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erlassjahr.<strong>de</strong><br />

Fachinformation No. 39<br />

Griechenland<br />

Der IWF plädiert für Schul<strong>de</strong>nerlass<br />

©t helefty, Shutterstock.com


Fachinformation No.39 – Griechenlad: IWF plädiert für<br />

Schul<strong>de</strong>nerlass<br />

Erschienen: 22.02.2013<br />

erlassjahr.<strong>de</strong> - Entwicklung braucht Entschuldung<br />

Carl-Mosterts-Platz 1<br />

40477 Düsseldorf<br />

Tel.: +49 (0) 211 - 46 93 - 196<br />

Fax: +49 (0) 211 - 46 93 – 197<br />

E-Mail: buero@erlassjahr.<strong>de</strong><br />

Website: www.erlassjahr.<strong>de</strong><br />

Autor: Jürgen Kaiser<br />

V.i.S.d.P Sebastian Bonse Öffentlichkeitsarbeit<br />

Tel.: +49 (0) 211 - 46 93 - 211<br />

E-Mail: s.bonse@erlassjahr.<strong>de</strong><br />

Bildnachweis:<br />

Titel: thelefty, Shutterstock.com<br />

2


Im Januar dieses Jahres veröffentlichte <strong>de</strong>r IWF seinen Zwischenbericht zum laufen<strong>de</strong>n Programm<br />

mit Griechenland. Worauf wir in <strong>de</strong>n Analysen zu vergleichbaren o<strong>de</strong>r schlimmeren<br />

Überschuldungssituationen in ärmeren Län<strong>de</strong>rn während <strong>de</strong>r 80er und 90er Jahre vergeblich<br />

gewartet hatten, das steht hier in aller Deutlichkeit: Ohne einen (weiteren) Schul<strong>de</strong>nerlass<br />

hat das Schuldnerland keine Chance, irgendwann ein tragfähiges Schul<strong>de</strong>nniveau zu erreichen.<br />

1. Was für ein Papier genau <br />

Am 15. März 2012 hatte <strong>de</strong>r IWF als Voraussetzung für <strong>de</strong>n damals mit <strong>de</strong>n Privatgläubigern<br />

vereinbarten Teilerlass in Höhe von 109 Mrd. € ein vierjähriges Kredit-Abkommen im Rahmen<br />

<strong>de</strong>r Exten<strong>de</strong>d Fund Facility (EFF) vereinbart. Das Abkommen enthielt – wie beim IWF<br />

üblich – günstige neue Kredite im Tausch für die Verpflichtung, wirtschaftliche Anpassungsmaßnahmen<br />

umzusetzen. Solche Abkommen muss <strong>de</strong>r IWF-Stab regelmäßig überprüfen,<br />

um dann <strong>de</strong>m Vorstand und <strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn Bericht zu erstatten. Dieser Bericht<br />

wur<strong>de</strong> am 21.12.2012 fertig gestellt und am 18. Januar <strong>de</strong>r Öffentlichkeit über die Website<br />

<strong>de</strong>s IWF zugänglich gemacht. 1<br />

Das Papier ist eine gut einhun<strong>de</strong>rt Seiten starke Bestandsaufnahme aller wichtigen Aspekte<br />

<strong>de</strong>r griechischen Ökonomie. Für uns am wichtigsten ist <strong>de</strong>r Anhang 1, <strong>de</strong>r die Schul<strong>de</strong>ntragfähigkeitsanalyse<br />

enthält.<br />

2. Die Botschaft <strong>de</strong>s Berichts 2 und was von ihr zu halten ist <br />

Die wichtigsten Aussagen <strong>de</strong>s Berichts sind:<br />

• Ein weiterer Schul<strong>de</strong>nerlass nach <strong>de</strong>m Privatsektor-­‐<br />

Verzicht im Februar und <strong>de</strong>m Schul<strong>de</strong>nrückkauf im Dezem-­ber<br />

ist notwendig um Schul<strong>de</strong>ntragfähigkeit wie<strong>de</strong>rherzu-­stellen.<br />

Als tragfähige öffentliche Verschuldung betrachtet <br />

<strong>de</strong>r IWF weiterhin 120% <strong>de</strong>s BIP im Jahr 2020. Wie er darauf <br />

kommt, genau das Doppelte <strong>de</strong>r EU-­‐internen Maastricht-­‐<br />

Obergrenze für tragfähig zu erklären, erklärt er we<strong>de</strong>r in <br />

<strong>de</strong>m vorliegen<strong>de</strong>n Papier noch an irgen<strong>de</strong>iner an<strong>de</strong>ren Stel-­le.<br />

3 Diese 120% wer<strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>n aktuellen Vorhersagen <strong>de</strong>s <br />

IWF nicht erreicht. Die nebenstehen<strong>de</strong> Graphik 4 von zeigt die <br />

erwartete Entwicklung ohne einen weiteren Schul<strong>de</strong>nerlass mit <strong>de</strong>r blauen Linie, und rot gestri-­chelt<br />

das neue Basisszenario. <br />

• Die Situation Griechenlands hat sich seit <strong>de</strong>m letzten Bericht im Juni <strong>de</strong>utlich schlechter entwi-­ckelt<br />

als damals (vom IWF) angenommen. Als Folge davon betrachtet <strong>de</strong>r IWF nun das, was im <br />

Juni als „Krisenszenario“ mögliche negative Abweichungen vom für wahrscheinlich gehaltenen <br />

„Basisszenario“ beschrieb, als aktuelles Basisszenario. 5<br />

1 Greece: First and Second Reviews Un<strong>de</strong>r the Exten<strong>de</strong>d Arrangement Un<strong>de</strong>r the Exten<strong>de</strong>d Fund Facility, Request<br />

for Waiver of Applicability, Modification of Performance Criteria, and Rephasing of Access—Staff Report;<br />

Staff Supplement; Press Release on the Executive Board Discussion; and Statement by the Executive Director for<br />

Greece. January 2013; IMF Country Report No. 13/20; zum Download unter:<br />

http://www.imf.org/external/country/GRC/in<strong>de</strong>x.htm<br />

2 Wie alle IWF-Papiere ist <strong>de</strong>r Bericht in durchnummerierte thematische Unterpunkte geglie<strong>de</strong>rt. Wo auf diese<br />

Bezug genommen wird, wird die jeweilige Nummer mit „pt“ (= point) abgekürzt. Bezüge auf Seitenzahlen heißen<br />

„p“ (=page).<br />

3 Ein Entschuldungs-Praktiker erklärte <strong>de</strong>m Autor, die Obergrenze komme dadurch zustan<strong>de</strong>, dass <strong>de</strong>rzeit Italien<br />

ziemlich genau diesen Schul<strong>de</strong>nstand aufweist. Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r IWF nun im Fall Griechenlands erklären, dass 120%<br />

untragbar seien, dürfe er keine weiteren Finanzierungen an Italien mehr ausreichen.<br />

4 p.30<br />

5 pt.11<br />

3


• Sollte es keine weiter gehen<strong>de</strong> Restrukturierung von Griechenlands Schul<strong>de</strong>n geben, ist auch <br />

die Rückzahlung <strong>de</strong>r IWF-­‐Rettungsfinanzierungen nicht gesichert. 6 Zuletzt hatte <strong>de</strong>r Fonds sich <br />

vor knapp zehn Jahren durch seine außergewöhnlich hohen Ausleihungen an Griechenlands <br />

Nachbarn Türkei in eine ähnlich kritische Lage gebracht wir nun in Hellas. Sollten die Europäer <br />

etwa ihr Versprechen nicht einhalten, und Griechenland die versprochenen Finanzierungen nicht <br />

zukommen lassen bzw. die versprochenen Schul<strong>de</strong>nerleichterungen nicht gewähren, wäre <strong>de</strong>r <br />

IWF selbst in Schwierigkeiten. Sein Griechenland Portfolio beträgt aktuell das Doppelte seiner für <br />

<strong>de</strong>n Krisenfall gesammelten Reserven im Jahr 2013. Interessant ist, dass <strong>de</strong>r IWF in diesem Fall <br />

auch darauf hin weist, dass sein „<strong>de</strong> facto“ bevorzugter Gläubigerstatus ihm im Falle einer um-­fassen<strong>de</strong>n<br />

Zahlungsunfähigkeit Griechenlands nicht viel helfen wird. <br />

• Die Griechen haben’s vermasselt I: Griechenland lei<strong>de</strong>t unter einem hohen Anteil an Non-­‐<br />

Performing Loans (NPL) in seinem Bankensystem, sowie an einer großen Schattenökonomie. <br />

Der IWF ist von <strong>de</strong>r schlechten Umsetzung <strong>de</strong>r meisten Vereinbarungen durch die griechischen <br />

Behör<strong>de</strong>n enttäuscht, und macht diese dafür wesentlich verantwortlich. Einer <strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong>, wa-­rum<br />

Schul<strong>de</strong>ntragfähigkeit nicht wie<strong>de</strong>rhergestellt wer<strong>de</strong>n konnte, ist <strong>de</strong>r hohe Anteil an nicht <br />

mehr bedienten Bankkrediten 7 . Im ersten Quartal 2012 wur<strong>de</strong>n auf knapp ein Viertel aller aus-­stehen<strong>de</strong>n<br />

Bankkredite keine Zahlungen mehr geleistet. 8 Als eine Folge davon wächst in Grie-­chenland<br />

die Schattenökonomie, d.h. informelle geschäftliche Transaktionen, die nicht mehr von <br />

<strong>de</strong>r offiziellen Statistik (und <strong>de</strong>n Steuerbehör<strong>de</strong>n) erfasst wer<strong>de</strong>n: Der IWF schätzt, dass sich ein <br />

Viertel <strong>de</strong>r gesamten Wirtschaftstätigkeit <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s im Verborgenen abspielt, und zwar nicht <br />

wie in Dritte Welt Län<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r Tätigkeit kleiner Marktfrauen, <strong>de</strong>ren Anteil an <strong>de</strong>r Gesamtwirt-­schaft<br />

eher begrenzt ist, son<strong>de</strong>rn unter <strong>de</strong>n hochqualifizierten Selbstständigen: Rechtsanwälte, <br />

Ärzte, Ingenieure, freie Berater und Dienstleister. 9<br />

• Die Griechen haben’s vermasselt II: Die Privatisierung von Staatseigentum erbringt nicht annä-­hernd<br />

die (vom IWF) erwarteten Einnahmen. Die größte Enttäuschung für <strong>de</strong>n IWF ist allerdings <br />

das Verfehlen <strong>de</strong>r ehrgeizigen Einnahmeerwartungen aus <strong>de</strong>m Privatisierungsprozess. Das Ziel <br />

von 3,2 Mrd. € wur<strong>de</strong> im Jahr 2012 ebenso wenig erreicht wie in je<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Vorjahre. Ein neuer <br />

Privatisierungsplan erwartet nun kumulierte Einnahmen von 6 Mrd. € bis 2014, 10 Mrd. € bis <br />

2016 und 23,5 Mrd. € bis 2010. Das ist ziemlich genau die Hälfte <strong>de</strong>s bisherigen Einnahme-­‐<br />

Szenarios, und spiegelt insofern die etwas 50-­‐prozentige Erfüllung <strong>de</strong>r Erwartungen in 2012 wi-­<strong>de</strong>r.<br />

10<br />

Die Grün<strong>de</strong> für die geringeren Einnahmen sieht <strong>de</strong>r IWF in <strong>de</strong>n Unsicherheiten durch die griechi-­schen<br />

Wahlen im Mai und in <strong>de</strong>r Abwesenheit <strong>de</strong>s Vorstan<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Privatisierungsagentur HRADF <br />

sowie ganz allgemein in „politischem Wi<strong>de</strong>rstand.“ Keinesfalls kann <strong>de</strong>r Fonds einen Grund darin <br />

sehen, dass akzeptable Preise selten zu erzielen sind, wenn die ganze Welt weiß, dass <strong>de</strong>r Ver-­käufer<br />

ganz schnell und ganz dringend Geld braucht. <br />

• Griechenland läuft Gefahr, durch eine übermäßige Anpassung ökonomisch aus <strong>de</strong>m Gleichge-­wicht<br />

zu geraten. Über weite Strecken ist das, was <strong>de</strong>r IWF im Auftrag <strong>de</strong>r Troika als Reformpro-­gramm<br />

durchsetzt, getragen von <strong>de</strong>n klassischen Elementen <strong>de</strong>r Strukturanpassung, wie wir sie <br />

aus <strong>de</strong>n Schul<strong>de</strong>nkrisen in Entwicklungs-­‐ und Schwellenlän<strong>de</strong>rn nur allzu gut kennen. Nach <strong>de</strong>m <br />

weitgehen<strong>de</strong>n Scheitern <strong>de</strong>r ersten Krisenprogramme in Griechenland, fin<strong>de</strong>n dann aber auch <br />

Elemente <strong>de</strong>s im IWF selbst geführten kritischen Diskurses über diese klassischen Konzepte Ein-­gang<br />

in die Überlegungen zu Griechenland. Dies betrifft zum einen die unausgewogene Gestal-­tung<br />

<strong>de</strong>r Anpassung, zum an<strong>de</strong>ren ihr Ausmaß, also die Gefahr einer „Überanpassung“. <br />

6 pt.65<br />

7 englisch: Non Performing Loans = NPL<br />

8 pt.6<br />

9 p.77<br />

10 pt. 26<br />

4


o<br />

o<br />

Zur Gestaltung heißt es nach einer expliziten Würdigung <strong>de</strong>r großen und schmerzhaften <br />

Einschnitte, die Griechenland auf sich genommen hat, um Teil <strong>de</strong>r Eurozone zu bleiben: <br />

„Die Gestaltung <strong>de</strong>r Anpassung lässt gleichwohl zu wünschen übrig. Die Anpassungen im <br />

Haushalt waren viel zu sehr auf die Reduzierung frei verfügbarer Ausgaben und die Erhö-­hung<br />

von Lohnsteuern fokussiert, während die Reichen und Selbstständigen weiterhin <br />

Steuern vermei<strong>de</strong>n und ein aufgeblähter Staatsapparat nur begrenzte Einschränkungen <br />

erlei<strong>de</strong>n musste. Darüber hinaus ist <strong>de</strong>n abhängig Beschäftigten ein viel zu großer Teil <br />

<strong>de</strong>r Anpassungslasten aufgebür<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n, da die reduzierten Löhne nicht reduzierte <br />

Preise zur Folge hatten. Dies lag daran, dass geschützte Bereiche nicht für <strong>de</strong>n Wettbe-­werb<br />

geöffnet und Wettbewerbsschranken nicht generell abgebaut wur<strong>de</strong>n. Während <br />

daher die griechische Wirtschaft ein neues Gleichgewicht fin<strong>de</strong>t, geschieht dies viel zu <br />

sehr durch das Mittel <strong>de</strong>r Rezession, statt durch Reformen, die die Produktivität erhö-­hen.<br />

Entsprechend untergräbt ein wachsen<strong>de</strong>s Empfin<strong>de</strong>n sozialer Ungerechtigkeit in <strong>de</strong>r <br />

Bevölkerung die Akzeptanz <strong>de</strong>s gesamten Programms.“ 11<br />

Erstmalig taucht u.W. in einer IWF-­‐Län<strong>de</strong>ranalyse die Warnung vor einer möglichen <br />

„Überanpassung“ auf. 12 Hätte <strong>de</strong>r Fonds versucht, die ursprünglichen Einsparungsziele <br />

für 2012 noch nachdrücklicher umzusetzen, hätte genau diese Gefahr bestan<strong>de</strong>n. Etwa <br />

im Sinne <strong>de</strong>r oben beschreiben sozialen Nicht-­‐Akzeptanz. <br />

• Der IWF vertraut auf die Zusagen <strong>de</strong>r Europäer, die verbliebene Finanzierungs-­‐Lücke aus eige-­nen<br />

Mitteln zu schließen. Am 26.11.2012 hatten die Regierungen <strong>de</strong>r Eurogruppe sich mit <strong>de</strong>m <br />

IWF auf ein Maßnahmenpaket verständigt, um nach <strong>de</strong>n Abweichungen vom ursprünglichen Ba-­sis-­‐Szenario<br />

Griechenlands öffentliche Schul<strong>de</strong>n auf ein tragfähiges Niveau zurückzufahren. 13 Da <br />

Griechenland unter <strong>de</strong>m neuen Basisszenario nicht auf ein tragfähiges Schul<strong>de</strong>nniveau von 120% <br />

im Jahr 2020 kommen wird, besteht ein weiterer Finanzierungsbedarf von 24% <strong>de</strong>s BIP bis 2020. <br />

Diese Lücke soll durch die folgen<strong>de</strong>n Maßnahmen geschlossen wer<strong>de</strong>n: <br />

o<br />

o<br />

o<br />

Einen Schul<strong>de</strong>nrückkauf von 62 Mrd. € <strong>de</strong>r erst im März ausgegebenen neuen Anleihen <br />

mit einem Abschlag von rund 70%, was etwa <strong>de</strong>m aktuellen Marktwert entsprach. Damit <br />

wur<strong>de</strong>n die Schul<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r 2020-­‐Projektion um 9,5%-­‐Punkte gesenkt. <br />

Weitere 2,6%-­‐Punkte sollten gewonnen wer<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m die Europäischen Regierungen <br />

die Zinsen auf laufen<strong>de</strong> Kredite aus <strong>de</strong>r EFSF und <strong>de</strong>r Greek Loan Facility reduzieren 14 . <br />

Weitere 4,6%-­‐Punkte sollen aus echten Transfers <strong>de</strong>r Europäer an die Griechen kommen, <br />

konkret aus <strong>de</strong>r Überweisung von Gewinnen, die die EZB über ihren Refinanzierungszins-­satz<br />

hinaus auf die von ihre gekauften Griechenland-­‐Anleihen eingenommen hat, sowie <br />

durch <strong>de</strong>n Ankauf <strong>de</strong>r Griechenland-­‐Anleihen am Sekundärmarkt mit einem Abschlag. 15<br />

Diese Maßnahmen wur<strong>de</strong>n im Dezember umgesetzt bzw. verbindlich vereinbart. Über ihre<br />

quantitative Be<strong>de</strong>utung hinaus waren sie insofern bemerkenswert, als <strong>de</strong>r IWF mit ihnen<br />

explizit <strong>de</strong>s Begriff <strong>de</strong>s OSI = Official Sector Involvement eingeführt hat 16 . Gemeint<br />

ist damit, dass - womöglich im Vorgriff auf einen noch weitergehen<strong>de</strong>n Erlass <strong>de</strong>r vom<br />

öffentlichen Sektor 2010-2012 aufgebrachten Rettungsmittel - erstmals auch <strong>de</strong>n öffentlichen<br />

Gläubigern ganz amtlich Verluste zugemutet wur<strong>de</strong>n.<br />

• Der IWF hofft, dass durch die Streckung <strong>de</strong>r Zahlungsverpflichtungen gemäß <strong>de</strong>n im November <br />

2012 beschlossenen Maßnahmen Griechenland nicht illiqui<strong>de</strong> wird. Nicht ohne Stolz verweist <br />

<strong>de</strong>r Fonds darauf, dass das Fälligkeitsprofil <strong>de</strong>r griechischen Schul<strong>de</strong>n nun sogar etwas günstiger <br />

11 pt. 67; Übersetzung: erlassjahr.<strong>de</strong><br />

12 pt.35<br />

13 pts. 49-51 und Box 4 auf p.84<br />

14 Zinsausschläge auf <strong>de</strong>n EURIBOR-Zinssatz von bislang 150 Basispunkten wur<strong>de</strong>n auf 50 Basispunkte reduziert,<br />

und <strong>de</strong>r 10-basispunkte-Aufschlag auf die EFSF-Kredite wur<strong>de</strong> abgeschafft.<br />

15 Das ist <strong>de</strong>r Teil <strong>de</strong>s Programms, durch <strong>de</strong>n die europäischen Steuerzahler erstmals direkt und unmittelbar in<br />

Griechenland Verluste hinnehmen müssen.<br />

16 pt. 49<br />

5


als <strong>de</strong>r Durchschnitt <strong>de</strong>r Eurozone aussieht. 17 Allerdings weiß er selbst, dass er mit diesem gera-­<strong>de</strong>zu<br />

klassischen Akt <strong>de</strong>s Financial Engineering nicht mehr als die Liquiditätssituation verbessert <br />

hat – mit möglichen Folgen für die mittelfristige Solvenz <strong>de</strong>s Schuldners. Daher: <br />

• Die Europäer sind weiter gehend in <strong>de</strong>r Pflicht. Das revidierte Programm hinterlässt nach <strong>de</strong>n <br />

oben genannten Maßnahmen noch eine Finanzierungslücke von rund 7,3% <strong>de</strong>s BIP in 2020. Diese <br />

soll durch noch „unbestimmte“ Maßnahmen geschlossen wer<strong>de</strong>n. 4,1% sind zunächst notwendig <br />

um auf die vorläufige revidierte Zielmarke von 124% zu kommen. Dafür erwartet <strong>de</strong>r IWF von <br />

<strong>de</strong>n Europäern “irgen<strong>de</strong>ine Mischung aus Schul<strong>de</strong>nerlassen auf ausstehen<strong>de</strong> Griechenland-­‐<br />

Rettungskredite, Zinsermäßigungen aus GLF-­‐Kredite in die Nähe von Null, niedrigere EFSF-­‐Zinsen <br />

o<strong>de</strong>r langfristige Schenkungen.“ 18<br />

Der Text erinnert ein um’s an<strong>de</strong>re Mal daran, dass die Europäer im November 2012<br />

weitere Erleichterungen für Griechenland zugesagt haben, und dass diese Erleichterungen<br />

nicht irgendwann kommen sollen, son<strong>de</strong>rn 2014 und 2015 – also möglichst umgehend<br />

nach Bun<strong>de</strong>stagswahl und Regierungsneubildung in Deutschland. 19<br />

• Schon 2014 muss sich zeigen, ob Privatinvestoren Griechenland wie<strong>de</strong>r ihr Vertrauen schen-­ken.<br />

Geschieht dies nicht, ist die aufwändig reduzierte bzw. in die Zukunft verschobene Schul-­<strong>de</strong>nlast<br />

sofort wie<strong>de</strong>r untragbar. 20<br />

3. Verschie<strong>de</strong>ne Merkwürdigkeiten <br />

Einige formale Dinge fallen bei <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>ntragfähigkeitsanalyse Griechenlands 21 auf:<br />

Entgegen <strong>de</strong>r sonstigen<br />

DSA-Praxis wird bei <strong>de</strong>r<br />

Diskussion um externe 22<br />

Verschuldung auf Netto-<br />

Verschuldung fokussiert.<br />

D.h. Ansprüche <strong>de</strong>r<br />

griechischen Volkswirtschaft<br />

an das Ausland<br />

wer<strong>de</strong>n abgezogen. Uns ist<br />

kein an<strong>de</strong>rer Fall bekannt,<br />

in <strong>de</strong>m so gerechnet<br />

wur<strong>de</strong>, und auch Standardwerke<br />

wie die International<br />

Debt Statistics <strong>de</strong>r<br />

Weltbank rechnen<br />

selbstverständlich mit Brutto-Schul<strong>de</strong>n.<br />

Der Grund für<br />

die Netto-Rechnung liegt<br />

17 pt. 53<br />

18 pt.51<br />

19 Nach <strong>de</strong>r mehrfachen Wie<strong>de</strong>rholung dieser Erinnerung klingt die Formulierung From this perspective Greece<br />

and its European partners have turned an important corner (pt. 73) weniger wie „sind über’n Berg“ als mehr wie<br />

„haben es endlich begriffen“. Erstaunlich aus <strong>de</strong>m Mun<strong>de</strong>s <strong>de</strong>s IWF, <strong>de</strong>ssen Gefälligkeitsgutachten traditionell<br />

immer genau die Szenarien präsentieren, die die Gläubiger und wichtigen Mitglie<strong>de</strong>r gerne hören möchten.<br />

20 pt.76. Der Kontrast zu <strong>de</strong>m mit Erscheinen dieses Fachinfos sich gera<strong>de</strong> zum 60. Mal jähren<strong>de</strong>n Londoner<br />

Schul<strong>de</strong>nabkommens für Deutschland könnte kaum größer sein. Während bei Griechenland gera<strong>de</strong> so viel Konzessionen<br />

gemacht wer<strong>de</strong>n, dass das Land überhaupt eine Chance haben könnte, wie<strong>de</strong>r handlungsfähig zu<br />

wer<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong> Deutschland 1953 weit über seinen unmittelbaren Bedarf hinaus entlastet, um sicherzustellen<br />

dass <strong>de</strong>r Schuldner nicht bald wie<strong>de</strong>r off-track gehen wür<strong>de</strong>. Siehe: erlassjahr.<strong>de</strong>: Das Londoner Schul<strong>de</strong>nabkommen.<br />

Aktionsbroschüre 2013; http://www.erlassjahr.<strong>de</strong>/london/broschuere-60-jahre-london.html<br />

21 Anhang 1 <strong>de</strong>s vorliegen<strong>de</strong>n Dokuments, pp. 85ff<br />

22 Nicht zu verwechseln mit <strong>de</strong>n oben verwen<strong>de</strong>ten Daten zur öffentlichen Verschuldung im In- und Ausland. Die<br />

externe Verschuldung berücksichtigt die Auslandsverschuldung <strong>de</strong>s Staates und <strong>de</strong>r privaten Haushalte und<br />

Unternehmen, aber nicht die inländische Verschuldung.<br />

6


offenbar darin, dass eine Netto-Rechnung natürlich viel freundlicher aussieht. Aktuell beträgt<br />

Griechenlands Brutto-Verschuldung 235% <strong>de</strong>s BIP; sie wird in diesem Jahr auf 260% ansteigen<br />

und soll dann bis 2020 auf 170% absinken. Der aktuelle Stand <strong>de</strong>r Brutto-<br />

Verschuldung ist rund das Doppelte <strong>de</strong>r Spitzenwerte aktuell hochverschul<strong>de</strong>ter Entwicklungslän<strong>de</strong>r.<br />

23 Demgegenüber liegen die Netto-Werte bei rund 100%, und ihre Darstellung in<br />

<strong>de</strong>n Szenarien zeigt auf <strong>de</strong>r jeweiligen y-Achse weniger alarmieren<strong>de</strong> Werte als <strong>de</strong>r Realität<br />

entspricht. Schließlich besteht eines <strong>de</strong>r zentralen – und vom IWF ausführlich diskutierten -<br />

Probleme gera<strong>de</strong> darin, dass die Kapital-Ansprüche an das Ausland nicht ohne weiteres für<br />

die einheimische Entwicklung mobilisiert wer<strong>de</strong>n können.<br />

Entsprechend dürftig fällt die Diskussion möglicher Krisenszenarien aus, auf die im Rahmen<br />

von DSA’s in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>utlich mehr Mühe verwandt wird (siehe Graphik) 24 . Die<br />

Kurve <strong>de</strong>r Auslandsverschuldung zeigt zunächst das für solche Analysen typische Bild eines<br />

rasanten Anstiegs <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Wirklichkeit (grau hinterlegter Bereich), dann einen<br />

Höhepunkt beim Übergang zur Projektion, und von da an geht es – wie immer beim IWF -<br />

mit <strong>de</strong>n Schul<strong>de</strong>n bergab. Die Sonne scheint und die Vöglein zwitschern!<br />

Auffällig, weil an<strong>de</strong>rs als in an<strong>de</strong>ren DSA’s, ist, dass die in <strong>de</strong>r Graphik durch die roten Linien<br />

dargestellten Krisenszenarien nicht im Einzelnen beschrieben und auch die durch die Linie<br />

ange<strong>de</strong>uteten (überwiegend unproblematischen) Abweichungen vom Basisszenario nicht<br />

numerisch dargestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

4. Einschnei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Folgen für Griechenland – aber mehr noch für <strong>de</strong>n IWF <br />

Diese vorläufig letzte Rettungsaktion in Griechenland be<strong>de</strong>utet nicht nur für das Land einen<br />

erheblichen Einschnitt. Sie hat auch Selbstverständnis und Geschäftsmo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s IWF<br />

erschüttert. Die Angst um die eigenen Außenstän<strong>de</strong> und die möglichen Folgen einer<br />

weiteren globalen Krise haben <strong>de</strong>n Fonds in eine so noch nicht erlebte Konfrontationssituation<br />

mit seinen einflussreichen europäischen Mitträgern gebracht.<br />

Bei allen katastrophischen Folgen, die eine erneute Zahlungsunfähigkeit für Griechenland<br />

selbst und die Weltwirtschaft hätte, ist es eine gute Nachricht, dass eine Institution <strong>de</strong>r Global<br />

Governance nicht auf die gleiche Weise weiter als Interessensvertretung seiner reichen<br />

Mitglie<strong>de</strong>r gegenüber <strong>de</strong>n ärmeren agieren kann, wie das in <strong>de</strong>r Schul<strong>de</strong>nkrise ärmerer Län<strong>de</strong>r<br />

in <strong>de</strong>n 80er und 90er Jahren mit <strong>de</strong>r größten Selbstverständlichkeit geschehen ist. Dass<br />

diejenige Institution, die als Gralshüter <strong>de</strong>s ebenso verbreiteten wie irrigen Satzes „Staaten<br />

können nicht pleite gehen“ galt, die Entschuldung eines Staates nicht erst dann for<strong>de</strong>rt, wenn<br />

ein multilateral abgestimmtes Entschuldungsprogramm wie die HIPC-Initiative von <strong>de</strong>n<br />

G8/G20 beschlossen und finanziert wor<strong>de</strong>n ist, son<strong>de</strong>rn schlicht, weil die Tatsachen es erfor<strong>de</strong>rn,<br />

ist ein echter Fortschritt.<br />

23 World Bank: International Debt Statistics 2013.<br />

24 p.96<br />

7

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