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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

<strong>Humboldt</strong>-Universität <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Juristische Fakultät<br />

Institut für deutsches und europäisches Unternehmens-,<br />

Wirtschafts- und Arbeitsrecht<br />

Lehrstuhl für Handels-, Wirtschafts- und Arbeitsrecht<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. Christine <strong>Windbichler</strong><br />

<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop<br />

Unter den Linden 6, D 10099 <strong>Berlin</strong><br />

Zimmer 126, Kommode<br />

Telefon 030/2093 3647 / 3528 (Sekr.)<br />

Telefax 030/2093 3733<br />

Kaspar.Krolop@rewi.hu-berlin.de<br />

___________________________________________________________________________<br />

Das Verhältnis von Kapitalverkehrsfreiheit und<br />

Niederlassungsfreiheit bei Investoren aus <strong>Dr</strong>ittstaaten<br />

<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop, <strong>Berlin</strong><br />

abgedruckt im Band: Čech/Krolop (Hrsg.) Folgen der aktuellen Europäischen<br />

Rechtsentwicklung für die grenzüberschreitende Mobilität von Gesellschaften,<br />

Prag/<strong>Berlin</strong>, 2008<br />

(Schriftenreihe der juristischen Fakultät der Karls-Universität Prag, Band 40)<br />

A. Einleitung – Die besondere Bedeutung der Abgren<strong>zu</strong>ng der Grundfreiheiten<br />

aufgrund der erga omnes Wirkung der Kapitalverkehrsfreiheit<br />

I. Die erga omnes Wirkung der Kapitalverkehrsfreiheit und ihre Folgen für die<br />

Bedeutung der Abgren<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> anderen Grundfreiheiten<br />

II. Die geplante AWG-Novelle <strong>zu</strong>r Beschränkung von Investitionen aus <strong>Dr</strong>ittstaaten<br />

1. Exkurs: Rechtspolitischer Hintergrund des Regelungsvorhabens<br />

2. Die geplante AWG-Novelle und deren Einordnung in die Systematik der<br />

Grundfreiheiten<br />

III. Gang der Untersuchung<br />

B. Die Überschneidung von Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit bei staatlichen Sonderrechten<br />

in börsennotierten Aktiengesellschaften („golden shares“)<br />

I. Ausgangslage<br />

1. Der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit<br />

2. Der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit<br />

II. golden shares als Problem im Überschneidungsbereich von Kapitalverkehrs- und<br />

Niederlassungsfreiheit<br />

III. Die Behandlung der Überschneidung durch den EuGH in golden shares<br />

IV. Die Deutung der Rechtsprechung des EuGH im Schrifttum<br />

1.Kapitalverkehrsfreiheit als lex specialis<br />

2. Subsidiarität der Kapitalverkehrsfreiheit gegenüber der Niederlassungsfreiheit<br />

3. Idealkonkurrenz<br />

V. Derzeitiger Stand: unklare Verhältnisse wegen geringer praktischer Relevanz<br />

- 1 -


<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

C. Neue Brisanz bei golden shares / altbekannte Probleme im steuerrechtlichen Kontext<br />

I. Hintergrund: Steuerrecht, Gemeinschaftsrecht und Grundfreiheiten<br />

II. Die besondere Relevanz der Abgren<strong>zu</strong>ng bei steuerrechtlichen Sachverhalten<br />

III. Besonderheiten gegenüber der golden-share-Rechtsprechung<br />

D. Das Verhältnis von Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit in der<br />

Rechtsprechung des EuGH <strong>zu</strong> steuerrechtlichen Sachverhalten<br />

I. Ausgangspunkt: Die Entscheidungen Lankhorst und Cadbury Schweppes<br />

II. Die Entscheidung Lasertec<br />

III. Parallele Fidium Finanz<br />

IV. Die Entscheidung Holböck<br />

1. Vom konkreten Verhaltens des Investors losgelöste Beurteilung der Norm<br />

2. Bereich der „kumulativen Anwendung“<br />

V. Fazit: Überlagerung der Kapitalverkehrsfreiheit durch die Niederlassungsfreiheit<br />

E. Prologomena für die Bewältigung der Überlagerungsproblematik<br />

I. Ausganglage<br />

1. Parallele: Verhältnis von Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht<br />

2. „Zielen auf bestimmenden Einfluss“ als <strong>Dr</strong>eh- und Angelpunkt<br />

II. „Control“ als Scheidelinie zwischen Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit<br />

1. Das Verhältnis <strong>zu</strong> den Begriffen „Konzern“ und „Abhängigkeit“<br />

2. Der Kontrollbegriff im Übernahmerecht<br />

3. Notwendigkeit einer vom nationalen Recht losgelösten „autonomen Auslegung“<br />

4. Das control-Konzept in der europäischen Rechnungslegung<br />

5. Folgerungen<br />

III. Das Kontinuum von der Portfolio-Beteiligung <strong>zu</strong>m integrierten Konzern<br />

1. Sperrminorität als Typisierung des „bestimmenden Einflusses“<br />

2. „Bedeutende“ Beteiligung und „Direktinvestition“<br />

3. Zwischenfazit: Abgren<strong>zu</strong>ngsproblematik als Spiegelbild der Konzernrechtsdiskussion<br />

IV. Markante Fixpunkte auf dem Kontinuum<br />

1. Indizwirkung der 10%-Schwelle als Untergrenze der Direktinvestition<br />

2. Indizwirkung der Kontrolle i.S.d. control-Konzepts<br />

V. Behandlung des Bereichs zwischen den Fixpunkten<br />

1. Notwendigkeit der Einzelfallbetrachtung<br />

2. Bewertung und Leitlinien<br />

3. Anwendungsbeispiel für die Gesamtbetrachtung: Die AWG-Novelle<br />

F. Folgerungen für das Verhältnis der Grundfreiheiten bei golden share-Konstellationen<br />

I. Die AWG-Novelle aus der „Lasertec-Perspektive“<br />

II. Überprüfung der Ergebnisse anhand der VW-Entscheidung<br />

III. Scheinbare und tatsächliche Widersprüche<br />

1. Formale Betrachtungsweise<br />

2. Unmittelbare Betroffenheit beider Grundfreiheiten<br />

3. Zwischenfazit<br />

4. Folgerungen für die Bewertung der AWG-Novelle<br />

5. Folgerungen allgemein<br />

G. Fazit und Ausblick<br />

I. Fazit<br />

II. Bewertung und Ausblick<br />

- 2 -


<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

A. Einleitung – Die besondere Bedeutung der Abgren<strong>zu</strong>ng der Grundfreiheiten<br />

aufgrund der erga omnes Wirkung der Kapitalverkehrfreiheit<br />

I. Die erga omnes Wirkung der Kapitalverkehrsfreiheit und ihre Folgen für die<br />

Bedeutung der Abgren<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> anderen Grundfreiheiten<br />

Eine besondere Bedeutung nimmt in diesem Zusammenhang die Kapitalverkehrsfreiheit ein.<br />

Im Gegensatz <strong>zu</strong> den anderen Grundfreiheiten erstreckt sich die Kapitalverkehrsfreiheit<br />

ausweislich des eindeutigen Wortlauts von Art. 56 Abs. 1 EGV 1 im Gegensatz <strong>zu</strong> anderen<br />

Grundfreiheiten auch auf <strong>Dr</strong>ittstaaten. Damit können sich im Ausgangspunkt auch Investoren<br />

aus Ländern wie China, Russland oder Iran auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen 2 . Dies<br />

wird teilweise auch als erga omnes Wirkung bezeichnet. Dies bedeutet, dass Mitgliedstaaten,<br />

den Kapitalverkehr aus <strong>Dr</strong>ittstaaten einschränken oder kontrollieren wollen, grundsätzlich<br />

dieselben Beschränkungen einhalten müssen, wie gegenüber EU-Mitgliedsstaaten. Die von<br />

Teilen des Schrifttums befürwortete Differenzierung bei Anforderungen an die Rechtfertigung<br />

etwaiger Beschränkungen hat bisher beim EuGH keine Gefolgschaft gefunden. 3<br />

Es mag auf den ersten Blick rechtspolitisch fragwürdig erscheinen, <strong>Dr</strong>ittstaaten an der Kapitalverkehrsfreiheit<br />

teilhaben <strong>zu</strong> lassen, ohne dass eine vergleichbare Freiheit für Investitionen für EU-Staaten in diesen <strong>Dr</strong>ittstaaten<br />

gewährleistet ist. Das Europarecht verkennt nicht, dass die Handlungsoption erhalten werden muss, auf<br />

Beschränkung des Mark<strong>zu</strong>gangs seitens von <strong>Dr</strong>ittstaaten <strong>zu</strong> reagieren und umgekehrt auch deren Unternehmen<br />

Beschränkungen auf<strong>zu</strong>erlegen. Das ist auch im Welthandelsrecht als Prinzip der Reziprozität anerkannt. 4 Jedoch<br />

sollen <strong>zu</strong>m Zwecke der Schaffung und der Funktionsfähigkeit eines europäischen Kapitalmarkts etwaige<br />

dahingehende Beschränkungen durch alle Mitgliedstaaten koordiniert erfolgen, um einen Flickenteppich von<br />

kleinen Kapitalmärkten mit unterschiedlichen Zugangsvorausset<strong>zu</strong>ngen <strong>zu</strong> verhindern. 5 Der EGV sieht durchaus<br />

die Möglichkeit von Schutzmaßnahmen, auch <strong>zu</strong>gunsten einzelner Staaten, vor. 6<br />

Damit ist bei Beteiligung von <strong>Dr</strong>ittstaaten die schwierige Abgren<strong>zu</strong>ng der<br />

Kapitalverkehrsfreiheit <strong>zu</strong> anderen Grundfreiheiten, insbesondere von der<br />

Niederlassungsfreiheit von besonderer Relevanz. Diese Frage betrifft nicht nur eventuelle<br />

Differenzierungen der Maßstäbe für die Rechtfertigung von Beschränkungen, sondern die<br />

Frage, ob sich ein Investor aus einem <strong>Dr</strong>ittstaat überhaupt auf die Grundfreiheit berufen kann.<br />

II. Die geplante AWG-Novelle <strong>zu</strong>r Beschränkung von Investitionen aus <strong>Dr</strong>ittstaaten<br />

Ein deutsches Gesetzesvorhaben macht deutlich, wie brisant die Abgren<strong>zu</strong>ngsfrage sein kann.<br />

Die Bundesregierung plant eine Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG), wonach das<br />

Bundeswirtschaftsministerium die Befugnis haben soll, den Erwerb einer Beteiligung an<br />

Unternehmen mit Sitz in Deutschland ab eine Höhe von 25 % der Stimmrechte durch<br />

1 … alle Beschränkungen zwischen Mitgliedsstaaten sowie zwischen Mitgliedsstaaten und dritten Ländern<br />

verboten“.<br />

2 Kluth/Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Art. 56 EGV Rn. 13 f. m.w.N.<br />

3 Da<strong>zu</strong> näher unten bei F.II.<br />

4 Insbesondere auch im Rahmen der WTO, vgl. Art. III und Art. VIII GATT; näher da<strong>zu</strong> Herdegen,<br />

Internationales Wirtschaftsrecht, § 9 Rn. 32.<br />

5 Überblick über für die Kapitalverkehrsfreiheit relevante Vereinbarungen zwischen der EU-Staaten und Nicht-<br />

EU Staaten bei Ress/Ukrow, in Grabitz/Hilf Art. 56 EGV Rn. 88 ff. m.w.N.<br />

6<br />

Zu den Optionen, die insoweit bestehen vgl. insbesondere Art. 59 EGV; näher da<strong>zu</strong> Bröhmer in:<br />

Calliess/Ruffert, Art. 59 EGV Rn. 1 ff. m.w.N.<br />

- 3 -


<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

ausländische Investoren <strong>zu</strong> untersagen, wenn dies für die Wahrung der Belange der<br />

„öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ erforderlich ist. 7<br />

1. Exkurs: Rechtspolitischer Hintergrund des Regelungsvorhabens 8<br />

In Teilen der Politik wird befürchtet, dass mittels Beteiligung durch sogenannte Staatsfonds<br />

oder allgemein ausländische Investoren aus Ländern, bei denen die Wirtschaft teilweise unter<br />

staatlicher Kontrolle steht, Staaten wie etwa Russland oder China, diese Staaten Einfluss auf<br />

die deutsche Wirtschaft gewinnen. Damit hat man Szenarien vor Augen, wie etwa eine<br />

Übernahme von E.ON und/oder RWE durch Gazprom. Dies würde da<strong>zu</strong> führen, dass<br />

Russland in bedeutenden Teilen Deutschlands jederzeit den Strom abstellen könne.<br />

Konkreter Anlass für das Gesetzesvorhaben sind vor allem die verstärkten Aktivitäten und<br />

steigenden Volumina von Staatsfonds aus Staaten wie Russland und China. Bei den<br />

Staatsfonds handelt es sich um keinen rechtstechnischen Begriff. Er bezeichnet einen vom<br />

Staat initiierten und unmittelbar oder mittelbar kontrollierten Pool von Währungsreserven<br />

<strong>zu</strong>m Zwecke der gewinnbringenden Geldanlage. Worin wird das Gefahrenpotential gesehen<br />

Zum einen könnte es sich daraus ergeben, dass Staatsfonds im Gegensatz <strong>zu</strong> den sog.<br />

institutionellen Investoren (Banken, Versicherungen oder Pensionsfonds) nicht einer<br />

speziellen öffentlich-rechtlichen Aufsicht und bestimmten Vorgaben hinsichtlich der<br />

Anlagepolitik unterliegen. Dies trifft aber auch auf die sogenannten Hedgefonds <strong>zu</strong>. Für den<br />

Bereich der Hedgefonds betont die Bundesregierung die Notwendigkeit von internationalen<br />

Lösungen und setzt einstweilen auf die Herstellung von Transparenz. 9 Das Spezifikum beim<br />

Staatsfonds wird vielmehr in der Gefahr gesehen, dass diese Staaten über die Beteiligung von<br />

Staatsfonds an deutschen Unternehmen politischen <strong>Dr</strong>uck durch wirtschaftliche Macht<br />

ausüben könnten. Gleiches gelte für ausländische Unternehmen, die <strong>zu</strong>m bedeutenden Teil in<br />

staatlicher Hand seien. Daneben wird teilweise auch der Ent<strong>zu</strong>g von Know How,<br />

insbesondere bei Schlüsseltechnologien, befürchtet. 10<br />

Rechtstatsachen und Einschät<strong>zu</strong>ngen <strong>zu</strong> Aktivitäten von Staatsfonds - Das geschätzte<br />

Gesamtanlagevolumen der Staatsfonds im Jahr 2005 betrug 3,2 Billionen US-Dollar. Das ist nur ein Bruchteil<br />

des Gesamtanlagevolumens der institutionellen Anleger, aber immerhin deutlich mehr als doppelt so groß wie<br />

das geschätzte Anlagevolumen der Hedgefonds. 11 Diese durchaus beeindruckenden Zahlen sind jedoch im Lichte<br />

der Anlagepolitik der Staatsfonds <strong>zu</strong> sehen. Die Staatsfonds sind bereits seit 1953 bekannt. 12 Staatsfonds<br />

7<br />

Regierungsentwurf eines dreizehnten Gesetzes <strong>zu</strong>r Änderung des Außwenwirtschaftsgesetzes und der<br />

Außenwirtschaftsverordnung (nachfolgend RegE); im Internet unter www.bmwi.de / Service / Gesetze /<br />

Außenwirtschaft.<br />

8 Näher <strong>zu</strong>m Ganzen Krolop, <strong>Humboldt</strong> Forum, 1-2008, S. 1 ff.; ders. ZRP 2008, 40 ff.; Martini, DÖV 2008,<br />

314 ff.; Weller, ZIP 2008, 857 ff.<br />

9 Gesetz <strong>zu</strong>r Begren<strong>zu</strong>ng der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegren<strong>zu</strong>ngsgesetz) v.<br />

12.08.2008, BGBl. I 2008, Nr. 38., S. 1666; im Internet unter www.jura.uniaugsburg.de/de/prof/moellers/materialien.<br />

10 Vgl. u.a. CDU Strategiepapier <strong>zu</strong>r Standortpolitik Abschn. III.3.; differenzierter aus volkswirtschaftlicher<br />

Sicht Sinn www.sueddeutsche.de / Wirtschaft / Aquariumsgespräch.<br />

11 Das geschätzte Anlagevolumina dieser Investoren belief sich 2005 auf ca. 44,5 Billionen US-Dollar; das der<br />

Hedge Fonds auf ca. 1,4 Billionen. Diese und die nachfolgenden Zahlenangaben nach „Staatsfonds – Staatliche<br />

Auslandsinvestitionen im Aufwind“ der Deutschen Bank (Autor: Steffen Kern) im Internet unter<br />

www.dbresearch.com / Banken, Finanzmärkte und Regulierung.<br />

12 In diesem Jahr wurde die Kuwait Investment Authority (KIA) gegründet. Die Mehrzahl der bekannten<br />

Staatsfonds, darunter auch der größten bekannte Staatsfonds ADIA der Vereinigten Arabische Emirate, gibt es<br />

seit den 70-er Jahren, vgl. vorstehende Fn.<br />

- 4 -


<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

investieren ganz vorwiegend in börsennotierte Wertpapiere. Aktien machen zwar einen bedeutenden, aber<br />

keineswegs den dominierenden Teil der Portfolien von Staatsfonds aus. Ferner haben Staatsfonds im Gegensatz<br />

<strong>zu</strong> vielen Hedgefonds häufig einen sehr langfristigen Anlagehorizont, sind weniger risikofreudig und meiden<br />

spekulative Anlagen. Auch waren sie bisher eher <strong>zu</strong>rückhaltend hinsichtlich der Einmischung in die<br />

Geschäftspolitik der betroffenen Unternehmen. 13 Zu einer Instrumentalisierung der Beteiligungen <strong>zu</strong>r Ausübung<br />

politischen <strong>Dr</strong>ucks ist es bisher, soweit ersichtlich, nicht gekommen.<br />

Trotz der bedeutenden Volumina der Staatsfonds geht vorliegend von ihnen – legt man die bisher gemachten<br />

Erfahrungen <strong>zu</strong>grunde – keine konkrete, sondern allenfalls eine latente Gefahr einer politischen<br />

Instrumentalisierung aus. Die Ambivalenz beim Engagement von Staatsfonds wird auch bei den aktuellen durch<br />

die Subprime Crisis ausgelösten Turbulenzen auf dem Kapitalmarkt deutlich: Das Engagement von Staatsfonds<br />

bei angeschlagenen Banken wurde als dringend benötigte Finanzspritze von Politik und Wirtschaft begrüßt.<br />

Allerdings sind Fonds aus China und Russland, die letztlich den Anstoß für die Debatte geliefert haben, erst<br />

kürzlich auf den Plan getreten. 14 Insgesamt verfügen sie bereits derzeit über ein geschätztes Volumen, das fast<br />

der Hälfte der Börsenkapitalisierung aller deutschen Aktiengesellschaften entspricht 15 . Ferner entfalten operativ<br />

aktive Gesellschaften, die sich ganz oder überwiegend in der Hand der genannten Staaten befinden, <strong>zu</strong>nehmend<br />

Aquisitionsaktivitäten innerhalb der EU. Auch der Erwerb eines bedeutenden Anteilspakets beim Börsengang<br />

des Finanzinvestors Blackstone durch die China Investment Company wird verbreitet als Indiz dafür gesehen,<br />

dass sich russische und chinesische Fonds nicht unbedingt so verhalten werden, wie man es bisher von den<br />

altbekannten Staatsfonds gewöhnt war. 16<br />

2. Die geplante AWG-Novelle und deren Einordnung in die Systematik der<br />

Grundfreiheiten<br />

Inwieweit diese Befürchtungen berechtigt sind, ist Gegenstand einer intensiven<br />

rechtspolitischen Diskussion, die sich vor allem an einem Referentenentwurf des<br />

Bundeswirtschaftsministeriums für eine Novellierung des Außenwirtschaftsgesetzes<br />

(nachfolgend: AWG-Novelle) entzündete 17 , dem kürzlich der vom Bundeskabinett<br />

beschlossene Regierungsentwurf 18 folgte. <strong>Hier</strong>nach soll das Bundeswirtschaftsministerium die<br />

Befugnis haben, den Erwerb einer Beteiligung an Unternehmen mit Sitz in Deutschland ab<br />

einer Höhe von 25 % der Stimmrechte durch Investoren mit Sitz außerhalb der EU <strong>zu</strong><br />

untersagen, wenn eine „tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein<br />

Grundinteresse der Gesellschaft (gemeint ist die Gesellschaft im Sinne von Gemeinwesen)<br />

berührt“. 19 Es soll dabei vordergründig nicht um Protektionismus vor konkurrierenden<br />

Unternehmen gehen, sondern um den Schutz vor der Einflussnahme durch als potentiell<br />

„gefährliche“ <strong>Dr</strong>ittstaaten außerhalb der EU, insbesondere Russland, China, Iran, sonstige<br />

arabische Länder. Deshalb soll die Regelung nur dann eingreifen, wenn der Investor seinen<br />

13<br />

Vorfälle wie das Erzwingen der Ablösung eines Vorstandsvorsitzenden oder die Zerschlagung von<br />

Unternehmen, welche die Diskussionen um Hedgefonds ausgelöst haben, sind bei Staatsfonds kaum bekannt<br />

geworden, nähere Angaben da<strong>zu</strong> in der in Fn. 11 genannten Studie.<br />

14 Dabei nehmen sich die Volumina des 2003 gegründeten Stabilization Fund of the Russian Federation (SFRF)<br />

und der 2007 gegründeten Ltd. mit 127 Mrd. bzw. 200 Mrd. US-Dollar im Vergleich <strong>zu</strong>m größten Fonds ADIA<br />

(o. Fußn. 5 / 875 Mrd. Dollar) gerade<strong>zu</strong> bescheiden aus.<br />

15 Rechnet man <strong>zu</strong> den in Fußn. 14 genannten Fonds die jüngst gegründeten Fonds Chinas und Russlands hin<strong>zu</strong>,<br />

ergibt sich vorsichtig geschätzt ein Gesamtvolumen von 559 Mrd. US-Dollar. Laut Factbook des Deutschen<br />

Aktieninstituts 2006 betrug die Börsenkapitalisierung im Jahr 2005 ca. 1.015,2 Mrd. EUR.<br />

16 Vgl. Süddeutsche Zeitung v. 31.10.2007.<br />

17 Vgl. oben in Fn. 11 genannte Quellen.<br />

18 Siehe oben Fn. 7.<br />

19 § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 Außenwirtschaftsgesetz (AWG) in der Fassung des RegE <strong>zu</strong>r 13. AWG-Novelle (oben<br />

Fn. 6).<br />

- 5 -


<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

Sitz außerhalb der EU hat (in der Terminologie des AWG „gemeinschaftsfremde Peson) oder<br />

eine gemeinschaftsfremde Person mit 25 % oder mehr an dem Investor beteiligt ist. 20<br />

Da sich Investoren aus <strong>Dr</strong>ittstaaten auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen können, sind<br />

grundsätzlich die hohen Anforderungen des EuGH an eine Rechtfertigung einer<br />

Beschränkung des Anteilserwerbs an Aktiengesellschaften 21 sowie von staatlichen<br />

Sonderrechten bei börsennotierten Aktiengesellschaften 22 – Stichwort Goldene Aktien bzw.<br />

golden shares– <strong>zu</strong> beachten. <strong>Hier</strong> begibt man sich aber auf ein sehr schwieriges Terrain, das<br />

noch lange nicht im Detail vermessen ist. 23 An dieser Stelle können nur einige Hinweise <strong>zu</strong>r<br />

Groborientierung gegeben werden. In formaler Hinsicht verlangt der EuGH, dass die Belange<br />

und die Vorausset<strong>zu</strong>ngen für ein Verbot des Anteilserwerbs an präzise formulierte, konkrete,<br />

nicht diskriminierende Vorausset<strong>zu</strong>ngen geknüpft werden, und der Behörde kein <strong>zu</strong> weiter<br />

Ermessensspielraum überlassen werden darf. Darüber hinaus muss die Möglichkeit effektiven<br />

gerichtlichen Rechtsschutzes bestehen. 24 In materieller Hinsicht muss die Maßnahme einem<br />

zwingenden Belang des Allgemeinwohls dienen. Der EuGH hat anerkannt, dass das Anliegen,<br />

Versorgungssicherheit <strong>zu</strong> gewährleisten, ein derartiger Belang sein kann, der ein Verbot des<br />

Anteilserwerbs rechtfertigen könne. 25 Aber es muss eine tatsächliche, hinreichend schwere<br />

Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ vorliegen und die Maßnahme muss für deren<br />

Bekämpfung erforderlich sein. 26 Selbst bei Maßnahmen, die den Anteilserwerb nicht<br />

ausschließen, sondern nur weniger attraktiv machen, ist der EuGH – wie jüngst gerade wieder<br />

das VW-Urteil gezeigt hat 27 - sehr restriktiv. Daraus folgt, dass ein Verbot des<br />

Anteilserwerbs, der den Gebrauch der Kapitalverkehrsfreiheit verdrängt nicht nur erschwert,<br />

sondern letztlich ausschließt, ultima ratio sein muss. 28 Ob der Gesetzesentwurf diesen<br />

Kriterien genügt, ist sehr zweifelhaft. 29 Diese Frage kann und soll hier nicht umfassend<br />

erörtert werden. 30<br />

20 § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AWG i.V.m. § 53 Abs. 1 der Außenwirtschafsverordnung in der Fassung des RegE <strong>zu</strong>r<br />

13. AWG-Novelle (oben Fn. 6); <strong>zu</strong> Einzelheiten siehe Krolop <strong>Humboldt</strong>-Forum Recht, 1-2008, 1, 3 ff. und die<br />

oben in Fn. 8 genannten Quellen.<br />

21 Vgl. vor allem EuGH v. 4. 6. 2002 (Kommission der EG/Portugiesische Republik), Slg. 2002, I-4731.<br />

22 Zuletzt EuGH v. 23.10.2007 (Kommission/Bundesrepublik Deutschland - VW), Rs. C-112/05, Slg. I-8995.<br />

23 Grundmann/Möslein, ZGR 2003, 317 ff.; Kluth/Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Art. 56 EGV Rn. 25 ff. m.w.N.;<br />

instruktive Zusammenfassung bei Käseberg/Kuhn AG 2007, 65 ff. m.w.N.<br />

24<br />

EuGH v. 13.5.2004 (Kommission/Spanien), Slg. 2003 I-4581, Rz. 69, 74 ff.; EuGH v. 4.6.2002<br />

(Kommission/Frankreich), Slg. 2002, I-4781, Rz. 46, 50 ff.<br />

25 Grundlegend EuGH v. 10.7.1984 (Campus Oil), Slg. 1984, I-2727, Rz. 34; vgl. auch EuGH v. 4.6.2002, Slg.<br />

2002, I-4809, Rz. 48–55; EuGH v. 28.9.2006 (Universalpostdienst der Niederlande), Slg. 2006, I-9141; siehe<br />

auch Kluth/Bröhmer in: Calliess/Ruffert, Art. 58 EGV Rn. 28 ff.; <strong>zu</strong>r Relevanz von Art. 86 Abs. 2 EGV in<br />

diesem Kontext siehe Käseberg/Kuhn, AG 2007, 65, 72; Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker Art.<br />

86 EGV Rn. 8 m.w.N.<br />

26<br />

EuGH v. 13.5.2003 (Kommission/Spanien), Slg. 2003 I-4581, Rz. 47 f.; EuGH v. 4.6.2002<br />

(Kommission/Frankreich), Slg. 2002, I-4781, Rz. 71 f.; EuGH v. 26.9.2000 (Kommission/Belgien), Slg. 2000, I-<br />

7587, Rz. 46 f.<br />

27 EuGH v. 23.10.2007 (Kommission/Bundesrepublik Deutschland – VW), Slg. 2008, I-8995 = ZIP 2007, 2068,<br />

2073; vgl. auch EuGH v. 28.9.2006 (Kommission/Niederlande - Universalpostdienst), Slg. 2006, I-9141.<br />

28 Näher da<strong>zu</strong> Krolop, <strong>Humboldt</strong> Forum, 1-2008, S. 14 f.; Kluth/Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Art. 58 EGV Rn.<br />

27 f. m.w.N.; Käseberg/Kuhn AG 2007, 65, 67 ff.<br />

29 Näher da<strong>zu</strong> Krolop, <strong>Humboldt</strong> Forum, 1-2008, S. 14 f.; ähnlich die Bewertungen bei Martini, DÖV 2008, 314,<br />

317 ff, 320 und Weller, ZIP 2008, 857, 863 f.<br />

30 Näheres <strong>zu</strong> dieser Thematik bei den in vorstehender Fn. genannten Quellen.<br />

- 6 -


<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

III. Gang der Untersuchung<br />

Für die hier <strong>zu</strong> erörternde Problematik interessiert vielmehr, dass die Abgren<strong>zu</strong>ng der<br />

Kapitalverkehrsfreiheit von der Niederlassungsfreiheit ganz fundmentale Bedeutung gewinnt:<br />

Es geht darum, ob ein Investor aus einem <strong>Dr</strong>ittstaat überhaupt auf die vorstehend genannten<br />

Grundsätze <strong>zu</strong>rückgreifen kann. Das ist nur der Fall, wenn <strong>zu</strong>mindest auch die<br />

Kapitalverkehrsfreiheit betroffen ist. Wenn ausschließlich die Niederlassungsfreiheit<br />

einschlägig ist oder diese die Kapitalverkehrsfreiheit könnte ein Investor aus einem<br />

gemeinschaftsfremden Staat sich nicht auf die golden-share-Rechtsprechung berufen.<br />

Bisher hat der EuGH – <strong>zu</strong>mindest in diesem Kontext – dieser Problematik wenig Beachtung<br />

geschenkt, so dass das Verhältnis von Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit in diesem<br />

Bereich wenig geklärt ist (da<strong>zu</strong> näher B.). Wie <strong>zu</strong> zeigen sein wird, war der EuGH in anderen<br />

Bereichen, insbesondere im Steuerrecht, bereits seit Längerem mit der<br />

<strong>Dr</strong>ittstaatenproblematik konfrontiert (da<strong>zu</strong> C.) Daher soll die Rechtsprechung des EuGH <strong>zu</strong><br />

steuerrechtlich geprägten Sachverhalten näher beleuchtet werden (da<strong>zu</strong> D.), um daraus<br />

Folgerungen für das Verhältnis der Kapitalverkehrsfreiheit <strong>zu</strong>r Niederlassungsfreiheit im<br />

Allgemeinen (da<strong>zu</strong> E.) und bei Beschränkungen von Investitionen durch Investoren aus<br />

<strong>Dr</strong>ittstaaten im Besonderen (da<strong>zu</strong> F.) <strong>zu</strong> ziehen.<br />

B. Die Überschneidung von Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit bei staatlichen<br />

Sonderrechten in börsennotierten Aktiengesellschaften („golden shares“)<br />

I. Ausgangslage<br />

1. Der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit<br />

Der Schutz der Niederlassung umfasst insbesondere die Niederlassung <strong>zu</strong>m Zweck der<br />

Aufnahme einer selbständigen wirtschaftlichen Betätigung 31 . Idealtypus ist also der<br />

selbständige Unternehmer, der ein Unternehmen in einem anderen Mitgliedstaat gründet und<br />

steuert. Erfolgt das Sich-Niederlassen durch den Erwerb von Gesellschaftsanteilen, ist nach<br />

ständiger Rechtsprechung des EuGH die Niederlassungsfreiheit nur betroffen, wenn der<br />

Investor durch den Erwerb der Anteile einen bestimmenden Einfluss gewinnt mittels dessen er<br />

die Tätigkeit der Gesellschaft steuern kann. 32<br />

2. Der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit<br />

Im Gegensatz <strong>zu</strong>r Niederlassungsfreiheit hat der EuGH hinsichtlich der<br />

Kapitalverkehrsfreiheit eine genaue Definition bisher vermieden und auf das Sekundärrecht<br />

verwiesen. Aus der Zusammenschau der Rechtsprechung des EuGH und der<br />

sekundärrechtlichen Vorschriften <strong>zu</strong>r Verwirklichung des gemeinsamen europarechtlichen<br />

Kapitalmarkts hat die Lehre eine Definition destilliert, wonach unter Kapitalverkehr jede über<br />

die Grenzen eines Mitgliedstaates hinweg stattfindende Übertragung von Geld oder<br />

31 Bröhmer, in: Callies/Ruffert /Hrsg.), Art. 43 EGV Rn. 9 m.w.N.<br />

32 Ständige Rspr. des EuGH, vgl. nur EuGH v. 23.10.2007 (Kommission/Bundesrepublik Deutschland - VW),<br />

Slg. I-8995, Rz. 18; EuGH v. 13.3.2007 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation), Slg. I-2107-2212,<br />

Rz. 27; EuGH v. v.12.9.2006 (Cadbury Schweppes) Slg. 2006, I-7995, Rz. 31 jeweils m.w.N.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

Sachkapital <strong>zu</strong> verstehen ist, die primär Anlagezwecke verfolgt. 33 Aber sie umfasst<br />

ausdrücklich nicht nur die Beteiligung <strong>zu</strong> reinen Anlagezwecken (sog. Portfolio-Beteiligung),<br />

sondern auch Beteiligungen <strong>zu</strong>r „Schaffung oder Aufrechterhaltung dauerhafter direkter<br />

Beziehungen“ zwischen dem Investor und dem Unternehmen (sog. Direktinvestition). 34<br />

Dabei geht man <strong>zu</strong>rück auf die auf der Grundlage von Art. 67 ff. EWG-Vertrag erlassene<br />

Kapitalverkehrsrichtlinie von 1988 35 , die in ihrem Anhang I eine nähere Spezifizierung des Schutzbereichs der<br />

Kapitalverkehrsfreiheit enthält. Dort werden Direktinvestitionen definiert als „Investitionen jeder Art durch<br />

natürliche Personen, Handels-, Industrie- oder Finan<strong>zu</strong>nternehmen <strong>zu</strong>r Schaffung oder Aufrechterhaltung<br />

dauerhafter und direkter Beziehungen zwischen denjenigen, die die Mittel bereitstellen, und den Unternehmern<br />

oder Unternehmen, für die die Mittel <strong>zu</strong>m Zwecke einer wirtschaftlichen Tätigkeit bestimmt sind. Der Begriff<br />

der Direktinvestitionen ist also im weitesten Sinne gemeint.“ Da aber die Kapitalverkehrsrichtlinie nie formal<br />

aufgehoben worden ist, ist sie nach wie vor als Leitlinie für die Interpretation der Art. 56 EGV von Relevanz<br />

(methodisch wohl eine Form der historischen Auslegung). 36<br />

Dies macht deutlich, dass der Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit sehr weit<br />

gefasst wird. Da auch Direktinvestitionen vom Schutz mit umfasst werden, sind<br />

Überschneidungen mit der Niederlassungsfreiheit vorprogrammmiert.<br />

II. golden shares als Problem im Überschneidungsbereich von Kapitalverkehrs- und<br />

Niederlassungsfreiheit<br />

Klassisches Beispiel sind die sogenannten „Goldenen Aktien“ bzw. golden shares. Dieser<br />

Begriff hat sich <strong>zu</strong>r Bezeichnung von staatlichen Sonderrechten bezüglich börsennotierter<br />

Aktiengesellschaften eingebürgert. Diese gewähren dem Staat besondere Vetorechte<br />

hinsichtlich bestimmter Maßnahmen und/oder das Recht <strong>zu</strong>r Bestimmung der Beset<strong>zu</strong>ng von<br />

Gesellschaftsorganen. Häufig handelt es sich um ehemals staatliche Unternehmen, die<br />

(teilweise) privatisiert wurden. 37 Wenn der Staat aufgrund einer Sonderaktie (golden share)<br />

derartige Recht inne hat, dann kann sowohl die Niederlassungs- als auch die<br />

Kapitalverkehrsfreiheit betroffen sein 38 :<br />

- Derjenige der die Kontrolle über die Gesellschaft ausüben will, kann nicht so schalten<br />

und walten wie er will; er fühlt sich dem<strong>zu</strong>folge beeinträchtigt (Beschränkung der<br />

Niederlassungsfreiheit).<br />

- Aber die Direktinvestition 39 wird auch von der Kapitalverkehrsfreiheit betroffen. Selbst<br />

wenn man den Idealtypus der Kapitalverkehrsfreiheit betrachtet, also eine<br />

33 Bleckmann, Europarecht, Rn. 1181 f.; Bröhmer, in: Callies/Ruffert, Art. 56 EGV Rn. 8 m.w.N.<br />

Honrath, Umfang und Grenzen der Freiheit des Kapitalverkehrs, 1998, S. 23 ff.; Schön, GS Knobbe-Keuk, S.<br />

743, 747,<br />

34 EuGH v. 23.10.2007 (Kommission/Bundesrepublik Deutschland - VW), Slg. I-8995, Rz. 18; EuGH v.<br />

24.5.2007 (Holböck), Rs. C-157/05, IStR 2007, 351, Rz. 33.<br />

35 RL 88/361/EWG des Rates v.24.6.1988 <strong>zu</strong>r Durchführung von Art. 67 des Vertrages, Abl.EG 1988, L 178, S.<br />

5 ff.<br />

36 Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Art. 56 Rn. 13 f.; Schwenke, IStR 2006, 748, 749; Ress/Ukrow in: Grabitz/Hilf<br />

vor Art. 56 EGV Rn. 14 jeweils m.w.N.; vgl. auch EuGH v. 23.10.2007 (Kommission/Bundesrepublik<br />

Deutschland - VW), Slg. I-8995, Rz. 18; EuGH v. 24.5.2007 (Holböck), Rs. C-157/05, IStR 2007, 351, Rz. 33.<br />

37 Überblick über die diversen in Betracht kommenden Gestaltungen bei Käseberg/Kuhn, AG 2007, 65 ff.;<br />

Lieder, ZHR 172 (2008), 306; Grundmann/Möslein, ZGR 2003, 317 ff.; Kluth/Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Art.<br />

58 EGV Rn. 25 ff.<br />

38 Statt aller Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf, Art. 56 Rn. 30; Art. 58 Rn. 43<br />

39 Zu diesem Begriff s.o. B.I.2.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

Beteiligung, die den typischen Anlageinteressen und nicht der Einflussnahme auf das<br />

Beteiligungsunternehmen dient, ist die Kapitalverkehrsfreiheit betroffen, da auch<br />

die Attraktivität der reinen Portfolie-Investition dadurch beeinträchtigt wird. 40<br />

III. Die Behandlung der Überschneidung durch den EuGH in golden shares<br />

In seiner Rechtsprechung <strong>zu</strong> den sog. golden shares prüft der EuGH die nationalen<br />

Regelungen <strong>zu</strong> staatlichen Sonderrechten primär anhand der Kapitalverkehrsfreiheit. Die<br />

Niederlassungsfreiheit wird mit folgenden Standardsatz abgehandelt, der sich<br />

textbausteinartig so oder so ähnlich in nahe<strong>zu</strong> jedem Urteil <strong>zu</strong> dieser Thematik findet.<br />

„Soweit die fragliche Regelung Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit enthält, sind diese die<br />

unmittelbare Folge der vorstehend geprüften Hindernisse für den freien Kapitalverkehr, mit denen sie<br />

untrennbar verbunden sind. Da eine Verlet<strong>zu</strong>ng von Art. 56 EG festgestellt worden ist, brauchen die<br />

fraglichen Maßnahmen nicht gesondert im Licht der Vorschriften des Vertrags über die<br />

Niederlassungsfreiheit geprüft <strong>zu</strong> werden.“ 41<br />

IV. Die Deutung der Rechtsprechung des EuGH im Schrifttum<br />

Dieser Satz ist etwas kryptisch. Eindeutige Schlüsse hinsichtlich der Zuordnung <strong>zu</strong> einer der<br />

bekannten Kategorien für das systematische Verhältnis von Normen, u.a. Spezialität (da<strong>zu</strong> 1.)<br />

Subsidiarität (da<strong>zu</strong> 2.) bzw. Idealkonkurrenz (da<strong>zu</strong> 3.) lassen sich hieraus kaum ziehen.<br />

1. Kapitalverkehrsfreiheit als lex specialis<br />

Zunächst mag man an eine echte Spezialität der Kapitalverkehrsfreiheit denken. Jedoch wäre<br />

eine derartige Betrachtungsweise mit der Systematik des EG-Vertrages kaum <strong>zu</strong> vereinbaren.<br />

Gemäß Art. 58 Abs. 2 EGV rechtfertigt eine <strong>zu</strong>lässige Beschränkung der<br />

Niederlassungsfreiheit auch eine sich daraus ergebende Beschränkung der<br />

Kapitalverkehrsfreiheit. Dies spricht eher für eine Spezialität der Niederlassungsfreiheit<br />

gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit als umgekehrt.<br />

2. Subsidiarität der Kapitalverkehrsfreiheit gegenüber der Niederlassungsfreiheit<br />

Ein Teil des Schrifttums sieht vor diesem Hintergrund und auch im Hinblick auf die Weite<br />

des Tatbestands der Kapitalverkehrsfreiheit diese als einen Auffangtatbestand an. Dies läuft<br />

auf eine Art Subsidiarität der Kapitalverkehrsfreiheit gegenüber der Niederlassungsfreiheit<br />

hinaus, wie sie ja in Art. 58 Abs. 2 EGV angelegt scheint. Eine Ansicht folgert daraus, dass<br />

Direktinvestitionen, die ausschließlich <strong>zu</strong>m Zwecke der selbständigen wirtschaftlichen<br />

Betätigung in einem anderen Mitgliedstaat, also <strong>zu</strong>m Zwecke der Ausübung der<br />

Niederlassungsfreiheit erfolgen, nicht der Kapitalverkehrsfreiheit, sondern nur der<br />

Niederlassungsfreiheit unterliegen, weil es dabei – im Gegensatz <strong>zu</strong> den dem Kapitalverkehr<br />

<strong>zu</strong><strong>zu</strong>ordnenden sog. Portfolioinvestitionen – nicht in erster Linie um eine Anlage- oder<br />

Investitionsentscheidung gehe. 42 Diese Auffassung wird von der wohl h.M. abgelehnt. 43 Sie<br />

40 Da<strong>zu</strong> näher unten F.III.2.<br />

41 U.a. EuGH v. 4. 6. 2002 (Kommission/Portugal), Slg. 2002, I-4731, Rz. 56; EuGH v. 13.5.2003,<br />

(Kommission/Spanien), Slg. 2003 I-4581, Rz. 52.<br />

42 So z. B. Ohler, WM 1996, 1801, 1804 f.; in diese Richtung auch Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf, Art.56 EGV,<br />

Rn. 31.<br />

43 Stellvertretend Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Art. 56 EGV Rn. 25 f.; Oechsler, NZG 2007, 161, 162 f.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

lässt sich auch nur schwer mit der Tatsache in Einklang bringen, dass die Direktinvestitionen<br />

– wie oben ausgeführt (B.I.2.) vom Schutz der Kapitalverkehrsfreiheit umfasst sind. Die h.M.<br />

scheint auf der Linie des EuGH <strong>zu</strong> liegen. Würde der EuGH der Gegenansicht folgen, müsste<br />

er konsequenterweise die Niederlassungsfreiheit vor der Kapitalverkehrsfreiheit prüfen. Er<br />

geht jedoch in den golden-share-Urteilen in genau umgekehrter Reihenfolge vor.<br />

3. Idealkonkurrenz<br />

Die Herangehensweise des EuGH könnte aber arbeitsökonomischen Überlegungen geschuldet<br />

sein: Die golden-share-Urteile betrafen ganz überwiegend Aufsichtsklagen der Kommission<br />

gegen Mitgliedstaaten (sog. Vertragverlet<strong>zu</strong>ngsverfahren) i.S.v. Art. 226 EGV. Für die<br />

Bejahung einer Vertragsverlet<strong>zu</strong>ng reicht die Feststellung einer un<strong>zu</strong>lässigen<br />

Beeinträchtigung einer Grundfreiheit aus. Da die Kapitalverkehrsfreiheit – aus der Sicht des<br />

EuGH – zweifelsfrei betroffen und verletzt war, sah der EuGH keine Notwendigkeit sich<br />

vertieft mit der Niederlassungsfreiheit <strong>zu</strong> befassen, wo doch schon eine un<strong>zu</strong>lässige<br />

Beeinträchtigung der Kapitalverkehrsfreiheit festgestellt werden konnte.<br />

Dies scheint darauf hin<strong>zu</strong>deuten, dass der EuGH – <strong>zu</strong>mindest im Bereich der golden shares –<br />

von einer Art Idealkonkurrenz der beiden Grundfreiheiten ausgeht. Aber die Annahme einer<br />

echten Idealkonkurrenz im hergebrachten Sinne, wäre im Hinblick auf den bereits erwähnten<br />

Art. 58 Abs. 2 EGV systematisch nicht ganz sauber. Wenn diese Norm anordnet, dass eine<br />

<strong>zu</strong>lässige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit auch eine sich daraus ergebende<br />

Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit (gewissermaßen automatisch, reflexartig)<br />

rechtfertigt, dann bedeutet dies, dass es zwingend einen Bereich geben muss, in welchem die<br />

Niederlassungsfreiheit Rückwirkungen auf die Kapitalverkehrsfreiheit entfaltet und speziell<br />

gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit ist bzw. in die Kapitalverkehrsfreiheit hineinwirkt. Aus<br />

diesem Grund ist man auch im Schrifttum mit der Verwendung des terminus technicus<br />

„Idealkonkurrenz“ <strong>zu</strong>rückhaltend und bevor<strong>zu</strong>gt weniger technische sprachliche<br />

Umschreibungen. Besonders beliebt ist hier der Begriff der „kumulativen Anwendung“ beider<br />

Grundfreiheiten. 44<br />

V. Derzeitiger Stand: unklare Verhältnisse wegen geringer praktischer Relevanz<br />

Bisher sah sich der EuGH <strong>zu</strong>r genauen Bestimmung desjenigen Bereichs, in welchem gemäß<br />

Art. 58 Abs. 2 EGV der Niederlassungsfreiheit ein gewisser Vorrang <strong>zu</strong>kommt, nicht<br />

veranlasst, soweit der Kontext der golden share-Problematik betroffen war. Die Kritik<br />

hinsichtlich der Vagheit des Verhältnisses von Niederlassungs- <strong>zu</strong>r Kapitalverkehrsfreiheit<br />

bzw. die Bemühungen der Unbestimmtheit ab<strong>zu</strong>helfen, hielten sich in Grenzen, da die<br />

Abgren<strong>zu</strong>ngsfrage nicht entscheidungsrelevant war.<br />

Ausgehend von der Warenverkehrsfreiheit hat der EuGH bekanntlich das in ihr enthaltene<br />

Diskriminierungsverbot <strong>zu</strong> einem allgemeinen Beschränkungsverbot erweitert 45 und sowohl<br />

auf die Niederlassungs- als auch die Kapitalverkehrsfreiheit übertragen. 46 Damit ging auch die<br />

Entwicklung ungeschriebener Rechtfertigungsgründe für nationalstaatliche Beschränkungen<br />

44 Vgl. etwa Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Art. 56 EGV Rn. 25 f.<br />

45 EuGH v. 11.7.1974 (Dassonville), Slg. 1974, I-855).<br />

46 Vgl. da<strong>zu</strong> Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Art 43 EGV, Rn. 19 ff.; Oechsler, NZG 2007, 161, 163 m.w.N.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

der Grundfreiheiten einher. Diese Entwicklung hat eine gewisse Konvergenz der<br />

Prüfungskriterien <strong>zu</strong>r Folge 47 : Das Beschränkungsverbot nach der sogenannten Dassonville-<br />

Formel 48 und die Rechtfertigung nach dem <strong>zu</strong>erst in Cassis de Dijon 49 geprägten so genannten<br />

Vier-Kriterien-Test, die sowohl auf die Dienstleistungs-, Niederlassungs- und<br />

Kapitalverkehrsfreiheit Anwendung finden, sind die eigentlich entscheidenden Determinanten<br />

für die Beurteilung der Vereinbarkeit mit einer Grundfreiheit: Wenn durch eine staatliche<br />

Maßnahme der Markt<strong>zu</strong>gang bzw. die Teilnahme am Wettbewerb im Bestimmungsland<br />

weniger attraktiv erscheint, liegt eine Beschränkung der Dienstleistungs-<br />

/Kapitalverkehrsfreiheit bzw. Niederlassungsfreiheit vor (Dassonville). Dies ist dann<br />

gerechtfertigt, wenn die Maßnahme einem zwingenden Belang des Allgemeinwohls dient und<br />

sie für die Wahrung dieses Belangs geeignet und erforderlich ist (Cassis de Dijon). 50 In der<br />

golden-share-Entscheidung Kommission/Belgien 51 heißt es etwa:<br />

„Die Kommission beantragt ferner die Feststellung einer Verlet<strong>zu</strong>ng des die Niederlassungsfreiheit<br />

betreffenden Art. 52 EGV, soweit er sich auf Unternehmen bezieht. <strong>Hier</strong><strong>zu</strong> ist fest<strong>zu</strong>stellen, dass Art. 56 EGV<br />

ebenso wie Art. 73d EGV einen aus der öffentlichen Sicherheit abgeleiteten Rechtfertigungsgrund vorsieht.<br />

Selbst wenn es eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen sollte, dass ein Mitgliedstaat der<br />

Übertragung, Verwendung als Sicherheit oder Änderung des Verwendungszwecks bestimmter Aktiva eines<br />

bestehenden Unternehmens oder bestimmten Verwaltungsentscheidungen dieses Unternehmens<br />

widersprechen kann, wäre eine solche Beschränkung somit aus den in den Rdnrn. 43 bis 55 des vorliegenden<br />

Urteils genannten Gründen gerechtfertigt.“<br />

Deutlicher kann man die Austauschbarkeit der Rechtfertigungskriterien hinsichtlich von<br />

Beschränkungen der Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit kaum machen. Bezüglich<br />

der verbleibenden Unterschiede lässt sich die Aussage treffen, dass tendenziell geringeren<br />

Anforderungen an die Rechtfertigung der Einschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit gestellt<br />

werden als bei der Niederlassungsfreiheit.<br />

C. Neue Brisanz bei golden shares / altbekannte Probleme im steuerrechtlichen<br />

Kontext<br />

Da die oben unter A.III. genannte AWG-Novelle ihren Anwendungsbereich auf<br />

gemeinschaftsfremde Investoren und damit auf Investoren aus <strong>Dr</strong>ittstaaten beschränkt<br />

gewinnt das Problem der Abgren<strong>zu</strong>ng zwischen Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit<br />

ganz fundmentale Bedeutung: Es geht nicht um Nuancen bei den Unterschieden hinsichtlich<br />

der Rechtfertigung einer etwaigen Beschränkung, sondern darum, ob sich der Investor<br />

überhaupt auf eine Grundfreiheit berufen kann. Wenn ausschließlich die<br />

Niederlassungsfreiheit maßgeblich wäre, könnte sich ein Investor aus einem<br />

gemeinschaftsfremden Staat nicht auf die golden-share-Rechtsprechung berufen. Anhand von<br />

steuerrechtlichen Sachverhalten hat sich - weitgehend losgelöst von der golden-share<br />

Rechtsprechung - eine Rechtsprechung <strong>zu</strong>r Abgren<strong>zu</strong>ng von Niederlassungs- <strong>zu</strong>r<br />

47 Vgl. Sedlaczek, in: Streinz (Hrsg.) Art. 56 EGV Rn. 14: „Konvergenz des Schutzgehalts des allgemeinen<br />

Beschränkungsverbots der Grundfreiheiten“.<br />

48 EuGH v. 11.7.1974 (Dassonville), Slg. 1974, I-855.<br />

49 EuGH v. 20.02.1979, Slg. 1979, I-649.<br />

50 Ähnl. Oechsler, NZG 2007, 161, 163.<br />

51 EuGH v. 4.6.2002 (Kommission/Belgien), Slg. 2002, I-4809, Rz. 58 f.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

Kapitalverkehrsfreiheit gerade auch in Hinblick auf die Geltung der Kapitalverkehrsfreiheit<br />

<strong>zu</strong>gunsten von <strong>Dr</strong>ittstaaten entwickelt.<br />

I. Hintergrund: Steuerrecht, Gemeinschaftsrecht und Grundfreiheiten<br />

Im Steuerrecht spielen die Grundfreiheiten eine immer größere Rolle. Zwar verfügt die<br />

Europäische Gemeinschaft über keine originäre Regelungskompetenz im Bereich des<br />

Steuerrechts. Jedoch hat der EuGH die Grundfreiheiten von einem Diskriminierungsverbot <strong>zu</strong><br />

einem Beschränkungsverbot erweitert, wonach sämtliche Maßnahmen, die den Gebrauch<br />

einer Grundfreiheit unmittelbar oder mittelbar, gegenwärtig oder potentiell beeinträchtigen,<br />

eine Beschränkung dieser Grundfreiheit darstellt, die der Rechtfertigung bedarf. Auch von<br />

steuerrechtlichen Regelungen können derartige Beschränkungen ausgehen, die sich dann an<br />

den vom EuGH für die Rechtfertigung von Beschränkungen aufgestellten Kriterien messen<br />

lassen müssen. In den Worten des EuGH: „Die direkten Steuern fallen zwar in den<br />

Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten; diese müssen ihre Befugnisse jedoch unter<br />

Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben“ 52<br />

Damit sind die Grundfreiheiten ein Einfallstor für den EuGH, auch steuerrechtliche<br />

Regelungen der Mitgliedstaaten im Hinblick darauf <strong>zu</strong> beurteilen, inwieweit diese die Bildung<br />

des europäischen Binnenmarkts unangemessen behindern. Dabei sind insbesondere die<br />

nationalstaatlichen Vorschriften verschiedener Mitgliedstaaten <strong>zu</strong>r steuerrechtlichen<br />

Behandlung der Konzerninnenfinanzierung in der grenzüberschreitenden<br />

Unternehmensgruppe in das Visier des EuGH geraten. 53 Dies wird immer wieder hinsichtlich<br />

des Prinzips der beschränkten Einzelermächtigung sowie des Grundsatzes Subsidiarität als<br />

Kompetenzüberschreitung oder <strong>zu</strong>mindest als problematische (Über)dehnung der<br />

Kompetenzen kritisiert 54 . Man mag eine Steuerrechtsharmonisierung durch die Hintertür der<br />

Grundfreiheiten argwöhnen. Das soll aber hier nicht das Thema sein.<br />

II. Die besondere Relevanz der Abgren<strong>zu</strong>ng bei steuerrechtlichen Sachverhalten<br />

Für die vorliegende Fragestellung der Abgren<strong>zu</strong>ng von Niederlassungs- und<br />

Kapitalverkehrsfreiheit ist vielmehr folgender Aspekt interessant: Bei steuerrechtlichen<br />

Sachverhalten ist die Abgren<strong>zu</strong>ng von Kapitalverkehrsfreiheit und Niederlassungsfreiheit vor<br />

allem aus zweierlei Gründen seit jeher von besonderer Relevanz. Zum einen sieht Art. 58<br />

Abs. 1 lit a) EGV einen speziellen Einschränkungsvorbehalt vor, der ausdrücklich erlaubt,<br />

dass steuerrechtliche Regelungen zwischen gebietsansässigen und gebietsfremden Personen<br />

differenzieren (und damit erst recht beschränkende Maßnahmen mit gleicher Wirkung);<br />

allerdings ergibt sich aus der Schlussakte <strong>zu</strong>m Vertrag über die Europäische Union vom<br />

52 Ständige Rspr., vgl. stellvertretend EuGH v. 13.3.2007 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation) Slg.<br />

I-2107, Rz: 25, 27 m.w.N.<br />

53 EuGH v.12.9.2006 (Cadbury Schweppes), Slg. 2006, I-7995; EuGH, v. 13.3.2007 (Test Claimants in the Thin<br />

Cap Group Litigation), Slg. I-2107, 2212 (betreffend englisches Steuerrecht); EuGH v. 10.5.2007, (Lasertec),<br />

Rs. C-492/00 = ZIP 2007, 1404; EuGH v. 12.12.2002 (Lankhorst-Hohorst), Rs. C 324/00, IStR 2003, 23<br />

(betreffend deutsches Steuerrecht); EuGH v. 24.5.2007; (Holböck), Rs. C-157/05, = ZIP 2007, 1902 (betreffend<br />

österreichisches Steuerrecht. Weitere Rspr. des EuGH bei Köhler, IStR 2007, 645 ff.; Scherer, IStR 2008, 1274<br />

ff. jeweils m.w.N.<br />

54 Vgl. harsche Grundsatzkritik <strong>zu</strong>r „Instrumentalisierung von Grundfreiheiten“ für eine mit dem EGV nicht <strong>zu</strong><br />

vereinbarende „Kompetenzanmaßung“ Honsell, ZIP 2008, 621, 624 ff.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

7.2.1992, dass dies nur soweit gelten soll als es sich um Regelungen handelt, die bereits 1993<br />

in Kraft waren. 55 Wenn nun durch eine steuerrechtliche Vorschrift auch die<br />

Niederlassungsfreiheit betroffen ist, dann kann eine etwaige Beschränkung nicht mit Hinweis<br />

auf Art. 58 Abs. 1 lit a) EGV gerechtfertigt werden.<br />

Schließlich sind bei steuerrechtlichen Regelungen, insbesondere bei international<br />

operierenden Unternehmensgruppen, besonders häufig auch Personen aus <strong>Dr</strong>ittstaaten<br />

involviert. Diese können sich auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen, nicht jedoch auf die<br />

Niederlassungsfreiheit. Vorliegend ist es hier seit jeher von erheblicher Relevanz, ob die<br />

Kapitalverkehrsfreiheit oder nur die Niederlassungsfreiheit betroffen ist.<br />

III. Besonderheiten gegenüber der golden-share-Rechtsprechung<br />

Interessanterweise prüft der EuGH im Bereich des Steuerrechts – im Gegensatz <strong>zu</strong>r „golden<br />

share“-Rechtsprechung – die Regelungen meist primär an der Niederlassungsfreiheit. Diese<br />

Rechtsprechung erging vor allem im Hinblick auf die steuerrechtliche Behandlung der<br />

Konzerninnenfinanzierung durch nationales Rechts in der grenzüberschreitenden<br />

Unternehmensgruppe und prüfte die Regelungen <strong>zu</strong>meist primär an der Niederlassungsfreiheit<br />

Bei den leading cases <strong>zu</strong>m Steuerrecht handelt es sich um Rechtsmittel von<br />

Konzernobergesellschaften, die sich gegen die Besteuerung durch einen Mitgliedsstaat im<br />

Bereich der Konzerninnenfinanzierung <strong>zu</strong>r Wehr setzten. Dabei war mit den Händen <strong>zu</strong><br />

greifen, dass die Regelung primär an eine Beteiligung anknüpft, die eine Kontrolle über die<br />

Gesellschaft vermittelt.<br />

Hin<strong>zu</strong> kommen verfahrenstechnische Aspekte. Es handelt sich hier <strong>zu</strong>meist um Vorlagen<br />

nationaler Gerichten im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 EGV.<br />

Wenn diesem Verfahren ein Rechtsstreit mit einem Rechtssubjekt aus einem <strong>Dr</strong>ittstaat<br />

<strong>zu</strong>grunde liegt, dann steht zwangsläufig die Frage der Reichweite des Schutzes von<br />

Grundfreiheiten bei <strong>Dr</strong>ittstaaten im Mittelpunkt der Betrachtung.<br />

Bei den golden-share-Urteilen handelt es sich dagegen um Vertragsverlet<strong>zu</strong>ngsverfahren, d.h.<br />

der EuGH prüfte aufgrund einer Aufsichtsklage der Kommission (Art. 226 EGV) abstrakt, ob<br />

die Norm mit höherrangigem Europarecht vereinbar ist. ohne Be<strong>zu</strong>g <strong>zu</strong> einem konkreten<br />

Investor. Die verfahrensgegenständlichen Vorschriften haben bisher nicht zwischen<br />

gemeinschaftsansässigen und gemeinschaftsfremden Investoren differenziert. Da der hier<br />

vorliegende Gesetzesentwurf der Bundesregierung die Regelung auf <strong>Dr</strong>ittstaaten<br />

(„gemeinschaftsfremde Unternehmen“) beschränkt, stellt sich die <strong>Dr</strong>ittstaatenproblematik<br />

auch im Kontext der golden-share-Rechtsprechung. Damit kann an einer Zusammenschau<br />

bzw. Abstimmung mit den in der der Rechtsprechung <strong>zu</strong>m Steuerrecht entwickelten<br />

Grundsätzen nicht mehr vorbeigegangen werden. <strong>Hier</strong>für ist nachfolgend <strong>zu</strong>nächst die jüngere<br />

Entwicklung der Judikatur des EuGH in diesem Bereich nach<strong>zu</strong>zeichnen.<br />

55 Vgl. Kluth/Bröhmer, in: Callies/Ruffert, Art. 58 EGV Rn. 2; abweichend Ohler, WM 1996, 1801, 1807.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

D. Das Verhältnis von Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit in der<br />

Rechtsprechung des EuGH <strong>zu</strong> steuerrechtlichen Sachverhalten<br />

I. Ausgangspunkt: Die Entscheidungen Lankhorst 56 und Cadbury Schweppes 57<br />

Nicht nur im deutschen, sondern auch im englischen Steuerrecht ist die Möglichkeit<br />

vorgesehen, dass eine Gesellschaft unter bestimmten Vorrausset<strong>zu</strong>ngen von ihr erzielte<br />

Gewinne mit bei Tochtergesellschaften angefallenen Verlusten verrechnen kann, so dass sich<br />

die Bemessungsgrundlage entsprechend verringert. Das deutsche und englische Recht sahen<br />

vor, dass eine derartige Verrechnung nur mit Verlusten bei Tochtergesellschaften mit Sitz im<br />

Inland möglich ist. Wenn eine Muttergesellschaft Verluste ihrer Inlandstöchter mit eigenen<br />

Gewinnen verrechnen darf, mit Verlusten von Auslandstöchter aber nicht, dann wird dadurch<br />

die Investition im Ausland weniger attraktiv. Die vom EuGH <strong>zu</strong> klärende Frage lautete: Ist<br />

dies nur eine Beschränkung der Niederlassungs- oder der Kapitalverkehrsfreiheit oder beider<br />

Grundfreiheiten 58<br />

Eine Verrechnung mit bei Tochtergesellschaften aufgelaufenen Verlusten war im deutschen<br />

und englischen Recht auch bei Inlandstöchtern nur möglich, wenn die Muttergesellschaft über<br />

mindestens 75% der Stimmrechte bei der Tochtergesellschaft verfügt (England) bzw.<br />

zwischen den beiden Gesellschaft ein Gewinnabführungsvertrag vereinbart ist (Organschaft<br />

nach § 14 deutsches Körperschaftssteuergesetz - KStG). Damit kann das Steuerprivileg von<br />

vornherein jeweils nur derjenige ausüben, der dauerhaft bestimmenden Einfluss ausüben<br />

kann. Da jemand mit einer geringeren Beteiligung das Steuerprivileg nicht in Anspruch<br />

nehmen kann, ist die klassische Portfolio-Investition von der Ungleichbehandlung von<br />

ausländischen gegenüber inländischen Tochtergesellschaften nicht betroffen. Folgerichtig hat<br />

der EuGH hier eine un<strong>zu</strong>lässige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit bejaht und die<br />

Kapitalverkehrsfreiheit nicht näher geprüft. 59 Ähnlich verfuhr der EuGH bereits in der Sache<br />

Baers 60 <strong>zu</strong>m niederländischen Steuerrecht.<br />

II. Die Sache Lasertec 61 : „Abdrängender Vorrang“ der Niederlassungsfreiheit<br />

Anders als bei Schweppes ging es nicht um einen EU-Sachverhalt, sondern die Klägerin hatte<br />

ihren Sitz außerhalb der EU. Gegenstand des Verfahrens war die alte Fassung von § 8a des<br />

deutschen Körperschaftssteuergesetzes (KStG). <strong>Hier</strong>nach ist unter bestimmten<br />

56 EuGH v. 12.12.2002 (Lankhorst-Hohorst), Rs. C 324/00, Slg. 2002, I-10829 = IStR 2003, 23.<br />

57 EuGH v.12.9.2006 (Cadbury Schweppes) Slg. 2006, I-7995; aus dem umfangreichen Schrifttum da<strong>zu</strong><br />

Hackemann, IStR 2007, 351 ff.<br />

58 Zu Einzelheiten siehe auch Sachverhaltsdarstellungen bei Kube, IStR 2003, 325 (betreffend Lankhorst) und<br />

Hackemann, IStR 2007, 351 f. (betreffend Schweppes).<br />

59 Besonders deutlich EuGH v.12.9.2006 (Cadbury Schweppes) Slg. 2006, I-7995 in Rz. 33 „Sofern die<br />

Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften, wie die Klägerinnen (Kl.) des<br />

Ausgangsverfahrens und Irland vortragen, beschränkende Auswirkungen auf die Dienstleistungsfreiheit und auf<br />

die Kapitalverkehrsfreiheit haben, sind derartige Auswirkungen die unvermeidliche Konsequenz einer<br />

eventuellen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und rechtfertigen jedenfalls keine eigenständige Prüfung<br />

der genannten Rechtsvorschriften im Hinblick auf die Art. 49 und 56 EG“; näher da<strong>zu</strong> Hackemann, IStR 2007,<br />

351 f.<br />

60 Ähnl. bereits EuGH v. 13.04.2000 (Baars), Slg. I-2787, näher da<strong>zu</strong> unten bei E.II.5.<br />

61 EuGH v. 10.5.2007 (Lasertec), ZIP 2007, 1404 = DB 2007, 1283-1284; aus dem Schrifttum da<strong>zu</strong>: Kohler,<br />

IStR 2007, 645 ff.; Schnitger, IStR 2005, 493 ff.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

Vorausset<strong>zu</strong>ngen die Gewährung eines Darlehens einer deutschen Tochtergesellschaft<br />

<strong>zu</strong>gunsten einer ausländischen Muttergesellschaft (sog. up-stream-Darlehen) als verdeckte<br />

Gewinnausschüttung an<strong>zu</strong>sehen und entsprechend steuerrechtlich <strong>zu</strong> behandeln (was <strong>zu</strong>r<br />

Folge hat, dass ein in Deutschland <strong>zu</strong> versteuernde Gewinn anfällt und die auf das Darlehen<br />

geleisteten Zinszahlungen nicht als Betriebsaufwendungen steuermindern in Ab<strong>zu</strong>g gebracht<br />

werden können). Der EuGH hat hierin eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit<br />

gesehen, da so die Investition in deutsche Gesellschaften durch ausländische Unternehmen<br />

weniger attraktiv gemacht werde. Soweit bewegt sich die Entscheidung in den vertrauten<br />

Gleisen der Cadbury-Schweppes-Entscheidung.<br />

Aber da in diesem Fall die Muttergesellschaft ihren Sitz in einem <strong>Dr</strong>ittstaat hat, war ihr die<br />

Berufung auf die Niederlassungsfreiheit verwehrt. Damit war diese Entscheidung eine<br />

Nagelprobe für das Verhältnis <strong>zu</strong>r Kapitalverkehrsfreiheit, da sich der Investor nur auf die<br />

diese berufen konnte. Wenn diese <strong>zu</strong>r Niederlassungsfreiheit in klassischer Idealkonkurrenz<br />

stünde, wäre es folgerichtig gewesen, die in Rede stehende steuerrechtliche Regelung anhand<br />

der Kapitalverkehrsfreiheit <strong>zu</strong> prüfen. Auch wenn man eine Art Subsidiarität annimmt 62 ,<br />

würde die Kapitalverkehrsfreiheit quasi wiederaufleben. Der EuGH hat aber die Regelung<br />

anhand der Niederlassungsfreiheit geprüft und eine Art Sperrwirkung statuiert: Da die<br />

Regelung ausschließlich auf die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit zielt, seien die<br />

Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit als Reflex hin<strong>zu</strong>nehmen 63 :<br />

„Sollte die fragliche nationale Maßnahme, wie von der Kl. vorgetragen, <strong>zu</strong> Beschränkungen des freien<br />

Kapitalverkehrs führen, wären derartige Auswirkungen die unvermeidliche Konsequenz der Beschränkung<br />

der Niederlassungsfreiheit und rechtfertigten keine Prüfung dieser Maßnahmen im Hinblick auf die Art. 56<br />

EG bis 58 EG.“<br />

Mit der Sache Lasertec wurde klargestellt, dass dieser bereits in den Sachen Schweppes,<br />

Lankhorst u.a. ähnlich formulierte Vorrang 64 für einen Investor aus einem <strong>Dr</strong>ittstaat die<br />

Konsequenz hat, dass dieser sich gar nicht auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen kann. Der<br />

EuGH vermeidet allerdings den Gebrauch des Terminus „Spezialität“. <strong>Hier</strong> soll einstweilen<br />

von einem „abdrängenden Vorrang“ bzw. Verdrängung der Kapitalverkehrsfreiheit die Rede<br />

sein.<br />

III. Parallele Fidium Finanz 65 : „Abdrängender Vorrang der Dienstleistungsfreiheit“<br />

Ähnlich hatte der EuGH bereits kurz <strong>zu</strong>vor <strong>zu</strong>r Parallelproblematik Verhältnis der<br />

Kapitalverkehrsfreiheit <strong>zu</strong>r Dienstleistungsfreiheit entschieden. Ein Unternehmen mit Sitz in<br />

der Schweiz vertrieb Finanzprodukte in Deutschland, ohne die nach deutschem<br />

Kreditwesengesetz (KWG) hierfür erforderlich Genehmigung. Der EuGH sah in dem<br />

Erfordernis einer gesonderten Genehmigung in Deutschland eine Beschränkung der<br />

Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EGV). 66 Jedoch konnte sich die klagende Gesellschaft nicht<br />

auf diese Grundfreiheit berufen, da sie ihren Sitz in einem <strong>Dr</strong>ittstatt, nämlich in der Schweiz<br />

62 Vgl. das teilweise das im Schrifttum favorisierte Modell der Kapitalverkehrsfreiheit als Auffangtatbestand,<br />

oben B.IV.2.<br />

63 EuGH v. 10.5.2007 (Lasertec), Rs. C-492/0, 4, ZIP 2007, 1404, Rz. 25.<br />

64 Siehe oben Fn. 59.<br />

65 EuGH v. 3.10.2006 (Fidium Finanz), Slg. 2006, I-9521.<br />

66 EuGH, ebd., Rz. 46.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

hatte. Der EuGH schloss nicht aus, dass auch eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit<br />

in Betracht komme. Jedoch statuierte der EuGH <strong>zu</strong>gleich, dass das Genehmigungserfordernis<br />

nach deutschem Recht primär auf die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ziele und<br />

etwaige damit einhergehende Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit als Reflex<br />

hin<strong>zu</strong>nehmen seien. Damit kommt er auch hier mit einer Begründung <strong>zu</strong> einer Verdrängung<br />

der Kapitalverkehrsfreiheit, die mit Lasertec nahe<strong>zu</strong> identisch ist. 67<br />

IV. Die Sache Holböck 68<br />

Das Holböck-Urteil enthält einige weitere Fingerzeige für die Frage, wann ein Vorrang der<br />

Niederlassungsfreiheit in Betracht kommt und welche Kriterien hierfür maßgeblich sind.<br />

1. Vom konkreten Verhalten des Investors losgelöste Beurteilung der Norm<br />

Im Fall Lasertec hatte der Investor konkret eine Beteiligung von 2/3 am Kapital der<br />

Gesellschaft. Die Vorschrift des § 8a KStG a.F., die Gegenstand des Verfahrens war, knüpfte<br />

bereits an eine Schwelle von 25% an. Die Bundesfinanzverwaltung hat die Auffassung<br />

vertreten, dass nicht die Norm abstrakt beurteilt wird, sondern maßgeblich ist, ob der Investor<br />

konkret (hypothetisch) von seiner Niederlassungsfreiheit Gebrauch macht. 69 In der Tat hat der<br />

EuGH in der Vergangenheit nicht immer ganz sauber getrennt zwischen Beurteilung der<br />

Regelung und Beurteilung des Verhaltens des konkreten Investors, der sich auf die<br />

Grundfreiheiten beruft. 70 Jedoch erfolgte in der Holböck-Entscheidung <strong>zu</strong>m österreichischen<br />

Steuerrecht eine Klarstellung, die der Orientierung am konkreten Verhalten des Investors den<br />

Boden entzogen hat 71 : „Für die Beantwortung der Frage, ob eine nationale Regelung unter<br />

die eine oder die anderen Verkehrsfreiheit fällt, ist nach gefestigter Rechtsprechung der<br />

Gegenstand der betreffenden nationalen Regelung ab<strong>zu</strong>stellen.“ Damit ist fest<strong>zu</strong>halten, dass<br />

die Norm, deren Zweck und Regelungszweck Gegenstand der Einzelfallbetrachtung sind (und<br />

nicht die Beteiligungshöhe bzw. das Verhalten des konkreten Investors). 72<br />

Folgende Überlegung verdeutlicht, dass nur dieser Ansatz zielführend ist. Ausgegangen werden soll von<br />

folgender Konstellation: Eine Norm, die nicht nach der Art der Beteiligung differenziert, verstößt gegen die<br />

Kapitalverkehrsfreiheit und ein Investor aus einem <strong>Dr</strong>ittstaat will sich auf diesen Verstoß berufen. Wenn man<br />

auf das konkrete Verhalten des Investors abstellte, ergäbe sich folgende Situation: Ein Investor aus einem<br />

<strong>Dr</strong>ittstaat, der eine Portfolio-Beteiligung hält, könnte sich hiernach auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen; die<br />

Norm könnte auf ihn nicht angewendet werden. Sobald er seinen Anteil dann aufstockt und bestimmenden<br />

Einfluss ausübt, kann er dies nicht mehr tun, mit der Folge, dass die Regelung des nationalen Rechts Anwendung<br />

findet, obwohl eine derartige Differenzierung in der fraglichen Norm nicht angelegt war. Das kann kaum gewollt<br />

sein 73 und würde auch große Rechtsunsicherheit bedeuten. Bei jedem Einzelfall müsste geprüft werden, ob die<br />

67 EuGH, edb., Rz. 47-49.<br />

68 EuGH v. 24.5.2007 (Holböck), EuZW 2007, 405.<br />

69 BMF Schreiben v. 21.3.2007 IV B 7 G 1421/0, BStBl I 2007, 302 = IStR 2007, 340; <strong>zu</strong>stimmend Hahn, DStZ<br />

2007, 201, 212 a.A. u.a.<br />

70 In der Sache Baars hatte der EuGH offen gelassen, ob eine Regelung des niederländischen Steuerrechts primär<br />

auf die Niederlassungsfreiheit zielt und im konkreten Fall, darauf abgestellt, dass der Kläger eine 100%-ige<br />

Beteiligung hielt, vgl. EuGH v. 13.04.2000 (Baars), Slg. I-2787, Rz. 21.<br />

EuGH v. 13.04.2000 (Baars), Slg. I-2787, Rz. 20 f.<br />

71 EuGH v. 24.5.2007 (Holböck), EuZW 2007, 405, Rz. 22; <strong>zu</strong>stimmend Schönfeld, IStR 2007, 443.<br />

72 EuGH v. 24.5.2007 (Holböck), EuZW 2007, 405, Rz. 22.<br />

73 Ähnlich auch Bedenken bei Schönfeld, DB 2007, 2007, 80, 81 f.; Schraufl, RIW 2007, 603, 605 f.; vgl. auch<br />

Oechsler, NZG 2007, 161, 162: willkürliche Ungleichbehandlung von Investoren.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

Anwendung der Norm europarechtskonform ist. Im Übrigen lässt sich dieser Ansatz ohnehin nicht lückenlos<br />

durchhalten. <strong>Hier</strong> kommt der oben (C.III.) genannte verfahrenstechnische Unterschied <strong>zu</strong>m Tragen: Bei von der<br />

Kommission angestrengten Vertragsverlet<strong>zu</strong>ngsverfahren, an denen kein konkreter Betroffener beteiligt ist, muss<br />

die Regelung abstrakt beurteilt werden. Daher kann nur die Beurteilung der Regelung (und nicht das Verhalten<br />

des Investors) Maßstab der Beurteilung sein.<br />

2. Bereich der „kumulativen“ Anwendung<br />

Die Regelung des österreichischen Steuerrechts, die Gegenstand des Verfahrens war,<br />

differenzierte nicht nach Beteiligungsschwellen, sondern fand auf sämtliche Gesellschafter<br />

Anwendung. Der EuGH hat eine Verlet<strong>zu</strong>ng der Niederlassungsfreiheit mit der Begründung<br />

verneint, dass ein Investor mit Sitz in einem <strong>Dr</strong>ittstaat sich nicht auf die<br />

Niederlassungsfreiheit berufen könne. Anschließend hat er aber gerade keine Verdrängung<br />

der Kapitalverkehrsfreiheit angenommen, sondern detailliert die verfahrensgegenständliche<br />

Regelung anhand der Artt. 56 ff. EGV geprüft. Daraus kann <strong>zu</strong>m einen gefolgert werden, dass<br />

ein Vorrang der Niederlassungsfreiheit nur in Betracht kommt, wenn eine Regelung an eine<br />

bestimmte Beteiligungsschwelle anknüpft oder anderweitig Kriterien für eine - wie auch<br />

immer geartete - qualifizierte Beteiligung aufstellt. 74<br />

Der Bereich, in dem die Kapitalverkehrsfreiheit durch die Niederlassungsfreiheit verdrängt<br />

wird, ist nicht gleich<strong>zu</strong>setzen mit dem Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit. Die<br />

Rechtsprechung darf nicht dahingehend missverstanden, dass, wenn eine Regelung nicht<br />

primär auf die Niederlassungsfreiheit zielt, die Regelung nur anhand der<br />

Kapitalverkehrsfreiheit geprüft wird. Der EuGH geht vielmehr davon aus, dass grundsätzlich<br />

Kapitalverkehrsfreiheit und Niederlassungsfreiheit auch nebeneinander anwendbar sind. Auch<br />

wenn ein abdrängender Vorrang der Niederlassungsfreiheit nicht in Betracht kommt, und eine<br />

Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vorliegt, ist dadurch noch nicht ausgeschlossen,<br />

dass neben der Kapitalverkehrsfreiheit auch die Niederlassungsfreiheit betroffen ist. Dies hat<br />

der EuGH bereits in der Fidium Finanz-Entscheidung betont 75 und auch in der Sache Holböck<br />

hat er beide Grundfreiheiten nebeneinander geprüft. Damit bleibt es dabei, dass es Bereiche<br />

gibt, in denen Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit nebeneinander Anwendung<br />

finden.<br />

Bei Investoren aus <strong>Dr</strong>ittstaaten ist die <strong>zu</strong>sätzliche Anwendbarkeit der Dienstleistungs- bzw.<br />

Niederlassungsfreiheit weitestgehend irrelevant, da diese sich ohnehin nicht auf die Niederlassungsfreiheit<br />

berufen können, so dass sich bei ihnen die Prüfung ohnehin auf die Kapitalverkehrsfreiheit beschränkt. Aber bei<br />

Investoren aus EU-Mitgliedsstaaten ist dies aufgrund der Konvergenz der Beurteilungskriterien in der Regel nur<br />

von geringer Relevanz, es sei denn es handelt sich um steuerrechtlich geprägte Sachverhalte. <strong>Hier</strong> kann es vor<br />

allem aufgrund der Regelung in Art. 58 EGV sehr wohl einen Unterschied machen, ob nur die<br />

Kapitalverkehrsfreiheit oder <strong>zu</strong>mindest die Niederlassungsfreiheit betroffen ist. 76<br />

V. Fazit: Überlagerung der Kapitalverkehrsfreiheit durch die Niederlassungsfreiheit<br />

Die Grundfreiheiten Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit stehen <strong>zu</strong>einander in keinem<br />

Ausschließlichkeitsverhältnis. Vielmehr handelt es sich um zwei Kreise, die sich<br />

74 Vgl. EuGH v. 24.5.2007 (Holböck), EuZW 2007, 405, Rz. 23f.<br />

75 EuGH v. 3.10.2006 (Fidium Finanz), Slg. 2006, I-9521, Rz. 30: „Es lässt sich gewiss nicht ausschließen,<br />

dass in bestimmten speziellen Fällen eine nationale Bestimmung, die sich <strong>zu</strong>gleich auf die<br />

Dienstleistungsfreiheit und auf die Kapitalverkehrsfreiheit bezieht, die Ausübung beider Freiheiten gleichzeitig<br />

behindern kann.“<br />

76 Siehe da<strong>zu</strong> oben C.II.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

überschneiden, insbesondere im Bereich der Direktinvestitionen. In diesem<br />

Überschneidungsbereich ist keine Grundfreiheit gegenüber der anderen generell speziell.<br />

Deshalb ist nach wie vor davon aus<strong>zu</strong>gehen, dass in diesem Bereich beide Grundfreiheiten<br />

nebeneinander „kumulativ“ Anwendung finden können. Es hat sich gezeigt, dass es nach<br />

Ansicht des EuGH Bereiche gibt, in denen zwar beide Grundfreiheiten potentiell betroffen<br />

sind, aber dennoch ein Sachverhalt ausschließlich anhand der Niederlassungsfreiheit <strong>zu</strong><br />

prüfen ist und die Vorgaben der Kapitalverkehrsfreiheit verdrängt werden. Damit hat man es<br />

mit einer Art „abdrängendem Vorrang“ der Niederlassungsfreiheit <strong>zu</strong> tun, durch welche die<br />

eigentlich neben der Niederlassungsfreiheit anwendbare Kapitalverkehrsfreiheit verdrängt<br />

wird. Dies führt da<strong>zu</strong>, dass die Berufung auf die Kapitalverkehrsfreiheit gesperrt. wird. Das ist<br />

gerade im Hinblick auf <strong>Dr</strong>ittstaaten von großer Bedeutung.<br />

Das Verhältnis von Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit lässt sich vor diesem<br />

Hintergrund als Überlagerung charakterisieren, wobei die Niederlassungsfreiheit die<br />

Kapitalverkehrsfreiheit überlagert, nicht umgekehrt. Das ist im Hinblick auf Art. 58 Abs. 2<br />

EGV durchaus im Einklang mit der Systematik des EGV 77<br />

E. Prologomena für die Bewältigung der Überlagerungsproblematik<br />

I. Ausganglage<br />

Bei der Entwicklung von Kriterien für die Bewältigung der vorstehend skizzierten<br />

Überlagerungsproblematik gilt es vor allem den Bereich näher ein<strong>zu</strong>grenzen, in welchem der<br />

Niederlassungsfreiheit ein – wie es hier oben (D.II.) bezeichnet wurde – „abdrängender<br />

Vorrang“ <strong>zu</strong>kommt. Es wurde deutlich, dass es keine allgemeine Vorrangregel gibt. Vielmehr<br />

muss nach derzeitigem Stand bei jeder einzelnen Norm analysiert werden, ob ein Fall der<br />

Spezialität vorliegt, beide Grundfreiheiten nebeneinander Anwendungen finden oder welche<br />

Grundfreiheit hinter der anderen <strong>zu</strong>rücktreten muss.<br />

Damit erinnert die Situation ein wenig an das Problem des Verhältnisses des<br />

Kapitalmarktrechts <strong>zu</strong>m Gesellschaftsrecht bei börsennotierten Aktiengesellschaften,<br />

teilweise als Börsengesellschaftsrecht 78 bezeichnet. Insbesondere im Bereich von Regelungen<br />

<strong>zu</strong>m Anleger- bzw. Aktionärsschutz trifft man eine komplizierte Gemengelage an. 79 Auch hier<br />

lassen sich kaum allgemeine Vorrangregeln formulieren. 80 Stattdessen versucht man,<br />

Orientierung anhand der Zielset<strong>zu</strong>ngen der Norm <strong>zu</strong> erlangen: Zielt die Norm primär auf den<br />

Schutz der Aktionäre in ihrer Eigenschaft als Mitglied eines Verbandes (Gesellschaftsrecht)<br />

oder auf die Aktionäre in ihrer Eigenschaft als Kapitalanleger oder ist der Anlegerschutz nur<br />

Mittel <strong>zu</strong>m Zweck für die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts<br />

(Kapitalmarktrecht) 81<br />

77 Näher da<strong>zu</strong> oben B.IV.1.<br />

78 Skeptisch gegenüber dieser Bezeichnung <strong>Windbichler</strong>, JZ 2008, 840, 842.<br />

79 Vgl. Darstellung der Rechtsentwicklung und Analyse bei Fleischer, ZIP 2006, 451 ff.; Krolop, Der Rück<strong>zu</strong>g<br />

vom organisierten Kapitalmarkt, S. 195 ff.; vgl. auch <strong>Windbichler</strong>, JZ 2008, 840, 841 f.<br />

80 Vgl. Lutter, in: FS Zöllner, S. 363 ff.; Ekkenga, Anlegerschutz, S. 200 f.; Fleischer, ebd.; Escher-Weingart,<br />

Dereregulierung, S. 200 ff.; Krolop, ebd.<br />

81 Vgl. Ekkenga, ebd.; Krolop, ebd., S.210 ff.; Lutter, ebd. S. 363 ff.;<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

Ähnlich ist nach derzeitigem Stand der Ansatz <strong>zu</strong>r Bewältigung der Abgren<strong>zu</strong>ngsproblematik<br />

bei den Grundfreiheiten. Es wird vor allem auf die Schutzziele und Effekte der<br />

nationalstaatlichen Norm bzw. staatlichen Maßnahme abgestellt: „Nur wenn identische<br />

Schutzziele betroffen sind, wird der Wortlaut des Art. 58 Abs. 2 EGV es nahe legen, dass die<br />

Rechtfertigung der Niederlassungsfreiheit auch die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit<br />

<strong>zu</strong> legitimieren vermag(…)“ 82 Wie vorstehen ausgeführt (oben D.IV.2.) geht aus der Holbök-<br />

Entscheidung hervor, dass von einer solchen Zielset<strong>zu</strong>ng nur dann ausgegangen werden kann,<br />

wenn eine Regelung oder Maßnahme dahingehend differenziert, dass sie für Investitionen, bei<br />

denen der Investor einen „bestimmenden Einfluss“ ausübt, besondere Vorgaben macht. Damit<br />

kommt ein Vorrang nur in Betracht, wenn die Kriterien des Anknüpfungstatbestands <strong>zu</strong>gleich<br />

die Merkmale eines „bestimmenden Einflusses“, mittels dessen die „Tätigkeit der<br />

Gesellschaft“ gesteuert werden kann, erfüllen. Leider werden diese Kriterien weder durch<br />

EuGH, noch im Schrifttum näher spezifiziert. Nachfolgend soll versucht werden, dem Begriff<br />

des „bestimmenden Einflusses“ nähere Konturen <strong>zu</strong> geben.<br />

II. „Control“ als Scheidelinie zwischen Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit<br />

Mit dem Begriff „bestimmender Einfluss mit dem die Tätigkeit der Gesellschaft gesteuert<br />

werden kann“ assoziiert man wohl <strong>zu</strong>nächst die Kontrolle einer Gesellschaft. Damit wäre man<br />

bei der Frage, wann eine Gesellschaft kontrolliert wird.<br />

1. Das Verhältnis <strong>zu</strong> den Begriffen „Konzern“ und „Abhängigkeit“<br />

Aus der Sicht des deutschen Rechts erscheint es nahe liegend, sich an den<br />

gesellschaftsrechtlichen Regelungen <strong>zu</strong>m Konzernrecht <strong>zu</strong> orientieren. Der <strong>Dr</strong>eh- und<br />

Angelpunkt des deutschen Konzernrechts sind nicht – wie man <strong>zu</strong>nächst vermuten könnte -<br />

die in § 18 AktG geregelten Begriffe „einheitliche Leitung“ und „Konzern“, sondern der<br />

Begriff der „Abhängigkeit“, da die konzernrechtlichen Regelungen bereits dann eingreifen,<br />

wenn ein Unternehmen eine Aktiengesellschaft „beherrscht“ 83 . Gemäß § 17 Abs. 2 AktG wird<br />

bei einer Mehrheitsbeteiligung Abhängigkeit vermutet. 84 Einerseits ist diese Vermutung<br />

widerleglich. Andererseits kann eine Abhängigkeit auch anderweitig begründet sein und ist<br />

damit letztlich eine Frage der umfassenden Betrachtung des Einzelfalls. 85 Daher ist das<br />

Vorliegen der Mehrheit der Anteile und/oder die Mehrheit der Stimmrechte zwar ein<br />

wichtiger, aber nicht der einzige relevante Gesichtspunkt.<br />

2. Der Kontrollbegriff im Übernahmerecht<br />

Auch eine niedrigere Beteiligung kann einen bestimmenden Einfluss vermitteln. Dies wird<br />

z.B. deutlich, wenn man den übernahmerechtlichen Kontrollbegriff bei börsennotierten<br />

Gesellschaften in § 29 Abs. 2 WpÜG betrachtet. Dieser ist vor allem maßgeblich für die<br />

Frage, wann ein Pflichtangebot ab<strong>zu</strong>geben ist (§ 35 Abs. 1 S. 1 WpÜG). Die deutsche<br />

82 So wörtlich Sedlaczek, in: Streinz, Art. 56 EGV Rn. 13; Schön, in: GS Knobbe-Keuck, S. 743, 750.<br />

83 Vgl. Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 18 Rn. 2 m.w.N.<br />

84 Dabei wird auf die Mehrheit der Anteile (nicht der Stimmen) abgestellt, § 16 Abs. 1 AktG.<br />

85 Zur umfangreichen Kasuistik vgl. Kommentierungen <strong>zu</strong> § 17 AktG, z.B. Emmerich/Habersack, Aktien- und<br />

GmbH-Konzernrecht § 17 Rn. 18 ff.; <strong>Windbichler</strong>, in: GroßkommAktG § 17 Rn. 22 ff.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

Regelung setzt bereits bei 30 % der Stimmrechte an. Dem liegt die Erwägung <strong>zu</strong>grunde, dass<br />

aufgrund der niedrigen Hauptversammlungspräsenzen ein derartiger Anteil an den<br />

Stimmrechten für die Präsenzmehrheit ausreicht. Dies macht <strong>zu</strong>nächst deutlich, dass es<br />

geboten sein kann, zwischen börsennotierten und nicht börsennotierten Gesellschaften <strong>zu</strong><br />

differenzieren 86 . Aus dieser Perspektive liegt es nahe, dass im Bereich der börsennotierten<br />

Gesellschaften ein „bestimmender Einfluss“ auch bei Erlangung von 30°% der Stimmrechte<br />

<strong>zu</strong> bejahen ist.<br />

3. Notwendigkeit einer vom nationalen Recht losgelösten „autonomen Auslegung“<br />

Aber gerade der übernahmerechtliche Kontrollbegriff, der ja auf der Umset<strong>zu</strong>ng der<br />

Übernahmerichtlinie beruht, ist ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit bei der Anwendung<br />

europäischen Rechts nicht nur aus der nationalen Binnenperspektive heraus <strong>zu</strong><br />

argumentieren. 87 Der Begriff des „bestimmenden Einflusses“, den es hier <strong>zu</strong> typisieren gilt, ist<br />

ein europarechtlicher Begriff. Deshalb sollte er nicht ausschließlich anhand des nationalen<br />

Rechts bestimmt werden, sondern möglichst „europarechtsautonom“, d.h. anhand<br />

europarechtlicher Vorgaben und Wertungen konkretisiert werden. 88 Die<br />

Übernahmerichtlinie 89 verzichtet allerdings gerade auf eine einheitliche Definition der<br />

Kontrolle, sondern überlässt es den Mitgliedstaaten, den prozentualen Anteile der<br />

Stimmrechte, der eine Kontrolle begründet, <strong>zu</strong> bestimmen. (Art. 5 Abs. 3<br />

Übernahmerichtlinie). 90<br />

4. Das control-Konzept in der europäischen Rechnungslegung<br />

Will man - eingedenk des vorstehend skizzierten Postulats der autonomen Auslegung - eine<br />

europarechtlich einheitliche Typisierung von Kontrolle als Anknüpfungspunkt wählen, wird<br />

man eher bei der Rechnungslegung fündig, nämlich bei dem für die Konsolidierung von<br />

Tochtergesellschaften im Konzernabschluss der Muttergesellschaften maßgeblichen Control-<br />

Konzept 91 , wie es u.a. in Art. 1 der Konzernrechnungslegungsrichtlinie 92 (<strong>zu</strong>r Umset<strong>zu</strong>ng in<br />

Deutschland vgl. auch § 290 Abs. 2 HGB) seinen Niederschlag gefunden hat 93 und für alle<br />

Mitgliedstaaten verbindlich ist. 94 <strong>Hier</strong>nach besteht Kontrolle nicht nur bei der Mehrheit der<br />

86 Da<strong>zu</strong> noch näher unten bei D.V.2.<br />

87 Vgl. <strong>zu</strong> diesem „Gebot“ bei der Anwendung europarechtlich geprägter Normen im Gesellschaftsrecht<br />

<strong>Windbichler</strong>/Krolop, in: Riesenhuber (Hrsg.) Europäische Methodenlehre, § 19 Rn. 56 ff.<br />

88 Eingehend <strong>zu</strong>r autonomen Auslegung europarechtlicher Begriffe Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.)<br />

Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 4 ff. m.w.N.<br />

89 RL 2004/25/EG v. 21.04.2004 betreffend Übernahmeangebote, ABl.EG Nr. L 142 vom 30/04/2004, S. 12.<br />

90 Näher da<strong>zu</strong> Möller, in: Assmann/Schneider, WpÜG § 29 Rn. 9 f.; ähnl. Schwellenwerte auch in Frankreich,<br />

Großbritannien, Österreich und der Schweiz (vgl. Möller, ebd.); <strong>zu</strong>m tschechischen Recht vgl. vorstehenden<br />

Beitrag von Mikulaš (Abschn. 5 II).<br />

91 Zu diesem Begriff sowie Gemeinsamkeiten und Unterschieden gegenüber dem deutschen Konzbegriff<br />

<strong>Windbichler</strong>, in: GroßkommAktG § 17 Rn. 8; § 18 Rn. 9; Kindler, in: Ulmer (Hrsg.) HGB-Bilanzrecht, § 290<br />

Rn. 5, 34 m.w.N.; vgl. auch Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 565 ff.<br />

92 RL 83/349/EWG v. 13.06.1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den<br />

konsolidierten Abschluß, ABl.EG Nr. L 193 v. 18/07/1983, S. 1 in der Fassung der RL 2006/46/EG v. 14. Juni<br />

2006, ABl.EG L 224 v. 16.8.2006, S. 1.<br />

93 Weiteres Beispiel: Art. 87 Abs. 2 der RL 2001/34/EG (Börsen<strong>zu</strong>lassungsrichtlinie) ABl.EG Nr. L 184 v.<br />

06.07.2001 S. 1.<br />

94 Vgl. Nachweis in Fn. 91.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

Stimmrechte (vgl. Art. 1 Abs. 1, lit. a der RL), sondern alternativ auch dann, wenn ein<br />

Gesellschafter das Recht hat, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder<br />

Aufsichtsorgans eines Unternehmens (Tochterunternehmens) <strong>zu</strong> bestellen (Art. 1 Abs. 1 lit. b<br />

der RL) oder beherrschenden Einfluss aufgrund eines mit dem Unternehmen geschlossenen<br />

Vertrages oder einer Sat<strong>zu</strong>ngsbestimmung ausüben kann.<br />

Das tschechische Recht hat das control-Konzept nicht nur in der Konzernrechnungslegung<br />

festgeschrieben, sondern auch für die Definition einer Unternehmensgruppe (podnikatelská<br />

seskupení) fruchtbar gemacht. Wenn bei einer Person eine der drei Alternativen für eine<br />

Kotrolle vorliegt, wird vermutet, dass diese als „herrschende Person“ (ovládající osoba)<br />

qualifizieren ist (§ 66a Abs. 3 tschech. HGB). Interessanterweise definiert § 66a Abs. 2<br />

tschech. HGB die „herrschende Person“ als eine Person die „entscheidenden Einfluss“<br />

(rozhodující vliv) auf die Unternehmensführung einer anderen Person hat.<br />

5. Folgerungen<br />

Damit ist der Ansatz, das control-Konzept <strong>zu</strong>r Konkretisierung des „bestimmenden<br />

Einflusses“ heran<strong>zu</strong>ziehen im tschechischen Konzernrecht bereits Realität. Es wurde auch<br />

bereits vorgeschlagen anhand dieses Konzepts Niederlassungsfreiheit und<br />

Kapitalverkehrsfreiheit voneinander ab<strong>zu</strong>grenzen. 95 In diese Richtung könnte man auch eine<br />

Passage aus dem Urteil des EuGH in der Sache Baars 96 aus dem Jahr 2000 interpretieren:<br />

„Insoweit ist hervor<strong>zu</strong>heben, daß eine wesentliche Beteiligung im Sinne des niederländischen Rechts, deren<br />

Hauptmerkmal in der Innehabung von mindestens einem <strong>Dr</strong>ittel der Gesellschaftsanteile und von mehr als<br />

sieben Hundertstel des eingezahlten Gesellschaftskapitals während der letzten fünf Jahre besteht, nicht<br />

zwangsläufig mit der Kontrolle über die Gesellschaft oder ihrer Leitung verbunden ist, die Teil der<br />

Ausübung des Niederlassungsrechts sind.“<br />

Nur eine Regelung, deren Rechtsfolgen ausschließlich bei denjenigen Beteiligungen Wirkung<br />

entfaltet, welche die Merkmale einer der Alternativen für eine „Kontrolle“ im Sinne des<br />

control-Konzepts erfüllen, könnte hiernach als primär auf die Niederlassungsfreiheit zielend<br />

und die Kapitalverkehrsfreiheit verdrängend angesehen werden.<br />

Angewandt auf die deutsche AWG-Novelle würde dies bedeuten, dass der deutsche<br />

Gesetzgeber die Möglichkeit der Untersagung von ähnlichen Vorausset<strong>zu</strong>ngen von einem<br />

ähnlichen Anknüpfungstatbestand abhängig machten müsste, wie die Pflicht <strong>zu</strong>r<br />

Konsolidierung nach § 290 HGB. Die AWG-Novelle knüpft aber lediglich an einen Anteil<br />

von 25% der Stimmrechte an. 97 Eine derartige Beteiligung vermittelt nur ausnahmsweise eine<br />

Kontrolle nach den in § 290 bs. 2 HGB bzw. Art. 1 Abs. 1 der Konzernrechnungsrichtlinie<br />

definierten Kriterien. Damit käme eine Verdrängung der Kapitalverkehrsfreiheit durch die<br />

Niederlassungsfreiheit hiernach grundsätzlich nicht in Betracht.<br />

III. Das Kontinuum von der Portfolio-Beteiligung <strong>zu</strong>m integrierten Konzern<br />

Aber auf dieses verlockende Modell - das schon im Jahr 2000 in der Sache Baars auch<br />

Generalanwalt Alber vorgeschlagen hatte - hat sich der EuGH in dieser Allgemeinheit bisher<br />

95 In diese Richtung Generalanwalt Alber in seinem Schlussantrag <strong>zu</strong>r Rs. C 251/98 (Baars), Rz. 33; vgl. auch<br />

EuGH v. 13.04.2000 (Baars), Slg. 2000, I-2787..<br />

96 EuGH v. 13.04.2000 (Baars), Slg. 2000, I-2787, Rz. 20.<br />

97 Da<strong>zu</strong> oben A.III.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

nicht eingelassen. 98 In der Sache Baars hat der EuGH maßgeblich darauf abgestellt, dass der<br />

Betroffene mit 100 % an der Gesellschaft beteiligt war. 99<br />

Diese Sichtweise lässt sich auch mit den jüngst ergangenen Urteilen in Sachen Holböck und<br />

Lasertec nicht in Einklang bringen. Wie bereits ausgeführt (oben D.IV.1.) hat der EuGH<br />

betont, dass es bei der Betrachtung nicht auf die konkrete Position des Investors, sondern<br />

allein auf die Zielrichtung der Norm ankomme. Die Regelung des deutschen Steuerrecht (§ 8a<br />

KStG a.F.), die in der Lasertec Gegenstand der Entscheidung des EuGH war, knüpfte an einer<br />

Beteiligung von 25 % am Grund- bzw. Stammkapital der Gesellschaft an. 100 Diese Quote ist<br />

traditionell keine Typisierung eines beherrschenden Einflusses oder einer „Kontrolle“,<br />

sondern wird gemeinhin als charakteristisch für eine Beteiligung mit Einflusspotential<br />

angesehen, und im deutschen Schrifttum häufig als „unternehmerische“ oder „wesentliche“<br />

Beteiligung bezeichnet 101 . Damit scheint nach Lasertec <strong>zu</strong>mindest auch bei einer derartigen<br />

wesentlichen Beteiligung unterhalb der traditionellen Kontrollschwelle eine Verdrängung der<br />

Kapitalverkehrsfreiheit <strong>zu</strong>mindest in Betracht <strong>zu</strong> kommen.<br />

1. Sperrminorität als Typisierung des „bestimmenden Einflusses“<br />

Klassischer Anknüpfungspunkt für die Verortung einer „wesentlichen“ oder<br />

„unternehmerischen“ Beteiligung bei 25 % der Stimmrechte ist der Umstand, dass eine<br />

Beteiligung von 25 % eine Sperrminorität vermittelt: Es können Sat<strong>zu</strong>ngsänderungen und<br />

wichtige Strukturmaßnahme damit blockiert werden. Aus diesem Grund verortete die<br />

deutsche Rechtsprechung die Anwendung der Grundsätze <strong>zu</strong> eigenkapitalersetzenden<br />

Gesellschafterdarlehen bei Aktiengesellschaften bei einer Schwelle von 25%. 102 Auf dieser<br />

Linie liegt auch die Regelung in § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO, wonach jeder, der am Schuldner<br />

eine Beteiligung von mehr als ein Viertel des Kapitals innehat als eine als dem Schuldner<br />

nahe stehende Person an<strong>zu</strong>sehen ist. In diesem Zusammenhang kann auch die Pflicht <strong>zu</strong>r<br />

Meldung einer Beteiligung von mehr als ein Viertel der Aktien nach § 20 Abs. 1 AktG bei<br />

nicht börsennotierten Aktiengesellschaften genannt werden. 103<br />

2. „Bedeutende“ Beteiligung und „Direktinvestition“<br />

An dieser Stelle ist erneut <strong>zu</strong> betonen, dass der „bestimmende Einflusses“, den es hier <strong>zu</strong><br />

typisieren gilt, ein europarechtlicher Begriff ist. Im Sekundärrecht findet man wenige<br />

Ansatzpunkte dafür, dass bei der Sperrminorität eine besondere Grenzziehung verortet wird.<br />

Das europäische Kapitalmarktrecht kennt den Begriff der „bedeutenden Beteiligung“<br />

(englische Fassung: significant investment), etwa in der Übernahmerichtlinie 104 . Diese ist aber<br />

98 In diese Richtung der Generalanwalt Alber (oben Fn. 95).<br />

99 EuGH v. 13.04.2000 (Baars), Slg. I-2787, Rz. 21.<br />

100 Vgl. EuGH v. 10.5.2007 (Lasertec), Rs. C-492/0, 4, ZIP 2007, 1404; näher da<strong>zu</strong> oben D.II.<br />

101 Vgl. stellvertretend Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 19 Rn. 30, 32.<br />

102 BGHZ 90, 381, 389 f. (WestLB); BGH NZG 2005, 712; Hueck/<strong>Windbichler</strong>, Gesellschaftsrecht, § 30 Rn. 29;<br />

Hüffer, AktG § 57 Rn. 17; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 19 Rn. 30 ff.<br />

103 Für börsennotierte Gesellschaften sind die Meldepflichten nach §§ 21 ff. WpHG vorrangig da<strong>zu</strong> unten ##<br />

104 Gemäß Art. 10 Abs. 1 lit c) der Übernahmerichtlinie (Fn. 89) muss über bedeutende Beteiligungen am Kapital<br />

der Gesellschaft berichtet werden (<strong>zu</strong>r Umset<strong>zu</strong>ng im deutschen Recht vgl. § 289 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Für die<br />

Definition der „bedeutenden Beteiligung“ wird auf Art. 89 Abs. 1 die RL 2001/34/EG<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

bereits bei einer Schwelle von 10% angesiedelt. Rechtsvergleichend setzen in vielen<br />

Rechtsordnungen Vorgaben für Geschäfte zwischen der Gesellschaft und ihr nahe stehende<br />

Personen (sog. related party transactions) bei einer Beteiligungsschwelle von 10% an 105 .<br />

Bereits ab dieser Beteiligung wird also ein Potential für eine die Gesellschaft schädigende<br />

Einflussnahme auf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung geargwöhnt.<br />

Nicht nur in der Diskussion um die Abgren<strong>zu</strong>ng von Kapitalverkehrs- <strong>zu</strong>r<br />

Niederlassungsfreiheit 106 , sondern auch in Wirtschaftstatistiken wird zwischen der reinen<br />

Kapitalanlage, den Portfolio-Investitionen einerseits und den Direktinvestitionen (Foreign<br />

direct investments FDI), bei denen der Investor aktiv Einfluss auf sein Investment ausübt,<br />

unterschieden. 107 Relevant ist die Abgren<strong>zu</strong>ng auch in völkerrechtlichen Abkommen und<br />

Vereinbarungen <strong>zu</strong>m Investitionsschutz. 108 Auch hier ist die Grenzziehung jeweils nicht ganz<br />

einheitlich, aber in der Mehrzahl gelten bereits Beteiligungen ab 10 % als Direktinvestitionen.<br />

Auch bei der deutschen Rechtsentwicklung lässt sich ein Trend feststellen, eine bedeutende<br />

Beteiligung bei 10% <strong>zu</strong> verorten: So sieht das Gesetz <strong>zu</strong>r Modernisierung des GmbH-Rechts<br />

und <strong>zu</strong>r Bekämpfung von Missbräuchen 109 vor, dass die Vorgaben <strong>zu</strong> Gesellschafterdarlehen<br />

auch bei Aktiengesellschaften bereits ab einer Beteiligung von 10 % eingreifen. 110 Ferner<br />

wird verbreitet die Schwelle bei § 138 Abs. 2 InsO für die sogenannte „Insideranfechtung“ als<br />

<strong>zu</strong> hoch kritisiert und eine Absenkung auf 10 % gefordert. 111<br />

In der Tat vermittelt gerade bei börsennotierten Unternehmen mit weitgestreuten Aktienbesitz<br />

eine Beteiligung von 10 % einen ganz erheblichen Einfluss. So ist z.B. die Kuweit Investment<br />

Authority (KIA), ein Staatsfonds aus Kuwait, mit einer Beteiligung von ca. 7 % am<br />

Grundkapital mittlerweile der bedeutendste Aktionär bei Daimler und verfügt über<br />

bedeutenden Einfluss 112 . Es sei auch auf die <strong>zu</strong>nehmend verbreitete Praxis der<br />

„Beteiligungsvereinbarungen“ (investor agreement) verwiesen, in denen sich der Investor<br />

<strong>zu</strong>sätzliche Befugnisse einräumen lässt. 113 Insoweit ist es folgerichtig, wenn die durch das so<br />

genannte Risikobegren<strong>zu</strong>ngsgesetz 114 neu eingeführten „Mitteilungspflichten für Inhaber<br />

(Börsen<strong>zu</strong>lassungsrichtlinie, ABl.EG Nr. L 184 v. 06.07.2001, S.1) verwiesen, der auf die Schwelle von 10°%<br />

der Stimmrecht abstellt.<br />

105 Vgl. Überblick bei Fleischer in: Lutter (Hrsg.) Legal Capital in Europe, S. 94, 100 ff. m.w.N.; vgl auch<br />

Krolop, Covenants, 203. 207 f. Das tschechische und das deutsche Recht sind allerdings strenger: Die<br />

Regelungen von § 196a Abs. 3 tschech. HGB bzw. die Lehre von der verdeckten Sacheinlage sehen keine<br />

Differenzierung vor und erfassen grundsätzlich jeden Aktionär (vgl. da<strong>zu</strong> Krolop/Kusak, WiRO 2007, S. 63, 66<br />

ff.; dies. Pravní Rozhledy, 2007, 242 ff.).<br />

106 Siehe oben B.I.2. und B.IV.2.<br />

107 Vgl. stellvertretend Erhebung der UNCTAD (United Nations Conference on Trade and Development); im<br />

Internet unter www.uncatad.org.<br />

108 Herdegen Internationales Wirtschaftsrecht,§ 21 (S. 241 ff.); Sidhu, Direktinvestitionen,52 ff.<br />

109 Überblick bei Hueck/<strong>Windbichler</strong>, Gesellschaftsrecht, § 20 Rn. 19 ff.<br />

110 Vgl. § 39 Abs. 5 InsO n.F., näher da<strong>zu</strong> Krolop, ZIP 2007, 1738 ff.<br />

111 Krolop, ZIP 2008, 1738, 1744 m.w.N.<br />

112 Krolop, <strong>Humboldt</strong> Forum Recht, 1-2008, S. 1, 7 f. mit weiteren Beispielen.<br />

113 Diese reichen von besonderen Einsichts- und Informationsrechten, bis <strong>zu</strong>r Befugnis bestimmten Maßnahmen<br />

der Geschäftsführung <strong>zu</strong> widersprechen. Die rechtlichen Probleme in Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem<br />

zwingenden Aktienrecht sind nicht abschließend geklärt; vgl. Wolf, Der Beteiligungsvertrag bei der<br />

Aktiengesellschaft, 2005; Zetzsche, NZG 2002, 942; grundlegend Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei<br />

Kapitalgesellschaften, 1994; vgl. auch Krolop, Covenants, 203 ff.<br />

114 Siehe oben Fn. 9.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

wesentlicher Beteiligungen“ bei börsennotierten Gesellschaften, bei einer Schwelle von 10 %<br />

der Stimmrechte ansetzen (vgl. § 27a WpHG n.F.). 115<br />

3. Zwischenfazit: Abgren<strong>zu</strong>ngsproblematik als Spiegelbild der Konzernrechtsdiskussion<br />

Die Gesamtbetrachtung von Schwellenwerten, hat deutlich gemacht, dass es sehr schwer fällt,<br />

formal allein anhand von „gegriffenen“ 116 Schwellenwerten den „bestimmenden Einfluss“<br />

fest<strong>zu</strong>klopfen, bei dem eine Verdrängung der Kapitalverkehrsfreiheit in Betracht kommt. Die<br />

Abgren<strong>zu</strong>ng anhand des Merkmals „bestimmender Einfluss“ erscheint nur dann einigermaßen<br />

klar, soweit man von den Idealtypen Konzernmutter einerseits und Kleinanleger bzw. passiver<br />

institutioneller Anleger andererseits ausgeht.<br />

Aber es gibt ein ausgedehntes Zwischenreich, das von den verschiedenstes Akteuren<br />

bevölkert wird: angefangen beim Pensionsfonds, der nominell eine bedeutende Beteiligung<br />

hält, aber von seinen Einflussmöglichkeiten nur in geringem Maße Gebrauch macht, über<br />

„aktivistische“ institutionelle Investoren, die von ihren Befugnissen rege Gebrauch machen<br />

und erheblichen <strong>Dr</strong>uck auf das Management ausüben, bis hin <strong>zu</strong>r Hausbank, die eine<br />

vergleichsweise geringe Beteiligung hält, aber als Hauptkreditgeber jederzeit den Geldhahn<br />

<strong>zu</strong>drehen kann, aber von diesem <strong>Dr</strong>uckmittel meist nur in akuten Krisensituationen Gebrauch<br />

macht. 117<br />

Vor diesem Hintergrund ist davor <strong>zu</strong> warnen, anhand eines bestimmten Schwellenwerts<br />

formal und allgemeingültig eine Trennlinie zwischen Niederlassungs- und<br />

Kapitalverkehrsfreiheit ziehen <strong>zu</strong> wollen. Grundfreiheiten sind rechtsgebietsübergreifend. Es<br />

wurde deutlich, dass in den verschiedenen Gebieten – je nach Regelungszweck – „Kontrolle“<br />

bzw. „wesentliche Beteiligung“ unterschiedlich typisiert sind. Dabei sind die Übergänge<br />

fließend. Was in einem Bereich die Schwelle für eine wesentliche Beteiligung ist, kann in<br />

einem anderen der Typisierung eines kontrollierenden Einflusses entsprechen. Zum Beispiel<br />

ist die Sperrminorität (25 %) von der Kontrollschwelle im Sinne des deutschen<br />

Übernahmerechts (30 % der Stimmrechte) nicht mehr weit entfernt.<br />

Schließlich sind die Typisierungen nur teilweise durch Richtlinien harmonisiert, so dass diese<br />

nicht nur von Rechtsgebiet <strong>zu</strong> Rechtsgebiet, sondern auch von Mitgliedstaat <strong>zu</strong> Mitgliedstaat<br />

unterschiedlich sind. Die Suche nach einer all umfassenden Definition für eine Beteiligung,<br />

die einen dauerhaften, (mit)bestimmenden Einfluss auf die Gesellschaft vermittelt und die<br />

Niederlassungsfreiheit von der Kapitalverkehrsfreiheit abgrenzt, ist nicht weniger als die<br />

Suche nach der „Weltformel“ für eine präzise für sämtliche Rechtsverhältnisse brauchbare<br />

Definition des Konzerns bzw. Unternehmensgruppe. Von dieser ist man ungefähr so weit<br />

entfernt wie die im Auftrag von Rudolf II. im Goldmachergässchen auf der Prager Burg<br />

arbeitenden Alchimisten von der Formel <strong>zu</strong>r Herstellung von Gold. Daher wird es auch für die<br />

Abgren<strong>zu</strong>ng von Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit für absehbare Zeit keine<br />

verlockend einfache schematische Lösung geben. Insoweit sind die Schwierigkeiten bei der<br />

115 Diese sehen u.a. vor, dass der Investor der Gesellschaft seine mit dem Erwerb der Beteiligung verfolgten<br />

Absicht und Ziele mitteilen soll.<br />

116 Vgl. Titel eines Beitrags von Fleischer „Gegriffene Größen in der aktienrechtlichen Spruchpraxis“, FS<br />

Canaris, S. 71.<br />

117 Zum <strong>zu</strong>letzt genannten Typ näher Krolop, Covenants, S. 203, 221 f., 240 ff. m.w.N.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

Abgren<strong>zu</strong>ng dieser beiden Grundfreiheiten Spielbild der vergeblichen Suche nach dem Stein<br />

der Weisen im Konzernrecht.<br />

IV. Markante Fixpunkte auf dem Kontinuum von der Portfolio-Beteiligung <strong>zu</strong>m<br />

integrierten Konzern.<br />

Typisiert werden können aber immerhin zwei Fixpunkte auf dem Kontinuum von der reinen<br />

Portfolio-Beteiligung über die wesentliche Beteiligung bis hin <strong>zu</strong>r Kontrolle bzw. integrierten<br />

Konzern 118 . <strong>Hier</strong>aus können immerhin zwei Faustegeln abgeleitet werden.<br />

1. Indizwirkung der 10%-Schwelle als Untergrenze der Direktinvestition<br />

Die Gesamtbetrachtung hat folgenden Befund erbracht: Man mag darüber streiten, ob und<br />

unter welchen Umständen eine Beteiligung von 10 % bereits als eine „wesentliche“ oder eine<br />

„bedeutende“ Beteiligung angesehen werden kann. Jedenfalls besteht <strong>zu</strong>mindest insoweit<br />

weitgehend Konvergenz der gesetzlichen Wertungen, dass eine Beteiligung unterhalb der 10<br />

% Schwelle nicht als Direktinvestition bzw. wesentliche Beteiligung eingestuft wird. 119<br />

Daraus folgt, dass die Vermittlung eines „bestimmenden Einflusses“ in dieser Konstellation<br />

fernliegend ist, mit der Konsequenz, dass bei Regelungen, die an eine Beteiligung unterhalb<br />

dieser Grenze anknüpfen, eine Verdrängung der Kapitalverkehrsfreiheit nicht in Betracht<br />

kommt. Das gilt natürlich erst recht, wenn eine Regelung überhaupt nicht nach der Art der<br />

Beteiligung differenziert, sondern auf jedwede Beteiligung an einer Gesellschaft Anwendung<br />

findet.<br />

2. Indizwirkung der Kontrolle i.S.d. control-Konzepts<br />

Zwar wurde deutlich, dass ein „bestimmender Einfluss“ nicht nur bei einer Kontrolle der<br />

Gesellschaft im Sinne des in der Konzernrechnungslegungsrichtlinie verankerten control-<br />

Konzepts in Betracht kommt. Als Faustregel kann festgehalten werden, dass wenn eine<br />

Regelung des nationalen Recht an eine Kontrolle im Sinne der Konzernabschlussrichtlinie<br />

oder einen ähnlichen Tatbestand anknüpft, die Niederlassungsfreiheit in jedem Fall <strong>zu</strong>mindest<br />

auch betroffen ist. In diesen Fällen liegt es nahe, dass die Regelung primär auf die<br />

Niederlassungsfreiheit zielt und damit die Kapitalverkehrsfreiheit verdrängt. 120 Jedenfalls<br />

erscheint es angezeigt, in diesen Konstellationen – in Einklang mit der in Art. 58 Abs. 2 EGV<br />

angelegten Systematik 121 – die Niederlassungsfreiheit vor der Kapitalverkehrsfreiheit <strong>zu</strong><br />

prüfen. Diese Indizwirkung gewinnt je mehr an Gewicht, je weiter der<br />

118 Die Kontrolle ist streng genommen nicht der Endpunkt des Kontinuums. Dieses setzt sich noch jenseits der<br />

Kontrolle fort: über den integrierten Konzern, die Organschaft i.S.v. § 14 KSTG (vgl. o. D.II.) bis <strong>zu</strong>r 100%-<br />

Beteiligung oder Eingliederung.<br />

119 Dagegen kann nicht vorgebracht werden, dass nach § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG bereits ein Erwerb von 3 % der<br />

Stimmrechte bei einem Emittenten von Wertpapieren gemeldet werden muss. (vgl. auch Transparenzrichtlinie -<br />

RL 2004/109/EG v. 15.12.2004, ABl.EG Nr. L 390 v. 31.12.2004 S. 38, Art. 9: Meldepflicht, wenn die Schwelle<br />

von 5 %, 10 %, 15 %, 20 %, 25 %, 30 %, 50 % oder 75 % erreicht, über- oder unterschreitet.) Diese Vorgaben<br />

haben auch das Ziel, Gesellschafter und den Markt bereits <strong>zu</strong> informieren, gewissermaßen vor<strong>zu</strong>warnen, dass ein<br />

Investor eine wesentliche Beteiligung anstrebt (und nicht erst, wenn der Investor eine solche Beteiligung bereits<br />

inne hat). Daher kann diese Schwelle nicht als Typisierung einer wesentlichen Beteiligung angesehen werden. .<br />

120 Dies liegt auf der Linie des oben bei E.II. vorgestellten Konzepts des tschechischen Rechts, wo das Vorliegen<br />

einer Kontrolle i.S.d. control-Konzepts im Wege einer (widerleglichen) Vermutung mit dem Bestehen eines<br />

bestimmenden bzw. entscheidenden Einflusses verknüpft wird.<br />

121 Vgl. oben B.IV.1. und 3.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

Anknüpfungstatbestand über die einfache Kontrolle hinausgeht und eine weiter gehende<br />

Integration in den Konzern voraussetzt.<br />

V. Behandlung des Bereichs zwischen den Fixpunkten<br />

1. Notwendigkeit der Einzelfallbetrachtung<br />

Im Bereich zwischen den beiden vorstehend skizzierten Fixpunkten wird man derzeit wohl<br />

auf eine Einzelfallbetrachtung <strong>zu</strong>rückgreifen müssen. Bei näherer Betrachtung verfährt auch<br />

der EuGH so. In der Lasertec-Entscheidung erörtert der EuGH nicht abstrakt die Bedeutung<br />

der Sperrminorität, sondern betrachtet näher Sinn und Zweck der verfahrensgegenständlichen<br />

Regelung sowie deren Regelungskontext. Die Regelung des § 8a KstG a.F. stellte eine<br />

geringere Beteiligung mit einer 25%-Beteiligung gleich, wenn der Investor anderweitig<br />

bedeutenden Einfluss auf die Gesellschaft nehmen kann. Daraus leitet der EuGH ab, dass die<br />

Regelung nach Vorstellung des deutschen Gesetzgebers auf die Ausübung von Einfluss im<br />

Unternehmen zielt. Erst aus dieser Gesamtbetrachtung des Regelungsumfelds der konkreten<br />

Norm, ergibt sich für den EuGH, dass die Regelung primär auf die Niederlassungsfreiheit<br />

zielt.<br />

2. Bewertung und Leitlinien<br />

Ein Vorrang der Niederlassungsfreiheit kommt also auch im Bereich zwischen den skizzierten<br />

Punkten in Betracht; er muss aber dann anhand des konkreten Gesetzes bzw. der fraglichen<br />

staatlichen Maßnahme untersucht werden, ob sie primär auf die Niederlassungsfreiheit zieht.<br />

Im Hinblick auf das Bedürfnis nach Rechtssicherheit mag man den Verweis auf eine<br />

Gesamtbetrachtung für unbefriedigend halten. Aber es wurde vorstehend deutlich gemacht,<br />

dass sich die Typisierungen eines wesentlichen Einflusses von Rechtsgebiet <strong>zu</strong> Rechtgebiet<br />

und auch von Mitgliedstaat <strong>zu</strong> Mitgliedstaat unterscheiden. Vor diesem Hintergrund erscheint<br />

es folgerichtig, Zweck und Umfeld der jeweiligen Regelung <strong>zu</strong> analysieren.<br />

Wenn man generell formal auf den Kontrollbegriff abstellte, würde man im Übrigen auch nicht immer der<br />

Notwendigkeit einer Einzelfallbetrachtung enthoben: In Einklang mit Art. 1 Abs. 2 der<br />

Konzernrechnungslegungsrichtlinie sieht der Entwurf für ein Gesetz <strong>zu</strong>r Modernisierung des Bilanzrechts<br />

(BilMoG) vor, dass eine Kontrolle auch dann vorliegen kann, wenn der Gesellschafter anderweitig als durch eine<br />

gesellschaftsrechtliche Beteiligung maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft hat. In Einklang mit Art. 1 Abs. 2<br />

der neuen Konzernabschlussrichtlinie sieht der Entwurf des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) vor,<br />

dass Gesellschafter auch dann in den Jahresabschluss der Konzernobergesellschaft ein<strong>zu</strong>beziehen sind, wenn die<br />

Konzernobergesellschaft, zwar keine unmittelbare gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der Gesellschaft hält,<br />

aber tatsächlich einen derartigen Einfluss ausübt, dass dieser als eine „einheitlich Leitung“ an<strong>zu</strong>sehen ist. Damit<br />

wird man verstärkt in bestimmten Konstellationen bei der Frage, ob eine Kontrolle i.S.v. § 290 HGB bzw. Art. 1<br />

Abs. 1 der Konzernabschlussrichtlinie vorliegt, ebenfalls vor einer Einzelfallbetrachtung stehen. 122<br />

Bei der Gesamtbetrachtung bietet auch die vorstehend skizzierte Vorstellung vom Kontinuum<br />

Orientierung: je stärker die Beteiligungsschwelle der Kontrollschwelle angenähert ist, desto<br />

eher kommt eine derartige Vorrangwirkung in Betracht. <strong>Hier</strong>bei sollte man zwischen<br />

börsennotierten und nicht börsennotierten Gesellschaften differenzieren. Bei ersteren kann<br />

122 Die Unwägbarkeiten bei der Beurteilung dieser Frage wird auch von Stimmen aus der Praxis kritisiert, vgl.<br />

Oser/Roß/Wader/<strong>Dr</strong>ögemüller, WpG 2008, 49, 107 f.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

aufgrund der niedrigen Hauptversammlungspräsenz davon ausgegangen werden, dass eine<br />

Beteiligung von 30% der Stimmrechte für die faktische Mehrheit der Stimmrechte<br />

ausreicht 123 . In der Lasertec-Entscheidung scheint ein weiteres Kriterium auf, nämlich die<br />

Frage, ob die Regelung auf eine bestimmte Gefahrenlage oder bestimmte Konflikte zielt, die<br />

typischerweise erst dann entstehen, wenn der Investor „bestimmenden Einfluss“ ausübt.<br />

F. Folgerungen für das Verhältnis der Grundfreiheiten bei golden share-<br />

Konstellationen<br />

I. Die AWG-Novelle aus der „Lasertec-Perspektive“<br />

Wenn man das oben genannte deutsche Gesetzesvorhaben anhand der vorstehend<br />

entwickelten Kriterien misst, ergibt sich Folgendes: Der Anknüpfungspunkt ist eine Schwelle<br />

von 25% der Stimmrechte. Damit liegt diese in dem skizzierten Zwischenbereich, der eine<br />

Einzelfallbetrachtung notwendig macht. Die Schwelle von 25 % liegt recht nahe an der<br />

Kontrolle i.S.d. deutschen Übernahmerechts in § 29 Abs. 2 WpÜG von 30 % der<br />

Stimmrechte. Ferner will das Gesetz vor tatsächlichen, konkreten Gefahren für die öffentliche<br />

Sicherheit schützen, insbesondere die „strategische Infrastruktur“ wie Energieversorgung und<br />

Transportwesen. Ein Beteiligungserwerb durch einen Investor kann nur dann erhebliche<br />

Gefahren für derartige Belange bergen, wenn der Investor auch erheblichen Einfluss ausüben<br />

kann. Also spricht prima facie einiges dafür, dass die deutsche Regelung hier primär auf die<br />

Niederlassungsfreiheit zielt.<br />

Aus der Sicht des deutschen Gesetzgebers wäre es <strong>zu</strong> empfehlen diese Ausrichtung noch<br />

deutlich <strong>zu</strong> machen, indem man an den Erwerb der Kontrollbeteiligung anknüpft. Dies könnte<br />

eine Argumentationsgrundlage für eine plausible Darlegung sein, dass die Regelung nur auf<br />

Investoren zielt, die eine dauerhafte Kontrolle ausüben. Dabei sollte zwischen nicht<br />

börsennotierten und börsennotierten Gesellschaften differenziert werden. Bei Letzteren sollte<br />

eine Verzahnung des Verfahrens <strong>zu</strong>r Überprüfung des Anteilserwerbs mit dem Verfahren <strong>zu</strong>r<br />

Genehmigung eines Übernahme- bzw. Pflichtangebots erwogen werden. Vor diesem<br />

Hintergrund empfiehlt es sich in diesem Bereich, bei der in § 29 Abs. 2 WpÜG definierten<br />

Kontrolle an<strong>zu</strong>setzen. 124<br />

Soweit die Folgerungen aus der Rechtsprechung des EuGH <strong>zu</strong> steuerrechtlich inspirierten<br />

Sachverhalten. Dieser Strang der Rechtsprechung hat sich - wie gesehen - von eindeutig<br />

primär niederlassungsfreiheitsrerelevanten Bereichen sukzessive in den Schnittbereich von<br />

Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit bewegt. Der „golden-share-Strang“ hat bisher<br />

Verdrängung der Kapitalverkehrsfreiheit in diesem Kontext nie auch nur in Erwägung<br />

gezogen und auf die steuerrechtlich geprägte Rechtsprechung <strong>zu</strong>m Vorrang der<br />

Niederlassungsfreiheit bisher so gut wie keinen Be<strong>zu</strong>g genommen. Zwar hatte der EuGH aus<br />

den oben genannten Gründen auch keinen konkreten Anlass <strong>zu</strong> derartigen Überlegungen,<br />

dennoch sollte man genauer prüfen, ob sich die aus dem steuerrechtlich geprägten Strang der<br />

123 Da<strong>zu</strong> bereits oben D.II.2.; vgl. auch die Regelung in § 66a Abs. 5 tschechisches HGB, wonach die<br />

Abhängigkeit bereits bei einer Beteiligung von 40% vermutet wird, es sei denn ein anderer Investor hält<br />

ebenfalls eine Beteiligung von 40% oder höher.<br />

124 Krolop, ZRP 2008, 40, 42; Krolop, <strong>Humboldt</strong> Forum Recht, 1-2008, S. 1 ff.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

Rechtsprechung gefolgerten Grundsätze ohne Weiteres auf Regelungen, welche staatliche<br />

Sonderrechte bei Aktiengesellschaft oder Beschränkungen des Anteilserwerbs vorsehen, ohne<br />

Weiteres übertragen lassen.<br />

II. Überprüfung der Ergebnisse anhand der VW-Entscheidung<br />

Dies wird deutlich, wenn man die letzte cause célèbre im Bereich golden shares, das VW-<br />

Urteil, betrachtet. Gegenstand der VW-Entscheidung war neben einem im VW-Gesetz<br />

vorgesehenen Entsenderechte des Landes Niedersachsen und der Bundesrepublik bezüglich<br />

der Beset<strong>zu</strong>ng von je zwei Aufsichtsratsmandaten das in § 2 VW-Gesetz verankerte<br />

Höchststimmrecht, wonach ein Investor maximal 20 % der Stimmrechte ausüben kann, auch<br />

wenn er eine wesentlich höhere Beteiligung hält. 125<br />

Wenn man die bisher herausgearbeiteten Kriterien auf Beurteilung des Höchststimmrechts<br />

anwendet, liegt folgende Erwägung nahe: In der Lasertec-Entscheidung hat der EuGH<br />

dargelegt, dass § 8a KStG deshalb auf die Niederlassungsfreiheit ziele, da sie erst ab einer<br />

Beteiligung von 25 % relevant wäre und der Gesellschafter aktiv bestimmenden Einfluss<br />

ausübe. Das ließe sich von der Regelung <strong>zu</strong>m Höchststimmrecht im VW-Gesetz ebenfalls<br />

sagen. Das Höchststimmrecht ist auf den ersten Blick aus Sicht des Investors ebenfalls erst<br />

dann eine unmittelbar spürbare Beeinträchtigung, wenn er eine Beteiligung von über 20 %<br />

hält und aktiv Einfluss auf die Gesellschaft ausüben will. Man müsste daher hieraus eigentlich<br />

die Konsequenz ziehen, dass der deutsche Gesetzgeber primär auf die Niederlassungsfreiheit<br />

ziele. Die deutsche Regierung hat sich in ihrer Stellungnahme auch dahingehend eingelassen,<br />

dass es primär um die Abwehr einer feindlichen Übernahme als der Übernahme der Kontrolle<br />

durch einen Investor gehe. 126 Aus diesem Blickwinkel wäre <strong>zu</strong> erwarten gewesen, dass der<br />

EuGH das Höchststimmrecht primär anhand der Niederlassungsfreiheit prüft.<br />

Der EuGH hat aber nur lapidar darauf verwiesen, dass die Kommission <strong>zu</strong> einer Verlet<strong>zu</strong>ng<br />

der Niederlassungsfreiheit nichts Substantiiertes vorgetragen habe und sich dann ohne weitere<br />

Diskussion des Verhältnisses von Niederlassungs- <strong>zu</strong>r Kapitalverkehrsfreiheit Letzterer<br />

<strong>zu</strong>gewandt 127 .<br />

II. Sonderrolle von Golden Shares<br />

1. Formale Betrachtungsweise<br />

Man könnte darauf verweisen, dass bei dem VW-Gesetz die Schwelle bei 20 % lag, und bei<br />

Lasertec bei 25 %. Daraus könnte man versucht sein, ab<strong>zu</strong>leiten, dass der EuGH der Ansicht<br />

ist, dass wenn eine Regelung an eine Beteiligung von nur 20% der Stimmrechte und/oder des<br />

Grundkapitals der Gesellschaft anknüpft, ein primäres Betroffensein der<br />

Niederlassungsfreiheit von vornherein nicht in Betracht kommt. Oben (D.III; V.) wurde<br />

bereits dargelegt, dass eine derartige Betrachtungsweise weder sachlich zielführend ist, noch<br />

125 Gesetz im Wortlaut wiedergegeben bei Vgl. EuGH v. 23.10.2007 (Kommission/Bundesrepublik Deutschland<br />

- VW), Slg. I-8995.<br />

126 Vgl. EuGH ebd., Rz. 13.<br />

127 Vgl. EuGH ebd., Rz. 14 f.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

sich mit der Forderung des EuGH nach einer Gesamtbetrachtung der konkreten Regelung in<br />

Einklang bringen lässt.<br />

2. Unmittelbare Betroffenheit beider Grundfreiheiten<br />

Es ist zweifelhaft, ob der EuGH anders entschieden hätte, wenn das Höchststimmrecht nicht<br />

bei 20%, sondern einem <strong>Dr</strong>ittel oder 40% der Stimmrechte angesiedelt werden. Zum einen<br />

sah das VW-Gesetz neben dem Höchststimmrecht Entsenderechte der öffentlichen Hand für<br />

Aufsichtsratsmandate vor. <strong>Hier</strong>durch ist jeder Aktionär unmittelbar betroffen, da hierdurch<br />

sein Recht über die Zusammenset<strong>zu</strong>ng des Aufsichtsrats mittels seines Stimmrechts<br />

mit<strong>zu</strong>entscheiden beeinträchtigt wird. Vor allem lassen sich hier auch sachliche Gründe<br />

finden, warum eine Verdrängung der Kapitalverkehrsfreiheit durch die Niederlassungsfreiheit<br />

in diesem Kontext generell fragwürdig erscheint. Es mag eine Verdrängung der<br />

Kapitalverkehrsfreiheit in bestimmten Fällen in Betracht kommen. Oben (D.IV.2., V.) wurde<br />

bereits darauf hingewiesen, dass dies nicht zwingend bedeutet, dass sich Kapitalverkehrs- und<br />

Niederlassungsfreiheit nunmehr stets in einem Ausschließlichkeitsverhältnis befinden. Auch<br />

im VW-Urteil selbst geht der EuGH ebenfalls davon aus, dass eventuell auch die<br />

Niederlassungsfreiheit grundsätzlich betroffen sein könnte. 128 Wenn durch eine Regelung<br />

unmittelbar beide Grundfreiheiten betroffen sind, dann sind demnach weiterhin beide<br />

Grundfreiheiten nebeneinander anwendbar. Um es in den Worten des EuGH bei Fidium<br />

Finanz <strong>zu</strong> sagen: „Es lässt sich gewiss nicht ausschließen, dass in bestimmten speziellen<br />

Fällen eine nationale Bestimmung, die sich <strong>zu</strong>gleich auf die Dienstleistungsfreiheit (bzw. auf<br />

die Niederlassungsfreiheit, Anm. des Verf.) und auf die Kapitalverkehrsfreiheit bezieht, die<br />

Ausübung beider Freiheiten gleichzeitig behindern kann.“<br />

Es spricht einiges dafür, dass in der golden-share-Konstellation bzw. bei Beschränkungen des<br />

Anteilserwerbs ein derartiger „spezieller Fall“ vorliegt. Es ist fraglich, ob man bei einer<br />

Untersagung des Anteilserwerbs, wirklich davon sprechen kann, sie ziele nur auf die<br />

Niederlassungsfreiheit und die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit sei nur ein Reflex.<br />

In seiner Golden Share-Rechtsprechung hat der EuGH die Maßnahmen bisher auch dann<br />

immer primär an der Kapitalverkehrsfreiheit gemessen, wenn diese auf das Vetorecht<br />

hinsichtlich des Erwerbs der Anteilsmehrheit zielten. 129<br />

Die Erwägungen die <strong>zu</strong>r Begründung einer Beeinträchtigung der Kapitalverkehrsfreiheit<br />

vorgebracht werden 130 lassen sich wie folgt <strong>zu</strong>sammenfassen: Befugnisse wie Stimmrecht,<br />

Bestimmung des Aufsichtsrats sind Individualrechte, die nicht nur um ihrer selbst willen<br />

gewährt werden, sondern die auch eine Funktion in Hinblick auf die Corporate Governance<br />

haben. Sie dienen der Kontrolle der Unternehmensleitung. Wenn ein Höchststimmrecht von<br />

20 % besteht und der öffentlichen Hand Rechte <strong>zu</strong>r Entsendung von insgesamt vier<br />

Aufsichtsratsmitgliedern <strong>zu</strong>stehen, ist der Vorstand nicht vom Wohlwollen der<br />

Aktionärsmehrheit angewiesen, es genügt das Wohlwollen der öffentlichen Hand und der<br />

128 Vgl. EuGH, ebd. Rz. 14 f.<br />

129 Vgl. insbesondere EuGH v. 4. 6. 2002 (Kommission der EG/Portugiesische Republik), Rs. C-367/98, Slg.<br />

2002, I-4731; näher da<strong>zu</strong> Käseberg/Kuhn AG 2007, 65, 66 f. m.w.N.<br />

130 Zu den Erwägungen hinsichtlich der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts, die dahinterstehen Möslein ZIP<br />

2007, 208; ders. Grenzen unternehmerischer Leistung im marktoffenen Verband, 2007, S. 229 ff.; Oechsler,<br />

NZG 2007, 161, 164 f.; vgl. auch EuGH 28.9.2006, (Kommission/Niederlande), Slg. 2006, I-9141, Rz. 27 ff.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

Arbeitnehmervertreter. Da so die Kontrolle des Vorstands weniger effektiv erscheint und die<br />

des Missbrauches von Einfluss durch einen bestimmten Aktionär besteht, wird auch die<br />

Attraktivität für Portfolio-Investionen beeinträchtigt. Auch wenn die Regelungen primär auf<br />

die Verhinderung einer feindlichen Übernahme zielen mögen, lassen sie es daher weniger<br />

attraktiv erscheinen, sich überhaupt an der Gesellschaft <strong>zu</strong> beteiligen und stellen damit eine<br />

Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit dar. Erst recht gilt dies, für ein Verbot des<br />

Anteilserwerbs, wie ihn der Entwurf für die AWG-Novelle vorsieht. Der sogenannte Markt<br />

für Unternehmenskontrolle 131 gilt, wenn nicht als Substitut für eine effektive Innensteuerung<br />

(„interne Corporate Governance“), so doch verbreitet als wichtiges Coporate-Governance<br />

Instrument („externe Corporate Governance“) 132 . Die Aussicht, von<br />

Unternehmensübernahmen und den häufig damit verbundenen Kurssteigerungen und<br />

lukrativen Übernahmeangeboten <strong>zu</strong> profitieren, gehört typischerweise auch <strong>zu</strong>m Kalkül eines<br />

Anlegers, der dem Leitbild der reinen Portfolio-Investition entspricht. Regelungen, die es<br />

ermöglichen, aus marktfremden Gründen die Übernahme einer Gesellschaft <strong>zu</strong> verhindern,<br />

beeinträchtigen die Effektivität dieses Marktes. In diesem Bereich fällt es daher schwer, einen<br />

sachlichen Grund für die im Wortlaut der Art. 56 ff. EGV nicht angelegte Differenzierung<br />

zwischen Direkt- und Portfolioinvestition <strong>zu</strong> finden. 133<br />

3. „Kumulative“ Anwendung bei doppelter „unmittelbarer“ Betroffenheit<br />

Insoweit nimmt die golden-share-Rechtsprechung in gewisser Weise eine Sonderrolle ein:<br />

Der EuGH prüft bisher stets primär anhand der Kapitalverkehrsfreiheit. Ursache hierfür<br />

mögen durchaus auch gewisse verfahrenstechnisch bedingte Pfadabhängigkeiten sein. 134 Wie<br />

vorstehend erörtert, gibt es dafür auch beachtliche Sachargumente: Wenn der Erwerb einer<br />

bedeutenden Beteiligung oder Kontrolle an einer Zielgesellschaft staatlicherseits untersagt<br />

werden kann, sind daher sowohl die Niederlassungs- als auch die Kapitalverkehrsfreiheit<br />

unmittelbar betroffen. Gleiches gilt, wenn der Staat über „Goldene Aktien“ oder gesetzliche<br />

Bestimmungen über Sonderrechte verfügt. Denn dies birgt die Gefahr politisch motivierter<br />

Einflussnahme, die sich jenseits des ökonomischen Rationalitätskalküls bzw. jenseits der<br />

strikten Orientierung am Unternehmens- bzw. Aktionärsinteresse bewegen, sich so<br />

ökonomisch nachteilig auf die übrigen Aktionäre auswirken können. 135<br />

4. Folgerungen für die Bewertung der AWG-Novelle<br />

Für die AWG-Kontrolle folgt aus dieser Betrachtungsweise, dass sie sich an der<br />

Kapitalverkehrsfreiheit messen lassen muss. Das bedeutet nicht, dass es europarechtlich<br />

generell un<strong>zu</strong>lässig wäre, eine Regelung <strong>zu</strong>r Untersagung von Investitionen mit einem hohen<br />

131 Vgl. Titel des grundlegenden Aufsatzes von Manne im Journal of Political Economy 73 (1965), SInsoweit .<br />

110: „Mergers and the Market for Corporate Control“<br />

132 Grundlegend: G. Manne, Journal of Political Economy 73 (1965), S. 110, 112; vgl. Grundmann, European<br />

Company Law, Rz. 588-600; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft,<br />

2001 jeweils m.w.N.; aus sozialwissenschaftlicher Perspektive Höpner/Jackson, Leviathan 29 (2001), S. 544 ff.;<br />

vgl. auch Krolop Covenants, S. 203, 238 f.<br />

133 So im Ergebnis auch Oechsler, NZG 2007, 161, 162; vgl. auch generelle Bedenken gegen diese<br />

Differenzierung bei Schönfeld, DB 2007, 2007, 80, 81 f.; Schraufl, IStR 2007, 603, 605 f. jeweils m.w.N.<br />

134 Siehe da<strong>zu</strong> oben C.III.<br />

135 So u.a. auch Oechsler, NZG 2007, 161, 164; näher da<strong>zu</strong> vorstehend F.III.2.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

Gefahrenpotential für öffentliche Belange <strong>zu</strong> treffen. Sie muss aber den oben skizzierten<br />

Anforderungen des EuGH genügen. Diesen Anforderungen kann man nur schwer dadurch<br />

ausweichen, dass man die Regelung auf Investoren aus <strong>Dr</strong>ittstaaten, die sich nicht auf die<br />

Niederlassungs-, sondern ausschließlich auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen können,<br />

sowie ggf. auf weiter gehende Zugangsgarantien aus bilateralen oder multilateralen<br />

völkerrechtlichen Abkommen 136 . Zum einen wurde soeben begründet, warum eine<br />

Verdrängung der Kapitalverkehrsfreiheit durch die Niederlassungsfreiheit selbst dann fraglich<br />

ist, wenn die Regelung nicht - wie bisher vorgesehen - bereits am Erwerb einer<br />

Sperrminorität, sondern an den Erwerb einer Kontrollmehrheit 137 bei der Zielgesellschaft<br />

anknüpft.<br />

Davon abgesehen, könnte ein etwaig bestehender „abdrängender Vorrang“ der<br />

Niederlassungsfreiheit durch einen Investor aus einem <strong>Dr</strong>ittstaat verhältnismäßig leicht<br />

vermieden werden, in dem dieser die Beteiligung an der Zielgesellschaft über eine in der EU<br />

gegründete Gesellschaft, die gemäß Art. 48 Abs. 2 EGV eigenständiges Schutzsubjekt der<br />

Niederlassungsfreiheit ist, erwirbt. Deshalb tut man gut daran, nicht nach Konstruktionen für<br />

eine Verdrängung der Kapitalverkehrsfreiheit <strong>zu</strong> suchen, sondern eine Regelung <strong>zu</strong> schaffen,<br />

die den oben (A.III.2.) skizzierten Kriterien der golden share-Rechtsprechung stand hält.<br />

„Strohmanngründung“ als Missbrauch der Niederlassungsfreiheit - Die Bundesregierung will hier dadurch<br />

vorbauen, dass gemeinschaftsansässige Personen an denen gemeinschaftsfremde Personen mit 25°% oder mehr<br />

beteiligt sind, wie gemeinschaftsfremde Personen behandelt werden. Träger der Grundfreiheit ist die juristische<br />

Person; die Schutzwürdigkeit ist nicht abhängig von der Herkunft der Gesellschafter. 138 Dem vereinzelt<br />

geforderten Erfordernis einer „tatsächlichen und dauerhaften Verbindung mit der Wirtschaft eines<br />

Mitgliedstaates“ fehlt die rechtliche Grundlage. 139 Daher kann der Schutz der Niederlassungsfreiheit nicht davon<br />

abhängig gemacht werden. 140 Nur bei einem konkreten Missbrauch kann die Berufung auf Art. 43 EGV versagt<br />

werden. 141 Die deutsche Regelung kann nicht als Typisierung missbräuchlicher Strohmanngründungen<br />

angesehen werden, da sie auch ganz normale, wirtschaftlich nachvollziehbare Gestaltungen erfasst: Nach den<br />

Kriterien des Gesetzesentwurfs wäre etwa die Pro-Sieben-Sat1 Gruppe ein gemeinschaftsfremdes Unternehmen.<br />

Deshalb muss sich letztlich auch der Erwerb durch eine gemeinschaftsansässige Person an der eine<br />

gemeinschaftsfremde Person beteiligt ist, grundsätzlich an den vom EuGH in den golden-shares-Urteilen<br />

aufgestellten Kriterien messen lassen.<br />

5. Folgerungen allgemein<br />

Von der Problematik der AWG-Novelle abstrahiert folgt daraus, dass man differenzieren<br />

muss zwischen Regelungen, die für einen bestimmen Regelungssachverhalt (z.B. im<br />

Steuerrecht) lediglich an eine bestimmte Beteiligungsschwelle anknüpfen und solchen, die<br />

unmittelbare oder mittelbare Auswirkungen auf die durch die Beteiligung vermittelten Rechte<br />

bzw. auf durch diese geschützte wirtschaftlichen Interessen haben. Letzteren kann die<br />

Relevanz für die Kapitalverkehrsfreiheit auch dann nicht abgesprochen werden, wenn sie vor<br />

136 Vgl. da<strong>zu</strong> Krolop, <strong>Humboldt</strong>-Forum-Recht, 1-2008, S. 18 m.w.N.<br />

137 Zum Kontrollbegriff oben II.2; IV.2.<br />

138 EuGH v. 25.07.1991 (Factortame), Rs. C-221/89, Slg. 1991, I-3905, Rz. 30; Bröhmer, in: Calliess/Ruffert,<br />

Art. 48 EGV Rn. 6.<br />

139 Bleckmann, Europarecht, S. 1619.<br />

140 EuGH, (Segers), Rs. 79/85, Slg. 1986, 2375, Rz. 16; so auch Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Art. 48 EGV Rn.<br />

7.<br />

141 EuGH weist in Centros (EuGH v. 9.3.1999 Rs. C-212/97 Slg. 1999, I-1459, Rz. 25) darauf hin, dass<br />

"Behörden der Mitgliedsstaaten (...) alle geeigneten Maßnahmen treffen können, um Betrügereien <strong>zu</strong> verhindern<br />

oder <strong>zu</strong> verfolgen.";näher da<strong>zu</strong> Krolop, <strong>Humboldt</strong> Forum Recht, 8-2007, S. 14 m.w.N.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

allem auf eine Beteiligung zielen, durch die ein bestimmender Einfluss ausgeübt werden<br />

kann. Dies gilt insbesondere für kapitalmarktorientierte Gesellschaften. Dies ist letztlich nur<br />

Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes, dass eine Verdrängung der Kapitalverkehrsfreiheit,<br />

unabhängig von ihrer (vermeintlichen) Gerichtetheit auf die Niederlassungsfreiheit und<br />

unabhängig von einer etwaigen Differenzierung nach Beteiligungsschwellen dann nicht in<br />

Betracht kommt, wenn die Regelung nachweislich beide Grundfreiheiten unmittelbar betrifft.<br />

G. Fazit und Ausblick<br />

I. Fazit<br />

Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit weisen Überschneidungsbereiche auf, vor allem<br />

im Bereich der Direktinvestitionen. Das Verhältnis der Niederlassungsfreiheit <strong>zu</strong>r<br />

Kapitalverkehrsfreiheit in diesem Überschneidungsbereich kann nicht eindeutig einer der<br />

hergebrachten Kategorien systematischer Auslegung Spezialität/ Subsidiarität/<br />

Idealkonkurrenz <strong>zu</strong>geordnet werden. Die Abgren<strong>zu</strong>ngsproblematik ist vor allem dann<br />

besonders virulent, wenn Investoren mit Sitz außerhalb der EU (<strong>Dr</strong>ittstaat) betroffen sind, da<br />

sich diese nur auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen können. Diese Problematik beschäftigt<br />

die Praxis und den EuGH im Bereich des Steuerrechts bereits seit einiger Zeit und gewinnt<br />

durch ein Gesetzesvorhaben der Bundesregierung, das unter bestimmten Vorausset<strong>zu</strong>ngen<br />

eine Untersagung von Investitionen von Investoren aus <strong>Dr</strong>ittstaaten vorsieht, an Brisanz.<br />

Das Verhältnis von Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit lässt sich als Überlagerung<br />

charakterisieren, wobei die Niederlassungsfreiheit die Kapitalverkehrsfreiheit überlagert,<br />

nicht umgekehrt. Das ist im Hinblick auf Art. 58 Abs. 2 EGV durchaus im Einklang mit der<br />

Systematik des EGV 142 . Konkret bedeutet dies, dass sich die Grundfreiheit nicht gegenseitig<br />

ausschließen, vielmehr beide kumulativ nebeneinander Anwendung finden können. Nach der<br />

neueren Rechtsprechung des EuGH gibt es Bereiche, in denen zwar sowohl die<br />

Kapitalverkehrsfreiheit, als auch die Niederlassungsfreiheit potentiell betroffen sind, aber<br />

dennoch ein Sachverhalt ausschließlich anhand der Niederlassungsfreiheit <strong>zu</strong> prüfen ist und<br />

die Vorgaben der Kapitalverkehrsfreiheit verdrängt werden. Damit hat man es mit einer Art<br />

„abdrängendem Vorrang“ der Niederlassungsfreiheit <strong>zu</strong> tun, durch welche die eigentlich<br />

neben der Niederlassungsfreiheit anwendbare Kapitalverkehrsfreiheit verdrängt wird.<br />

Das ist dann der Fall, wenn eine nationalstaatliche Regelung bzw. Maßnahme primär auf<br />

einen Investor, der einen „bestimmenden“ Einfluss ausübt, abzielt. Für die Frage, wann dies<br />

genau gegeben ist, gibt es keine allgemeine Regel; vielmehr ist eine Gesamtbetrachtung unter<br />

besonderer Berücksichtigung der Zielset<strong>zu</strong>ngen des Gesetzgebers und der effektiven<br />

Auswirkungen der Norm an<strong>zu</strong>stellen: Werden von der Regelung beide Grundfreiheiten<br />

unmittelbar betroffen oder erscheint die Beeinträchtigung der Kapitalverkehrsfreiheit nur als<br />

„Reflex“ der Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit Letzteres ist dann der Fall, wenn<br />

die Regelung auf eine bestimmte Gefahrenlage oder bestimmte Konflikte zielt, die<br />

typischerweise erst dann entstehen, wenn der Investor „bestimmenden Einfluss“ ausübt.<br />

142 Näher da<strong>zu</strong> oben B.IV.1.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

Orientierung bieten dabei die Fixpunkte Beteiligung von 10% der Stimmrechte bzw. des<br />

Grundkapitals als Untergrenze einer typischen Direktinvestition bzw. wesentlichen<br />

Beteiligung einerseits und die Kontrolle im Sinne des control-Konzepts auf der anderen Seite.<br />

Je stärker der Anknüpfungspunkt der Regelung dieser Kontrollschwelle angenähert ist bzw. je<br />

weiter die Anforderungen an die Integration in den Konzern über diese Schwelle hinausgehen,<br />

desto eher kommt ein „verdrängender Vorrang“ der Niederlassungsfreiheit mit Sperrwirkung<br />

gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit in Betracht.<br />

Aber selbst wenn eine Regelung an das Vorliegen an einer Kontrollmehrheit anknüpft, ist <strong>zu</strong><br />

prüfen, ob durch die Effekte der Regelung die Kapitalverkehrsfreiheit nicht nur als Reflex,<br />

sondern unmittelbar betroffen ist. Es spricht viel dafür, dass Beschränkungen des<br />

Anteilserwerbs, wie sie die AWG-Novelle vorsieht, und staatliche Sonderrechte eine derartige<br />

unmittelbare Beeinträchtigung darstellen, da diese direkte Auswirkungen auf die durch die<br />

Beteiligung vermittelten Rechte bzw. auf durch diese geschützte wirtschaftliche Interessen<br />

eines jeden Aktionärs bzw. Anlegers haben. Dies hätte <strong>zu</strong>r Folge dass derartige Regelungen<br />

stets <strong>zu</strong>mindest auch anhand der Kapitalverkehrsfreiheit <strong>zu</strong> prüfen wären,<br />

Diese vermeintliche Sondersituation bei golden shares ist letztlich nur Ausprägung des<br />

allgemeinen Grundsatzes, dass eine Verdrängung der Kapitalverkehrsfreiheit, unabhängig von<br />

ihrer (vermeintlichen) Gerichtetheit auf die Niederlassungsfreiheit und unabhängig von einer<br />

etwaigen Differenzierung nach Beteiligungsschwellen dann nicht in Betracht kommt, wenn<br />

die Regelung nachweislich unmittelbar beide Grundfreiheiten betrifft.<br />

II. Bewertung und Ausblick<br />

Diese <strong>zu</strong>letzt genannte Einschränkung der Faustregel, für das Vorliegen der Ausnahme<br />

(Verdrängung der Kapitalverkehrsfreiheit durch die Niederlassungsfreiheit) von der Regel<br />

(kumulative Anwendung beider Grundfreiheiten im Überschneidungsbereich) macht deutlich,<br />

wie schwierig und vielschichtig sich die Problematik darstellt. Letztlich ist man auf eine<br />

Gesamtbetrachtung des Einzelfalls anhand des Regelungszwecks und tatsächlichen<br />

Auswirkungen verwiesen.<br />

Eine ähnliche Situation findet man beim Verhältnis vom Gesellschafts- <strong>zu</strong>m<br />

Kapitalmarktrecht vor: Die Grundkonzeptionen sind jeweils im Ausgangspunkt<br />

grundverschieden, die Idealtypen unterscheiden sich auf den ersten Blick wie Tag und Nacht.<br />

Aber sowohl im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht als auch bei den Grundfreiheiten dehnt<br />

sich Bereich, bei dem man nicht eindeutig sagen kann, dass nur der eine oder der andere<br />

Aspekt betroffen ist und man ein „sowohl als auch“ konstatieren muss, - gewissermaßen die<br />

Dämmerung -, systematisch aus. 143<br />

Angesichts dieser polarnachtartigen Gemengelage mit vielen feinen Übergängen verursacht<br />

die Alles-oder-Nichts-Lösung, wie sie sich nach der der Rechtsprechung des EuGH darstellt<br />

ein gewisses Unbehagen. Irgendwo – wo genau lässt sich wie gesehen nur schwer sagen –<br />

liegt hiernach der Scheidepunkt, ob sich ein Investor aus einem <strong>Dr</strong>ittstaat im vollen Umfang<br />

auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen kann oder überhaupt nicht. Vielleicht sollte eine<br />

143 Fleischer, ZIP 2006, 451 ff.; Krolop, Rück<strong>zu</strong>g vom organisierten Kapitalmarkt, S. 195 ff.; umfassende<br />

Darstellung in der Habilitationsschrift von Mülbert, Aktiengesellschaf, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt,<br />

2. Aufl. 1996.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

Anregung aus dem Schrifttum aufgegriffen werden, die sich für eine restriktive Handhabung<br />

eines abdrängenden Vorrangs ausspricht. Im Gegen<strong>zu</strong>g sollen aber dann bei Investoren aus<br />

<strong>Dr</strong>ittstaaten geringere Anforderungen an die Rechtfertigung der Beschränkung der<br />

Kapitalverkehrsfreiheit gestellt werden. Besonderes Gewicht könnte der u.a. auch von<br />

Generalanwältin Stix-Hackl in der Sache Fidium Finanz 144 angestellte Überlegung<br />

<strong>zu</strong>kommen, wonach beschränkende Vorgaben deshalb erforderlich seien, da die Durchset<strong>zu</strong>ng<br />

von Vorgaben, etwa das Eintreiben einer Steuerschuld, im Ausland besondere<br />

Schwierigkeiten aufwerfen. 145 Der EuGH hat eine ausdrückliche Stellungnahme hier<strong>zu</strong><br />

vermieden. Bei reinen EU-Sachverhalten wird man berücksichtigen müssen, dass das<br />

Europarecht mittlerweile weit reichende Vorgaben <strong>zu</strong>r Amtshilfe und EU-weiten<br />

Durchset<strong>zu</strong>ng von Titeln macht, so dass der pauschale Hinweis auf Durchset<strong>zu</strong>ngsdefizite in<br />

diesem Bereich allein kein durchschlagendes Argument ist. Aber bei Investoren aus<br />

<strong>Dr</strong>ittstaaten, die diesen Vorgaben nicht unterliegen, stellt sich die Situation anders dar. Z.B.<br />

realisieren sich viele Gefahren, welche mit der AWG-Kontrolle durch die Untersagung des<br />

Beteiligungserwerbs bekämpft werden sollen, erst dann, wenn der Investor von seinen<br />

Befugnissen derart Gebrauch macht, wenn er, bzw. auf seine Veranlassung die<br />

Zielgesellschaft gegen Vorgaben des Gesellschafts- Kartell- Wirtschaftsaufsichts bzw.<br />

Strafrechts verstößt. 146 Die Vollstreckung von Schadensersatzansprüchen bzw. sonstigen<br />

Sanktionen gegen einen Investor mit Sitz in China stellt sich schwieriger dar als bei einem<br />

Investor mit Sitz in der EU. Ähnliches gilt für die Durchset<strong>zu</strong>ng der Besteuerung. In der<br />

differenzierten, diese Besonderheiten berücksichtigenden Handhabung der Anforderungen an<br />

die Rechtfertigung von Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit 147 , könnte ein<br />

Ansatzpunkt für eine flexiblere, differenzierter abgestufte Handhabung der<br />

<strong>Dr</strong>ittstaatenproblematik liegen.<br />

144 Vgl. Schlussanträge vom 16.3.2006, Rz. 170 in der Sache EuGH v. 3.10.2006 (Fidium Finanz), Rs. C-452/04,<br />

Slg. 2006, I-9521.<br />

145 Zustimmend Schwenke, IStR 2006, 748, 753; in diese Richtung bereits Schön, in: FS Wassermayer, S. 496,<br />

514; vgl. auch Kluth/Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Art. 58 EGV Rn. 28 ff.; <strong>zu</strong>rückhaltend Ress/Ukrow, in<br />

Grabitz/Hilf, Art. 56 EGV, Rn. 30 ff.; 53 f.<br />

146 Da<strong>zu</strong> näher Krolop, <strong>Humboldt</strong> Forum Recht, 1-2008, S. 8 ff.<br />

147 Zwar gibt der Wortlaut des EGV für eine derartige Differenzierung keinen Anhaltspunkt. Jedoch ist <strong>zu</strong><br />

bedenken, dass die Mitgliedstaaten als sie sich durchgerungen haben, die Kapitalverkehrsfreiheit auf <strong>Dr</strong>ittstaaten<br />

aus<strong>zu</strong>dehnen, vermutlich nicht vor Augen hatten, dass der EuGH auch im Bereich der Kapitalverkehrsfreiheit<br />

das Diskriminierungsverbot <strong>zu</strong> einem allgemeinen Beschränkungsverbot ausbauen würde. Insoweit kann man<br />

von einer verdeckten Lücke sprechen, die sich erst mit der Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH aufgetan<br />

hat.<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

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ff. (zitiert nach Internetversion unter www.mpifg.de/people/mh/paper/Mannesmann.pdf)<br />

Hueck, Götz/ <strong>Windbichler</strong>, Christine: Gesellschaftsrecht, 21. Aufl. 2007 (zitiert: Hueck/<strong>Windbichler</strong>,<br />

Gesellschaftsrecht)<br />

Hüffer, Uwe: Aktiengesetz, 8. Aufl. 2008 (zitiert als: Hüffer, AktG)<br />

Immenga, Ulrich/ Mestmäcker, Ernst-Joachim Wettbewerbsrecht – Kommentar <strong>zu</strong>m Europäischen Kartellrecht,<br />

4. Aufl. 2008 (zitiert: Bearbeiter, in: Immenga/Mestmäcker)<br />

Käseberg, Thorsten/Kuhn, Anja: „Patrotisme économique vs. Fair Play Europarechtliche Grenzen von<br />

Maßnahmen von Mitgliedsstaaten bei grenzüberschreitenden Zusammenschlüssen, Die Aktiengesellschaft (AG)<br />

2007, 65<br />

Köhler, Stefan: Kapitalverkehrsfreiheit auch in <strong>Dr</strong>ittstaatenfällen, IStR 2007, 645<br />

Krolop, Kaspar: Der Rück<strong>zu</strong>g vom organisierten Kapitalmarkt (Delisting) – <strong>zu</strong>gleich eine Untersuchung des<br />

kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutzes im Verhältnis <strong>zu</strong>m gesellschaftsrechtlichen Aktionärsschutz, 2005<br />

(zitiert: Krolop, Rück<strong>zu</strong>g vom organisierten Kapitalmarkt).<br />

Derselbe: Die Haftung nach § 826 BGB wegen Vermögensverschiebungen in der Krise bei der in Deutschland<br />

aktiven Limited - Trojanisches Pferd für das deutsche Gesellschaftsrecht oder Vorausset<strong>zu</strong>ng für einen<br />

funktionierenden Wettbewerb der Teilrechtsordnungen, <strong>Humboldt</strong>-Forum Recht (Internetpublikation, abrufbar<br />

unter www.humboldt-forum-recht.de) 1-2008 (zitiert: Krolop, <strong>Humboldt</strong>-Forum-Recht, 8-2007)<br />

- 35 -


<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

Derselbe: Mit dem MoMiG vom Eigenkapitalersatzrecht <strong>zu</strong> einem insolvenzrechtlichen<br />

Haftkapitalerhaltungsrecht, ZIP 2008, 1738<br />

Derselbe: Covenants in loan agreements as „Legal Transplant from the US to the European continent and their<br />

impact on Corporate Governance, in: Law and Economy No 5´8/2008, 194 (zitiert: Krolop, Covenants)<br />

Derselbe: Schutz vor Staatsfonds und anderen ausländischen Kapitalmarktakteuren unter Ausblendung des<br />

Kapitalmarktrechts, Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 2008, 40<br />

Derselbe: Staatliche Einlasskontrolle bei Staatsfonds und anderen ausländischen Investoren im Gefüge von<br />

Kapitalmarktregulierung, nationalem und internationalem Wirtschaftsrecht, <strong>Humboldt</strong>-Forum Recht<br />

(Internetpublikation, abrufbar unter www.humboldt-forum-recht.de) 1-2008 (zitiert: Krolop, <strong>Humboldt</strong>-Forum-<br />

Recht, 1-2008; S. 1).<br />

Derselbe/Kusak, Barbara: Vorgaben des tschechischen Gesellschaftsrechts für das Finanzmanagement im<br />

Konzern - Teil I, Wirtschaft und Recht in Osteuropa (WiRO) 2007, 63<br />

Derselbe/Kusak, Barbara: Relevantní právní úprava českého korporátního práva pro finanční řízení koncernu<br />

Právní rozhledy, 2007, 242<br />

Kube, Hanno: Grundfreiheiten und Ertragskompetenz - die Besteuerung der grenzüberschreitenden<br />

Konzernfinanzierung nach dem Lankhorst-Urteil des EuGH, Internationales Steuerrecht (IStR) 2003, 325<br />

Lieder, Jan: Staatliche Sonderrechte in Aktiengesellschaften – Zulässigkeit nach deutschem Aktienrecht und<br />

europäischem Gemeinschaftsrecht, ZHR 172 (2008), 306<br />

Lutter, Marcus: Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht, in: Festschrift für Zöllner, Bd. 1 (1998), S. 363 ff.<br />

(zitiert: Lutter, in: FS Zöllner, S. 363)<br />

Manne, G: Mergers and the Market for Corporate Control, Journal of Political Economy 73 (1965), 110,<br />

Martini, Mario: Zu Gast bei Freunden: Staatsfonds als Herausforderung an das europäische und internationale<br />

Recht, Die öffentliche Verwaltung (DÖV) 2008, 314<br />

Mülbert, Peter O: Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996 (zitiert: Mülbert,<br />

Aktiengesellschaft)<br />

Oechsler, Jürgen: Erlaubte Gestaltungen im Anwendungsbereich des Art. 56 I EGV, NZG 2007, 161<br />

Ohler, Klaus: Die Kapitalverkehrsfreiheit und ihre Schranken, WM 1996, 1801<br />

Oser, Peter/Roß, Nobert/Wader, Dominic/<strong>Dr</strong>ögemüller,Steffen: Ausgewählte Neuregelungen des<br />

Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) – Teil 1, Die Wirtschaftsprüfung (WpG) 2008, 49<br />

Raiser, Thomas / Veil, Rüdiger Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006 (zitiert als: Raiser/Veil,<br />

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Riesenhuber, Karl: Die Auslegung in: Riesenhuber (Hrsg.) Europäische Methodenlehre, Handbuch für<br />

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Ruffner, Markus Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2001<br />

Schwerer, Thomas B.: Anrechnung von EU-Körperschaftssteuer in der Praxis – Nationale Umset<strong>zu</strong>ng der Urteile<br />

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Schön, Wolfgang: Europäische Kapitalverkehrsfreiheit und nationales Steuerrecht, in: Gedächtnisschrift<br />

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Derselbe: Der Kapitalverkehr mit <strong>Dr</strong>ittstaaten und das internationale Steuerrecht, in: Festschr. für Wassermeyer,<br />

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Schönfeld, Jens: Anmerkung <strong>zu</strong> EuGH v. 24.5.2007 (Holböck), Rs. C-157/05, IStR 2007, 443<br />

Derselbe: EuGH konkretisiert Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis <strong>zu</strong> <strong>Dr</strong>ittstaaten: Mögliche<br />

Konsequenzen und offene Fragen aus steuerlicher Sicht, DB 2007, 80<br />

Schraufl, Martin: Die Auswirkungen der Konkurrenz zwischen Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit auf<br />

<strong>Dr</strong>ittstaatensachverhalte im Steuerrecht, Recht der internationalen Wirtschaft (RIW), 2007, 603<br />

Schwenke, Michael: Die Kapitalverkehrsfreiheit im Wandel Eine erste Analyse neuer Entwicklungen in der<br />

Rechtsprechung des EuGH, IStR 2006, 738<br />

Sidhu, Karl: Die Regelungen der Direktinvestitionen in der WTO, 2004 (zitiert: Sidhu, Direktinvestitionen<br />

Streinz, Rudolf (Hrsg.) EUV/EGV Vertrag über die Europäische Union und der Vertrag <strong>zu</strong>r Gründung der<br />

Europäischen Gemeinschaft, Kommentar, 2003 (zitiert: Bearbeiter, in: Streinz)<br />

Trautwein, Thomas: Die Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 56 EGV, JA 2008, 281<br />

Ulmer, Peter (Hrsg.) HGB-Bilanzrecht, Kommentar, 2. Teilband, 2002 (zitiert: Bearbeiter, in: Ulmer (Hrsg.)<br />

HGB-Bilanzrecht)<br />

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<strong>Dr</strong>. Kaspar Krolop - <strong>Berlin</strong> 2008<br />

Weller, Marc-Philippe: Ausländische Staatsfonds zwischen Fusionskontrolle, Außenwirtschaftsrecht und<br />

Grundfreiheiten, ZIP 2008,. 857<br />

<strong>Windbichler</strong>, Christine in: Wiedemann/Hopt (Hrsg.), Großkommentar <strong>zu</strong>m AktG, Bearbeitung der §§ 15-18<br />

AktG, 1992 (zitiert: <strong>Windbichler</strong>, in: GroßkommAktG)<br />

Dieselbe: Besprechung des Gutachtens <strong>zu</strong>m 67. Deutschen Juristentag / Abteilung Wirtschaftsrecht <strong>zu</strong>m Thema<br />

Empfehlen sich besondere Regeln für börsennotierte Gesellschaften, JZ 2008, 840<br />

<strong>Windbichler</strong>, Christine, /Krolop; Kaspar: Europäisches Gesellschaftsrecht, in: Riesenhuber (Hrsg.) Europäische<br />

Methodenlehre, Handbuch für Wissenschaft und Praxis, 2006<br />

Verzeichnis der zitierten Gerichtsentscheidungen<br />

EuGH v. 11.7.1974 (Dassonville), Rs. 8/74, Slg. 1974, I-855<br />

EuGH v. 20.02.1979, (Cassis de Dijon) Es. 120/78, Slg. 1979, I-649<br />

EuGH v. 30.11.1995 (Gebhard), Rs. C-55/94, Slg. 1995, I-4165<br />

EuGH v. 10.7.1984 (Campus Oil), Rs. C-72/83, Slg. 1984, I-2727<br />

EuGH v. 25.07.1991 (Factortame), Rs. C-221/89, Slg. 1991, I-3905<br />

EuGH v. 9.3.1999 (Centros), Rs. C-212/97 Slg. 1999, I-1459<br />

EuGH v. 13.04.2000 (Baars), Rs. C 251/98, Slg. I-2787<br />

EuGH v. 4. 6. 2002 (Kommission der EG/Portugiesische Republik), Rs. C-367/98, Slg. 2002, I-4731-4779 =<br />

NZG 2002, 632<br />

EuGH v. 4.6.2002 (Kommission/Frankreich - Elf Aquitaine), Rs. C-483/99, Slg. 2002, I-4781 = ZIP 2002, 1085.<br />

EuGH v. 4.6.2002 (Kommission/Belgien), Rs. C-503/99, Slg. 2002, I-4809<br />

EuGH v. 12.12.2002 (Lankhorst-Hohorst), Rs. C 324/00, Slg. 2002, I-10829 = IStR 2003, 23<br />

EuGH v. 13.5.2003 (Kommission/Spanien), Rs. 463/00, Slg. 2003 I-4581, = BB 2003, 1520;<br />

EuGH v. 28.9.2006 (Kommission/Niederlande - Universalpostdienst), Rs. C-282/04 und C-283/04, Slg. 2006, I-<br />

9141 = AG 2006, 850<br />

EuGH v.12.9.2006 (Cadbury Schweppes), Rs. C-196/04, Slg. 2006, I-7995, EuZW 2006, 633 = ZIP 2006, 1817<br />

= DStR 2006, 1686 = IStR 2006, 670<br />

EuGH v. 3.10.2006 (Fidium Finanz), Rs. C-452/04, Slg. 2006, I-9521, ZIP 2006, 1899 = EuZW 2006, 689 =<br />

IStR 2006, 754<br />

EuGH, v. 13.3.2007 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation), Rs. C-52404, Slg. I-2107-2212 = RIW<br />

2007, 469<br />

EuGH v. 10.5.2007 (Lasertec), Rs. C-492/0, 4, ZIP 2007, 1404 = DB 2007, 1283 = IStR 2007, 439<br />

EuGH v. 24.5.2007 (Holböck), Rs. C-157/05, EuZW 2007, 405 = ZIP 2007, 1902 = IStR 2007, 351<br />

EuGH v. 23.10.2007 (Kommission/Bundesrepublik Deutschland - VW), Rs. C-112/05, Slg. I-8995 = NJW 2007,<br />

3481 = ZIP 2007, 2068 = EuZW 2007, 697<br />

BGH v. 26.03.1984 (BuM/WestLB, BGHZ 90, 381 = NJW 1984, 1893<br />

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