Weißbuch Schwerverletztenversorgung - Kurzfassung (1. Auflage)
Weißbuch Schwerverletztenversorgung - Kurzfassung (1. Auflage)
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Weißbuch<br />
Schwerverletzten-Versorgung<br />
Zusammenfassung<br />
Empfehlungen zur Struktur, Organisation und<br />
Ausstattung der Schwerverletzten-Versorgung<br />
in der Bundesrepublik Deutschland<br />
Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V.<br />
Berlin, September 2006
Die Prävention von Unfällen, Unfallrettung, Akutbehandlung und Rehabilitation des Verletzten<br />
sowie seine Wiedereingliederung in das berufliche und das soziale Umfeld sind<br />
eine humanitäre und volkswirtschaftliche Aufgabe ersten Ranges. Diese Aufgaben folgen<br />
dem Prinzip der weitestmöglichen Funktionswiederherstellung und der Vermeidung<br />
von Spätschäden und gipfeln bei der Versorgung Schwerverletzter in der Maxime der<br />
Lebenserhaltung. Dies gelingt nur in einer engen interdisziplinären Zusammenarbeit mit<br />
allen Bereichen der konservativen und operativen Medizin, präklinischen Rettungseinrichtungen,<br />
der Ingenieurs-, der Informations- und der Biowissenschaften sowie mit den<br />
Versicherungsträgern.<br />
Die veränderten gesetzlichen, wirtschaftlichen und demographischen Rahmenbedingungen,<br />
die Umstrukturierung der Weiterbildung in der Chirurgie mit Einrichtung eines<br />
gemeinsamen Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie – mit den Zusatzqualifikationen<br />
unter anderem Spezielle orthopädische Chirurgie, Spezielle Unfallchirurgie –<br />
ferner die Weiterentwicklung des medizinischen und technologischen Wissenstandes,<br />
lassen derzeit schon eine erhebliche Umstrukturierung der Kranken- und Verletztenversorgung<br />
im ambulanten wie stationären Bereich im Sinne einer zunehmenden, leistungsbezogenen<br />
Konzentration, Aufgabenumverteilung (Verbund-Kliniken, organ-,<br />
krankheits- und methodenspezifische Zentrenbildung) erkennen. Aus Sorge um den<br />
Erhalt einer kompetenten flächendeckenden Rund-um-die-Uhr-Versorgung von<br />
Schwerverletzten unter Einschluss des Massenanfalls von Verletzten bei Großschadensereignissen<br />
hat die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie unter Mitwirkung<br />
weiterer Fachgesellschaften dieses Weißbuch zur Struktur, Organisation und Ausstattung<br />
der <strong>Schwerverletztenversorgung</strong> in der Bundesrepublik Deutschland erarbeitet,<br />
mit dem Ziel einer effizienten Koordinierung und einem adäquaten Einsatz vorhandener<br />
Ressourcen sowie einer kontinuierlichen Qualitätssicherung auf diesem Sektor<br />
der Notfallversorgung.<br />
Die vorliegenden Empfehlungen dienen der Unterstützung<br />
x der regionalen und der die Landesgrenzen überschreitenden Krankenhausbedarfsplanung,<br />
x der Einrichtung eines speziellen Versorgungsnetzwerkes (Traumanetzwerk ) zur stationären<br />
Behandlung von Schwerverletzten<br />
x der Fortschreibung und der Weiterentwicklung des Katastrophenschutzes,<br />
x interner und externer qualitätssichernder Maßnahmen,<br />
x der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung.<br />
Die Analysen nationaler und internationaler Versorgungsstudien und sozioökonomischer<br />
Untersuchungen zur Auswirkung unterschiedlicher Versorgungsstrategien von Schwerverletzten<br />
zeigen, dass<br />
x eine flächendeckende, jederzeit einsatzbereite kompetente luft- und bodengebundene<br />
präklinische Notfallversorgung die Überlebensrate der Schwerverletzten signifikant<br />
positiv beeinflusst,
x<br />
eine regionale und überregionale strukturierte klinische Versorgung mit abgestufter<br />
Aufgabenstellung und die enge interdisziplinäre Vernetzung der unterschiedlich ausgestatteten<br />
Versorgungseinrichtungen – auch unter Nutzung telemedizinischer Konsultationseinrichtungen<br />
– zu einer Verbesserung der Ergebnisqualität der medizinischen<br />
Versorgung und zum optimalen Einsatz vorhandener Ressourcen führen.<br />
Voraussetzungen für die Einrichtung eines Versorgungsnetzwerkes entsprechend der<br />
Leitlinie „Polytrauma-Versorgung“* mit regionalen und überregionalen Versorgungseinrichtungen<br />
sind<br />
x die verpflichtende Sicherstellung des entsprechenden Aufgabenbereiches innerhalb<br />
des Traumanetzwerkes,<br />
x eine enge regionale Zusammenarbeit,<br />
x die Beteiligung an externen qualitätssichernden Maßnahmen, inklusive Nachweis der<br />
geforderten strukturellen, prozessualen und ergebnisorientierten Qualitätskriterien.<br />
Struktur- und Aufgabenmerkmale der einzelnen, in einem regionalen und überregionalen<br />
Traumanetzwerk zusammengeschlossenen Einrichtungen sind:<br />
A) Einrichtungen der Basisversorgung von Schwerverletzten<br />
innerhalb des Traumanetzwerkes <br />
Diese stellen die Behandlung von Schwerverletzten regelhaft im Rahmen der chirurgischen<br />
Notfallversorgung sicher. Sie sind eingebunden in das Traumanetzwerk . Entsprechend<br />
diesem Versorgungsauftrag besteht für diese Einrichtungen die Verpflichtung<br />
zur<br />
x Vorhaltung einer chirurgischen Notfallbehandlung Rund-um-die-Uhr, insbesondere<br />
der Erkennung und Behandlung von Körperhöhlenverletzungen und schweren<br />
Stamm- und Extremitätenverletzungen,<br />
x Mit- und Weiterbehandlung entsprechend ihrem Leistungsspektrum bei geeigneten<br />
Verletzungsformen und Behandlungsphasen im Verbund mit überregionalen und<br />
regionalen Traumazentren,<br />
x Beteiligung an der fachspezifischen Aus- und Fortbildung aller Berufsgruppen einschließlich<br />
der ärztlichen Weiterbildung.<br />
Die Zahl der an dem Traumanetzwerk beteiligten Einrichtungen der Basisversorgung<br />
richtet sich nach den regionalen Besonderheiten und den in den jeweiligen Landesrettungsgesetzen<br />
vorgegebenen Rettungszeiten zur Versorgung von Schwerverletzten.<br />
*Fertigstellung der interdisziplinären Leitlinie Polytrauma<br />
auf S3-Niveau voraussichtlich Anfang 2007
Dies betrifft diejenigen Flächenstaaten und Regionen, in denen keine ausreichende Zahl<br />
regionaler und überregionaler Traumazentren vorhanden ist und die ausreichende Versorgung<br />
unter den vorgegebenen Rettungszeiten unter Beteiligung einiger strukturierter<br />
Basisversorgungseinrichtungen nicht eingehalten werden kann. Entsprechend strukturell<br />
und prozessual vorbereitete Einrichtungen der Basisversorgung müssen ausreichend<br />
chirurgische Kompetenz in 24-Stunden-Bereitschaft vorhalten, um notfallmäßig<br />
lebensbedrohliche Blutungen im Thorax und im Abdomen, des Beckens sowie bei Extremitätenverletzungen<br />
erkennen und behandeln zu können.<br />
Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Erstversorgung Schwerverletzter – in 24-Stunden-Bereitschaft<br />
– ist die notfallmäßige Erkennung und Behandlung lebensbedrohlicher<br />
Blutungen im Thorax (Notthorakotomie), im Abdomen (Notlaparotomie) und des<br />
Beckens (externe Stabilisierung durch Fixateur oder Beckenzwinge) sowie lebensbedrohlicher<br />
Extremitätenverletzungen (Damage-Control-Strategie). Ist der Schwerverletzte<br />
transportfähig, erfolgt die Verlegung in ein Traumazentrum innerhalb des Traumanetzwerkes<br />
.<br />
B) Regionale Traumazentren<br />
Diese sind Bestandteil von Einrichtungen der Maximal- oder Schwerpunktversorgung<br />
im Verbund mit den überregionalen Traumazentren und den Einrichtungen der unfallchirurgischen<br />
Basisversorgung und verpflichtet zur<br />
x 24-stündigen Aufnahme und Versorgung von Schwerverletzten jeden Lebensalters,<br />
x Vorhaltung bestimmter weiterer Fachdisziplinen zur notfallmäßigen Akutversorgung,<br />
x<br />
x<br />
x<br />
x<br />
Mit- und Weiterbehandlung gemäß ihrem Leistungsspektrum im Verbund mit den<br />
überregionalen Einrichtungen des Traumanetzwerkes ,<br />
Teilnahme am Verletzungsartenverfahren der gesetzlichen Unfallversicherungsträger,<br />
Beteiligung an der fachspezifischen Aus-, Fort- und Weiterbildung,<br />
fortlaufenden Sicherung und Verbesserung der Versorgungsqualität im Rahmen<br />
externer unfallchirurgischer Qualitätssicherungsverfahren.<br />
C) Überregionale Traumazentren<br />
Diese sind Bestandteil von Einrichtungen der Maximalversorgung. Sie haben darüber<br />
hinaus die besondere Aufgabe der interdisziplinären Behandlung aller Schwerstverletzten,<br />
insbesondere mit speziellen Verletzungsmustern und -folgen.<br />
Im Verbund mit den nachgeordneten Einrichtungen besteht für ein überregionales Traumazentrum<br />
die Verpflichtung zur<br />
x umfassenden Notfallversorgung,<br />
x Teilnahme am Verletzungsartenverfahren der gesetzlichen Unfallversicherungsträger,
x<br />
x<br />
x<br />
x<br />
x<br />
x<br />
Sicherstellung und Verpflichtung der jederzeitigen Aufnahme und umfassenden Versorgung<br />
von Schwerverletzten jeden Lebensalters und jeder Verletzungsart (mehrgleisige<br />
gleichzeitige Behandlungsmöglichkeit),<br />
Vorbereitung auf die Bewältigung des Massenanfalls von Verletzten im Rahmen von<br />
Großschadensereignissen und Katastrophen,<br />
Mit- und Weiterbehandlung (Sekundärverlegung) von Verletzten im Verbund mit den<br />
regionalen Traumazentren und Einrichtungen der Basisversorgung,<br />
Gewährleistung der gesamten fachspezifischen Aus-, Fort- und Weiterbildung,<br />
Beteiligung an wissenschaftlichen und klinischen Studien,<br />
fortlaufenden Sicherung und Verbesserung der Versorgungsqualität im Rahmen<br />
externer unfallchirurgischer Qualitätssicherungsverfahren.<br />
Im Verbund können zwei benachbarte Einrichtungen die Aufgaben eines überregionalen<br />
Traumazentrums wahrnehmen. Den Universitätskliniken obliegt darüber hinaus die<br />
unfallchirurgische patientenbezogene Grundlagen- und Anwendungsforschung.<br />
D) spezielle Behandlungszentren für<br />
x<br />
x<br />
x<br />
x<br />
Schwerbrandverletzte,<br />
Rückenmarkverletzte,<br />
Replantation,<br />
spezielle Rehabilitation.<br />
Diese Versorgungseinrichtungen sind entsprechend dem Bedarf und den regionalen<br />
Gegebenheiten Bestandteil des Traumanetzwerkes . Eine regionale und überregionale<br />
Landesgrenzen überschreitende Vernetzung ist notwendig.<br />
Die fachliche Qualifikation der an der stationären Versorgung von Schwerverletzten teilnehmenden<br />
ärztlichen und nichtärztlichen Berufsgruppen, die strukturellen Erfordernisse<br />
und die Ausstattungsanforderungen personeller, räumlicher und apparativer Art<br />
werden gemäß dem abgestuften Versorgungsauftrag im Weißbuch definiert und sind<br />
Bestandteil externer spezieller Qualitätssicherungsverfahren.<br />
Das Traumanetzwerk stellt in idealer Weise eine Verknüpfung unterschiedlich ausgestatteter<br />
Einrichtungen zur Behandlung von Schwerverletzten in einer Region unter<br />
Beachtung der besonderen regionalen Unfallhäufigkeit und bereits vorhandener regelhafter<br />
Organisation der Versorgung von Schwerverletzten dar. Damit soll eine kompetente<br />
flächendeckende Rund-um-die-Uhr-Versorgung von Schwerverletzten und die<br />
notwendige Vorhaltung von Ressourcen unter Wahrung definierter Qualität flexibel<br />
gestaltet werden.
Die im Weißbuch enthaltenen Empfehlungen stellen die Weiterentwicklung und konsequente<br />
Umsetzung teilweise bereits bestehender regionaler Versorgungsverbünde und<br />
die von der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie und den gesetzlichen Unfallversicherungsträgern<br />
erarbeiteten Strukturalgorithmen für die Behandlung Schwerverletzter<br />
dar.<br />
Sie fördern die Zusammenarbeit entsprechender organ-, regions- und methodenbezogener<br />
medizinischer Kompetenz bei der Behandlung spezieller Verletzungsfolgen und<br />
beziehen sich nicht auf bereits bestehende oder zukünftige sektorenübergreifende<br />
Strukturen und Einrichtungen zur Versorgung bestimmter Verletzungsmuster und deren<br />
Folgen.<br />
Entsprechend den sich ändernden Rahmenbedingungen und der praktischen Erfahrungen<br />
der Umsetzung dieser Empfehlungen erfolgt eine Fortschreibung dieses Weißbuches.
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V.<br />
Geschäftsstelle<br />
Prof. Dr. med. Hartmut Siebert, Generalsekretär<br />
Luisenstr. 58 / 59<br />
10117 Berlin<br />
In Abstimmung mit der<br />
Deutschen Gesellschaft für Orthopädie<br />
und Orthopädische Chirurgie e.V.<br />
Geschäftsstelle<br />
Kronprinzendamm 15<br />
10711 Berlin<br />
Den wissenschaftlichen Fachgesellschaften:<br />
Deutsche Gesellschaft für Chirurgie<br />
Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie<br />
Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie<br />
Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven<br />
und Ästhetischen Chirurgen<br />
Deutsche Gesellschaft für Thoraxchirurgie<br />
Deutsche Gesellschaft für Viszeralchirurgie<br />
danken wir für ihre freundliche Unterstützung bei der<br />
Ausarbeitung dieses Weißbuches.<br />
Erarbeitet vom<br />
Grundsatzausschuss „Arbeitskreis Weißbuch“<br />
der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V.<br />
Unter Mitarbeit von (in alphabetischer Reihenfolge):<br />
Bertil Bouillon, Köln<br />
Volker Bühren, Murnau<br />
Peter Hinz, Greifswald<br />
Reinhard Hoffmann, Frankfurt/Offenbach<br />
David Kubosch, Freiburg<br />
Christian Kühne. Essen<br />
Christian Lackner, München<br />
Ingo Marzi, Frankfurt<br />
Philipp Niemeyer, Freiburg<br />
Hans-Jörg Oestern, Celle<br />
Christoph Pape, Hannover<br />
Jürgen Probst, Murnau<br />
Steffen Ruchholtz, Essen<br />
Julia Seifert, Berlin<br />
Hartmut Siebert, Schwäbisch Hall<br />
Klaus Michael Stürmer, Göttingen<br />
Johannes Sturm, Detmold<br />
Norbert Südkamp, Freiburg<br />
Christoph Ulrich, Göppingen<br />
Andreas Wentzensen, Ludwigshafen<br />
Satz: Fotosatz Killinger, Waiblingen<br />
Druck: Druckerei Gottlob Hartmann GmbH, Stuttgart<br />
© Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V.