Die Entstehung Mastholtes - Mastholte-Online
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<strong>Die</strong> <strong>Entstehung</strong> <strong><strong>Mastholte</strong>s</strong><br />
Ein Nachruf in einer Kölner Kirche<br />
Hinweis auf die <strong>Entstehung</strong> unseres Dorfes<br />
In Köln in der Nähe des Doms steht die<br />
romanische Kirche Groß St. Martin, erbaut in den<br />
Jahren 1150 bis 1240. <strong>Die</strong> dreischiffige Basilika ist<br />
berühmt wegen seiner im Innern öffentlich<br />
zugänglichen Ausgrabungen aus der Römerzeit. In<br />
einem Seitenschiff allerdings gibt es für uns hier in<br />
der ehemaligen Grafschaft Rietberg ein sehr<br />
interessantes Epitaph, einen in Stein gemeißelten<br />
Nachruf aus dem Jahre 1564:<br />
Im Kirchenführer steht dazu zu lesen: „Agnes,<br />
Gräfin von Bentheim, hat dieses Epitaph zur<br />
Erinnerung an ihren am 9. Dezember 1562<br />
verstorbenen Mann 1564 gestiftet.“ Es zeigt oben<br />
links als Wappen den „Rietberger Adler“, links unten<br />
die „Lippische Rose“, rechts oben das „Ostfriesische<br />
Wappen“. (Das vierte Wappen rechts unten ist nicht<br />
mehr erkenntlich.)<br />
DER TOLLE JOHANN VON RIETBERG<br />
Bert Bertling (15.07.2010)<br />
Auf dem Bild im Vordergrund die Kirche „Groß St. Martin“<br />
mit seinen vielen Türmen. Im Hintergrund der Kölner Dom<br />
Vor Fertigstellung des Domes vor 120 Jahren galt<br />
„Groß St. Martin“ als das Wahrzeichen Kölns.<br />
<strong>Die</strong>ses Epitaph galt dem Grafen Johann II. von Rietberg. Er wurde auch als „der tolle Johann“<br />
hier tituliert. In der Tat war er als Herrscher der Grafschaft Rietberg (1537-1562) als „enfant<br />
terrible“ weithin bekannt. Belagerungen, Störungen und zum Teil nicht erklärbare politische<br />
Schachzüge prägten sein Bild. Seine Frau Agnes, die Gräfin von Bentheim-Steinfurt, hat er auch<br />
nicht sonderlich freundlich behandelt. Ihr Epitaph ist wohl nur aus der Gepflogenheit der<br />
damaligen Zeit zu erklären. Wie nun kam der Nachruf nach Köln?<br />
Als der unruhige Johann, zugleich auch Graf von Ostfriesland, den Bogen überzogen hatte,<br />
setzten ihn die Nachbarn, der niederrheinisch-westfälische Reichskreis, unter anderen aus<br />
Lippstadt und Paderborn in seinem Rietberger Schloss gefangen. Er konnte zwar fliehen, wurde<br />
aber 1562 nach langer Robinsonade in Deutz gefangen genommen. Dort übergab ihn der Herzog<br />
von Jülich dem Erzbischof von Köln. <strong>Die</strong>ser steckte den unverbesserlichen Grafen in das<br />
Augustinerkloster St. Martin zu Köln. <strong>Die</strong> Grafschaft Rietberg kam unter Verwaltung des<br />
Reichskreises, verlor somit seine Eigenständigkeit.<br />
Obwohl sich selbst die Herrscherin der Niederlande, Margarethe von Parma, für ihn einsetzte,<br />
ließ man ihn nicht wieder frei. „In der klösterlichen Einsamkeit zeigte er stoischen Gleichmut und<br />
trug mit unbeugsamen Geist sein Schicksal. Dabei unterhielt er sich fleißig mit
wissenschaftlichen Übungen und übersetzte namentlich mehrere deutsche Werke in das<br />
Lateinische“, wie G.J. Rosenkranz 1853 schreibt.<br />
„RUTBERG“ IST RIETBERG<br />
Wegen der falschen Herkunftsangabe im Kirchenheft („Rutberg“) wand ich mich ans Kölner<br />
Denkmalamt und sandte meine Erkenntnisse dorthin. Rietberg schrieb sich nämlich damals auch<br />
schon mal „Rytberg“, also mit einem Y! In dem in Stein gemeißelten Epitaph ist der untere Teil<br />
des Y im Laufe der langen Zeit weggebrochen, so dass ein vermeintliches U übrig blieb. Der<br />
Leiter des Denkmalamtes bedankte sich, versprach Berichtigung und schrieb hinzu: „Ich kenne<br />
Rietberg, bin in Wiedenbrück geboren und in Lippstadt zur Schule gegangen.“<br />
In der Kölner Kirche „Groß St. Martin“, einer ehemaligen Augustiner-Klosterkircher, finden wir<br />
im hinteren Teil dieses Epitaph, ein in Stein gemeißelter Nachruf auf den Grafen Johann II. von Rietberg, gestiftet von seine<br />
Ww. Agnes von Bentheim nach dem Tode des Gatten im Jahre 1564, über die Jahre schon stark verwittert und schwer lesbar.
Was nun hat diese ganze Geschichte mit <strong>Mastholte</strong> zu tun? Agnes von Bentheim war ja nun<br />
Verwalterin des Erbes ihres Gemahls - aber welches Erbe konnte sie verwalten? Nicht nur in der<br />
damaligen Zeit hatte zum Beispiel eine Niederlage wie die des „tollen Johann“ zur Folge, das er<br />
zunächst einmal allen Besitz verlor. <strong>Die</strong> Grafschaft Rietberg fiel nach dem Tod Johanns an den<br />
Lehnsherrn Landgraf Philipp. Agnes aber versuchte nach dem Tod ihres Mannes 1562 die<br />
Grafschaft für Ihre Tochter Armgard zurück zu bekommen.<br />
RÜCKBLICK<br />
Es gab seit dem 12. Jahrhundert eine Burg an der Ems. Um diese Burg (Rietberg) herum<br />
versuchten die Grafen auf dieser Burg, beginnend mit Konrad I. (1237-1264), „im Windschatten<br />
und in der Grenzlage der Diözesen Münster - mit den Bauerschaften <strong>Mastholte</strong> und Moese, und<br />
Osnabrück mit den Kirchen zu Neuenkirchen und Rietberg, und Paderborn, ... mit den<br />
Bauerschaften Liemke und Sende ...“ eine eigene Landesherrschaft, sprich: die Grafschaft<br />
Rietberg zu schaffen.<br />
Bis in die Zeit des besagten „Tollen Johanns“ war man schon weit gekommen - aber noch nicht<br />
ganz fertig. Vor allem der südliche Teil (Moese und <strong>Mastholte</strong>) schien nicht eindeutig zu<br />
vereinnahmen zu sein.<br />
Wir kennen dazu die Bemühungen der Rietberger Grafen, etwa den Kapellenbau um 1400 für<br />
die <strong>Mastholte</strong>r, weil die Menschen noch immer zur Wadersloher Kirche gehörten, also eigentlich<br />
zum Fürstbistum Münster gehörten. <strong>Die</strong> älteste bekannte Einwohnerliste von <strong>Mastholte</strong> auch<br />
führte die Bauerschaft <strong>Mastholte</strong> als "Vogtey" - als Schutzgebiet der Rietberger. <strong>Die</strong> nach<br />
Rietberg vorgelagerte Bauerschaft Moese war ohnehin zum großen Teil auf Rietberg orientiert.<br />
Man war also sehr bemüht von Rietberg aus, diesen südlichen Teil der Grafschaft sich nun<br />
endlich einzuverleiben. Aber die <strong>Mastholte</strong>r, die damals noch von Wadersloh aus "Ostholter"<br />
hießen, gehörten wie viele der Moeser aber eben zum Kirschspiel nach Wadersloh. Und<br />
Wadersloh unterstand herrschaftlich dem Fürstbischof von Münster.<br />
HARTNÄCKIGE AGNES VON BENTHEIM<br />
Nach dem Desaster mit dem tollen Johann schien dies alles nun doch sehr in Frage gestellt.<br />
Aber Agnes von Bentheim ließ nicht nach, die Grafschaft für ihre Tochter zu retten: Der<br />
Briefwechsel, den Agnes wegen der Rückgabe der Grafschaft mit ihm führte , zeigt sie als<br />
ungewöhnlich sachkundig, aber auch hartnäckig wie diplomatisch. Sie will die Grafschaft für<br />
ihre Tochter Armgard. Von 1563 bis 1665 kämpft sie darum auch mit kräftiger Finanzhilfe. 1565<br />
zahlt sie 12.000 rheinische Goldgulden an den Hessen und die Töchter werden mit der<br />
Grafschaft Rietberg belehnt, bekommen ihren Wunsch erfüllt.<br />
Es gab vorher viele Ortstermine an der Grenze zum Fürstbistum Paderborn. Man einigte sich<br />
schließlich über die Grenze und fertigte eine Zeichnung und eine colorierte Karte darüber an mit<br />
Datum 7. Juni 1565 an. <strong>Die</strong> Rückgabe der Grafschaft an Agnes von Bentheim erfolgte dann am<br />
14. Oktober 1566. Eine Kopie der Karte hängt im Heimathaus <strong><strong>Mastholte</strong>s</strong> - ich habe daraus schon<br />
vor zehn Jahren einen Ausschnitt in meinem <strong>Mastholte</strong>-Buch veröffentlicht. Schon damals
wurden erstmals Grenzsteine gesetzt, die dann 1754 vom damaligen österreichischen Besitzer der<br />
Grafschaft Rietberg erneuert wurden und bis heute zum großen Teil noch da sind!<br />
GRENZSTEINE UND DIE ENTSTEHUNG MASTHOLTES<br />
"Zur gegenseitigen Sicherheit wurden im Juni 1572 entlang der 1565 festgelegten Linie<br />
zwischen dem Freistuhl und Hellerfort (Hofstätte nördlich von Liemke. d. Autor) Grenzsteine<br />
gesetzt. Bei dieser Gelegenheit räumte man letzte Unklarheiten aus." <strong>Die</strong>se "Unklarheiten" im<br />
Osten waren es auch, die ständige Scharmützel über Jahrzehnte zwischen der sich<br />
konsolidierenden Graftschaft Rietberg und Paderbom abspielten und verhinderten, dass im<br />
südlichen Teil der Grafschaft (Moese und <strong>Mastholte</strong>) klare Verhältnisse einkehrten. Desgleichen<br />
ist mit dem weit entfernten Fürstbischof von Münster im Westen nicht bekannt.<br />
Grenzstein zwischen der Grafschaft Rietberg und dem Füstbistum<br />
Paderborn von 1757:Hier die Paderborner Seite: CABZP – Clemens<br />
August, Bischof zu Paderborn Auf der Rückseite können wir lesen:<br />
WACZR: Wenzel Anton, Comes (Graf) zu Rietberg<br />
Schon damals also wurden erstmals<br />
Grenzsteine gesetzt, die dann 1754 - 1757<br />
vom damaligen österreichischen Besitzer<br />
der Grafschaft Rietberg erneuert wurden<br />
und bis heute zum großen Teil noch da<br />
sind! Allein in <strong>Mastholte</strong> 11 von 88<br />
insgesamt.<br />
Es war schließlich der Graf Erich von<br />
Hoya, der Tochter Armgard geheiratet<br />
hatte: Er wollte nun auch noch den<br />
südlichen Teil der Grafschaft mit Moese<br />
und <strong>Mastholte</strong> endgültig zum Grafschafts-<br />
Gebiet hinzugewinnen. Das gelang ihm mit<br />
einem äußerst geschickten Schachzug:<br />
Der Leser mag sich sehr wohl vorstellen,<br />
mit welchen Beschwernissen die<br />
Zugehörigkeit zum weit entfernten<br />
Wadersloh für die Ostholter (<strong>Mastholte</strong>r)<br />
Pfarrangehörigen belastet war. Mit dem<br />
Bau der Kapelle um 1400 schon nahmen<br />
die Grafen von Rietberg seinen Hörigen<br />
zumindest einen Teil der täglichen<br />
Beschwernisse ab. Denn die Lage der<br />
Kapelle in unmittelbarer Nähe des "Meiers<br />
zu <strong>Mastholte</strong>" lässt zumindest vermuten,<br />
dass der Rietberger Graf neben den<br />
damaligen Markgenossen an der Erstellung<br />
der Kapelle um 1400 beteiligt war.
Erich von Hoya bot den <strong>Mastholte</strong>rn an, die erwähnte Kapelle zur Pfarrkirche zu erheben mit<br />
allem „Drum und Dran“. <strong>Die</strong> <strong>Mastholte</strong>r brauchten nicht mehr nach Wadersloh zur Kirche (12<br />
km Fußweg!), konnten um die eigene Kirche ihre nun Toten beerdigen. Alles mit einem Haken:<br />
Sie mussten evangelisch werden, denn Rietberg war im Zuge der Reformation evangelisch<br />
geworden.<br />
<strong>Die</strong> Karte von der Grenzziehung zwischen der Grafschaft Rietberg und dem Fürstbistum Paderborn. Sie<br />
wurde nach etlichen Ortsterminen mit ausführlichen Schnadgängen bei der Einigung über die Grenze<br />
mit Datum von 7. Juni 1565 angefertigt. Zu ihr gibt es noch eine Arbeitsskizze, wie ich sie nennen will,<br />
ebenfalls aus dem Jahr, in dem auch der südliche Teil der Grafschaft mit Moese und <strong>Mastholte</strong> seine<br />
endgültige Grenzen fand. Sie gelten in den wesentlichen Teilen bis heute. Auf der Karte ist übrigens<br />
oben „Süden“ und rechts der „Westen“.<br />
So war das damals üblich.
<strong>Die</strong> <strong>Mastholte</strong>r akzeptierten. Und so schuf Erich von Hoya 1570 das evangelische Kirchspiel<br />
<strong>Mastholte</strong> aus den Bauerschaften Moese, <strong>Mastholte</strong> und Nordfechteler. Er schuf damit das<br />
heutige <strong>Mastholte</strong>!<br />
Schon 1610 waren alle wieder katholisch. Aber das ist einen andere Geschichte.<br />
Anmerkungen:<br />
1 Vergl. Friedrich-Wilhelm Hemann „Territorialsierung und Grenzkonflikt“ in Archivpflege in<br />
Westfalen und Lippe, Heft 40, 1994, Seite 20<br />
2 G.J. Rosenkranz „Das Land Rietberg und seine Grafen - 1075 bis 1807“, 1853<br />
3 Hemann, a.a.O., Seite 17<br />
4 Vergl. Bert Bertling "<strong>Die</strong> <strong>Entstehung</strong> des Kirchspiels <strong>Mastholte</strong>" in "Beiträge zur <strong>Mastholte</strong>r<br />
Ortsgeschichte" - Heft 2, 1985, Seite 13<br />
5 Bernd Ulrich Hucker „<strong>Die</strong> Grafen von Hoya“, 1993, Seite 106 f<br />
6 Bertling, ebenda