Becker, Krieger - Lebensmittelwerbung für Kinderprodukte

Becker, Krieger - Lebensmittelwerbung für Kinderprodukte Becker, Krieger - Lebensmittelwerbung für Kinderprodukte

11.11.2012 Aufrufe

Lebensmittelwerbung Endbe- richt Eine vergleichbare Situation liegt nach Auffassung der Rechtsprechung für Süßigkeiten und damit einen großen Teil der beworbenen zuckerhaltigen Produkte allerdings nicht vor. Die von ihnen ausgehenden Gefahren haben nach Auffassung der Rechtsprechung ihre Ursache nicht in einem für den Laien schwer zu durchschauenden Funktionszusammenhang von erst in ihrer Kombination schädlichen Faktoren. Sie finden ihre Ursache allein darin, dass der regelmäßige Verzehr dieser Produkte zu einer dem Stoffwechsel und damit der Gesundheit abträglichen Ernährungsweise führt, dass Zucker eben ungesund ist. Es kann, so die Rechtsprechung, als allgemein und damit auch dem Durchschnittsverbraucher bekannt vorausgesetzt werden, dass der häufige Verzehr zuckerhaltiger Nahrungsmittel nicht zu einer gesunden Ernährungsweise beiträgt und Ursache von Übergewicht und anderen in einer Fehlernährung begründeten Krankheiten ist. 38 Anders als bei den Kindertees - dort reaalisierte sich die Gefahr erst durch die besondere Art und Weise der Verabreichung, auf die der Hersteller hätte hinweisen müssen – ist bei den genannten Produkten der bloße Verzehr gefahrbegründend, es muss nicht noch ein weitere Element hinzukommen. Nach Auffassung der Rechtsprechung wird die Gefahr nicht durch einen komplexen, sondern einen einfachen Wirkmechanismus ausgelöst, den Verzehr des zuckerhaltigen Produkts. Ob und ggf. zu welchem Anteil Zucker in einem Lebensmittel enthalten ist, kann der Verbraucher der auf der Produktverpackung aufgedruckten Zutatenliste entnehmen. Zwar gibt diese nicht an, zu welchen Gewichts- oder Prozentanteil Zucker enthalten ist, sondern nennt die enthaltenen Bestandteile in absteigender Reihenfolge ihres Anteils. Erscheint eine Zutat an vorderer Stelle, so signalisiert das aber – zumindest dem mündigen Verbraucher - einen relativ hohen Anteil der jeweiligen Zutat. Wie oben ausgeführt, kann vom Verbraucher, resultierend aus seiner Selbstverantwortung, erwartet werden, dass er sich ein Mindestmaß an Informationen über grundlegende Fragen einer gesunden Nahrungszusammenstellung verschafft, und sich für eine der Gesundheit mehr oder weniger abträgliche Ernährungsweise entscheidet. Diese Entscheidung hat der Verbraucher in Selbstverantwortung für die eigene Lebensführung zu treffen, sie kann ihm nicht abgenommen werden. Die Verantwortung für Gefahren, die sich aus einer solchen Entscheidung ergeben, kann somit nach der aktuellen Lage der Rechtsprechung nicht auf den Hersteller eines Produkts abgewälzt werden. 39 Dieser Auffassung kann nicht mehr uneingeschränkt gefolgt werden, wenn man das allgemeine Ernährungswissen mit den aktuellen ernährungswissenschaftlichen Kenntnissen vergleicht, die sich noch nicht mal flächendeckend bei in dieser Hinsicht führenden Institutionen durchgesetzt hat. Der Zusam- 38 OLG Düsseldorf, VersR 2003, S. 912ff. (916) 39 OLG Hamm, NJW 2001, s. 1654 f. (1655 64

Lebensmittelwerbung menhang zwischen der Energiebilanz, dem glykämischen Index und der Energiedichte ist dem Durchschnittsverbraucher keinesfalls geläufig (vgl.Kap. 3.1.4. und 3.1.5) Im Zusammenhang mit den Instruktionspflichten ist auch die Produktwerbung von Bedeutung. Die Werbung für ein Produkt kann, unter der Berücksichtigung der ihr innewohnenden Übertreibung, den Erwartungshorizont der Konsumenten hinsichtlich der Produktsicherheit beeinflussen. 40 Unter Umständen kann die Produktdarbietung dann eine Warnpflicht des Herstellers über mögliche Folgen des Verzehrs rechtfertigen. Dies insbesondere dann, wenn der Hersteller die Bedenken der Verwender durch eine die Gefahren verharmlosende Werbung zerstreut. 41 Wenn durch die Werbung der Vorstellung entgegengewirkt werde, ein Produkt könne in einer bestimmten Weise gefährlich werden, so kann das Einfluß auf die Hinweis und Warnpflichten haben. 42 Solche verharmlosenden Angaben sind zwar nicht Voraussetzung für eine Warn- und Hinweispflicht, können aber die Anforderungen an einen Warnhinweis verschärfen. In der ersten Kindertee-Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof über Schadensersatzansprüche eines an dem sog. „Nursing-Bottle-Syndrom“ erkrankten Kindes zu befinden. Der Kläger hatte den Tee tagsüber als Einschlafhilfe und während nächtlicher Wachphasen als Wiedereinschlafhilfe zum „Dauernuckeln“ erhalten. Der Hersteller hatte in seiner Werbung für das Produkt darauf hingewiesen, dass das Produkt u.a. für eine ungestörte Nachtruhe sorge und sich als „Gute-Nacht-Trunk“ eigne. Diese verharmlosenden Angaben über die positiven Eigenschaften des Tees, konnten bei den Eltern etwa aufkommenden Bedenken gegen die Überlassung des Tees in der Saugflasche zum Dauernuckeln zerstreuen, da sie den Eltern Sicherheit bei der Ernährung des Kindes vermitteln. Der Hersteller hätte die aus dieser Form der Verwendung entstehenden Gefahren in seinen Warnhinweisen verdeutlichen müssen. 43 Das kann auch auf einige der beworbenen Kinderprodukte zutreffen. Auch hier wird, beispielsweise in dem Werbespot für „Kinderschokolade“, der Vorstellung, ein Produkt könne gefährlich werden, entgegengewirkt, in dem ein gesundheitsbezogener Aspekt, der Milchanteil betont wird. Die möglicherweise bei den Eltern gegen die Gabe von Süssigkeiten an ihre Kinder bestehenden Bedenken können auf diesem Wege zerstreut werden. Es wird ihnen sug- 40 Palandt-Thomas, ProdHaftG, § 3, Rn.10 41 OLG Düsseldorf, VersR 912 ff. (915) 42 BGHZ VI ZR 7/91, zitiert nach juris KORE306969100, S. 9 43 BGHZ VI ZR 7/91, zitiert nach juris KORE306969100, S. 8 65

<strong>Lebensmittelwerbung</strong><br />

menhang zwischen der Energiebilanz, dem glykämischen Index und der Energiedichte<br />

ist dem Durchschnittsverbraucher keinesfalls geläufig (vgl.Kap.<br />

3.1.4. und 3.1.5)<br />

Im Zusammenhang mit den Instruktionspflichten ist auch die Produktwerbung<br />

von Bedeutung. Die Werbung <strong>für</strong> ein Produkt kann, unter der Berücksichtigung<br />

der ihr innewohnenden Übertreibung, den Erwartungshorizont der Konsumenten<br />

hinsichtlich der Produktsicherheit beeinflussen. 40 Unter Umständen<br />

kann die Produktdarbietung dann eine Warnpflicht des Herstellers über mögliche<br />

Folgen des Verzehrs rechtfertigen. Dies insbesondere dann, wenn der<br />

Hersteller die Bedenken der Verwender durch eine die Gefahren verharmlosende<br />

Werbung zerstreut. 41 Wenn durch die Werbung der Vorstellung entgegengewirkt<br />

werde, ein Produkt könne in einer bestimmten Weise gefährlich<br />

werden, so kann das Einfluß auf die Hinweis und Warnpflichten haben. 42 Solche<br />

verharmlosenden Angaben sind zwar nicht Voraussetzung <strong>für</strong> eine Warn-<br />

und Hinweispflicht, können aber die Anforderungen an einen Warnhinweis<br />

verschärfen.<br />

In der ersten Kindertee-Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof über Schadensersatzansprüche<br />

eines an dem sog. „Nursing-Bottle-Syndrom“ erkrankten<br />

Kindes zu befinden. Der Kläger hatte den Tee tagsüber als Einschlafhilfe und<br />

während nächtlicher Wachphasen als Wiedereinschlafhilfe zum „Dauernuckeln“<br />

erhalten. Der Hersteller hatte in seiner Werbung <strong>für</strong> das Produkt darauf<br />

hingewiesen, dass das Produkt u.a. <strong>für</strong> eine ungestörte Nachtruhe sorge und<br />

sich als „Gute-Nacht-Trunk“ eigne. Diese verharmlosenden Angaben über die<br />

positiven Eigenschaften des Tees, konnten bei den Eltern etwa aufkommenden<br />

Bedenken gegen die Überlassung des Tees in der Saugflasche zum Dauernuckeln<br />

zerstreuen, da sie den Eltern Sicherheit bei der Ernährung des Kindes<br />

vermitteln. Der Hersteller hätte die aus dieser Form der Verwendung entstehenden<br />

Gefahren in seinen Warnhinweisen verdeutlichen müssen. 43<br />

Das kann auch auf einige der beworbenen <strong>Kinderprodukte</strong> zutreffen. Auch<br />

hier wird, beispielsweise in dem Werbespot <strong>für</strong> „Kinderschokolade“, der Vorstellung,<br />

ein Produkt könne gefährlich werden, entgegengewirkt, in dem ein<br />

gesundheitsbezogener Aspekt, der Milchanteil betont wird. Die möglicherweise<br />

bei den Eltern gegen die Gabe von Süssigkeiten an ihre Kinder bestehenden<br />

Bedenken können auf diesem Wege zerstreut werden. Es wird ihnen sug-<br />

40 Palandt-Thomas, ProdHaftG, § 3, Rn.10<br />

41 OLG Düsseldorf, VersR 912 ff. (915)<br />

42 BGHZ VI ZR 7/91, zitiert nach juris KORE306969100, S. 9<br />

43 BGHZ VI ZR 7/91, zitiert nach juris KORE306969100, S. 8<br />

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