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Zwerg Nase (Wilhelm Hauff)

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<strong>Zwerg</strong> <strong>Nase</strong><br />

nach dem gleichnamigen Märchen von <strong>Wilhelm</strong> <strong>Hauff</strong><br />

von Gabriele Nachtrieb<br />

PERSONEN<br />

Alte, Kräuterhexe<br />

Eichhörnchen, ihre Helferinnen<br />

(und andere Nagetiere)<br />

Vater (Franz), Schuster<br />

Mutter (Hanne), seine Frau<br />

Jakob, ihr Sohn<br />

Frau Abele<br />

Marktfrauen<br />

Kinder: Susanne, Hans, Maria, Karl<br />

Nachtwächter<br />

3 Erzähler<br />

Andere Kinder: Anna, Ulla, Lena<br />

Bettler Hinkebein<br />

Priester Antonius<br />

Barbier Urban<br />

Herzog Maximilian von Witzighausen<br />

Herzogin Juliane von Witzighausen<br />

Chefkoch<br />

Oberküchenmeister<br />

Küchenmeister<br />

Frühstückskoch<br />

Oberkellnerin<br />

2 Wachen<br />

Fürst von Soltau<br />

Fürstin von Soltau<br />

Diener des Fürsten von Soltau<br />

Mimi, eine Gans<br />

Gute Geister (stumm)<br />

1


I. AKT<br />

1. Bild<br />

Instrumentalmusik, rhythmisch. Eurythmie. Alte mit langer <strong>Nase</strong>, Kopftuch, Schürze und Flasche<br />

mit Kräutersaft kommt schlurfend, gebückt, auf den Stock gestützt, in die Mitte der Bühne.<br />

Alte<br />

Feen, Zauberer und Hexen<br />

sollte man nicht unterschätzen.<br />

Ich bin die alte Ischgurill,<br />

ich mache immer, was ich will.<br />

Denn meine Kräutlein, meine Säfte,<br />

die geben mir besondre Kräfte.<br />

Trinkt aus der Flasche. Pfiff (Trillerpfeife oder Ähnliches): Eichhörnchen<br />

oder verschiedene Nagetiere tippeln auf Zehenspitzen herein und stellen sich<br />

im Halbkreis auf.<br />

Eichhörnchen<br />

Zu Diensten, holde Ischgurill, …<br />

machen Männchen<br />

… jawohl, jawohl Frau Ischgurill.<br />

verneigen sich unterwürfig.<br />

Alte<br />

Alte und<br />

Eichhörnchen<br />

Wirft Flasche, Stock, Kopftuch und Schürze weg, die Eichhörnchen räumen<br />

das mit viel Getue auf – jetzt ist sie jung und beweglich. – Zaubertanz!<br />

Eine Wand zur Verwandlung.<br />

Wurzelsaft und Essigkraut,<br />

Bärenmilch auf Schweinehaut,<br />

Kräutlein fein vom Unkenteich:<br />

bringt herbei, herbei sie gleich.<br />

Hucke, schlucke Ischgurill,<br />

Ischgurill macht, was sie will.<br />

Wurzelsaft und Essigkraut,<br />

Bärenmilch auf Schweinehaut,<br />

Kräutlein fein vom Unkenteich:<br />

machen flugs die Wangen bleich.<br />

Eichhörnchen mit weißen Masken.<br />

Hucke, schlucke Ischgurill<br />

Ischgurill macht, was sie will.<br />

2


Wurzelsaft und Essigkraut,<br />

Bärenmilch auf Schweinehaut,<br />

Kräutlein fein vom Unkenteich:<br />

schwupp di wupp – schon bist du reich.<br />

Goldstücke fallen aus den Ärmeln.<br />

Hucke, schlucke Ischgurill,<br />

Ischgurill macht, was sie will.<br />

Wurzelsaft und Essigkraut,<br />

Bärenmilch auf Schweinehaut,<br />

Kräutlein fein vom Unkenteich:<br />

macht selbst harte Stäbe weich.<br />

Stäbe werden schlapprig.<br />

Hucke, schlucke Ischgurill,<br />

Ischgurill macht, was sie will.<br />

Wurzelsaft und Essigkraut,<br />

Bärenmilch auf Schweinehaut,<br />

Kräutlein fein vom Unkenteich:<br />

macht dich feder-, federleicht.<br />

Ein Eichhörnchen wird hochgehoben.<br />

Hucke, schlucke Ischgurill,<br />

Ischgurill macht, was sie will.<br />

Licht aus. – Instrumentalmusik verschwimmend.<br />

I. Akt, 2. Bild<br />

Vor dem Vorhang. Vater, Mutter und Jakob beladen den Wagen für den Markt.<br />

Vater (Franz)<br />

Jakob<br />

Mutter (Hanne)<br />

So, mein lieber Jakob, nun hilf deiner Mutter wieder fleißig, das Gemüse<br />

und das Obst auf den Markt zu fahren.<br />

Ja, Vater, gern!<br />

Leg die Früchte sorgfältig hinein, dass sie keine Macken bekommen und<br />

schön frisch bleiben.<br />

3


Jakob<br />

Mutter<br />

Vater<br />

nimmt Papier, das er zwischen das Obst legt.<br />

Ist es so recht<br />

Ja, so bin ich zufrieden, so sind sie gut versorgt und werden auf der Fahrt<br />

nicht verpoltert.<br />

Heute kann ich euch keine Lasten abnehmen. Ein wichtiger Kunde hat sich<br />

angemeldet. Dem soll ich neue Schuhe anmessen. Wie froh bin ich, nicht<br />

immer nur flicken, und sohlen zu müssen.<br />

legt die Arme um beider Schultern.<br />

Mit dem Geld, was er uns dafür bezahlt, wird unser Leben etwas leichter<br />

werden!<br />

im Gehen<br />

Vielleicht komme ich euch abholen!<br />

Jakob<br />

Ich glaube, heute wird ganz sicher ein besonderer Tag. Wir werden alles<br />

Gemüse und alle Früchte verkaufen und heute Abend können wir uns dann<br />

glücklich zum Abendbrot zusammensetzen.<br />

Vater begleitet sie ein Stück, sie winken.<br />

I. Akt, 3. Bild<br />

Lied. Alle in entsprechenden Kostümen. 4. Bild ist bereits aufgebaut. Vorhang auf.<br />

Alle<br />

Hört euch an die Geschichte<br />

von Jakob, dem braven Sohn,<br />

Vater ist ein armer Schuster<br />

er erhält nur wenig Lohn.<br />

Vor dem Städtchen in dem Gärtchen<br />

Mutter baut Gemüse an,<br />

und der gute, kleine Jakob<br />

hilft ihr gerne wo er kann.<br />

Höret, was sich zugetragen<br />

eines Tages in der Stadt,<br />

als die böse, alte Hexe<br />

kam an Mutter Jakobs Stand.<br />

4


I. Akt, 4. Bild<br />

Marktszene. Kinder: Karl, Maria, Hans, Susanne spielen, jonglieren. Frau Abele, eine alte Frau,<br />

am Stand von Frau Hanne.<br />

Frau Abele<br />

Hanne<br />

Frau Abele<br />

Schöne Ware haben Sie wieder, Frau Hanne! Es ist doch immer eine Freude,<br />

bei Ihnen einzukaufen!<br />

Heute haben wir die ersten Birnen aus unserem Garten. Mein Jakob hat sie<br />

ganz besonders sorgfältig eingepackt, dass sie lange halten.<br />

Da nehm ich noch zwei Pfund davon mit, die passen gerade noch in meinen<br />

Korb.<br />

bezahlt.<br />

Hanne<br />

Frau Abele, warten Sie, mein Sohn Jakob wird Ihnen den schweren Korb<br />

nach Hause tragen. – Komm, Jakob!<br />

Jakob ist nicht gerade froh darüber, aber gefügig.<br />

Susanne<br />

Hans<br />

Maria<br />

Lass uns zum Herzogspalast gehen, dort kenn' ich einen guten Platz zum<br />

Spielen.<br />

Fragen wir den Jakob, ob er auch mitgehen möchte!<br />

Der muss doch am Marktstand helfen. Schau, er trägt den Korb für eine<br />

Frau!<br />

Jakob geht ab.<br />

Karl<br />

Susanne<br />

Schade, das letzte Mal hat er uns so schöne Kunststücke gezeigt.<br />

Also los, gehen wir!<br />

Die Kinder werfen sich Jonglierbälle zu, nehmen ihre Sachen und gehen<br />

lärmend ab. – Jakob kommt zurück, mit einer Brezel, stellt sich wieder hinter<br />

den Stand.<br />

Jakob<br />

Hierher, ihr Herren, seht, welch schöner Kohl, ganz frische Kräuter aus dem<br />

eigenen Garten! Frühbirnen, ihr Frauen, und saftige Äpfel, Aprikosen und<br />

Pfirsiche! Wer kauft Kommt hierher!<br />

Das Licht verändert sich.<br />

Alte<br />

Seid Ihr die Gemüsehändlerin Hanne<br />

5


Hanne<br />

Alte<br />

Ja, die bin ich. Ist Euch etwas gefällig Wünscht Ihr etwas zu kaufen<br />

Wollen sehen! Wollen sehen! Kräutlein schauen, Kräutlein schauen: ob du<br />

hast, was ich brauche.<br />

Wühlt im Korb, Geste der Empörung bei Hanne, Aufbegehren bei Jakob.<br />

Schlechtes Zeug, schlechtes Kraut, nichts von allem, was ich will. War viel<br />

besser vor fünfzig Jahren, schlechtes Zeug, schlechtes Zeug!<br />

Jakob<br />

Alte<br />

Du bist ein unverschämtes altes Weib! Erst fährst du mit deinen garstigen<br />

braunen Fingern in die schönen, frischen Kräuter hinein und drückst sie<br />

zusammen, dann hältst du sie an deine lange <strong>Nase</strong>, dass sie niemand mehr<br />

kaufen mag, wer zugesehen hat, und jetzt schimpfst du noch unsere Ware<br />

schlechtes Zeug, und doch kauft selbst der Koch des Herzogs alles bei uns!<br />

Söhnchen! Söhnchen! Also gefällt dir meine <strong>Nase</strong>, meine schöne lange<br />

<strong>Nase</strong>! Sollst auch eine haben mitten im Gesicht, bis übers Kinn herab!<br />

Nimmt einen Kohlkopf heraus, drückt ihn, wirft ihn zurück.<br />

Schlechte Ware, schlechter Kohl!<br />

Jakob<br />

Alte<br />

Hanne<br />

Wackle nur nicht so garstig mit dem Kopf hin und her. Dein Hals ist ja so<br />

dünne wie ein Kohlstängel, der könnte leicht abbrechen! Dann fiele dein<br />

Kopf hinein in den Korb, wer wollte dann noch kaufen!<br />

Gefallen sie dir nicht, die dünnen Hälse Sollst gar keinen haben, Kopf soll<br />

in den Schultern stecken, dass er nicht herabfällt vom kleinen Körperlein!<br />

Schwatz doch nicht so unnützes Zeug mit dem Kleinen da! Wenn Ihr etwas<br />

kaufen wollt, so tut es, Ihr verscheucht mir ja die anderen Kunden.<br />

Kunden haben einen Bogen um Hannes Stand gemacht.<br />

Alte<br />

Gut, es sei, wie du sagst. Ich will dir diese sechs Kohlhäupter abkaufen.<br />

Aber seht, ich muss mich auf den Stab stützen und kann nichts tragen.<br />

Erlaube deinem Söhnlein, dass er mir die Ware nach Hause bringt. Ich will<br />

ihn dafür belohnen.<br />

Jakob will ansetzen, nein zu sagen, doch Hanne nickt, und widerwillig trägt<br />

Jakob der Alten die Waren hinterher. Hanne ist nachdenklich. Der Markt<br />

leert sich, alle bauen ab, nur noch Hannes Stand steht. Es dunkelt.<br />

Hanne<br />

Wo er nur so lange bleibt Mir kommen ganz seltsame Gedanken!<br />

6


Fängt an zusammenzuräumen.<br />

Vater<br />

Hanne<br />

Da bist du ja! Ich habe mir Sorgen gemacht, deshalb komm ich her. –Aber<br />

wo ist Jakob<br />

Das ist es ja! Er hat einer alten Frau den Korb nach Hause getragen.<br />

Aber er ist schon über zwei Stunden weg!<br />

leise<br />

Eine seltsame Frau, ich mach mir solche Vorwürfe!<br />

Vater<br />

Es wird schon irgendeinen Grund haben. Liebe Frau, mach dir keine Sorgen,<br />

unser Jaköbchen ist doch ein so vernünftiger Junge. Lass uns nach Hause<br />

gehen, vielleicht ist er schon daheim, weil er sich – weiß Gott warum –<br />

verspätet hat.<br />

Sie packen vollends zusammen und gehen ab.<br />

Nachtwächter<br />

Hört, ihr Herrn, und lasst euch sagen,<br />

unsre Glock hat zehn geschlagen!<br />

Zehn Gebote setzt Gott ein,<br />

gib, dass wir gehorsam sein!<br />

Menschenwachen kann nichts nützen,<br />

Gott muss wachen, Gott muss schützen.<br />

Herr, durch deine Güt und Macht<br />

schenk uns eine gute Nacht.<br />

Hört, ihr Herrn und lasst euch sagen,<br />

unsre Glock hat elf geschlagen!<br />

Elf der Jünger blieben treu,<br />

Mensch sei du wie sie so treu.<br />

Menschenwachen kann nichts nützen,<br />

Gott muss wachen, Gott muss schützen.<br />

Herr, durch deine Güt und Macht<br />

schenk uns eine gute Nacht.<br />

Hört, ihr Herrn und lasst euch sagen,<br />

unsre Glock hat zwölf geschlagen!<br />

Zwölf, das ist das Ziel der Zeit,<br />

Mensch, bedenk die Ewigkeit!<br />

Menschenwachen kann nichts nützen,<br />

Gott muss wachen, Gott muss schützen.<br />

Herr, durch deine Güt’ und Macht<br />

schenk uns eine gute Nacht.<br />

Vorhang.<br />

7


I. Akt, 5. Bild<br />

Währenddessen Umbau für Bild 6.<br />

1. Erzähler Was war mit Jakob geschehen Widerwillig, halb weinend, folgte Jakob.<br />

Ihm graute vor der hässlichen Frau. Aber die Mutter hatte es ihm ja so<br />

ernstlich befohlen, weil sie es für eine Sünde hielt, der alten schwächlichen<br />

Frau die Last alleine aufzubürden.<br />

2. Erzähler Sie kamen endlich, in einem ganz entlegenen Teil der Stadt, vor ein kleines<br />

baufälliges Haus. Dort zog die Alte einen rostigen Haken aus der Tasche,<br />

fuhr damit geschickt in ein kleines Loch in der Türe, und plötzlich sprang<br />

diese krachend auf. Aber wie war der kleine Jakob überrascht!<br />

3. Erzähler Von Marmor waren Decken und Wände. Die Gerätschaften von schönstem<br />

Ebenholz, mit Gold und Edelsteinen eingelegt, der Boden aber war von Glas<br />

und so glatt, dass Jakob einigemal ausrutschte und hinfiel.<br />

II. AKT<br />

Haus der Alten.<br />

1. Bild<br />

Alte<br />

Setze dich – ruhe dich aus hier!<br />

Sollst haben deinen Lohn von mir!<br />

Will dir kochen ein Süppchen!<br />

Will dir brocken ein Stückchen!<br />

Wie 1. Akt, 1. Bild, Musik.<br />

Pfiff: Eichhörnchen oder verschiedene Nagetiere tippeln auf Zehenspitzen<br />

herein, stellen sich im Halbkreis auf.<br />

Eichhörnchen<br />

Zu Diensten, holde Ischgurill,<br />

machen Männchen.<br />

jawohl, jawohl Frau Ischgurill.<br />

verneigen sich unterwürfig.<br />

Alte<br />

Wo habt ihr meine Pantoffeln, schlechtes Gesinde!<br />

8


Schwingt den Stock, Eichhörnchen springen.<br />

Wie lange soll ich noch so dastehen<br />

Eichhörnchen<br />

Alte<br />

Pantoffel eins, Pantoffel zwei!<br />

Jawohl, jawohl Frau Ischgurill.<br />

Frau Ischgurill zu Diensten!<br />

Lasst uns mit der Prozedur beginnen!<br />

Musik.<br />

Alte und<br />

Eichhörnchen<br />

Wurzelsaft und Essigkraut,<br />

Bärenmilch auf Schweinehaut,<br />

Kräutlein fein vom Unkenteich:<br />

bringt herbei, herbei sie gleich.<br />

Hucke, schlucke Ischgurill,<br />

Ischgurill macht, was sie will.<br />

Rühre, rühre hin und her,<br />

rühre, kreuz und rühre quer,<br />

rühre auf und rühre ab,<br />

rühr und rühr im Zaubertakt.<br />

Wurzelsaft und Essigkraut,<br />

Bärenmilch auf Schweinehaut,<br />

Kräutlein fein, Kräutlein fein,<br />

Spinnenfuß jetzt noch hinein!<br />

Alte<br />

Iss dies Süppchen, Söhnchen, iss!<br />

werden sollst du nach meinem Bild!<br />

Meisterkoch soll deine Berufung sein,<br />

doch das Kräutlein sollst niemals du finden –nein!<br />

Iss dies Süppchen, Söhnchen, iss!<br />

Werden sollst du nach meinem Bild!<br />

Jakob löffelt zunächst zögerlich, es mundet ihm zunehmend. Er wird müde.<br />

Musik. Eichhörnchen bringen Räucherstäbchen, ziehen ihn um zu einem<br />

Eichhörnchen.<br />

Traumlicht. Eurythmischer Tanz: Jakob, Eichhörnchen und Alte.<br />

Alle ab außer der Alten und Jakob.<br />

Alte<br />

1. Jahr<br />

Her nun zu mir, putz mir die Schuh,<br />

Schusterleins Sohn kann das wohl gut.<br />

Ein langes Jahr putz meine Schuh.<br />

9


Er tut es, es fällt ihm leicht, da er es gewöhnt ist.<br />

2. Jahr<br />

Ein Jahr ist um, nun eile hinaus<br />

und bringe mir Sonnenstaub ins Haus,<br />

es soll das Allerbeste sein<br />

zum Backen mir mein Brot gar fein.<br />

3. Jahr<br />

Ein Jahr ist um, mit der Nussschale hier<br />

schöpfe den Tau aus der Rose mir.<br />

Mein Durst ist groß und unersättlich,<br />

er soll gestillet werden täglich.<br />

4. Jahr<br />

Ein Jahr ist um, nun wisch mir pünktlich<br />

die Böden alle, rein und gründlich.<br />

5. Jahr<br />

Das vierte Jahr ist nun zu Ende,<br />

geh in die Küche und übe behände<br />

zu kochen und zu braten,<br />

das soll dir im Leben wohl geraten!<br />

7. Jahr<br />

Um sind sieben lange Jahre.<br />

Nun ist die Zeit gekommen.<br />

Mein Diener, bring’ mir Korb und Stock.<br />

Rupf ein Hühnchen, füll ’s mit Kräutern,<br />

Die Alte zeigt ihm einen Korb mit Kräutern, der etwas abseits steht.<br />

… sollst nun bald tragen den eigenen Rock!<br />

Er zieht das Eichhörnchen-Kostüm aus und legt wieder seine bürgerlichen<br />

Kleider an. Dann geht er zum Kräuterkorb und riecht hinein. Dabei<br />

„wächst“ ihm eine lange <strong>Nase</strong>.<br />

Licht dunkel, Musik, Jakob schläft, er muss kräftig niesen.<br />

Traumlicht aus, helles Licht.<br />

Jakob<br />

Nein, wie man nur so lebhaft träumen kann! Ich hätte schwören wollen, ich<br />

sei ein Eichhörnchen gewesen und dabei ein guter Koch geworden. Wie wird<br />

die Mutter lachen, wenn ich ihr alles erzähle! Hoffentlich schimpft sie nicht,<br />

weil ich in einem fremden Hause eingeschlafen bin, anstatt ihr auf dem<br />

Markt zu helfen!<br />

Reibt sich die Augen, geht nach vorne, Vorhang.<br />

10


III. AKT<br />

1. Bild<br />

Vor dem geschlossenen Vorhang. Kinder, Bettler, Priester gehen vorbei. Aufbau von Bild 2.<br />

Anna<br />

Ulla<br />

Lena<br />

Iih! Ein hässlicher <strong>Zwerg</strong>! Wo kommt der her<br />

Schaut an, was der für eine lange <strong>Nase</strong> hat! Und wie ihm der Kopf zwischen<br />

den Schultern steckt!<br />

Der hat ja überhaupt keinen Hals. Puh! Seht die braunen, hässlichen Hände!<br />

Rennen lachend weg.<br />

Jakob<br />

Priester<br />

Ein <strong>Zwerg</strong>, wo mag da nur ein <strong>Zwerg</strong> sein Ich jedenfalls sehe keinen<br />

<strong>Zwerg</strong>!<br />

Gesegnet seist du arme, bedauernswerte Kreatur. Gerne würde ich dir helfen.<br />

Ich kann nur für dich beten.<br />

Jakob schüttelt verständnislos den Kopf.<br />

Priester<br />

Bettler<br />

zu sich<br />

Manchmal sind Gottes Wege wahrhaft unergründlich!<br />

sitzt am Bühnenrand, beim Abgehen gibt ihm Jakob ein Geldstück.<br />

Und wenn ich's recht bedenke, so bin ich im Vergleich zu seinem Los ein<br />

Prinz. Ich fühl' mich wie ein Prinz! Ich bin ein Prinz!<br />

Geht fröhlich ab und wirft die Münze in die Luft.<br />

III. Akt, 2. Bild<br />

Markt wie I, 4. Links Schusterstube, rechts Barbier. Hanne sitzt ganz traurig an ihrem Stand.<br />

Jakob kommt und überlegt, was er machen soll. Dann schleicht er sich von der Seite an und legt<br />

den Arm um seine Mutter.<br />

Jakob<br />

Mutter<br />

Mütterchen, was fehlt dir Bist du böse auf mich<br />

Was willst du von mir, hässlicher <strong>Zwerg</strong> Fort, fort, ich kann dergleichen<br />

Possenspiele nicht leiden.<br />

11


Jakob<br />

Mutter<br />

Jakob<br />

Mutter<br />

Marktfrauen<br />

Jakob<br />

Aber, Mutter, was hast du, warum willst du denn deinen Sohn wegjagen<br />

Geh deines Weges! Bei mir kannst du mit deinen Späßen kein Geld<br />

verdienen. Pack dich, du hässliche Missgeburt!<br />

für sich<br />

Hat sie den Verstand verloren Was fange ich nur an – Lieb Mütterchen, so<br />

sei doch vernünftig, so sieh mich doch nur recht an, ich bin ja dein Sohn,<br />

dein Jakob!<br />

zur Nachbarin<br />

Nein, jetzt wird mir der Spaß zu unverschämt! Seht diesen hässlichen <strong>Zwerg</strong><br />

da, steht da und vertreibt mir alle Kunden. Und spottet mit meinem Unglück.<br />

Sagt zu mir: ich bin ja dein Sohn, dein Jakob! Der Unverschämte!<br />

Verschwinde, Quäle die arme Frau Hanne nicht so! Ihr Sohn wurde ihr vor<br />

sieben Jahren gestohlen. Pack dich, du garstiger <strong>Zwerg</strong>! Mach dich nicht<br />

über anderer Leute Unglück lustig! Verschwinde!<br />

flieht nach vorne an die Rampe<br />

„Arme Hanne“, „ihr Sohn vor sieben Jahren geraubt“, „garstiger <strong>Zwerg</strong>“!<br />

Sind sie denn alle verrückt geworden, was ist bloß mit mir geschehen<br />

hält die Hände vors Gesicht und betastet dabei seine <strong>Nase</strong>!<br />

Ich muss zum Vater!<br />

geht zum Vater.<br />

Vater<br />

Jakob<br />

Vater<br />

Jakob<br />

Vater<br />

Jakob<br />

Vater<br />

Um Gottes Willen! Was ist das Was ist das<br />

Guten Morgen, Meister, wie geht es Euch<br />

Schlecht! Ehrlich gesagt schlecht! Ich habe niemanden, der mir hilft,<br />

und einen Gesellen kann ich mir nicht leisten, er wäre zu teuer.<br />

Habt ihr denn keinen Sohn, der euch zur Hand gehen kann<br />

Ich hatte einen Sohn. Der müsste jetzt ein schlanker, gewandter junger Mann<br />

von zwanzig Jahren sein. Der könnte mir sicher helfen. Schon mit zwölf<br />

Jahren stellte er sich bei allen Dingen geschickt an.<br />

Wo ist denn aber euer Sohn<br />

Das weiß Gott! Vor sieben Jahren wurde er vom Markt weggestohlen.<br />

12


Jakob<br />

Vater<br />

Jakob<br />

Vater<br />

Vor sieben Jahren!<br />

Jakob hat immer geholfen, den Kunden ihre schweren Körbe nach Hause zu<br />

tragen. Ich habe es nie gerne gesehen. Aber die Kunden mochten unseren<br />

hilfsbereiten Jakob und beschenkten ihn jedes Mal. Doch vor sieben Jahren<br />

kam ein altes Weib auf den Markt und hat ihn mitgenommen. Eine steinalte<br />

Frau, die schon weit über 90 Jahre alt ist, meinte, es könnte die böse<br />

Kräuterhexe Ischgurill gewesen sein. Die soll nur alle 50 Jahre einmal in die<br />

Stadt kommen, um einzukaufen. Ist Euch etwas von meiner Arbeit gefällig,<br />

junger Herr Ein Paar neue Pantoffeln Oder vielleicht ein Futteral für Eure<br />

<strong>Nase</strong> Ich hätte schönes rosafarbenes Glanzleder da! Freilich würde man<br />

mindestens eine Elle dazu brauchen.<br />

Meister, habt Ihr einen Spiegel, in dem ich mich einmal anschauen könnte<br />

Ihr habt keine Gestalt, die euch eitel machen sollte! – Ich besitze keinen<br />

Spiegel, geht zum Barbier da drüben.<br />

Jakob geht zum Barbier.<br />

Jakob<br />

Barbier<br />

Guten Tag, Barbier Urban, darf ich mich in Eurem Spiegel einmal<br />

anschauen<br />

spöttisch<br />

Aber gerne, hier betrachtet Euer wunderbares Spiegelbild, man könnte ja<br />

direkt neidisch werden, wenn man Euch so ansieht!<br />

Jakob betrachtet sich im Spiegel.<br />

Ihr gäbt einen guten Lockvogel für mein Geschäft ab. Mein Nachbar hat<br />

einen Riesen gefunden, der ihm die Leute durch sein Aussehen heranzieht.<br />

Ihr aber würdet den Riesen bei weitem übertreffen! Bleibt bei mir um Kost<br />

und Wohnung, stellt Euch vor mein Geschäft, und schon bald werden wir<br />

uns vor Kunden nicht mehr retten können!<br />

Jakob hält sich die Ohren zu, schüttelt den Kopf. Vor zur Rampe.<br />

Dann langsam nochmals zum Stand der Mutter.<br />

Jakob<br />

Mutter<br />

Frau Hanne, hört mich an. Ich sehe zwar nicht aus wie Euer Sohn, aber ich<br />

bin es trotzdem. Vor sieben Jahren hat mich die böse Fee Ischgurill entführt.<br />

Ich diente ihr in ihrem Haus, sie hat mich in diese Gestalt verzaubert,<br />

deshalb erkennt Ihr mich nicht.<br />

Unmöglich! Es gibt keine Feen. Komm, wir gehen zu meinem Mann.<br />

nimmt Körbe, sie gehen zum Schuster.<br />

13


Mutter<br />

Vater<br />

Sieh, Franz, dieses Geschöpf behauptet unser Sohn Jakob zu sein. Er<br />

erzählte mir, er wäre von einer Kräuterfee geraubt und verzaubert worden.<br />

So, hat er! Vor einer Stunde hab ich ihm alles erzählt. Jetzt geht er hin, um<br />

dich zu foppen! So verzaubert hat man dich! Ich werde dich gleich<br />

entzaubern!<br />

Schlägt Jakob mit Lederriemen. Jakob rennt nach vorne. Vorhang.<br />

Jakob<br />

Sieben Jahre meines Lebens hat sie mir gestohlen! Vater und Mutter<br />

verstoßen mich! Ich habe niemanden in der Welt! Was fang ich bloß an<br />

Sackt verzweifelt auf einen Klotz. Nach einer Weile richtet er sich<br />

entschlossen auf.<br />

Aber etwas habe ich gelernt! Ich kann kochen!<br />

Ab.<br />

IV. AKT<br />

1. Bild<br />

Herzogspalast. Festlicher Speisetisch, auf einer Seite die Küche, auf der anderen Seite<br />

Wachsoldaten, die den Eingang des Palastes andeuten. Herzog und Herzogin am Tisch, Chefkoch<br />

in der Küche.<br />

Herzog<br />

Herzogin<br />

klingelt, Chefkoch kommt.<br />

Jetzt reicht es mir endgültig! So etwas will Chefkoch des Herzogs von<br />

Witzighausen sein. Fort, fort mit dir, du Rühreikoch! Du wagst es, mir, dem<br />

größten Feinschmecker, ein solches Gericht vorzusetzen Du bist auf der<br />

Stelle entlassen!<br />

Pack dein Bündel, aus meinen Augen!<br />

Oberküchenmeister<br />

Beide zornig ab. Chefkoch holt sein Bündel. Oberküchenmeister,<br />

Küchenmeister, Oberkellnerin und Frühstückskoch bilden, rangmäßig, eine<br />

Reihe und verabschieden den Chefkoch.<br />

Es ist wahrlich eine Kunst, unseren Herrn zufriedenzustellen. Lebe<br />

wohl!<br />

Chefkoch<br />

Auf Wiedersehen Oberküchenmeister!<br />

14


Küchenmeister<br />

Chefkoch<br />

Oberkellnerin<br />

Chefkoch<br />

Ich hab immer mein Bestes gegeben!<br />

Auf Wiedersehen, Küchenmeister! Auf Wiedersehen, Oberkellnerin!<br />

Hoffentlich ist dein nächster Herr nicht gar so streng. Auf Wiedersehen!<br />

Lebe wohl Frühstückskoch. Hoffentlich geht es dir nicht auch so wie mir.<br />

Frühstückskoch nickt vertraulich. Ehrfurchtsvolles Schweigen, alle begleiten<br />

ihn bis zum Tor. Jakob kommt seitwärts herein. Der Chefkoch schaut ihm<br />

lachend nach.<br />

Er ist wahrlich noch schlechter dran als ich!<br />

Weiteres Personal kommt hinzu.<br />

IV. Akt, 2. Bild<br />

1. Wache Schau einmal, was da kommt denn da am frühen Morgen!<br />

2. Wache Haha, ein richtiger <strong>Zwerg</strong>, ein <strong>Zwerg</strong>, ein richtiger <strong>Zwerg</strong> kommt hierher!<br />

1. Wache So etwas hab ich mein Lebtag noch nicht gesehen.<br />

2. Wache Was willst du hier<br />

Jakob<br />

Ich begehre freundlich den Oberküchenmeister zu sprechen. Ich bin ein guter<br />

Koch.<br />

1. Wache Dir würde die Stellung eines herzoglichen Leibzwerges eher anstehen.<br />

2. Wache In dieser Stellung könntest du vielleicht den Herzog und die Herzogin<br />

bespaßen.<br />

1. Wache Als Schlossgespenst gäbe er auch eine treffliche Figur ab.<br />

Lachen.<br />

2. Wache Aber – jeder nach seinem Willen!<br />

Führt Jakob hinein, klopft, der Oberküchenmeister kommt. Jakob verneigt<br />

sich so tief, dass seine <strong>Nase</strong> den Boden berührt.<br />

Jakob<br />

Gnädiger Herr, braucht ihr keinen geschickten Koch<br />

15


Oberküchenmeister<br />

Oh Kleiner, wer dich zu mir geschickt hat, der will dich zum Narren<br />

halten.<br />

Jakob<br />

Oberküchenmeister<br />

Jakob<br />

Oberküchenmeister<br />

bleibt standhaft<br />

Gebt mir eine Chance, gnädiger Herr!<br />

Ich glaube kaum, dass du überhaupt in die Töpfe hineinschauen kannst.<br />

Gebt mir irgendeine leckerhafte Speise zu bereiten auf. Sie soll vor euren<br />

Augen schnell bereitet sein, und ihr werdet sagen müssen: „Er ist ein Koch<br />

nach allen Regeln der Zunft.“<br />

Wohlan, es sei um des Spaßes willen.<br />

Er klatscht in die Hände.<br />

Der Frühstückskoch, der Küchenmeister und die Oberkellnerin kommen.<br />

Was hat der Herr heute zum Frühstück befohlen<br />

Alle stehen mit offenen Mündern da.<br />

Frühstückskoch<br />

Alle<br />

Dänische Suppe hat er geruht zu befehlen und rote Hamburger Klößchen.<br />

Oh! Verdammt schwierig.<br />

Oberküchenmeister<br />

Du hast´s gehört, Dänische Suppe und rote Hamburger Klößchen.<br />

Getraust du dir diese schwierige Speise zu bereiten, auch die Klößchen<br />

Jakob<br />

Alle<br />

Nichts leichter als das!<br />

Oh!<br />

Er kocht, sie schauen ihm argwöhnisch zu.<br />

IV. Akt, 3. Bild<br />

Herzog und Herzogin beim Frühstück.<br />

Herzogin<br />

Herzog<br />

Hoffentlich findest du schnell wieder einen Koch. Der Fürst und die Fürstin<br />

von Soltau haben doch ihren Besuch für übermorgen angesagt. Hast du es<br />

vergessen<br />

Ich weiß, ich weiß, er rühmt sich, ein größerer Feinschmecker zu sein als<br />

ich. Wir werden sehen.<br />

16


klingelt.<br />

Das Frühstück!<br />

Oberkellnerin trägt auf, alle gespannt.<br />

energisch<br />

Wer hat diese Suppe gekocht<br />

Oberküchenmeister verlegen<br />

Das ist eine wunderliche Geschichte ...<br />

Herzog<br />

So köstlich war sie noch nie. Sage mir, wer<br />

Jakob wird geholt, verneigt sich.<br />

Was bist du für eine seltsame Gestalt<br />

Jakob<br />

Herzog<br />

Herzogin<br />

Herzog<br />

Ich bin ohne Vater und Mutter. Bei einer alten Frau habe ich das Kochen<br />

gelernt.<br />

Bleibe hier. Wir brauchen dringend einen guten Koch. Du sollst guten Lohn<br />

erhalten.<br />

Für übermorgen hat sich hoher Besuch angemeldet: der Fürst und die Fürstin<br />

von Soltau! Der Fürst rühmt sich, einer der größten Feinschmecker zu sein!<br />

Jeder im Palast erhält von mir einen eigenen Namen.<br />

Du sollst <strong>Zwerg</strong> <strong>Nase</strong> heißen!<br />

Vorhang.<br />

IV. Akt, 4. Bild<br />

Auf der Vorbühne. Vorhang ist geschlossen. Jakob kommt gut gekleidet von der Seite, die Wache<br />

verneigt sich ehrerbietig.<br />

Jakob<br />

Gans Mimi<br />

Nun habe ich für das Festessen diese drei Gänse auf dem Markt gekauft,<br />

doch eine davon scheint krank zu sein, sie gackert und schnattert nicht, ich<br />

will sie als erste schlachten.<br />

Stichst du mich,<br />

so beiß ich dich,<br />

drückst du mir die Kehle ab,<br />

bring ich dich ins frühe Grab.<br />

17


Jakob<br />

Mimi<br />

Jakob<br />

Ei, wie ist das möglich, dass eine Gans spricht.<br />

Stichst du mich,<br />

so beiß ich dich,<br />

drückst du mir die Kehle ab,<br />

bring ich dich ins frühe Grab.<br />

Aber bin ich nicht selbst einmal ein Eichhörnchen gewesen. Ab mit euch in<br />

den Stall!<br />

Er sperrt die beiden anderen ein, legt seinen Arm um Mimi, schaut, dass sie<br />

nicht beobachtet werden.<br />

leise<br />

Wer bist du, dass du sprechen kannst<br />

Mimi<br />

Jakob<br />

Mimi<br />

Jakob<br />

Ach ich bin des großen Zauberer Wetterbocks Tochter, doch eine böse Fee<br />

hat mich verzaubert. Töte mich nicht!<br />

Nein, ich werde dich nicht töten, das verspreche ich dir. Du musst wissen,<br />

auch ich stehe nicht in meiner eigenen Gestalt vor dir. Eine Kräuterfee hat<br />

mich erst in ein Eichhörnchen und dann in diese Missgestalt verzaubert.<br />

Ich bin nicht unerfahren in Zauberdingen. Von meinem Vater weiß ich so<br />

manches. Du bist wohl auf ein bestimmtes Kraut verzaubert worden, und<br />

wenn du dieses findest, kannst du erlöst werden.<br />

Wirklich! Ich werde dich verstecken, und wann immer ich Zeit habe,<br />

besuche ich dich.<br />

Er versteckt sie in der Nähe der Küche und geht hinter den geschlossenen<br />

Vorhang.<br />

IV. Akt, 5. Bild<br />

Vorhang auf. Küche und Speisetafel. Bei den Wachen kommen die Gäste an.<br />

Diener<br />

meldet<br />

Der Fürst und die Fürstin von Soltau!<br />

Wachen verneigen sich. Der Herzog und Herzogin kommen den Gästen zur<br />

Begrüßung entgegen. Alle zu Tisch.<br />

Herzog<br />

Ich hoffe, Ihr hattet eine angenehme Reise<br />

18


Fürst<br />

Herzogin<br />

Fürstin<br />

Fürst<br />

Herzogin<br />

Fürst<br />

Herzog<br />

Fürstin<br />

Herzogin<br />

Wir haben uns doch eine neue Kutsche angeschafft, die macht das Reisen<br />

sehr bequem.<br />

So!<br />

Es ist dasselbe Modell, das auch der König von Frankreich fährt.<br />

Mit allen Raffinessen: Klappverdeck aus Hirschleder, Bezüge aus<br />

Leopardenfell, und – der letzte Schrei – Plattfederung. Wirklich sehr<br />

angenehm!<br />

neidisch<br />

Wie der König von Frankreich<br />

Nun, werter Herzog von Witzighausen, was gibt es Neues bei Ihnen Wie<br />

steht es in Eurer Küche Wollt Ihr noch immer behaupten, dass Ihr die<br />

besten Köche habt<br />

Die allerbesten, wartet ’s ab.<br />

zur Herzogin<br />

Ich hoffe nur, dass wir uns nicht wieder im Streit trennen wie das letzte Mal,<br />

nur wegen des Essens.<br />

Ich bin überzeugt, dieses Mal werden unsere Köche euren Gatten<br />

überzeugen!<br />

Die Speisen werden aufgetragen. Die Herrschaften tafeln.<br />

Fürst<br />

Herzog<br />

Ein Lob deinem Koch! Er versteht sein Handwerk trefflich: jede Speise eine<br />

andere Nuance, jede Soße raffinierter als die andere. – Aber warum hat er bis<br />

jetzt noch nicht die Königin der Speisen gebracht – die Pastete Souzeraine<br />

Morgen Abend!<br />

Licht aus über dem Tisch. Herzog geht in die Küche.<br />

zu Jakob<br />

<strong>Zwerg</strong> <strong>Nase</strong>, du hast vortrefflich gekocht, aber mein Gast vermisste die<br />

Königin der Speisen, die Pastete Souzeraine.<br />

ändert den Ton.<br />

Morgen Abend wirst du sie servieren! Hörst du! Sonst gnade dir Gott!<br />

Alle ab außer Jakob.<br />

19


Jakob<br />

Mimi<br />

abends alleine in der Küche.<br />

Weh mir, nun ist der Tag meiner Schande gekommen! Ich bin verloren! Ich<br />

habe noch nie von der Pastete Souzeraine gehört. Ich kann sie nicht kochen.<br />

hüpft herbei.<br />

Habe alles mitgehört. „Pastete Souzeraine“, nichts leichter als das! Oft kam<br />

sie auf meines Vaters Tisch, ich weiß ungefähr, wie man sie macht.<br />

Hantieren in der Küche, die Nacht vergeht, mit Licht. Licht über dem Tisch<br />

geht wieder an. Die Pastete wird von der Oberkellnerin und dem<br />

Oberküchenmeister serviert.<br />

Herzog<br />

Ah! ah! ah! Mit Recht nennt man dies die Königin der Speisen; mein <strong>Zwerg</strong><br />

<strong>Nase</strong> ist aber auch der König aller Köche! Nicht wahr, lieber Freund<br />

Fürst<br />

Der Fürst probiert, lächelt und nickt, Herzog strahlt, doch dann:<br />

Es ist ganz artig gemacht, aber die Souzeraine ist es doch nicht ganz.<br />

Der Herzog runzelt die Stirn, Wut steigt in ihm auf.<br />

Herzogin klingelt. Der Oberküchenmeister kommt herein.<br />

<strong>Zwerg</strong> <strong>Nase</strong>!<br />

Oberküchenmeister Zu Ihren Diensten, gnädige Frau.<br />

Herzog<br />

Jakob kommt.<br />

Hund von einem <strong>Zwerg</strong>! Wie wagst du es, deinem Herrn dies anzutun Soll<br />

ich dir deinen großen Kopf abhacken lassen zur Strafe für deine schlechte<br />

Kocherei<br />

Jakob<br />

Fürst<br />

Herzog<br />

bittet kniend<br />

Ich habe die Pastete nach allen Regeln der Kunst zubereitet. Sagt mir doch,<br />

was daran noch fehlt Lasst mich nicht sterben wegen einer Handvoll<br />

Fleisch oder Mehl!<br />

überheblich<br />

Es wird dir wenig nützen, auch wenn ich's dir sage. Es fehlt das Kräutlein<br />

Nies-mit-Lust. Hierzulande ist es aber gänzlich unbekannt.<br />

Und doch!<br />

steht dabei auf.<br />

Ich schwöre bei meiner herzoglichen Ehre: Entweder Ihr esst morgen die<br />

Pastete, wie Ihr sie verlangt, oder ich zeige Euch den Kopf dieses Burschen,<br />

aufgespießt auf dem Tor meines Palastes.<br />

Geh, du Hund! Ich gebe dir vierundzwanzig Stunden Zeit!<br />

Alle ab. Jakob in die Küche.<br />

20


5. AKT<br />

1. Bild<br />

In der Küche.<br />

Jakob<br />

Mimi<br />

Jakob<br />

Mimi<br />

Jakob<br />

Mimi<br />

Jakob<br />

Mimi<br />

Jakob<br />

Mimi<br />

Es ist aus! Ich muss sterben! Von diesem Kraut habe ich noch nie gehört.<br />

hüpft herein.<br />

Nies-mit-Lust, unter einer Bedingung kann ich dir helfen. Du musst wissen,<br />

ich kenne nämlich alle Kräuter, die es gibt, das wenigstens hat mir mein<br />

Vater beigebracht! Wo steht der Mond heute<br />

Was aber ist die Bedingung<br />

Wo steht der Mond heute<br />

Die Nacht ist sternenklar, vom Mond ist kein Zipfel zu sehen. Sage mir doch<br />

die Bedingung!<br />

Zu einer anderen Zeit wärst du des Todes gewesen. Glücklicherweise ist<br />

heute Neumond, und um diese Zeit blüht das Kräutlein Nies-mit-Lust, sonst<br />

ist es nicht zu sehen.<br />

Heute ist Neumond, das ist gewiss.<br />

Sind alte Kastanien in der Nähe des Palastes<br />

Oh ja, eine ganze Gruppe, unten am See.<br />

Lass uns eilen, bevor es dunkel wird.<br />

Jakob wirft einen Gegenstand, um die Wachen abzulenken. Diese rennen dem<br />

Gegenstand nach. Jakob und Mimi schleichen auf der anderen Seite hinaus.<br />

Vorhang.<br />

V. Akt, 2. Bild<br />

Vor dem geschlossenen Vorhang. Ein Baum ist angedeutet, es wird dunkler. Mimi sucht, ohne<br />

Erfolg. Sie und Jakob setzen sich verzweifelt auf einen Stumpf.<br />

Mimi<br />

Es ist hoffnungslos, wir finden es nicht. Es ist schon zu dunkel. Ich habe<br />

unter allen Kastanien gesucht.<br />

21


Jakob<br />

Es sei! Ich werde mich in den See stürzen, das ist allemal besser als geköpft<br />

zu werden.<br />

Steht auf, geht ein paar Schritte in Richtung See. Traurig, sinnend schaut er<br />

ins Leere über das Publikum.<br />

Doch schau, drüben über dem See, da steht noch eine uralte Kastanie. Ein<br />

letzter Versuch.<br />

Mimi geht hinter das Publikum, hält plötzlich an und hält das Kraut in den<br />

Händen. Kommt zurück.<br />

Mimi<br />

Jakob<br />

Das ist das Kräutlein! Dort drüben ist noch viel mehr davon.<br />

Hält ihm das Kraut unter die <strong>Nase</strong>.<br />

überwältigt<br />

Oh! ah! ah! Welch ein Wunder! Gelobt sei Gott! Welches Wunder!<br />

Ichglaube, es ist dasselbe Kraut, das mich aus einem Eichhörnchen in diese<br />

schändliche Gestalt verwandelte. Ich will es versuchen und seinen Duft<br />

kräftig einatmen!!<br />

Verwandlung: Musik, Vorhang öffnet sich einen Spalt, drei gute Geister<br />

kommen tanzend heraus. Jakob atmet tief ein und niest kräftig. Jakob<br />

erscheint in seiner ursprünglichen Gestalt, die guten Geister helfen ihm.<br />

Geister ab. Musik aus.<br />

Mimi<br />

Jakob<br />

Mimi<br />

Ha wie bist du groß, wie bist du schön.<br />

Eins fehlt mir noch zum Glück: Du! Auf zu deinem Vater, dem Zauberer<br />

Wetterbock. Wer ein rechter Zauberer ist, der wird doch wohl eine Gans in<br />

meine Braut verwandeln können.<br />

Gewiss!<br />

Vorhang ganz auf.<br />

V. Akt, 3. Bild<br />

Fürst<br />

Herzog<br />

Herzogin<br />

Du Lügner, du Aufschneider. Entwischt ist dir dein Königskoch.<br />

Hinaus aus meinem Haus!<br />

Wache!<br />

Die Wache befördert die Gäste hinaus.<br />

22


Fürstin<br />

Rührt mich nicht an, sonst beiße ich!<br />

Den Arm, mein Fürst!<br />

Gehen hochnäsig nach vorne ab. Herzog und Herzogin ab.<br />

Von links Jakobs Vater und Mutter mit Körben, von rechts Peter und Mimi,<br />

jetzt als hübsches Mädchen.<br />

Jakob<br />

Mutter!<br />

Umarmen sich.<br />

Vater<br />

Jakob!<br />

Umarmen sich.<br />

Jakob<br />

Meine Braut!<br />

Alle umarmen sich.<br />

Vater<br />

Das muss gefeiert werden. Kommt!<br />

Sie gehen nach hinten in die Bühne. Vorhang. Tanzmusik.<br />

ENDE<br />

Bearbeitung für eine 5. Klasse: Fritz Nollenberger, 2001/2002 FWS Heilbronn.<br />

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