Kauf bricht Pacht nicht - Studer - Anwälte und Notare

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10.11.2012 Aufrufe

«Kauf bricht Pacht nicht» – Die Regelung der Ausnahmen im Bereich der landwirtschaftlichen Pacht de lege lata und de lege ferenda von lic. iur. Lorenz Strebel, Fürsprecher, Laufenburg 1. Ausgangslage Gemäss Art. 14 LPG 1 gilt der Grundsatz, wonach bei Veräusserung 2 des Pachtgegenstands durch den Verpächter oder bei einem Entzug des Pachtgegenstands im Schuldbetreibungs- oder Konkursverfahren der Erwerber in den Pachtvertrag eintritt. Dies wird mit der Kurzformel «Kauf bricht Pacht nicht» umschrieben. Die mit dem Pachtvertrag verbundenen Rechte und Pflichten gehen – als Realobligationen – auf den Erwerber über 3 . Nach dem Grundsatz, dass nur ein Gesetz mit Ausnahmen ein gutes Gesetz sein kann, hat der Gesetzgeber im Folgeartikel 15 LPG 4 – einerseits wohl in bester Absicht und anderseits in Fortführung der im Rahmen der Inkraftsetzung des Bundesgesetzes über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 30.12.1947 ins Stichtag für den rechtlichen Stand: 27.07.2007 (Abschluss des Manuskripts). 1 Bundesgesetz über die landwirtschaftliche Pacht vom 4. Oktober 1985 (LPG; SR 221.213.2); vgl. eingehend zu Art. 14 LPG: B ENNO S TUDER / E DUARD H OFER et alt., Das landwirtschaftliche Pachtrecht, Kommentar zum Bundesgesetz über die landwirtschaftliche Pacht vom 4. Oktober 1985, Vorabdruck 2007 der 2. vollständig überarbeiteten Auflage, Brugg 2007, (zitiert: Vorabdruck 2007), N 296 ff.; B ENNO S TUDER / E DUARD H OFER, Das landwirtschaftliche Pachtrecht, Kommentar, Brugg 1987, (zitiert: 1. Auflage), S. 108 ff. 2 Als Veräusserung gilt nicht nur ein Verkauf oder der Eigentumsübergang im Rahmen eines Schuldbetreibungs- oder Konkursverfahrens, sondern auch die Schenkung, der Tausch, Verpfründungsvertrag etc.; ausführlich dazu Studer / Hofer, (FN 1), Vorabdruck 2007, N 297; S TUDER / H OFER, (FN 1), 1. Auflage, S. 108 ff. 3 Bundesblatt (BBl) 1982 279; S TUDER / H OFER, (FN 1), Vorabdruck 2007, N 296 mit Hinweisen. 4 Eingehend zu Art. 15 LPG: S TUDER / H OFER, (FN 1), Vorabdruck 2007, N 320 ff.; S TUDER / H OFER, (FN 1), 1. Auflage, S. 110. 161

«<strong>Kauf</strong> <strong>bricht</strong> <strong>Pacht</strong> <strong>nicht</strong>» – Die Regelung<br />

der Ausnahmen im Bereich der landwirtschaftlichen<br />

<strong>Pacht</strong> de lege lata <strong>und</strong> de lege ferenda<br />

von lic. iur. Lorenz Strebel, Fürsprecher, Laufenburg<br />

1. Ausgangslage<br />

Gemäss Art. 14 LPG 1 gilt der Gr<strong>und</strong>satz, wonach bei Veräusserung 2 des <strong>Pacht</strong>gegenstands<br />

durch den Verpächter oder bei einem Entzug des <strong>Pacht</strong>gegenstands im<br />

Schuldbetreibungs- oder Konkursverfahren der Erwerber in den <strong>Pacht</strong>vertrag eintritt.<br />

Dies wird mit der Kurzformel «<strong>Kauf</strong> <strong>bricht</strong> <strong>Pacht</strong> <strong>nicht</strong>» umschrieben.<br />

Die mit dem <strong>Pacht</strong>vertrag verb<strong>und</strong>enen Rechte <strong>und</strong> Pflichten gehen – als Realobligationen<br />

– auf den Erwerber über 3 .<br />

Nach dem Gr<strong>und</strong>satz, dass nur ein Gesetz mit Ausnahmen ein gutes Gesetz sein<br />

kann, hat der Gesetzgeber im Folgeartikel 15 LPG 4 – einerseits wohl in bester Absicht<br />

<strong>und</strong> anderseits in Fortführung der im Rahmen der Inkraftsetzung des B<strong>und</strong>esgesetzes<br />

über die Erhaltung des bäuerlichen Gr<strong>und</strong>besitzes vom 30.12.1947 ins<br />

Stichtag für den rechtlichen Stand: 27.07.2007 (Abschluss des Manuskripts).<br />

1 B<strong>und</strong>esgesetz über die landwirtschaftliche <strong>Pacht</strong> vom 4. Oktober 1985 (LPG; SR 221.213.2); vgl.<br />

eingehend zu Art. 14 LPG: B ENNO S TUDER / E DUARD H OFER et alt., Das landwirtschaftliche <strong>Pacht</strong>recht,<br />

Kommentar zum B<strong>und</strong>esgesetz über die landwirtschaftliche <strong>Pacht</strong> vom 4. Oktober 1985, Vorabdruck<br />

2007 der 2. vollständig überarbeiteten Auflage, Brugg 2007, (zitiert: Vorabdruck 2007),<br />

N 296 ff.; B ENNO S TUDER / E DUARD H OFER, Das landwirtschaftliche <strong>Pacht</strong>recht, Kommentar, Brugg<br />

1987, (zitiert: 1. Auflage), S. 108 ff.<br />

2 Als Veräusserung gilt <strong>nicht</strong> nur ein Verkauf oder der Eigentumsübergang im Rahmen eines Schuldbetreibungs-<br />

oder Konkursverfahrens, sondern auch die Schenkung, der Tausch, Verpfründungsvertrag<br />

etc.; ausführlich dazu <strong>Studer</strong> / Hofer, (FN 1), Vorabdruck 2007, N 297; S TUDER / H OFER, (FN 1),<br />

1. Auflage, S. 108 ff.<br />

3 B<strong>und</strong>esblatt (BBl) 1982 279; S TUDER / H OFER, (FN 1), Vorabdruck 2007, N 296 mit Hinweisen.<br />

4 Eingehend zu Art. 15 LPG: S TUDER / H OFER, (FN 1), Vorabdruck 2007, N 320 ff.; S TUDER / H OFER,<br />

(FN 1), 1. Auflage, S. 110.<br />

161


Obligationenrecht eingefügten Art. 281bis <strong>und</strong> 281ter 5 OR 6 begründeten Tradition –<br />

Ausnahmen 7 ins Gesetz aufgenommen.<br />

Die vom Gesetzgeber gewählte Konstruktion mit den zwei Ebenen Gr<strong>und</strong>satz<br />

<strong>und</strong> Ausnahmen sieht einfach aus, zieht jedoch in der Praxis teils komplexe rechtliche<br />

Fragen nach sich <strong>und</strong> führt dazu, dass Prozesse geführt werden müssen, die bei<br />

besserer Gesetzgebung <strong>nicht</strong> notwendig wären.<br />

Zudem muss die gewählte Lösung als schlecht bezeichnet werden, wenn man sie<br />

mit Blick darauf beurteilt, dass sich das LPG – wie jedes Gesetz – <strong>nicht</strong> nur an studierte<br />

Juristen richtet, sondern auch für die direkt betroffenen Privaten (Verpächter,<br />

Pächter, aber auch landwirtschaftliche Berater etc.) verständliche <strong>und</strong> einfach<br />

nachvollziehbare Regeln enthalten sollte.<br />

Bereits mit einer kleinen Korrektur könnten diverse Probleme verhindert werden.<br />

Probleme <strong>und</strong> Lösungsvorschläge seien nachstehend kurz <strong>und</strong> ohne Anspruch<br />

auf Vollständigkeit skizziert. Festzuhalten ist insbesondere, dass es <strong>nicht</strong> Ziel des<br />

vorliegenden Aufsatzes ist, das verfahrensrechtliche Vorgehen aufzuzeigen, mit<br />

dem die Beteiligten (Verpächter, Pächter <strong>und</strong> Erwerber) die vom Gesetzgeber geschaffenen<br />

Unstimmigkeiten im Rahmen der aktuell geltenden Normen korrigieren<br />

können bzw. könnten.<br />

2. Einzelkritik<br />

2.1 Art. 15 Abs. 1 <strong>und</strong> 2 LPG<br />

Wird der <strong>Pacht</strong>gegenstand unmittelbar zu Bauzwecken 8 , zu öffentlichen Zwecken<br />

oder zur Selbstbewirtschaftung erworben, kann der Erwerber den <strong>Pacht</strong>vertrag<br />

auflösen (Art. 15 Abs. 1 LPG).<br />

5<br />

BBl 1948 I 60 f.; BBl 1951 II 399; BBl 1982 279.<br />

6<br />

B<strong>und</strong>esgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches<br />

(Fünfter Teil: Obligationenrecht; OR; SR 220).<br />

7<br />

BBl 1982 279; S TUDER / H OFER, (FN 1), Vorabdruck 2007, N 320; S TUDER / H OFER, (FN 1), 1. Auflage,<br />

S. 110.<br />

8<br />

Der B<strong>und</strong>esrat schlug in der Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik (Agrarpolitik 2011;<br />

BBl 2006 6337 ff., 6490 bzw. 6613) vor, dass das LPG <strong>nicht</strong> mehr für die <strong>Pacht</strong> von landwirtschaftlichen<br />

Gr<strong>und</strong>stücken gelten soll, wenn der <strong>Pacht</strong>gegenstand vollständig in einer Bauzone gemäss Art.<br />

15 des B<strong>und</strong>esgesetzes vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (RPG; SR 700) liegt. Anwendbar<br />

wäre dann das «normale» <strong>Pacht</strong>recht gemäss Art. 275 ff. Diese Bestimmung soll in einem neuen<br />

Art. 2a ins LPG eingefügt werden. Zudem wären bei dieser Anpassung weitere Artikel anzupassen.<br />

162


Ist dies der Fall – will der Erwerber den <strong>Pacht</strong>vertrag also <strong>nicht</strong> übernehmen –,<br />

so muss er dem Pächter innert dreier Monate seit Abschluss des Veräusserungsvertrags<br />

schriftlich anzeigen, dass die <strong>Pacht</strong> nach Ablauf einer Frist von mindestens<br />

einem Jahr auf den folgenden ortsüblichen Frühjahrs- oder Herbsttermin aufgelöst<br />

sei (Art. 15 Abs. 2 LPG).<br />

Der Gesetzgeber ging davon aus, dass der Erwerber zwar <strong>nicht</strong> in den <strong>Pacht</strong>vertrag<br />

eintritt, es ihm aber erlaubt ist, als Drittperson <strong>und</strong> Nichtpartei den <strong>Pacht</strong>vertrag<br />

zu kündigen. Dies sah bereits die frühere, im Obligationenrecht normierte<br />

Lösung vor 9 . Diese beiden ersten Absätze von Art. 15 LPG bergen – trotz der<br />

rechtsdogmatisch ohne weiteres als etwas speziell zu bezeichnenden Lösung – noch<br />

wenig Konfliktpotential.<br />

Der Ständerat ist in seiner Sitzung vom 15.03.2007 der vorberatenden Kommission gefolgt <strong>und</strong> hat<br />

eine leicht geänderte Fassung angenommen (vgl. Amtliches Bulletin, Ständerat, 15.03.2007, Achte<br />

Sitzung, ab 8 Uhr, zu Art. 2a; damit zusammenhängende Anpassungen: Art. 16 Abs. 4 <strong>und</strong> Art. 27<br />

Abs. 2 lit. e LPG):<br />

«Abs. 1 Dieses Gesetz gilt <strong>nicht</strong> für die <strong>Pacht</strong> von Gr<strong>und</strong>stücken zur landwirtschaftlichen Nutzung,<br />

wenn der <strong>Pacht</strong>gegenstand vollständig in einer Bauzone nach Artikel 15 des Raumplanungsgesetzes<br />

vom 22. Juni 1979 liegt.<br />

Abs. 2 Landwirtschaftliche <strong>Pacht</strong>verträge, deren Gegenstand während der Vertragsdauer vollständig<br />

einer Bauzone nach Artikel 15 des Raumplanungsgesetzes vom 22. Juni 1979 zugeteilt<br />

wird, bleiben dem landwirtschaftlichen <strong>Pacht</strong>recht während der laufenden gesetzlichen<br />

<strong>Pacht</strong>dauer oder einer längeren vertraglichen Dauer oder einer gerichtlich erstreckten<br />

<strong>Pacht</strong>dauer unterstellt.»<br />

Der Nationalrat ist dem Ständerat an seiner Sitzung vom 11.06.2007 gefolgt (Amtliches Bulletin,<br />

Nationalrat, 11.06.2007, Sechste Sitzung, ab 14.30 Uhr). Die Schlussabstimmung steht in beiden Räten<br />

zwar noch aus, Art. 2a LPG ist jedoch <strong>nicht</strong> mehr Teil des Differenzbereinigungsverfahrens <strong>und</strong><br />

wird <strong>nicht</strong> mehr diskutiert werden.<br />

Für die vorliegende Fragestellung hiesse die geplante Änderung, dass – da das LPG die Neupacht<br />

einzelner Gr<strong>und</strong>stücke, die in der Bauzone liegen, <strong>nicht</strong> mehr erfassen würde – einer der heute drei<br />

Ausnahmetatbestände in Art. 15 Abs. 1 LPG entfallen würde. Dies wiederum schränkt den Anwendungsbereich<br />

von Art. 15 LPG gegenüber dem aktuellen Zustand erheblich ein.<br />

9 Die Botschaft zum Entwurf des B<strong>und</strong>esgesetzes über die Erhaltung des bäuerlichen Gr<strong>und</strong>besitzes<br />

vom 30.12.1947 (BBl 1948 I 60 f.), die die späteren Art. 281bis <strong>und</strong> 281ter OR als Art. 281 <strong>und</strong> 282<br />

OR vorschlägt, spricht sich <strong>nicht</strong> über die mit der Statuierung der Ausnahmen verb<strong>und</strong>enen Probleme<br />

aus; BBl 1951 II 399; BBl 1982 279; T HEO G UHL / H ANS M ERZ / M AX K UMMER, Das Schweizerische<br />

Obligationenrecht mit Einschluss des Handels- <strong>und</strong> Wertpapierrechts, 6. Auflage, Zürich 1972,<br />

S. 356 f.; S TUDER / H OFER, (FN 1), Vorabdruck 2007, N 320; S TUDER / H OFER, (FN 1), S. 110.<br />

163


Probleme<br />

a) Dreimonatsfrist ab Abschluss des Veräusserungsvertrags<br />

– Das Gesetz sieht vor, dass der Erwerber innert dreier Monate seit Abschluss des<br />

Veräusserungsvertrags dem Pächter schriftlich anzeigen muss, dass die <strong>Pacht</strong><br />

aufgelöst wird 10 .<br />

164<br />

Diese Lösung macht – prima vista – Sinn: Der Pächter soll bald Klarheit darüber<br />

haben, ob der <strong>Pacht</strong>vertrag vom Erwerber übernommen wird, oder ob der<br />

Vertrag vorzeitig aufgelöst wird. Ebenso soll der Erwerber Gewissheit darüber<br />

haben, wie lange sein (zukünftiges) Eigentum noch mit der <strong>Pacht</strong> belastet ist.<br />

Auf den zweiten Blick zeigt sich aber, dass diese Lösung in der Praxis zu verschiedenen<br />

Problemen führen kann:<br />

Handelt es sich beim <strong>Kauf</strong>gegenstand um ein landwirtschaftliches Gewerbe<br />

oder Gr<strong>und</strong>stück im Sinne des BGBB, so braucht der Erwerber gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

eine Bewilligung (Art. 61 Abs. 1 BGBB; Ausnahmen vgl. Art. 62 ff. BGBB). Die<br />

Bewilligung kann aus verschiedenen Gründen verweigert werden (Art. 63<br />

BGBB: Fehlende Selbstbewirtschaftereigenschaft des Erwerbers 11 , überhöhter<br />

Preis, Lage ausserhalb des ortsüblichen Bewirtschaftungsbereichs des Gewerbes<br />

des Erwerbers). Gegen die Verweigerung der Bewilligung können die Vertragsparteien,<br />

gegen die Erteilung die kantonale Aufsichtsbehörde, der Pächter sowie<br />

<strong>Kauf</strong>s-, Vorkaufs- <strong>und</strong> Zuweisungsberechtigte Beschwerde führen (Art. 83<br />

BGBB).<br />

Um Erteilung der Bewilligung kann erst dann nachgesucht werden, wenn der<br />

Veräusserungsvertrag verurk<strong>und</strong>et (also abgeschlossen) vorliegt. Das Rechtsgeschäft<br />

bleibt bis zur rechtskräftigen Erteilung der Bewilligung schwebend unwirksam<br />

12 .<br />

Wird die Bewilligung erteilt, kann sich unter anderem auch der Pächter wehren,<br />

indem er Beschwerde gegen den Entscheid führt. Die Praxis zeigt, dass in<br />

solchen Fällen ohne weiteres zwei bis drei Jahre vergehen können, bis der Entscheid<br />

der kantonalen Aufsichtsbehörde vorliegt.<br />

Das geltende Gesetz zwingt nun aber den Erwerber, bereits innert dreier<br />

Monate nach Vertragsabschluss die den <strong>Pacht</strong>vertrag auflösende Erklärung ab-<br />

10 S TUDER / H OFER, (FN 1), Vorabdruck 2007, N 332; S TUDER / H OFER, (FN 1), S. 114; B ENNO S TUDER<br />

in: Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Art. 1-529 OR, 4. Auflage, Basel 2007, N 4 zu Art.<br />

290 OR.<br />

11 Zu den Gegenausnahmen vgl. Art. 64 f. BGBB.<br />

12 Vgl. Art. 81 BGBB; S TALDER B EAT, in: Das bäuerliche Bodenrecht, Kommentar zum B<strong>und</strong>esgesetz<br />

über das bäuerliche Bodenrecht vom 4. Oktober 1991, Brugg 1995; Hrsg.: Sekretariat des Schweizerischen<br />

Bauernverbandes, N 12 zu Art. 61 BGBB.


zugeben. Zu diesem Zeitpunkt ist aber noch gar <strong>nicht</strong> sicher, ob er dereinst auch<br />

wirklich Eigentümer des <strong>Pacht</strong>gegenstands wird.<br />

Innert dreissig Tagen nach Erhalt dieser den <strong>Pacht</strong>vertrag auflösenden Erklärung<br />

muss der Pächter das Erstreckungsgesuch einreichen, wenn er mit der<br />

Kündigung <strong>nicht</strong> einverstanden ist. Andernfalls verwirkt er seinen Anspruch auf<br />

Erstreckung der <strong>Pacht</strong> von mindestens sechs Monaten <strong>und</strong> höchstens zwei Jahren.<br />

Das Gesetz zwingt also<br />

a) einerseits den Erwerber dazu, zu einem Zeitpunkt eine Erklärung abzugeben,<br />

die ein <strong>Pacht</strong>verhältnis auflöst, betreffend der der Erklärende <strong>nicht</strong> Vertragspartei<br />

ist, in dem <strong>nicht</strong> klar ist, ob er je Eigentümer des <strong>Pacht</strong>gegenstands<br />

wird,<br />

b) anderseits den Pächter dazu, eine <strong>Pacht</strong>erstreckungsklage einzureichen, von<br />

der er gar <strong>nicht</strong> weiss, ob sie überhaupt nötig ist;<br />

c) <strong>und</strong> führt zu einer unnötigen Belastung der Justiz.<br />

Es springt ins Auge: Das Gesetz verzichtet darauf, das unter «normalen»<br />

Umständen stets verlangte aktuelle Rechtsschutzinteresse zu fordern, <strong>und</strong> zwingt<br />

die Betroffenen zu Handlungen, die rein vorsorglicher Natur sind. Es besteht<br />

aber kein vernünftiger Gr<strong>und</strong>, in diesem Stadium von Gesetzes wegen solche<br />

(rechtliche) Handlungen zu verlangen.<br />

Das Interesse des Pächters, von der Auflösung der <strong>Pacht</strong> zu erfahren <strong>und</strong><br />

gegebenenfalls via Erstreckungsverfahren dessen Verlängerung zu fordern, wird<br />

auch dann noch genügend gewahrt, wenn die Dreimonatsfrist ab Eigentumsübergang,<br />

also ab Gr<strong>und</strong>bucheintrag zu laufen beginnt.<br />

Mit der Anknüpfung am Eigentumsübergang entfällt die Problematik, dass<br />

vorsorglich Erstreckungsbegehren gestellt werden müssen, für die einerseits das<br />

aktuelle Rechtsschutzinteresse fehlt, <strong>und</strong> die anderseits für den Richter die<br />

Frage aufwerfen, ob er das entsprechende Verfahren im Sinne von Art. 47<br />

Abs. 1 LPG rasch <strong>und</strong> verzugslos durchzuführen hat, oder ob er es bis zum Vorliegen<br />

des Entscheids darüber, ob der Eigentumserwerb tatsächlich zustande<br />

kommt, sistieren kann/soll. – Von der aktuellen gesetzlichen Konzeption her<br />

müsste er das Verfahren wohl beförderlich vorantreiben <strong>und</strong> ein Urteil fällen,<br />

ansonsten die direkte (3-Monatsfrist) bzw. indirekte (30-Tagesfrist) Anknüpfung<br />

der Fristen nach Art. 15 Abs. 2 <strong>und</strong> 3 LPG am Datum des Abschlusses des<br />

Veräusserungsvertrags zu einer gänzlich sinnlosen rechtlichen Schikane der Verpflichteten<br />

würde.<br />

Mit der heute geltenden Ausgestaltung von Art. 15 Abs. 2 LPG nimmt der<br />

Gesetzgeber in <strong>Kauf</strong>, dass die allenfalls zugesprochene maximale Erstreckungsdauer<br />

von 2 Jahren gemäss Art. 15 Abs. 3 LPG ab dem <strong>Pacht</strong>auflösungstermin<br />

abgelaufen ist, bevor rechtskräftig darüber entschieden ist, ob der Erwerb zulässig<br />

ist oder <strong>nicht</strong>, ob also das Eigentum übertragen wird.<br />

165


166<br />

Der Ablauf der Erstreckungsdauer – ebenso wie der nach Art. 15 Abs. 2 LPG<br />

ordentliche vorzeitige Ablauf des <strong>Pacht</strong>vertrags, wenn der Pächter keine Erstreckung<br />

verlangt – kann somit eintreten, wenn noch immer der Veräusserer Eigentümer<br />

des <strong>Pacht</strong>gegenstands ist. Ist die <strong>Pacht</strong> dann tatsächlich aufgelöst? Muss<br />

der Pächter das <strong>Pacht</strong>objekt verlassen? Oder ist die Erklärung (ex nunc? ex<br />

tunc?) ungültig? Das Gesetz hüllt sich in Schweigen. Aus gr<strong>und</strong>sätzlicher, dogmatischer<br />

Sicht (pacta sunt servanda; insbesondere bei gleichbleibendem Sachverhalt<br />

<strong>und</strong> sich <strong>nicht</strong> ändernder Rechtslage) <strong>und</strong> mit Blick auf den Pächterschutzgedanken,<br />

der dem LPG zugr<strong>und</strong>e liegt, müsste die Antwort «Nein» lauten.<br />

Ist dies aber die Antwort, so bedeutet das, dass sämtliche durch Art. 15<br />

Abs. 2 LPG ausgelösten Erklärungen <strong>und</strong> Verfahren letztlich sinnlos abgegeben<br />

<strong>und</strong> durchgeführt wurden. Die damit verb<strong>und</strong>enen Kosten <strong>und</strong> Mühen hätten<br />

sich sämtliche Beteiligte – inklusive der richterlichen Behörden – ohne weiteres<br />

sparen können, wenn die einschlägigen Pflichten erst durch die Übertragung des<br />

Eigentums (tatsächlich eingetretene Veränderung) ausgelöst worden wären.<br />

– Die vorstehenden Ausführungen gelten <strong>nicht</strong> absolut: Beim Erwerb von Land,<br />

das zur landwirtschaftlichen Nutzung gemäss LPG verpachtet wurde, das aber<br />

<strong>nicht</strong> zugleich dem BGBB unterstellt ist (also kein landwirtschaftliches Gewerbe<br />

oder Gr<strong>und</strong>stück), stellen sich diese Probleme dagegen <strong>nicht</strong>, soweit <strong>nicht</strong> aufgr<strong>und</strong><br />

einer Spezialnorm ebenfalls Bewilligungen oder Zustimmungen einzuholen<br />

sind, die erst nach dem Abschluss des Veräusserungsvertrags eingeholt<br />

werden (können).<br />

– Man mag einwenden, mit der Anknüpfung am Zeitpunkt der tatsächlichen<br />

Eigentumsübertragung werde für den Pächter kostbare Zeit vergeben, Zeit, die<br />

er dafür nutzen könnte, sich nach einer Ersatzpacht umzusehen. Zeit auch, die<br />

allenfalls für den Erwerber spielen könnte, denn allenfalls erwirbt er das Eigentum<br />

ja erst, wenn der <strong>Pacht</strong>vertrag infolge vorzeitiger Auflösung bereits <strong>nicht</strong><br />

mehr in Kraft ist. Als Kompromiss wäre daher denkbar, dass der Erwerber im<br />

Sinne einer Ordnungsvorschrift verpflichtet wird, den Pächter innerhalb von<br />

drei Monaten ab Abschluss des Veräusserungsvertrags darüber zu informieren,<br />

ob er die <strong>Pacht</strong> übernehmen wolle oder <strong>nicht</strong>. Diese blosse, noch keine Rechtswirkungen<br />

entfaltende Anzeige würde dem Pächter die Möglichkeit geben, sich<br />

für ein allfälliges Erstreckungsverfahren vorzubereiten. Dieser Lösungsansatz<br />

würde jedoch zu einer (weiteren) Verkomplizierung führen, die es wenn immer<br />

möglich zu vermeiden gilt. Zudem wird die Anzeige dazu führen, dass der Pächter<br />

sich eben <strong>nicht</strong> nur nach Ersatzobjekten umsehen wird, sondern vielmehr<br />

einen Treuhänder um Rat fragen <strong>und</strong> einen Anwalt mit der Vorbereitung der<br />

<strong>Pacht</strong>ersteckungsklage betrauen wird – Handlungen, die sich im Nachhinein<br />

vielleicht als unnötig erweisen <strong>und</strong> ja gerade vermieden werden sollen.


) <strong>Pacht</strong>zins<br />

Gemäss der gesetzlichen Konzeption, die ein Auseinanderfallen von Gr<strong>und</strong>eigentümer-<br />

<strong>und</strong> Verpächterposition vorsieht, ist der <strong>Pacht</strong>zins noch an den<br />

verpachtenden Veräusserer zu leisten, denn mit diesem hat der Pächter ja einen<br />

Vertrag. Zwischen Veräusserer <strong>und</strong> Erwerber kann es nun zum Streit darüber<br />

kommen, wem der <strong>Pacht</strong>zins letztlich zusteht, soweit im Vertrag, mit dem der<br />

Eigentumsübergang geregelt wurde, diese Frage <strong>nicht</strong> beantwortet wird:<br />

Der Verpächter kann sich nämlich darauf berufen, dass er bei Nichtübernahme<br />

der <strong>Pacht</strong> durch den Erwerber bis zur Auflösung des <strong>Pacht</strong>vertrags ex lege,<br />

also gestützt auf das Gesetz, Verpächter ist <strong>und</strong> daher ihm der <strong>Pacht</strong>zins zusteht.<br />

Im Extremfall kann dies <strong>Pacht</strong>zinsen von bis zu 3,5 Jahren 13 umfassen.<br />

Zahlt der Pächter den <strong>Pacht</strong>zins ohne Zustimmung des Verpächters an den<br />

Erwer ber, kommt diesen Zahlungen keine Erfüllungswirkung zu; der Verpächter<br />

kann dem Pächter – selbst bei erstreckter <strong>Pacht</strong> 14 – androhen, die <strong>Pacht</strong> sei aufgelöst,<br />

wenn er <strong>nicht</strong> innert 6 Monaten den ausstehenden Zins dem Verpächter<br />

bezahlt (Art. 21 LPG). Unklare Regeln <strong>und</strong> sich widersprechende Zahlungsanweisungen<br />

(ob berechtigt oder <strong>nicht</strong>) von Verpächter <strong>und</strong> Erwerber betreffend<br />

Zahlungen können für den Pächter somit zu – vermeidbaren – Doppelzahlungen<br />

führen.<br />

c) Erfüllung der Verpächterpflichten<br />

Durch das Auseinanderfallen der Verpächter- <strong>und</strong> der Eigentümerposition<br />

wird es für den Pächter auch schwieriger, seine gesetzlichen oder vertraglichen<br />

Rechte durchzusetzen. Verweigert der Erwerber dem Pächter beispielsweise<br />

den Zutritt zum Stall, stellt sich für den Pächter die Frage, gegen wen er vorgehen<br />

soll: Gegen den störenden Eigentümer (Besitzesschutz) oder den <strong>nicht</strong>erfüllenden<br />

Verpächter (Vertragserfüllung)? Im ersteren Fall stellt sich die weitere<br />

Frage, ob der Pächter dem Verpächter den Streit verkünden muss.<br />

13 Beispiel: Erwerb am 10. April 2007. Kündigung auf Herbsttermin 2008. Der Richter gewährt eine<br />

maximale kleine Erstreckung von 2 Jahren = <strong>Pacht</strong>ende Herbsttermin 2010. Gerade bei der regelmässig<br />

hohe jährliche <strong>Pacht</strong>zinsen abwerfenden Gewerbepacht dürften die Chancen des gekündigten<br />

Pächters relativ gross sein, dass ihm der Richter die maximale Erstreckung gewährt.<br />

14 Vgl. dazu nachstehend Ziffer 2.2.2.<br />

167


2.2 Art. 15 Abs. 3 LPG<br />

Die meisten Probleme ergeben sich durch die Absätze 3 <strong>und</strong> 4 von Art. 15 LPG,<br />

wobei sich die Botschaft betreffend die damit verb<strong>und</strong>enen Auswirkungen vornehm<br />

zurückhält 15 .<br />

2.2.1 Art. 15 Abs. 3 Satz 1 LPG<br />

Gemäss Art. 15 Abs. 3 Satz 1 LPG kann der Pächter innert 30 Tagen seit Empfang<br />

der Anzeige des Erwerbers auf Erstreckung klagen.<br />

Problem<br />

168<br />

Weil das <strong>Pacht</strong>verhältnis vom Erwerber <strong>nicht</strong> übernommen wird, muss der<br />

Pächter gegen den alten Verpächter klagen. Richtet er seine Klage gegen den<br />

Erwerber, kann dieser geltend machen, er sei <strong>nicht</strong> passivlegitimiert bzw. prüft<br />

das Gericht – da Sachurteilsvoraussetzung – diese Frage von Amtes wegen. Weil<br />

in aller Regel die Klage erst gegen Ende der dem Pächter zur Verfügung stehenden<br />

30-tägigen Frist eingereicht wird, ist es für ihn jeweils zu spät, eine zweite<br />

Klage einzureichen, wenn der Erwerber diesen Einwand in seiner Klageantwort<br />

vorbringt bzw. das einschlägige Urteil des Erstreckungsrichters vorliegt.<br />

2.2.2 Art. 15 Abs. 3 Satz 2 LPG<br />

Die <strong>Pacht</strong> wird auf Klage hin um mindestens sechs Monate, höchstens aber zwei<br />

Jahre erstreckt, wenn die Beendigung für den Pächter oder seine Familie eine Härte<br />

zur Folge hat, die auch unter Würdigung der Interessen des neuen Eigentümers<br />

<strong>nicht</strong> zu rechtfertigen ist.<br />

Probleme<br />

a) Erstreckung<br />

Der Erwerber ist <strong>nicht</strong> Partei im Erstreckungsverfahren. Er wird allenfalls als<br />

Zeuge angehört, damit das Gericht seinen Ermessensentscheid fällen kann. Gegen<br />

den Erstreckungsentscheid steht dem Erwerber kein Rechtsmittel offen. Er<br />

ist darauf angewiesen, dass der Veräusserer sich mit allen Mitteln gegen eine<br />

Erstreckung, die über das Mindestmass von sechs Monaten hinaus begehrt wird,<br />

wehrt. Eine entsprechende Pflicht dürfte sich in der Regel aus dem Veräusse-<br />

15 BBl 1982 279 f.; die Zurückhaltung erstaunt mit Blick darauf, dass seit der Inkraftsetzung der<br />

Art. 281bis <strong>und</strong> 281ter OR im Zusammenhang mit dem B<strong>und</strong>esgesetz über die Erhaltung des bäuerlichen<br />

Gr<strong>und</strong>besitzes vom 12. Juni 1951 während r<strong>und</strong> 30 Jahren Erfahrungen gemacht worden waren;<br />

S TUDER / H OFER, (FN 1), Vorabdruck 2007, N 320; S TUDER / H OFER, (FN 1), S. 110.


ungsvertrag ergeben, es sei denn, es wären diesbezüglich besondere Abreden<br />

getroffen worden. Kommt der Veräusserer seiner Pflicht <strong>nicht</strong> nach, kann dies<br />

zur Folge haben, dass dem Erwerber Schadenersatz zusteht.<br />

b) <strong>Pacht</strong>zins<br />

– Erstreckt wird die <strong>Pacht</strong> zwischen dem Veräusserer <strong>und</strong> dem Pächter. Der<br />

<strong>Pacht</strong>zins geht in dieser Zeit an den Veräusserer. Zwischen Veräusserer <strong>und</strong><br />

Erwerber kann es zum Streit darüber kommen, wem der <strong>Pacht</strong>zins letztlich zustehen<br />

soll, soweit im Vertrag, mit dem der Eigentumsübergang geregelt wurde,<br />

diese Frage <strong>nicht</strong> beantwortet wird 16 .<br />

– Zahlt der Pächter den Zins an den Erwerber, so leistet er an einen Falschen. Der<br />

verpachtende Veräusserer kann in diesem Fall bei einer Erstreckung über sechs<br />

Monate hinaus dem Pächter androhen, dass der <strong>Pacht</strong>vertrag in sechs Monaten<br />

aufgelöst sei, wenn er den ausstehenden Zins bis dahin <strong>nicht</strong> an den Verpächter<br />

bezahlt hat (Art. 21 LPG). Zahlt der Pächter trotz Androhung weiterhin an den<br />

Erwerber, endet der <strong>Pacht</strong>vertrag trotz Erstreckung um beispielsweise 2 Jahre<br />

bereits nach einem Jahr 17 .<br />

– Zahlt der Pächter den Zins an den Erwerber, hat er ein zweites Mal an den Verpächter<br />

zu bezahlen. Vom Erwerber muss er den Zins gestützt auf die Normen<br />

der ungerechtfertigten Bereicherung – allenfalls gerichtlich – zurückfordern.<br />

– Zahlt der Pächter an den Erwerber <strong>und</strong> nimmt dieser die <strong>Pacht</strong>zinszahlung ohne<br />

weiteres entgegen, nachdem er dem Pächter die schriftliche Auflösungsanzeige<br />

nach Art. 15 Abs. 2 LPG hat zukommen lassen, kann sich der Pächter auf den<br />

Standpunkt stellen, es sei – da im Ablauf der Geschehnisse nachgehend – ein<br />

neuer <strong>Pacht</strong>vertrag zustande gekommen – dies mit der Folge, dass – falls er mit<br />

seiner Ansicht durchdringen sollte – die neue <strong>Pacht</strong> 6 bzw. 9 Jahre dauert (Art. 7<br />

Abs. 1 LPG).<br />

16 Vgl. dazu ausführlich Ziffer 2.1 vorstehend.<br />

17 Vgl. dazu auch Ziffer 2.1 vorstehend.<br />

169


2.3 Art. 15 Abs. 4 LPG<br />

2.3.1 Art. 15 Abs. 4 Satz 1 LPG<br />

Als Folge davon, dass der Erwerber <strong>nicht</strong> in den <strong>Pacht</strong>vertrag eintritt, wenn er<br />

die Voraussetzungen von Abs. 1 <strong>und</strong> 2 erfüllt, muss der Verpächter/ Veräusserer<br />

dem Pächter den Schaden ersetzen, der aus der vorzeitigen Beendigung der <strong>Pacht</strong><br />

entsteht (Art. 15 Abs. 4 LPG) 18 .<br />

Probleme<br />

– Schadenersatzpflichtig wird gemäss Gesetzesvorschrift der Verpächter. Wurde<br />

im Vertrag, der der Eigentumsübertragung zugr<strong>und</strong>e liegt, <strong>nicht</strong> ausdrücklich<br />

geregelt, ob der Veräusserer – im Falle des Nichteintretens des Erwerbers in den<br />

<strong>Pacht</strong>vertrag bzw. im Falle der durch diesen erklärten vorzeitigen Auflösung des<br />

<strong>Pacht</strong>vertrags – einen Anspruch darauf hat, dass der Erwerber ihm den zu leistenden<br />

Schadenersatz entschädigt, kann darüber ein Streit entbrennen. Das<br />

LPG hält diesbezüglich keine ausdrückliche Lösung bereit. Wurde im Übertragungsvertrag<br />

keine Regelung getroffen, besteht kein vertraglicher Regressanspruch.<br />

Der Erwerber ist auch <strong>nicht</strong> ungerechtfertigt bereichert, denn das Gesetz<br />

weist die Ersatzpflicht eindeutig dem Veräusserer zu. Eine ausservertragliche<br />

Haftung dürfte ebenfalls <strong>nicht</strong> in Frage kommen.<br />

– Fehlt es an einer Regelung im Veräusserungsvertrag, stellt sich die Frage nach<br />

einer allfälligen Haftung der Urk<strong>und</strong>sperson, soweit diese das Problem <strong>nicht</strong><br />

angesprochen hat <strong>und</strong> die Parteien daraufhin im Bewusstsein über die möglichen<br />

Folgen auf eine Regelung verzichtet haben 19 .<br />

18 Vgl. dazu S TUDER / H OFER, (FN 1), Vorabdruck 2007, N 350; S TUDER / H OFER, (FN 1), S. 118.<br />

19 Eine umfassende Regelung der möglichen Fallkonstellationen ist den Parteien unbedingt anzuraten;<br />

vgl. S TUDER / H OFER, (FN 1), Vorabdruck 2007, N 369; S TUDER / H OFER, (FN 1), S. 127.<br />

170


2.3.2 Art. 15 Abs. 4 Satz 2 LPG<br />

Trotz aufgelöster <strong>Pacht</strong> muss der Pächter den <strong>Pacht</strong>gegenstand erst dann verlassen,<br />

wenn ihm Schadenersatz oder hinreichende Sicherheit geleistet worden ist<br />

(Art. 15 Abs. 4 Satz 2 LPG) 20 .<br />

Probleme<br />

a) Bleiberecht<br />

– Konfliktpotential bietet die Frage, ob sich der Pächter im Rahmen der Ausweisung<br />

darauf berufen kann, dass er den <strong>Pacht</strong>gegenstand erst verlassen muss,<br />

wenn der Schadenersatz bzw. die Sicherheit geleistet worden ist. Erstinstanzlich<br />

liegen rechtskräftige, sich in dieser Frage widersprechende Urteile vor. Dies,<br />

obwohl der Gesetzestext absolut klar ist: Das Bleiberecht gilt auch nach Ablauf<br />

der verkürzten <strong>Pacht</strong>dauer, <strong>und</strong> der Anspruch darauf kann gr<strong>und</strong>sätzlich auch in<br />

einem Ausweisungsverfahren vorgebracht werden.<br />

– Das Bleiberecht entfällt meines Erachtens jedoch dann, wenn auch die ordentliche<br />

<strong>Pacht</strong>dauer abgelaufen ist, denn ab diesem Zeitpunkt besteht per se kein zu<br />

ersetzender Schaden aus einer vorzeitigen Auflösung mehr. Dem sich auf das<br />

Bleiberecht Berufenden fehlt es in diesem Fall am Rechtsschutzinteresse.<br />

– Der Schadenersatz ist vom Verpächter zu leisten, ebenso die Sicherheit. Zahlt<br />

der Verpächter <strong>nicht</strong>, so kann der Pächter auch nach der Auflösung des <strong>Pacht</strong>vertrags<br />

infolge a) Erklärung des Erwerbers im Sinne von Art. 15 Abs. 2 LPG<br />

bzw. b) Ablauf der richterlich gewährten <strong>Pacht</strong>erstreckung gestützt auf Art. 15<br />

Abs. 3 LPG weiterhin auf dem <strong>Pacht</strong>gegenstand bleiben. Vorbehalten bleibt<br />

selbstverständlich der Umstand, dass die ordentliche <strong>Pacht</strong>dauer inzwischen<br />

<strong>nicht</strong> ebenfalls erreicht worden ist (vgl. vorstehenden Absatz). Denn gemäss<br />

gesetzlicher Konzeption kann der Pächter auf Schadenersatz klagen, muss aber<br />

<strong>nicht</strong>. Damit haben es der Verpächter (als Nichtleistender) <strong>und</strong> der Pächter (als<br />

Nichtfordernder) in der Hand, dem Erwerber die ihm rechtmässig zustehende<br />

Bewirtschaftung zumindest vorübergehend faktisch zu verunmöglichen. So lange<br />

zumindest, bis das fehlende Rechtsschutzinteresse des Pächters am weiteren<br />

Verbleib infolge zwischenzeitlichen Ablaufs auch der ordentlichen <strong>Pacht</strong>dauer<br />

rechtskräftig festgestellt ist.<br />

Die gesetzliche Konzeption des vorübergehenden Bleiberechts kann daher zu Ränkespielen<br />

verleiten <strong>und</strong> kostspielige, langwierige Rechtsstreitigkeiten notwendig<br />

machen, die vermeidbar wären.<br />

20 Vgl. S TUDER / H OFER, (FN 1), Vorabdruck 2007, N 368; S TUDER / H OFER, (FN 1), S. 127.<br />

171


) Schadenersatzpflicht des Veräusserers<br />

– Der Veräusserungsvertrag lautet auf Eigentumsübertragung. Die Pflicht, dem<br />

Pächter Schadenersatz zu leisten, trifft den Verpächter von Gesetzes wegen. Das<br />

Gesetz gibt dem Erwerber jedoch das Recht <strong>nicht</strong> – zumindest <strong>nicht</strong> ausdrücklich<br />

–, vom Veräusserer die Zahlung des Schadenersatzes bzw. deren Sicherstellung<br />

zu verlangen.<br />

172<br />

Mit Blick auf die im Gesetz statuierte Pflicht wird in den Veräusserungsverträgen<br />

oft darauf verzichtet, dem Erwerber ausdrücklich einen direkten obligatorischen<br />

Anspruch dahingehend einzuräumen, dass er vom Veräusserer die Zahlung<br />

des Schadenersatzes verlangen kann. Wenn der <strong>Kauf</strong>gegenstand belastet<br />

mit einer <strong>Pacht</strong> übertragen wurde, ist die Ausgangslage für den Erwerber jeweils<br />

erheblich schwieriger, sich gegen eine Weigerung des Veräusserers, dem Pächter<br />

Schadenersatz oder entsprechende Sicherheit zu leisten, zu wehren. Während<br />

bei einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung oft bereits ein Hinweis auf den<br />

Vertragstext genügt, stellt sich ohne schriftliche Abmachung die durch Vertragsauslegung<br />

zu klärende Frage, ob dem Erwerber das entsprechende Recht doch<br />

aufgr<strong>und</strong> des Vertrags zusteht. Für den Erwerber ist es in diesem Fall also zumindest<br />

beschwerlich, eine Zahlungspflicht des Verpächters aus Vertrag nachzuweisen<br />

<strong>und</strong> durchzusetzen <strong>und</strong> so die Pflicht des Pächters zu aktualisieren, den<br />

<strong>Pacht</strong>gegenstand zu verlassen.<br />

Bei Unklarheit über den Vertragsinhalt wird der Erwerber im gerichtlichen Verfahren<br />

regelmässig sowohl einen vertraglichen wie auch einen gesetzlichen Anspruch<br />

geltend machen, um den Verpächter gerichtlich zur Zahlung verpflichten<br />

zu lassen. Das Rechtsschutzinteresse am entsprechenden Begehren ist beim Erwerber<br />

ohne weiteres vorhanden, denn ohne die Möglichkeit, die Zahlungspflicht<br />

des Verpächters zu aktivieren, würde die geltende Regelung ihres Sinns<br />

<strong>und</strong> Zwecks beraubt. Ebenso muss meines Erachtens zumindest das Bestehen<br />

eines gesetzlichen Anspruchs – allenfalls über den Weg richterlicher Lückenfüllung<br />

– auf Verpflichtung des Verpächters zur Zahlung bzw. Sicherstellung des<br />

Schadenersatzes bejaht werden.<br />

– Die vorstehend umschriebene Problematik hat zur Folge, dass oft der Erwerber<br />

den Schadenersatz leistet bzw. die Sicherheit stellt, damit er mit der ihm zustehenden<br />

Bewirtschaftung beginnen kann (im Verhältnis zum Veräusserer auch<br />

im Sinne der Schadenminderungspflicht). Ist dies der Fall, stellt sich die Frage,<br />

ob er beim Verpächter die entsprechenden Kosten liquidieren kann. Mit Blick<br />

auf Art. 15 Abs. 4 Satz 1 LPG müsste dies möglich sein.<br />

– In der Praxis kommt es auch schon einmal vor, dass das Gericht in Verfahren, im<br />

Rahmen derer der Pächter auf Zusprechung des ihm zustehenden Schadenersatzes<br />

verlangt, die Passivlegitimation des Beklagten <strong>nicht</strong> prüft <strong>und</strong> den Erwerber<br />

zur Leistung von Schadenersatz bzw. Sicherstellung verhält. Solche Urteile erwachsen<br />

auch in Rechtskraft, denn oft ist – zumindest im Anfangsstadium, bevor<br />

die Frage des Regresses auftaucht – vorab die Höhe des Ersatzanspruchs des


Pächters umstritten, während sich die Beteiligten bzw. Nichtbeteiligten <strong>nicht</strong> mit<br />

der Frage beschäftigen, wer gemäss Gesetz den Schaden aus der vorzeitigen<br />

Auflösung des <strong>Pacht</strong>verhältnisses abgelten muss. Der Gr<strong>und</strong> liegt wohl darin,<br />

dass von den beteiligten Parteien (Pächter <strong>und</strong> Erwerber) <strong>und</strong> den Gerichten im<br />

täglichen Rechtsverkehr – was nahe liegt, aber eben <strong>nicht</strong> der geltenden rechtlichen<br />

Konzeption entspricht – davon ausgegangen wird, dass jener den Schaden<br />

aus der vorzeitigen Vertragsauflösung zu zahlen hat, der diesen verursacht bzw.<br />

daraus einen Nutzen hat – also der Erwerber.<br />

Erkennt der Erwerber nach Eintritt der Rechtskraft des ihn verurteilenden Entscheids<br />

seinen Fehler (Einlassung auf den Prozess), wird er die Frage des Rückgriffs<br />

aufwerfen – <strong>und</strong> der juristisch beratene Verpächter wird unter anderem<br />

geltend machen, ihm sei der Streit <strong>nicht</strong> verkündet worden, wäre dies der Fall<br />

gewesen, wäre der Schadenersatz vom urteilenden Gericht viel tiefer festgesetzt<br />

worden. Ein längerer Rechtsstreit ist vorprogrammiert.<br />

– Verlässt der Pächter den <strong>Pacht</strong>gegenstand <strong>nicht</strong>, obwohl die verkürzte, allenfalls<br />

erstreckte Restpachtdauer abgelaufen ist, weil der veräussernde Verpächter den<br />

Schadenersatz <strong>nicht</strong> bezahlt, so fragt sich, bei wem der Erwerber den ihm dadurch<br />

entstehenden Schaden liquidieren kann. Der Pächter hat das gesetzliche<br />

Recht, auf dem <strong>Pacht</strong>gegenstand zu verbleiben – zumindest bis zum Ablauf der<br />

ordentlichen <strong>Pacht</strong>dauer. Der Erwerber wird sich wohl in erster Linie an den<br />

Veräusserer halten müssen.<br />

– Bei dieser Konstellation stellt sich sodann die Frage, ob der Veräusserer im Gerichtsverfahren<br />

betreffend Feststellung der Schadenhöhe geltend machen kann,<br />

dieser Betrag sei um den Schadensbetrag zu verringern, der dem Erwerber durch<br />

den Verbleib des Pächters auf dem Land bis zum Urteilszeitpunkt entstanden ist<br />

– allenfalls auch dann, wenn der Erwerber den Schaden beim Veräusserer noch<br />

<strong>nicht</strong> geltend gemacht hat (Themenkreis Drittschadensliquidation). Aufgr<strong>und</strong><br />

des gesetzlich normierten Bleiberechts bis zur Leistung des Schadenersatzes<br />

bzw. dessen Sicherstellung dürfte der Veräusserer mit einer solchen Argumentation<br />

jedoch kaum durchdringen, hat er es doch in der Hand, das Entstehen des<br />

Schadens beim Erwerber dadurch zu verhindern, dass er seiner Pflicht gemäss<br />

Art. 15 Abs. 4 Satz 1 LPG nachkommt.<br />

– Ein weiteres Problem stellt sich, wenn der Pächter den <strong>Pacht</strong>gegenstand trotz<br />

Leistung des Schadenersatzes / Stellen der Sicherheit <strong>und</strong> Ablauf der verkürzten,<br />

allenfalls erstreckten <strong>Pacht</strong>dauer den <strong>Pacht</strong>gegenstand <strong>nicht</strong> verlässt. Bei wem<br />

kann der Erwerber den ihm dadurch entstandenen finanziellen Schaden geltend<br />

machen? Kann er beim Veräusserer anklopfen unter Hinweis auf den Vertrag?<br />

Erfolgversprechender dürfte eine Klage gegen den Pächter sein.<br />

173


c) Ausweisung<br />

174<br />

Ist der Schadenersatz geleistet bzw. die Sicherheit gestellt <strong>und</strong> ist zudem die<br />

verkürzte <strong>Pacht</strong>dauer abgelaufen (Ablauf der Frist nach Art. 15 Abs. 2 LPG<br />

bzw. der Erstreckungsdauer gemäss Art. 15 Abs. 3 LPG), stellt sich die Frage,<br />

wer die Ausweisung verlangen kann, wenn der Pächter den <strong>Pacht</strong>gegenstand<br />

<strong>nicht</strong> räumt. Ist es der Verpächter als (ehemaliger) Vertragspartner oder der<br />

Erwerber, der den <strong>Pacht</strong>gegenstand theoretisch unbelastet (Nichteintritt ins<br />

<strong>Pacht</strong>verhältnis), faktisch aber mit einem, wenn auch verkürzten, <strong>Pacht</strong>vertrag<br />

übernommen hat? Gr<strong>und</strong>sätzlich dürfte die Legitimation wohl beim Erwerber<br />

liegen.<br />

3. Lösungsvorschlag<br />

Mit der rechtstechnischen Aufhebung des de lege lata nach der Veräusserung<br />

während gewisser Zeit bestehenden Dreiecksverhältnisses würde meines Erachtens<br />

ein Grossteil der vorstehend skizzierten Probleme <strong>und</strong> juristischen Fallen behoben.<br />

Notwendig wären dafür die konsequente Umsetzung des Gr<strong>und</strong>satzes «<strong>Kauf</strong> <strong>bricht</strong><br />

<strong>Pacht</strong> <strong>nicht</strong>» <strong>und</strong> das Befreien der Ausnahmen von Art. 15 LPG aus ihrem juristischen<br />

Kleid der «Ausnahme». Die Lösung könnte darin bestehen, dass der Erwerber<br />

in den laufenden <strong>Pacht</strong>vertrag eintritt, ihm aber das Recht zukommt, diesen als<br />

verpachtender Eigentümer vorzeitig aufzulösen.<br />

Konkret wäre Art. 14 LPG in der heutigen Form zu belassen, Art. 15 LPG aber<br />

aufzuheben. Die jetzigen Ausnahmen wären unter den 6. Abschnitt «Beendigung<br />

der <strong>Pacht</strong>» zu verschieben, <strong>und</strong> dort als zusätzlichen Beendigungsgr<strong>und</strong> aufzunehmen.<br />

Damit würden die Rechtspositionen des Eigentümers <strong>und</strong> des Verpächters<br />

wieder in einer Person zusammengeführt. Das dogmatische Unding, wonach der<br />

Erwerber zwar Eigentümer wird, er die normalerweise aus dem Eigentum fliessenden<br />

Rechte (z.B. eigenständiges Anfechten eines Erstreckungsentscheids) aber<br />

gerade dann <strong>nicht</strong> wahrnehmen kann, wenn er den <strong>Pacht</strong>vertrag <strong>nicht</strong> übernimmt,<br />

also die auf dem Eigentum liegende Last <strong>nicht</strong> auf sich nimmt, er aber im Gegenzug<br />

– ohne Partei zu sein – einen <strong>Pacht</strong>vertrag kündigen kann, würde relativ elegant<br />

abgeschafft.<br />

Um zudem die Problematik, die sich aus der Anknüpfung der Erklärungsfrist<br />

betreffend vorzeitiger Auflösung des <strong>Pacht</strong>vertrags am Datum des Abschlusses des<br />

Veräusserungsvertrags ergeben, zu entschärfen, wäre neu am Datum des Eigentumsübergangs<br />

anzuknüpfen. Von der Einführung einer Anzeigepflicht (blosse<br />

Ordnungsvorschrift) ist abzusehen, da eine solche einerseits das Verfahren weiter<br />

verkompliziert <strong>und</strong> anderseits das mit der Anknüpfung am Zeitpunkt des Eigentumsübergangs<br />

verfolgte Ziel zu<strong>nicht</strong>e machen würde.


Die neue Norm könnte wie folgt lauten:<br />

Art. 17a LPG Veräusserung des <strong>Pacht</strong>gegenstands<br />

1 D er in den <strong>Pacht</strong>vertrag eintretende Erwerber kann diesen vorzeitig auflösen<br />

wenn er den <strong>Pacht</strong>gegenstand unmittelbar zu Bauzwecken 21 oder zu öffentlichen<br />

Zwecken oder zur Selbstbewirtschaftung erwirbt.<br />

2 Der Erwerber kann den <strong>Pacht</strong>vertrag innert dreier Monate seit Eigentumsübertragung<br />

schriftlich mit einer Kündigungsfrist von mindestens einem Jahr auf<br />

den folgenden ortsüblichen Frühjahrs- oder Herbsttermin kündigen.<br />

3 Kündigt der Erwerber den <strong>Pacht</strong>vertrag, so kann der Pächter innert 30 Tagen<br />

seit Empfang der Kündigung auf Erstreckung klagen. Der Richter erstreckt die<br />

<strong>Pacht</strong> um mindestens sechs Monate, jedoch um höchstens zwei Jahre, wenn die<br />

Beendigung für den Pächter oder seine Familie eine Härte zur Folge hat, die<br />

auch unter Würdigung der Interessen des neuen Eigentümers <strong>nicht</strong> zu rechtfertigen<br />

ist.<br />

4 Der Erwerber muss dem Pächter den Schaden ersetzen, der aus der vorzeitigen<br />

Beendigung der <strong>Pacht</strong> entsteht. Der Pächter braucht den <strong>Pacht</strong>gegenstand erst<br />

zu verlassen, wenn ihm Schadenersatz oder hinreichende Sicherheit geleistet<br />

worden ist.<br />

5 Die vorzeitige Beendigung der <strong>Pacht</strong> kann mit schriftlicher Zustimmung des<br />

Pächters im Veräusserungsvertrag geregelt werden.<br />

Diese Lösung hat den Vorteil, dass<br />

1. der Pächter weiss,<br />

– gegen wen er sich bei einer Kündigung zur Wehr setzen muss. Damit wird die<br />

Problematik des falschen Einklagens (in aller Regel gleichbedeutend mit Rechtsverlust)<br />

entschärft;<br />

– an wen er den <strong>Pacht</strong>zins bis zur vorzeitigen Beendigung der <strong>Pacht</strong> zu zahlen hat<br />

(keine Gefahr von Doppel- oder Falschzahlungen, die zu Mehraufwand, allenfalls<br />

gar zur Androhung nach Art. 21 LPG führen, dass der <strong>Pacht</strong>vertrag in sechs<br />

Monaten aufgelöst sei, wenn der ausstehende Zins bis dahin <strong>nicht</strong> bezahlt sei);<br />

– dass es betreffend <strong>Pacht</strong>erstreckung ernst gilt, <strong>und</strong> er <strong>nicht</strong> genötigt wird, ein<br />

Verfahren zu führen, das sich im Nachhinein vielleicht als gar <strong>nicht</strong> notwendig<br />

herausstellt.<br />

21 Vgl. FN 8 betreffend die möglichen Auswirkungen der Gesetzesänderungen im Rahmen der Agrarpolitik<br />

2011. Die vorgeschlagene Fassung von Art. 17a LPG wäre entsprechend anzupassen.<br />

175


2. der Erwerber weiss, dass<br />

– er den bis zur Auflösung des <strong>Pacht</strong>vertrags bezahlten <strong>Pacht</strong>zins behalten kann,<br />

ohne befürchten zu müssen, dass allenfalls ein neues <strong>Pacht</strong>verhältnis zustande<br />

kommt, obwohl er dasjenige zwischen Veräusserer <strong>und</strong> Pächter vorzeitig aufgelöst<br />

hat;<br />

– er den Schadenersatz zu leisten bzw. die Sicherheit zu stellen hat;<br />

– er diesen Punkt bei den Vertragsverhandlungen ansprechen kann, um einen<br />

Einschlag auf dem Erwerbspreis einzuhandeln (hypothetische Berechnung des<br />

Minderwerts des <strong>Kauf</strong>gegenstands, denn ohne Miteinbezug <strong>und</strong> vertraglicher<br />

Einbindung des Pächters 22 ist ex ante <strong>nicht</strong> klar, ob dieser eine Erstreckung beantragen<br />

wird, <strong>und</strong> wenn ja, für wie lange diese gewährt werden wird; alternativ<br />

dazu wäre ein Rückzahlungsmodus vereinbar) 23 ; <strong>und</strong><br />

– er es selbst in der Hand hat, ob er die Voraussetzungen dafür schaffen kann <strong>und</strong><br />

will, dass der Pächter den <strong>Pacht</strong>gegenstand nach Ablauf der abgekürzten, allenfalls<br />

erstreckten <strong>Pacht</strong>dauer verlassen muss. Dies, ohne dass sich der Erwerber<br />

darüber den Kopf zerbrechen muss, ob er den bezahlten Schadenersatz von<br />

einem Dritten wieder vollumfänglich rückvergütet erhält: Entweder wurde eine<br />

Rückvergütung im Veräusserungsvertrag vereinbart <strong>und</strong> sein Anspruch ist leicht<br />

durchsetzbar. Oder aber der Erwerber trägt die Kosten definitiv selbst.<br />

3. der Veräusserer 24 weiss, dass<br />

– er nach der Eigentumsübertragung gr<strong>und</strong>sätzlich weder mit dem Pächter noch<br />

mit dem Erwerber mehr etwas zu tun haben wird;<br />

– er sich bei den Vertragsverhandlungen <strong>nicht</strong> aktiv darum kümmern muss, ob der<br />

neue Eigentümer den Pächter übernehmen will oder <strong>nicht</strong>. Es genügt, wenn er<br />

den Erwerber vom Bestehen eines <strong>Pacht</strong>verhältnisses <strong>und</strong> den Vertragsbestimmungen<br />

unterrichtet. Die weiteren Entscheide (Verlangen eines Einschlags auf<br />

dem Erwerbspreis etc.) liegen dann beim Erwerber;<br />

22 Allenfalls kann bei einer beabsichtigten Kündigung des <strong>Pacht</strong>vertrags durch den Erwerber der Pächter<br />

beigezogen werden, so dass gleichzeitig mit dem Abschluss des Rechtsgeschäfts auf Eigentumsübertragung<br />

auch ein Aufhebungsvertrag (contrarius actus) betreffend die <strong>Pacht</strong> geschlossen<br />

werden kann, in dem der Termin der (vorzeitigen) <strong>Pacht</strong>auflösung ebenso vereinbart wird wie die<br />

Höhe der Entschädigung. In diesem Fall kann im Veräusserungsvertrag die Höhe des Einschlags auf<br />

dem <strong>Kauf</strong>preis bereits in definitiver Höhe vereinbart werden.<br />

23 Vgl. auch S TUDER / H OFER, (FN 1), Vorabdruck 2007, N 346; S TUDER / H OFER, (FN 1), S. 117.<br />

24 Entsprechend entfiele auch die Entschädigungspflicht der Erbengemeinschaft, soweit im Rahmen<br />

der Erbteilung ein Erbe Eigentümer eines verpachteten landwirtschaftlichen Gewerbes oder eines<br />

verpachteten landwirtschaftlichen Gr<strong>und</strong>stücks wird. Der die Zuweisung nach Art. 11 BGBB bzw.<br />

Art. 21 BGBB durchsetzende Miterbe wäre neuer Verpächter <strong>und</strong> – soweit er das <strong>Pacht</strong>verhältnis<br />

vorzeitig auflösen kann – schadenersatzpflichtig. Vgl. dazu S TUDER / H OFER, (FN 1), Vorabdruck<br />

2007, N 324 am Ende; S TUDER / H OFER, (FN 1), S. 113.<br />

176


– er gegenüber dem Pächter <strong>nicht</strong> schadenersatzpflichtig wird <strong>und</strong> – bei Fehlen<br />

einer entsprechenden Abmachung mit dem Erwerber – auch <strong>nicht</strong> Gefahr läuft,<br />

auf dem von ihm bezahlten Schadenersatz sitzen zu bleiben;<br />

– es betreffend <strong>Pacht</strong>erstreckung ernst gilt, <strong>und</strong> er <strong>nicht</strong> in ein – von ihm gar noch<br />

zu finanzierendes – Verfahren hineingezogen wird, das sich im Nachhinein vielleicht<br />

als gar <strong>nicht</strong> notwendig herausstellt.<br />

4. sich der Umfang der Informationspflicht – <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en das Haftungsrisiko<br />

– für die Urk<strong>und</strong>sperson verringert.<br />

177

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