Becker, Krieger - Lebensmittelwerbung für Kinderprodukte
Becker, Krieger - Lebensmittelwerbung für Kinderprodukte
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<strong>Lebensmittelwerbung</strong> Endbe-<br />
richt<br />
Ausgehend von dem oben geschilderten Leitbild des durchschnittlich informierten<br />
verständigen Verbrauchers konnte sich das Gericht dieser Auffassung<br />
nicht anschließen. Der Aufdruck „ohne Fett“ stelle keinen irreführenden Hinweis<br />
auf die gesundheitliche Unbedenklichkeit oder den geringen Energiegehalt<br />
des Produkts Fruchtgummi dar. Es gehöre zum Allgemeinwissen, über das<br />
der durchschnittlich informierte Verbraucher verfügt, dass Süßigkeiten einen<br />
hohen Anteil Zucker enthielten und dass der übermäßige Verzehr desselben<br />
einer an Gesundheitsaspekten orientierten und kalorienbewussten Ernährungsweise<br />
entgegenstehe und zu Übergewicht führe. Der Aufdruck suggeriere<br />
auch nicht, die Produkte seien kalorienärmer als andere Süßigkeiten, sondern<br />
stelle lediglich einen Vorzug des Produkt gegenüber anderen Süßigkeiten<br />
heraus, die neben Zucker auch noch Fett enthielten; zudem offenbare sie den<br />
hohen Kaloriengehalt des Produkts in der auf der Packung abgedruckten<br />
Analyse.<br />
Was den durch den Kläger intendierten Schutz von Kindern und Jugendlichen<br />
vor Irreführungen angeht, differenziert das Gericht nach Altersgruppen, lehnt<br />
aber im Ergebnis auch hier eine Irreführung ab. Kinder unter 6 Jahren würden,<br />
da sie noch nicht lesen könnten, durch den Lesefähigkeit erfordernden Aufdruck<br />
ohnehin nicht angesprochen. Die Altersgruppe ab 6 Jahren, so das Gericht,<br />
werde durch den Aufdruck nicht zum Kauf der Produkte verführt, da sie<br />
sich im Allgemeinen nicht gesundheitsbezogen rational <strong>für</strong> den Kauf eines<br />
Produkts entscheide, sondern sich emotional von Aussehen, Geschmack, der<br />
Meinung der Altersgenossen oder von emotionalen Einflüssen der Reklame<br />
leiten lassen. Wenn sich Kinder von dem Aufdruck „ohne Fett“ bei ihrer Kaufentscheidung<br />
leiten ließen, so zeige dies und setze voraus, dass sie bereits<br />
über ernährungsphysiologisches Wissen verfügen. Kinder, die über solche<br />
Kenntnisse verfügen, wissen dann aber auch, dass Süßigkeiten dick machen.<br />
Auch bei ihnen steht dann, ebenso wie bei dem erwachsenen mündigen<br />
Verbraucher die Kenntnis der Suggestion “Süßigkeiten ohne Fett machen<br />
nicht dick“, entgegen.<br />
Das Gericht weist abschließend darauf hin, dass es keineswegs die Notwendigkeit<br />
verkennt, Kinder vor den Verführungen der Süßwarenindustrie und<br />
den Auswirkungen ungesunder Ernährung zu schützen. Zur Förderung gesundheitsbewusster<br />
Ernährung fehle ihm die verfassungsrechtliche Kompetenz,<br />
dies sei Aufgabe der Gesetzgebungsorgane.<br />
Das genannte Urteil verdeutlicht – das Gericht selbst spricht dies an - die bestehenden<br />
rechtlichen Defizite im Bereich der gesundheitsbezogenen Angaben<br />
<strong>für</strong> Lebensmittel. Will man gesundheitsbezogene Produktaufmachungen<br />
wie die beschriebenen verhindern, bedarf es ergänzender gesetzlicher Regelungen.<br />
Denkbar wäre aber auch eine Modifizierung der in der Rechtsprechung<br />
angewandten Zuordnung von Informationslasten. Das herrschende<br />
Verbraucherleitbild wird auf jeden Fall den Informationsbedürfnissen, dem<br />
Informationsverhalten und den Kenntnissen der Verbraucher in der Realität<br />
nicht gerecht, und stellt überhöhte Erwartungen an den durchschnittlichen<br />
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