strong>r</strong> weiterer Materialien relevant s<strong>in</strong>d. Diese<br />

Entscheidungsprozesse wer<strong>de</strong>n transparent gemacht und die Auswahlkriterien<br />

systematisiert, woraus Empfehlungen für die Erstellung zukünftiger Lehrwerke<br />

und Materialien für <strong>de</strong>n BSFU sowie für die Lehreraus- und -weiterbildung abgeleitet<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Anne Ingrid Kollenrott geht <strong>in</strong> ihrer Dissertation (Kollenrott 2008) <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage<br />

nach, welches Potenzial Lehrkräfte im BSFU (Geschichte/Englisch) sehen, und<br />

zwar unter beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Berücksichtigung <strong>de</strong>s extra für <strong>de</strong>n BSFU konzipierten<br />

Lehrwerks Spotlight on History. Daten wur<strong>de</strong>n zunächst quantitativ erhoben <strong>in</strong> Form<br />

e<strong>in</strong>es Fragebogens, <strong><strong>de</strong>r</strong> an alle e<strong>in</strong>schlägig qualifizierten Geschichtslehrkräfte <strong>in</strong><br />

Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>sachsen versandt wur<strong>de</strong>, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Schulen Interesse an <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnahme signalisiert<br />

hatten (n = 182). Die Fragen betrafen Aspekte <strong><strong>de</strong>r</strong> Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>de</strong>s<br />

BU im Fach Geschichte (u. a. Curriculum), methodisch-didaktische Grundlagen<br />

(Sprachgebrauch, Materialverwendung, Lernziele) sowie Motivation, Qualifikation<br />

und Erfahrungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehrkräfte. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Basis <strong><strong>de</strong>r</strong> Fragebögen wur<strong>de</strong>n acht<br />

Proban<strong>de</strong>n für Interviews ausgewählt, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen relevante Aspekte vertieft wur<strong>de</strong>n.<br />

Die Studie geht von e<strong>in</strong>em spezifischen Potenzial für das <strong>in</strong>terkulturelle Lernen im<br />

BU im Fach Geschichte aus, zeigt jedoch, dass diesem Lernziel <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis bisher


14 Sab<strong>in</strong>e Doff<br />

aus ganz unterschiedlichen Grün<strong>de</strong>n nur e<strong>in</strong>e vergleichsweise ger<strong>in</strong>ge Relevanz<br />

beigemessen wird.<br />

Lamsfuß-Schenk befasst sich <strong>in</strong> ihrer Dissertation (2008) ebenfalls mit <strong>de</strong>m<br />

<strong>in</strong>terkulturellen Lernen im BU (Geschichte/Französisch), rückt dabei jedoch die<br />

Schülerperspektive <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Mittelpunkt. Sie vergleicht e<strong>in</strong>e bil<strong>in</strong>gual mit e<strong>in</strong>er<br />

monol<strong>in</strong>gual unterrichteten Schülergruppe für die Dauer e<strong>in</strong>es Schuljahres im<br />

H<strong>in</strong>blick auf die Frage, <strong>in</strong>wieweit <strong>in</strong> bei<strong>de</strong>n Lernergruppen das Ziel <strong>de</strong>s Fremdverstehens<br />

angestrebt und erreicht wird (dies betrifft Materialien, Themen sowie<br />

beobachtbare Lernprozesse). Die Autor<strong>in</strong> kommt zu <strong>de</strong>m Ergebnis, dass BU e<strong>in</strong>e<br />

<strong>de</strong>m <strong>in</strong>terkulturellen Lernen sehr för<strong><strong>de</strong>r</strong>liche Lernumgebung bietet, da die Verwendung<br />

zweier Sprachen und damit e<strong>in</strong>hergehen<strong>de</strong> Lehr- und Lernprozesse zu<br />

e<strong>in</strong>er höheren Verarbeitungstiefe führen können (vgl. auch Lamsfuß-Schenk <strong>in</strong><br />

diesem Band). Ob dies allerd<strong>in</strong>gs <strong><strong>de</strong>r</strong> Selektion <strong><strong>de</strong>r</strong> Schülerklientel o<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>er <strong>de</strong>m<br />

BU genu<strong>in</strong>en Didaktik geschul<strong>de</strong>t ist, bleibt e<strong>in</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit (noch) unbeantwortete<br />

Frage.<br />

Auch <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit von Coetzee-Lachmann (2009) stehen die Lerner im Mittelpunkt,<br />

genauer <strong><strong>de</strong>r</strong>en Fertigkeit, sprachlich adäquate und kohärente Texte bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

schriftlichen Beantwortung fachspezifischer Fragen zu produzieren. Die Datengrundlage<br />

s<strong>in</strong>d Texte von 84 Lernern im BU (Geographie/Englisch), die am En<strong>de</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Jahrgangsstufe 10 an vier nie<strong><strong>de</strong>r</strong>sächsischen Gymnasien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em fachspezifischen<br />

Kompetenztest erhoben wur<strong>de</strong>n. Die untersuchten schriftsprachlichen Texte<br />

zeigen, dass die Lerner <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage s<strong>in</strong>d, adäquat zu strukturieren<br />

und Textkohärenz herzustellen, dass sie jedoch erhebliche Mängel im Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

schriftsprachlichen Verwendung von fachspezifischer Term<strong>in</strong>ologie aufweisen sowie<br />

h<strong>in</strong>sichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> umfassen<strong>de</strong>n und korrekten Darstellung von Fach<strong>in</strong>halten.<br />

Die Studie zeigt damit e<strong>in</strong>drucksvoll auf, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Didaktik <strong>de</strong>s BSFU stärker als<br />

bisher die schriftsprachlichen Konventionen <strong>de</strong>s jeweiligen sachfachspezifischen<br />

Diskurses berücksichtigt wer<strong>de</strong>n müssen.<br />

Die Dissertation von He<strong>in</strong>e (2007/2010) untersucht bil<strong>in</strong>guales Lernen und Lehren<br />

aus kognitiver Sicht (vgl. auch He<strong>in</strong>e <strong>in</strong> diesem Band) und liefert damit – ähnlich<br />

wie die e<strong>in</strong>gangs besprochene Arbeit von Breidbach, wenn auch über e<strong>in</strong>en<br />

gänzlich an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Zugang – e<strong>in</strong> <strong>de</strong>utliches Signal für die Ten<strong>de</strong>nz <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwissenschaftlichung<br />

im Feld. Die Arbeit geht <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage nach, ob es e<strong>in</strong>en Unterschied<br />

macht, ob Lerner e<strong>in</strong>e Aufgabenstellung mit Fokus Problemlösung/Be<strong>de</strong>utung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em L2-dom<strong>in</strong>ierten Sett<strong>in</strong>g (BU) o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em monol<strong>in</strong>gual dom<strong>in</strong>ierten<br />

Kontext bearbeiten. Mithilfe von Laut-Denk-Protokollen wur<strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong><br />

Problemlöseprozesse bei 20 SuS im BU (Geographie/Englisch) <strong>in</strong> zwei Vergleichsgruppen<br />

untersucht. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage dieser Daten zeigt die Studie überzeugend,<br />

dass – entgegen weit verbreiteter Annahmen – <strong><strong>de</strong>r</strong> Gebrauch e<strong>in</strong>er L2 e<strong>in</strong>en erheblichen<br />

positiven E<strong>in</strong>fluss auf Konzeptualisierungsprozesse, d. h. auf das Lernen im<br />

Sachfach, haben kann, <strong>in</strong><strong>de</strong>m dadurch die semantische Verarbeitungstiefe erhöht<br />

wird. Ebenso wie es die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en hier besprochenen Autor<strong>in</strong>nen und Autoren implizit<br />

und/o<strong><strong>de</strong>r</strong> explizit zu verstehen geben, so betont auch He<strong>in</strong>e <strong>in</strong> ihrer Arbeit


Theorie und Praxis <strong>de</strong>s bil<strong>in</strong>gualen <strong>Sachfachunterricht</strong>s 15<br />

die Be<strong>de</strong>utung e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tegralen Verknüpfung zwischen Forschung und Praxis <strong>de</strong>s<br />

BU, die nur dann gel<strong>in</strong>gen kann, wenn das Bewusstse<strong>in</strong> für die Komplexität <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Faktoren, unter <strong>de</strong>nen Lernen im BU stattf<strong>in</strong><strong>de</strong>t, bei allen Beteiligten vorhan<strong>de</strong>n<br />

ist und aufrecht erhalten bzw. geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t wird (He<strong>in</strong>e 2010: 189–190).<br />

Die hier versammelten Arbeiten illustrieren e<strong>in</strong>drucksvoll und <strong>in</strong> vielen verschie<strong>de</strong>nen<br />

Facetten <strong>de</strong>n theoretical turn, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich im Forschungsfeld bil<strong>in</strong>guales<br />

Lernen und Lehren <strong>in</strong> <strong>de</strong>n vergangenen Jahren vollzogen hat. Offenbar resultierte<br />

diese Entwicklung aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Erkenntnis am En<strong>de</strong> e<strong>in</strong>er jahrzehntelangen, eher<br />

theorie- und forschungsfernen Praxis <strong>de</strong>s BSFU (grassroots era), dass e<strong>in</strong> soli<strong>de</strong>s<br />

theoretisches Fundament für die Entwicklung e<strong>in</strong>er fundierten Didaktik <strong>de</strong>s BSFU<br />

erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich ist. Gegenwärtig steht sogar die Warnung vor e<strong>in</strong>em gegenläufigen<br />

Trend im Raum (vgl. Viebrock 2006: 171), <strong>de</strong>mzufolge die Theorie <strong>de</strong>s BSFU, die<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis lange h<strong>in</strong>terherh<strong>in</strong>kte, e<strong>in</strong> Überholmanöver (turnover) angetreten hat,<br />

bei <strong>de</strong>m sie une<strong>in</strong>holbar zu wer<strong>de</strong>n droht. Es gilt also, die – jetzt <strong>in</strong> umgekehrter<br />

Richtung entstan<strong>de</strong>ne – Theorie-Praxis-Lücke zu schließen, wozu dieses Studienbuch<br />

e<strong>in</strong>en Beitrag leisten will.<br />

2 Theorie-Praxis-Verschränkung, thematische Orientierung und Ausrichtung<br />

<strong>de</strong>s Studienbuchs<br />

Auf bei<strong>de</strong>n Ebenen <strong><strong>de</strong>r</strong> Theorie und Praxis sowie im H<strong>in</strong>blick auf <strong><strong>de</strong>r</strong>en konsequente<br />

Verschränkung orientieren sich die drei Kapitel <strong>de</strong>s Studienbuches an <strong>de</strong>n<br />

drei grundlegen<strong>de</strong>n fachdidaktischen Fragen "WAS" (Fächer, Themen, Inhalte –<br />

Kapitel 1), "WIE" (Akteure, Metho<strong>de</strong>n, Techniken – Kapitel 2) sowie "WOZU"<br />

(Kompetenzen, Lernziele und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Überprüfung – Kapitel 3). Dieser Abschnitt<br />

erläutert <strong>de</strong>n logischen Aufbau <strong><strong>de</strong>r</strong> Kapitel im E<strong>in</strong>zelnen.<br />

Die fünf Beiträge im ersten Kapitel <strong>de</strong>s Ban<strong>de</strong>s s<strong>in</strong>d <strong><strong>de</strong>r</strong> fachdidaktischen Frage<br />

nach <strong>de</strong>m "WAS" gewidmet, d. h. sie befassen sich sowohl mit übergreifen<strong>de</strong>n<br />

als auch auf e<strong>in</strong>zelne Sachfächer bezogenen Fragen zu Inhalten und Themen <strong>de</strong>s<br />

BSFU. Im e<strong>in</strong>leiten<strong>de</strong>n Beitrag diskutiert Olivier Mentz die Frage <strong><strong>de</strong>r</strong> Eignung verschie<strong>de</strong>ner<br />

Zielsprachen und <strong>in</strong>sbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e unterschiedlicher Sachfächer für diese<br />

Unterrichtsform. Er zeigt auf, dass BU <strong>in</strong> allen Sprachen und auch <strong>in</strong> allen Sachfächern<br />

pr<strong>in</strong>zipiell möglich ist. Deren tatsächliche Verbreitung ist jedoch – wie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Beitrag anschaulich vor Augen führt – sowohl was Sprache(n) als auch Sachfächer<br />

betrifft aus verschie<strong>de</strong>nen Grün<strong>de</strong>n höchst unterschiedlich. Der Autor spricht sich<br />

für e<strong>in</strong>e Ausweitung <strong>de</strong>s Angebotes und gegen e<strong>in</strong>en festgelegten schulischen Fächerkanon<br />

für BU aus. Er plädiert für e<strong>in</strong> Curriculum, das alle schulischen Fächer<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> fachübergreifen<strong>de</strong>s und fächerverb<strong>in</strong><strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Bildungskonzept überführt und<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>de</strong>ssen <strong>de</strong>m BU e<strong>in</strong> beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Bildungsauftrag zuzusprechen ist. Diesen<br />

gilt es möglichst präzise zu fassen und <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterrichtspraxis erfolgreich umzusetzen,<br />

was <strong>in</strong>sbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e e<strong>in</strong>e qualifizierte Ausbildung <strong><strong>de</strong>r</strong> beteiligten Lehrkräfte<br />

voraussetzt.


16 Sab<strong>in</strong>e Doff<br />

Die weiteren vier Beiträge <strong>in</strong> diesem Kapitel nehmen e<strong>in</strong>zelne Sachfächer <strong>in</strong><br />

<strong>de</strong>n Blick, die jeweils Vertreter für ihre Fächergruppe s<strong>in</strong>d und spezifische Aspekte<br />

<strong>de</strong>s BU im konkreten Sachfach (jeweils mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Zielsprache Englisch o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Französisch) fokussieren. Dabei spielen Erfahrungen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterrichtspraxis e<strong>in</strong>e<br />

wichtige Rolle, was u. a. daran erkennbar ist, dass an allen Beiträgen (ehemalige)<br />

Lehrkräfte als Autoren beteiligt s<strong>in</strong>d, die selbst Erfahrungen mit <strong>de</strong>m BU im jeweiligen<br />

Sachfach gesammelt, reflektiert und weiterentwickelt haben. Die gesellschaftswissenschaftlichen<br />

Fächer s<strong>in</strong>d repräsentiert mit <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Spitzenreitern<br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Gruppe <strong><strong>de</strong>r</strong> bil<strong>in</strong>gual unterrichteten Sachfächer <strong>in</strong> Deutschland, Geschichte<br />

und Geographie. Das <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Gruppe <strong><strong>de</strong>r</strong> naturwissenschaftlichen Fächer und Mathematik<br />

am häufigsten bil<strong>in</strong>gual unterrichtete Sachfach ist Biologie. Die Fächergruppe<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> musisch-ästhetischen Fächer ist vertreten mit e<strong>in</strong>em Text zum Fach<br />

Kunst.<br />

Rolf Theis stellt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Beitrag "<strong>Bil<strong>in</strong>gualer</strong> Geschichtsunterricht" die große<br />

Euphorie vieler unterrichten<strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichtslehrkräfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Skepsis gegenüber, die<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e auf Seiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichtsdidaktik noch immer vorherrscht. Er geht<br />

möglichen Grün<strong>de</strong>n für diesen Konflikt nach und diskutiert dabei Voraussetzungen<br />

für erfolgreichen History-Unterricht u. a. im H<strong>in</strong>blick auf die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

und methodischen Grundlagen. Der Verfasser spricht sich entschie<strong>de</strong>n gegen e<strong>in</strong>e<br />

Überfrachtung <strong>de</strong>s bil<strong>in</strong>gualen Geschichtsunterrichts mit e<strong>in</strong>er Vielzahl von Zielen<br />

im Kontext <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrwert-Debatte aus; dies gilt im Bereich <strong>de</strong>s bil<strong>in</strong>gualen Geschichtsunterrichts<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e für <strong>de</strong>n Zielbereich <strong>de</strong>s <strong>in</strong>terkulturellen Lernens.<br />

Er appelliert vielmehr, die <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterrichtspraxis vielfach erfahrenen und zum<br />

Teil nachgewiesenen Vorteile <strong>de</strong>s History-Unterrichts, wie z. B. sprachliche Zugew<strong>in</strong>ne,<br />

aufzuarbeiten und kont<strong>in</strong>uierlich auszubauen.<br />

Der Beitrag zum Fach Geographie stellt hierzu e<strong>in</strong>e komplementäre Ergänzung,<br />

nämlich e<strong>in</strong> Plädoyer für die Rückkehr bzw. H<strong>in</strong>wendung zu e<strong>in</strong>em orig<strong>in</strong>är bil<strong>in</strong>gualen<br />

<strong>Sachfachunterricht</strong> und damit für e<strong>in</strong>e Abkehr von <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit wohl überwiegen<strong>de</strong>n,<br />

auch im vorangehen<strong>de</strong>n Beitrag favorisierten weitgehend monol<strong>in</strong>gualen<br />

Unterrichtspraxis dar. Albrecht und Bö<strong>in</strong>g begreifen die Mehrperspektivität<br />

nicht primär als e<strong>in</strong>e Chance zur thematischen Erweiterung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n machen sie<br />

zum Ausgangspunkt <strong>in</strong>terkulturellen Lernens auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Basis <strong><strong>de</strong>r</strong> Reflexion kultureller<br />

Skripte. Diese bil<strong>de</strong>n ihnen zufolge <strong>de</strong>n Kern <strong>de</strong>s BSFU. Die bei<strong>de</strong>n Autoren beleuchten<br />

diese Grundlagen zunächst aus e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>-theoretischen Perspektive<br />

und skizzieren im zweiten Teil anhand e<strong>in</strong>er beispielhaften Unterrichtssequenz aus<br />

<strong>de</strong>m <strong>de</strong>utsch-französischen Geographieunterricht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Sekundarstufe</strong> II mögliche<br />

Umsetzungsformen. Anhand e<strong>in</strong>es Themas aus <strong>de</strong>m Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadtgeographie<br />

zeigen sie, mittels welcher Leitpr<strong>in</strong>zipien sich ihre Def<strong>in</strong>ition von zweisprachigem<br />

Unterricht <strong>in</strong> die Praxis übersetzen lässt.<br />

Am Beispiel <strong>de</strong>s am häufigsten bil<strong>in</strong>gual unterrichteten Faches <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> naturwissenschaftlich-mathematischen<br />

Fächergruppe thematisieren Bohn und Doff die Frage,<br />

was <strong><strong>de</strong>r</strong> BU für <strong>de</strong>n Wissenserwerb im Sachfach be<strong>de</strong>utet. Während <strong><strong>de</strong>r</strong> sprachliche<br />

Zugew<strong>in</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> für e<strong>in</strong>e Mehrzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> SuS durch BU e<strong>in</strong>tritt, <strong>in</strong>zwischen als


Theorie und Praxis <strong>de</strong>s bil<strong>in</strong>gualen <strong>Sachfachunterricht</strong>s 17<br />

empirisch abgesichert gelten kann, ist die Datenlage bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Sachfachkompetenz<br />

von SuS im BU nicht nur <strong>in</strong> dieser Fächergruppe äußerst unbefriedigend. Beim<br />

Blick auf die bislang spärlichen Untersuchungen muss konstatiert wer<strong>de</strong>n, dass momentan<br />

e<strong>in</strong> "Restrisiko" bleibt: Noch kann nicht ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n, dass e<strong>in</strong>e<br />

flächen<strong>de</strong>cken<strong>de</strong> Etablierung <strong>de</strong>s BU <strong>in</strong> Biologie fachliche Defizite auf Seiten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

SuS zur Folge haben könnte. Dieses Risiko muss durch e<strong>in</strong>e kritische begleiten<strong>de</strong><br />

Unterrichtsforschung und flankieren<strong>de</strong> Maßnahmen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehreraus- und -weiterbildung<br />

m<strong>in</strong>imiert wer<strong>de</strong>n. Die Autoren legen ihren eigenen diesbezüglichen<br />

Vorschlägen die Arbeitshypothese zugrun<strong>de</strong>, dass die Bee<strong>in</strong>trächtigung <strong>de</strong>s Lernens<br />

im Sachfach umso größer ausfällt, <strong>de</strong>sto weniger Erfahrung SuS und Lehrkräfte<br />

mit BU haben. Langfristig könnten sich dagegen – wie erste kle<strong>in</strong>ere empirische<br />

Erhebungen zeigen – wegen <strong>de</strong>s Anstiegs von Motivation, Sprachpräzision und<br />

Sprachgefühl von bil<strong>in</strong>gual ausgebil<strong>de</strong>ten SuS sowie speziell <strong>in</strong> diesem Sachfach<br />

aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> größeren Authentizität <strong><strong>de</strong>r</strong> englischsprachigen Biowissenschaften<br />

sogar Vorteile auch im Sachfach ergeben. Der Beitrag zeigt, mittels <strong>de</strong>s Zugangs<br />

sowohl über das Fach als auch über die Sprache, spezifische Grün<strong>de</strong> (angereichert<br />

durch didaktisch-methodische Leitl<strong>in</strong>ien sowie Praxisbeispiele) auf, die die Komb<strong>in</strong>ation<br />

von Sachfach- und Fremdsprachenlernen im bil<strong>in</strong>gualen Biologieunterricht<br />

beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s gew<strong>in</strong>nbr<strong>in</strong>gend ersche<strong>in</strong>en lassen.<br />

Das erste Kapitel wird abgerun<strong>de</strong>t durch die Perspektive e<strong>in</strong>es sog. "Exotenfaches"<br />

im bil<strong>in</strong>gualen Fächerkanon. Jutta Rymarczyks Ausführungen stehen unter<br />

<strong>de</strong>m Titel "Sich e<strong>in</strong> Bild machen und darüber re<strong>de</strong>n". Kunstwerke wer<strong>de</strong>n geschaffen,<br />

um unsere Aufmerksamkeit <strong>in</strong> Anspruch zu nehmen; Künstler wollen die<br />

Betrachter zum Sehen, Nach<strong>de</strong>nken und Erkun<strong>de</strong>n anregen. Die Verb<strong>in</strong>dung zwischen<br />

Kunst und <strong><strong>de</strong>r</strong> Heranführung an Reflexions- und Denkprozesse liegt also auf<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Hand. Kognitive Fertigkeiten wie etwa Beschreiben, Erläutern, Schlussfolgern<br />

und Bewerten s<strong>in</strong>d so eng mit <strong>de</strong>m Erlernen und Anwen<strong>de</strong>n sprachlicher Fertigkeiten<br />

verbun<strong>de</strong>n, dass sie zum Teil mit Sprachfunktionen gleichgesetzt wer<strong>de</strong>n. Der<br />

Erwerb bzw. das Erlernen <strong><strong>de</strong>r</strong> Fremdsprache wird allerd<strong>in</strong>gs nicht nur durch die<br />

Rezeption von Kunst, durch ihr Erfahren und ihre Wertschätzung beför<strong><strong>de</strong>r</strong>t, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

auch durch die eigene praktische künstlerische Arbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> SuS. Durch die sog.<br />

ästhetische Praxis <strong><strong>de</strong>r</strong> Lernen<strong>de</strong>n, die sich durch die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong>sbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

visuellen und haptischen S<strong>in</strong>neskanäle auszeichnet, wird im BSFU im Fach Kunst<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Fremdsprachenerwerb <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e kontextreiche Lernumgebung (rich learn<strong>in</strong>g environment)<br />

e<strong>in</strong>gebettet. Diese bei<strong>de</strong>n Facetten <strong>de</strong>s Faches Kunst, <strong><strong>de</strong>r</strong> eher theoretisch<br />

orientierte Anteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Kunstrezeption sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> praktische Anteil <strong>de</strong>s künstlerischen<br />

Tuns, kennzeichnen <strong>in</strong> herausragen<strong><strong>de</strong>r</strong> Weise die beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Eignung <strong>de</strong>s Faches<br />

für <strong>de</strong>n BSFU. An welchen Stellen genau man ansetzen kann, um Kunst möglichst<br />

gew<strong>in</strong>nbr<strong>in</strong>gend als bil<strong>in</strong>guales Sachfach e<strong>in</strong>zusetzen, wird entlang <strong><strong>de</strong>r</strong> "vier Cs"<br />

(content, communication, cognition, culture) dargestellt, die die Forschung zu CLIL-Programmen<br />

konturieren. Die hier exemplarisch am Fach Kunst erläuterten vier Kategorien<br />

können auf alle an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Sachfächer angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, so dass <strong><strong>de</strong>r</strong> paradigmatische<br />

Beitrag über die Anb<strong>in</strong>dung an das konkrete Sachfach h<strong>in</strong>ausweist.


18 Sab<strong>in</strong>e Doff<br />

Die im zweiten Kapitel <strong>de</strong>s Ban<strong>de</strong>s versammelten Beiträge befassen sich mit<br />

<strong>de</strong>m "WIE" im BSFU und wen<strong>de</strong>n sich zur Beantwortung dieser Frage Akteuren,<br />

Metho<strong>de</strong>n und Techniken sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Umsetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> zuletzt genannten <strong>in</strong> die Unterrichtspraxis<br />

zu.<br />

Den Ausgangspunkt bil<strong>de</strong>n die Lehrkräfte, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Alltagstheorien, methodisches<br />

Wissen und unterrichtliches Han<strong>de</strong>ln im Zentrum <strong>de</strong>s Eröffnungstextes von Britta<br />

Viebrock stehen. Die Autor<strong>in</strong> zeigt am Beispiel <strong>de</strong>s BSFU, dass wissenschaftliche<br />

Theorien e<strong>in</strong>en wichtigen E<strong>in</strong>fluss auf unterrichtliches Han<strong>de</strong>ln ausüben (sollten)<br />

und <strong>in</strong>wiefern <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis gewonnene Alltagstheorien von Lehrkräften <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Vorgehen im Unterricht und <strong><strong>de</strong>r</strong>en methodisches Repertoire prägen. Im BSFU ist<br />

dies <strong>de</strong>swegen von beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Be<strong>de</strong>utung, weil hier didaktische Theorien zu unterschiedlichen<br />

Lernbereichen (Sachfach und Sprache) aufe<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>treffen und Spannungsfel<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

erzeugen können, die e<strong>in</strong> beson<strong><strong>de</strong>r</strong>es Potenzial für die Entwicklung<br />

dieser Unterrichtsform bieten. Britta Viebrock macht transparent, dass es v. a. von<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis <strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>zelnen Lehrkraft abhängt, <strong>in</strong>wiefern sich das <strong>in</strong>novative Potenzial<br />

<strong>de</strong>s BU entfalten kann. Darüber h<strong>in</strong>aus regt <strong><strong>de</strong>r</strong> Beitrag auch auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage<br />

zahlreicher Zitate von Lehrkräften dazu an, die eigenen Alltagstheorien zu h<strong>in</strong>terfragen,<br />

um so <strong>de</strong>n BSFU zur persönlichen und professionellen Weiterentwicklung<br />

zu nutzen.<br />

Der zweiten großen Gruppe <strong><strong>de</strong>r</strong> beteiligten Akteure wen<strong>de</strong>t sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Beitrag<br />

von Dagmar Abendroth-Timmer zu, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m die Autor<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Blick auf die SuS und<br />

ihre Wahrnehmung <strong>de</strong>s BSFU richtet, <strong>in</strong>sbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>in</strong> Form bil<strong>in</strong>gualer Module<br />

mittels <strong><strong>de</strong>r</strong>er Französisch und Spanisch als Arbeitssprachen im <strong>Sachfachunterricht</strong><br />

e<strong>in</strong>geführt wer<strong>de</strong>n. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage <strong><strong>de</strong>r</strong> von ihr erhobenen Daten – <strong>in</strong> vielen Zitaten<br />

kommen die SuS hier selbst zu Wort – sowie von vergleichbaren empirischen<br />

Studien argumentiert die Autor<strong>in</strong>, dass auch SuS, die <strong>de</strong>m Fremdsprachenunterricht<br />

ten<strong>de</strong>nziell kritisch gegenüberstehen, sich gera<strong>de</strong> <strong>in</strong> dieser Organisationsform<br />

auf die Verwendung e<strong>in</strong>er Fremdsprache als Arbeitssprache <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel leichter<br />

e<strong>in</strong>lassen können. Für die Organisation <strong>de</strong>s BSFU <strong>in</strong> Modulen aus Schülersicht<br />

spricht u. a., dass hier e<strong>in</strong>e echte Chance zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung von Mehrsprachigkeit<br />

im H<strong>in</strong>blick auf die verschie<strong>de</strong>nen Herkunftssprachen <strong><strong>de</strong>r</strong> SuS e<strong>in</strong>erseits sowie<br />

h<strong>in</strong>sichtlich <strong>de</strong>s schulischen Gesamtsprachencurriculums an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits liegt. Um<br />

diese besser als bisher nutzen zu können, besteht Nachholbedarf an methodischen<br />

Kompetenzen – auf Schüler- und Lehrerseite. Wie sich solche Kompetenzen im<br />

methodischen Repertoire <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehrkräfte im BSFU spiegeln können, ist Gegenstand<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> nächsten bei<strong>de</strong>n Beiträge.<br />

E<strong>in</strong> zentrales methodisches Element im BSFU bietet das sog. scaffold<strong>in</strong>g, e<strong>in</strong>e methodische<br />

Strategie <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehrkraft, die primär <strong><strong>de</strong>r</strong> sprachlichen Unterstützung von<br />

SuS dient. Konzeption, verschie<strong>de</strong>ne Techniken sowie unterschiedliche Umsetzungsmöglichkeiten<br />

von scaffold<strong>in</strong>g s<strong>in</strong>d das Thema <strong>de</strong>s Textes von Eike Thürmann.<br />

Die Notwendigkeit für scaffold<strong>in</strong>g liegt <strong>in</strong> <strong>de</strong>m <strong>de</strong>m BSFU eigenen Anspruch begrün<strong>de</strong>t,<br />

e<strong>in</strong>en genu<strong>in</strong>en Beitrag zum Aufbau von Kompetenzen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Fremdsprache<br />

zu leisten, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich <strong>in</strong> spezifischer Weise auf das für <strong>de</strong>n <strong>Sachfachunterricht</strong> charak-


Theorie und Praxis <strong>de</strong>s bil<strong>in</strong>gualen <strong>Sachfachunterricht</strong>s 19<br />

teristische sprachliche Register bezieht. Die systematische Unterstützung fachunterrichtssprachlicher<br />

Kompetenzen ist e<strong>in</strong>e Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung für Schule <strong>in</strong>sgesamt<br />

über alle Fächergrenzen und Sprachen h<strong>in</strong>weg. Der Autor stellt Konstituenten <strong>de</strong>s<br />

fachunterrichtssprachlichen Registers vor, auf die Unterstützungsstrategien zugreifen<br />

sollten. Scaffold<strong>in</strong>g ist e<strong>in</strong>e Unterstützungsstrategie, die – im E<strong>in</strong>klang mit <strong>de</strong>n<br />

Pr<strong>in</strong>zipien <strong>de</strong>s selbstgesteuerten Lernens und <strong>de</strong>s task-based approach – <strong>in</strong>haltliche,<br />

kognitive und sprachliche Aspekte <strong>de</strong>s Lernens im BSFU aufe<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong> bezieht und<br />

die auch von Sachfachspezialisten geleistet wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Zentrale methodische Elemente e<strong>in</strong>er Methodik <strong>de</strong>s BSFU, die auf Seite <strong><strong>de</strong>r</strong> SuS<br />

zur Anwendung kommen, fokussiert Hans-Ludwig Krechel <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Beitrag über<br />

angemessene Lern- und Arbeitstechniken, die meist aus <strong>de</strong>m Fremdsprachenunterricht<br />

übernommen, im BU sachfachbezogen e<strong>in</strong>gesetzt und mit sachfachrelevanten<br />

Arbeitsweisen verknüpft wer<strong>de</strong>n. Es han<strong>de</strong>lt sich, wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Text an zahlreichen Beispielen<br />

illustriert, <strong>in</strong>sbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e um Techniken <strong><strong>de</strong>r</strong> Wortschatzarbeit, Lesetechniken<br />

sowie Techniken <strong><strong>de</strong>r</strong> schriftlichen und mündlichen Textproduktion, die <strong>in</strong> Phasen<br />

<strong>de</strong>s selbstständigen Lernens und kooperativen Arbeitens funktional angemessen<br />

angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n können. Die Lern- und Arbeitstechniken müssen behutsam<br />

und <strong>in</strong> s<strong>in</strong>nvoller Progression e<strong>in</strong>geübt und erweitert wer<strong>de</strong>n; sie spielen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

schülerorientierten BSFU aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> hohen Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an die Lernen<strong>de</strong>n<br />

(v. a. im H<strong>in</strong>blick auf die Materialvielfalt, die Textrezeption sowie die Textproduktion)<br />

e<strong>in</strong>e beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s wichtige Rolle. Der s<strong>in</strong>nvolle E<strong>in</strong>satz dieser Techniken erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

e<strong>in</strong>e enge Kooperation zwischen Lehrkräften <strong>de</strong>s Fremdsprachenunterrichts und<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> bil<strong>in</strong>gualen Sachfächer. Mit diesen Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen s<strong>in</strong>d Aufgaben für die Ausbildung<br />

von Lehrkräften für <strong>de</strong>n BSFU benannt; sie stellen zugleich e<strong>in</strong> Plädoyer<br />

für die Stärkung <strong><strong>de</strong>r</strong> fächerübergreifen<strong>de</strong>n Kooperation dar.<br />

Die weiteren bei<strong>de</strong>n Beiträge <strong>in</strong> diesem Kapitel greifen methodische Fragen<br />

grundlegen<strong><strong>de</strong>r</strong> Natur (Übergang, übergreifen<strong>de</strong> Zielsetzungen im BSFU) auf und<br />

zeigen exemplarisch, wie diese <strong>in</strong> die Praxis <strong>de</strong>s BU übersetzt wer<strong>de</strong>n können. So<br />

thematisiert <strong><strong>de</strong>r</strong> Beitrag von Sabr<strong>in</strong>a Bechler und Michaela Sambanis Chancen<br />

und Grenzen <strong>de</strong>s BSFU für die Primarstufe und im Zusammenhang damit e<strong>in</strong>e ggf.<br />

entstehen<strong>de</strong> Übergangsproblematik. BSFU ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundschule als e<strong>in</strong>e<br />

s<strong>in</strong>nvolle Möglichkeit, um <strong>de</strong>n Kontakt zur Fremdsprache zu erhöhen, ohne auf<br />

weitere Stun<strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n Fremdsprachenunterricht warten zu müssen. Während<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> BSFU – wie die übrigen Beiträge <strong>in</strong> diesem Band zeigen – <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Sekundarstufe</strong><br />

schon relativ weit verbreitet und mittlerweile immer häufiger Gegenstand <strong><strong>de</strong>r</strong> Forschung<br />

ist, so han<strong>de</strong>lt es sich dabei <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Primarstufe noch um e<strong>in</strong>e Seltenheit. Es<br />

stellt sich die Frage, ob und wenn ja warum und wie sich BSFU <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundschule<br />

umsetzen lässt, zu welchen positiven bzw. negativen Auswirkungen er führen<br />

kann und welche (<strong>in</strong>sbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e methodischen) Konsequenzen sich dadurch für<br />

die <strong>Sekundarstufe</strong> I ergeben. Diesen Fragen gehen die bei<strong>de</strong>n Autor<strong>in</strong>nen nach und<br />

entwickeln parallel dazu Umsetzungsvorschläge an e<strong>in</strong>em konkreten Beispiel. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />

Beachtung erfahren <strong>in</strong> diesem Beitrag die Voraussetzungen, die erfüllt se<strong>in</strong><br />

müssen, damit BSFU schon <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundschule gel<strong>in</strong>gen kann, sowie methodische

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