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ORIENTIERUNGEN - Ludwig-Erhard-Stiftung

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Gerechtigkeit im Steuersystem<br />

Dauerhaft verlässliche<br />

Steuergesetze schaffen!<br />

1.4 In den vergangenen dreizehn Jahren wurde<br />

das deutsche Steuerrecht – insbesondere das Einkommensteuergesetz<br />

– jährlich mehrmals geändert.<br />

In den Jahren 1993 bis 2005 wurde das Einkommensteuergesetz<br />

in insgesamt 97 Gesetzen<br />

angesprochen (davon in den Jahren 2001 und<br />

2002 je neunmal, im Jahr 2003 13-mal, im Jahr<br />

2004 neunmal und im Jahr 2005 viermal). Einige<br />

Paragraphen des Einkommensteuergesetzes wurden<br />

dabei in kurzen Zeitabständen wiederholt<br />

verändert, zum Beispiel § 3 EStG in dem Zeitraum<br />

der Jahre 1993 bis 2005 insgesamt 30-mal, 17 andere<br />

Vorschriften des Einkommensteuergesetzes<br />

(zum Beispiel §§ 20, 39a, 49 und 50 EStG) mindestens<br />

zehnmal. Als Folge all dieser Änderungen<br />

wurde § 52 EStG (Anwendungsvorschriften)<br />

innerhalb dieser dreizehn Jahre 55-mal geändert;<br />

diese Vorschrift regelt, zu welchem Zeitpunkt welche<br />

Fassung des Gesetzes anzuwenden ist.<br />

Die Steuerfachliteratur beklagt diese Entwicklung<br />

beispielhaft im Steuer-Ratgeber 2005: „Im abgelaufenen<br />

Jahr 2004 ist allein das Einkommensteuergesetz<br />

neunmal geändert worden. Die Änderungen<br />

sind zum Teil rechtspolitisch sehr beachtlich,<br />

zum Teil fiskalpolitisch schwerwiegend, zum Teil<br />

äußerst umfangreich, in vielen Fällen auch nur<br />

von redaktioneller Bedeutung. Der Steuerpraktiker<br />

hat in jedem Fall Mühe, die vielfältigen Rechtsänderungen<br />

zu registrieren und zu verarbeiten.“<br />

In der Steuerrechtspraxis wird seit vielen Jahren<br />

„ruhigeres Fahrwasser“ für die steuerliche Gesetzgebung<br />

gefordert. So erklärte der Präsident der<br />

Bundessteuerberaterkammer Heilgeist am 4. Oktober<br />

2004 in der Berliner Presserunde, dass das<br />

deutsche Steuerrecht zu kompliziert und unverlässlich<br />

sei – es mutiere immer stärker zum Investorenschreck.<br />

Kaum sei ein Gesetz verabschiedet,<br />

werde schon wieder über Änderungen nachgedacht.<br />

Es müsse mit verlässlichen Steuergesetzen<br />

endlich Ruhe an der Steuerfront geschaffen werden.<br />

Die Bundessteuerberaterkammer hat in ihren<br />

Anforderungen an die Steuerpolitik in der 16.<br />

Legislaturperiode im September 2005 unter anderem<br />

verlangt:<br />

Planungssicherheit durch nur ein Steuergesetz<br />

pro Jahr, verabschiedet zur Mitte eines Jahres, Inkrafttreten<br />

mit Wirkung zum 1. Januar des Folgejahres;<br />

Vereinfachung des Steuerrechts durch Befreiung<br />

von Lenkungsnormen, Stringenz (keine<br />

Durchbrechung dieses Grundsatzes mit Ausnahmen<br />

und Gegenausnahmen), Entbürokratisierung<br />

(Kosten-Nutzen-Relationen von Steuernormen<br />

beachten) und Einhaltung der Terminologie<br />

(keine neuen Auslegungsprobleme schaffen).<br />

In der dazu gehaltenen Pressekonferenz am 26.<br />

September 2005 erklärte Heilgeist, dass Deutschland<br />

mit rund 100 000 Steuervorschriften eine<br />

traurige Spitzenposition in der Welt habe. Hinzu<br />

kommt, dass das Steuerrecht in den letzten Jahren<br />

immer komplexer und komplizierter geworden<br />

sei. Allein das Einkommensteuergesetz sei seit<br />

dem Regierungswechsel 1998 über fünfzig Mal geändert<br />

worden, und das teilweise sogar rückwirkend.<br />

Diese Entwicklung sei unerträglich, denn<br />

Steuerpflichtige, Steuerberater und die Finanzverwaltung<br />

müssten sich permanent auf veränderte<br />

Rechtsgrundlagen einstellen.<br />

Die Modelle zur Steuervereinfachung<br />

sind zu teuer<br />

1.5 In Deutschland wird seit Jahren eine durchgreifende<br />

Steuerreform gefordert. (…)<br />

In den vergangenen Jahren haben namhafte Professoren<br />

und die im Deutschen Bundestag vertretenen<br />

Parteien zahlreiche Vorschläge für eine<br />

durchgreifende Steuerreform in Deutschland vorgelegt<br />

(vgl. Kasten).<br />

Auch die Ministerpräsidenten/-präsidentinnen<br />

der Länder hielten es auf ihrer Jahreskonferenz<br />

im Jahr 2003 für geboten, das Steuerrecht grundlegend<br />

zu reformieren. Nach ihren Vorstellungen<br />

müsse eine solche Reform zu einer durchgreifenden<br />

Vereinfachung und „Entrümpelung“ des materiellen<br />

Steuerrechts und des Verwaltungsvollzuges<br />

führen sowie ausreichende Einnahmen für<br />

Bund, Länder und Kommunen sicherstellen. Daraufhin<br />

untersuchten die Abteilungsleiter/-leiterinnen<br />

(Steuer) der Länder unter Beteiligung des<br />

Bundesministeriums sechs der aufgeführten Reformvorschläge<br />

näher. Die Untersuchung bezog<br />

sich insbesondere auf die acht Kriterien Steuervereinfachung,<br />

Übergangsproblematik, Aufkommenswirkungen,<br />

Verteilungsgerechtigkeit, rechtliche<br />

Kontinuität, Vereinbarkeit mit übergeordnetem<br />

Recht, wirtschaftliche Auswirkungen und<br />

Neutralität der Besteuerung. Als Ergebnis befanden<br />

sie: „Die Untersuchung zeigt, dass die an eine<br />

große Steuerreform zu stellenden Anforderun-<br />

66 Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 109 (3/2006)

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