ORIENTIERUNGEN - Ludwig-Erhard-Stiftung
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Buchbesprechung<br />
Zu einem von Stefan Empter und Robert B. Vehrkamp herausgegebenen Buch<br />
Wirtschaftsstandort Deutschland<br />
Jede Zeit produziert ihre Signale. Für die Jahre des Beginns dieses Jahrhunderts steht der Weckruf „Globalisierung“.<br />
Man mag es kaum mehr hören. Aber man muss immer wieder hinhören. Denn in den Botschaften<br />
der Statistiken der Weltwirtschaft liegt der Schlüssel zur Strategie des Gewinnens oder des<br />
Verlierens.<br />
Was ist geschehen Was ist neu Anpassungsschocks hat es immer gegeben. Ausgelöst wurden sie in<br />
der jüngeren Geschichte durch Meilensteine der Technisierung: die Beherrschung und die Nutzbarmachung<br />
der Elektrizität, den Eisenbahntransport, die Erfindung und Verbreitung des Automobils. Auch in<br />
diesen heute als wirtschaftshistorisch bedeutsamen Zeitabschnitten der Entwicklung des Wohlstands<br />
hat es Ängste gegeben. Jeder dieser Schocks wurde als Bedrohung für diejenigen empfunden,<br />
die sich ihres Platzes in der Wirtschaft der jeweiligen Periode vor dem Schock<br />
sicher wähnten. Jedes Mal stellte sich aber rasch heraus: Der Gesamteffekt war wohlstandsfördernd;<br />
und wer zur Anpassung bereit war, der konnte von den neuen Möglichkeiten<br />
profitieren.<br />
Aus der Geschichte kann man lernen. Aber sie wiederholt sich nicht. Die Schocks von<br />
heute erscheinen uns nicht nur deshalb neu, weil wir nun selbst die Heutigen und damit<br />
die unmittelbar Betroffenen sind. Die „Globalisierung“ als Chiffre der Jetztzeit ist<br />
vor dem ökonomisch und sozialwissenschaftlich aufgearbeiteten Hintergrund früherer<br />
Erfahrungen auch deshalb schwer zu lesen, weil sich so Unterschiedliches mischt. Da<br />
ist das Hinzutreten ganzer Völker ins wettbewerbende Spiel der Weltwirtschaft. China<br />
und Indien erscheinen manchem bedrohlich wegen ihres Fleißes und ihrer niedrigen<br />
Preise, mit denen sie den Weltmarkt erstürmen. Länder wie Iran und Russland verdienen<br />
Aufmerksamkeit nicht nur an den Weltbörsen des Handels mit Energie, sondern<br />
auch in den politischen und strategischen Analysen der Macht und der Machtverteilung<br />
in der Welt.<br />
Stefan Empter/Robert B.<br />
Vehrkamp (Hrsg.), Wirtschaftsstandort<br />
Deutschland,<br />
VS Verlag für Sozialwissenschaften,<br />
Wiesbaden 2006.<br />
Alle Besorgnisse, so universal sie erklärbar sein mögen, sind immer auch standortgebunden. Daher lautet<br />
hierzulande die am häufigsten gestellte Frage: „Was bedeutet das alles für Deutschland, für seine absehbar<br />
alternde Gesellschaft, für den zur Gewohnheit gewordenen Sozialstaat, für die künftige Stellung<br />
des Landes unter den Wirtschaftsnationen“<br />
Um das Rüstzeug für die Suche nach einer Antwort zu gewinnen, kann man sich um die Aufnahme in ein<br />
mindestens dreisemestriges Seminar bewerben. Oder man kann sich – für weit mehr als nur ein erstes<br />
Einlesen – dem von Stefan Empter und Robert B. Vehrkamp herausgegebenen Band „Wirtschaftsstandort<br />
Deutschland“ anvertrauen. Empter ist Leiter des Themenfeldes „Wirtschaft und Soziales“ der Bertelsmann<br />
<strong>Stiftung</strong>. Vehrkamp ist Mitglied des Präsidiums und Dozent für Makroökonomie und Internationale Wirtschaftsbeziehungen<br />
an der Zeppelin University in Friedrichshafen.<br />
Der Titel des Bandes untertreibt. Die Vermutung, es handele sich um eine Momentaufnahme, ginge fehl.<br />
Die hier versammelten 21 Beiträge beschreiben Ist-Zustände. Aber sie erklären auch, woraus diese Zustände<br />
– das quantitative und qualitative Bild der Investitionen, die Zusammensetzung der Handelsströme,<br />
Zustand und Perspektive des Arbeitsmarktes, um nur einige wenige Beispiele zu nennen – zu erklären<br />
sind. Und mit der Erklärung verbunden ist die Entfaltung von Strategien zur Sicherung des Standorts im<br />
Wirbel von Veränderungen. Schon wenige Stichworte der Kapitelüberschriften geben einen Eindruck von<br />
der Spannweite des Materials und von der Vielfalt erklärender Zugänge zur angemessenen Beschreibung<br />
und zur möglichen Lösung der Anpassungsprobleme im Schockerlebnis der Globalisierung: Deutschland<br />
im Ranking der Freiheit, Exportweltmeister oder Basarökonomie, Leistungsvergleich der Bildungssysteme,<br />
Föderalismus und Wachstum.<br />
Dies ist eine Standortbeschreibung, die ohne Aufdringlichkeit Wege zu einem Programm zeigt. <br />
Hans D. Barbier<br />
70 Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 109 (3/2006)