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ORIENTIERUNGEN - Ludwig-Erhard-Stiftung

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Einkommensteuer-Reform<br />

Sachgerechte Prinzipien entlasten als Orientierungsmittel<br />

Steuerpflichtige, Steuerberater, Steuerbeamte<br />

und Steuerrichter; sie tragen zu einer effizienteren,<br />

zugleich weniger kostenaufwendigen<br />

Besteuerung bei.<br />

Basiert das Steuerrecht nicht auf sachgerechten<br />

Prinzipien, so ist auch das an ein solches Steuerrecht<br />

anknüpfende Steuerstrafrecht nicht gerecht.<br />

Die Alternative heißt:<br />

Rechtsstaat oder Staatsintervention<br />

Diese Einsichten kann niemand außer Kraft setzen:<br />

Sie sind durch Erfahrung vielfach bestätigt.<br />

Dass die Detailantworten auf die Frage, was dem<br />

Leistungsfähigkeitsprinzip entspricht, im Rahmen<br />

des Vertretbaren unterschiedlich ausfallen können,<br />

ist bereits eingeräumt worden.<br />

Der Steuerökonom Franz W. Wagner setzt der steuerjuristischen<br />

wertungsorientierten Steuerrechtslehre<br />

im Anschluss an US-amerikanische Ökonomen<br />

ein wirkungsorientiertes Steuerdenken entgegen.<br />

Ein rechtsstaatliches Steuerwesen, das den<br />

Namen „Steuerrecht“ verdient, muss aber rechtlich<br />

durchwirkt werden, darf nicht bloßer Wirkungs-Ökonomismus<br />

sein. Gerade das Leistungsfähigkeitsprinzip<br />

und seine Unterprinzipien dienen<br />

dazu, Steuerrecht zu schaffen. Würden wirkungsorientierte<br />

Steuergesetze aber für Gleichbelastung<br />

sorgen, würden sie Rechtssicherheit schaffen,<br />

würden sie für relativ einfache Steuergesetze<br />

sorgen Rechtsstaatliche Verfassungen wollen verhindern,<br />

dass Gesetze Ausdruck von Herrschaft<br />

und Macht oder von Interessenwillkür sind. Sie<br />

verlangen nach einer Orientierung an Rechtsmaßstäben.<br />

Meines Erachtens kann eine Einkommensteuerreform<br />

nicht gelingen, wenn es allein oder<br />

primär auf die ökonomische Effizienz ankommen<br />

soll. Die Gerechtigkeit muss Vorfahrt haben; daher<br />

gehören die Reformvorbereitungen zunächst<br />

in die Hand von Rechtssystematikern.<br />

Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist ein Gerechtigkeitsprinzip<br />

– und damit ein Wertungsprinzip –<br />

von hohem Rang. Es darf nicht dadurch minimalisiert<br />

werden, dass man „jeden nicht unsachlichen“<br />

Grund ausreichen lässt, die Durchbrechung<br />

des Leistungsfähigkeitsprinzips und damit<br />

die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Gerechtigkeitsprinzipien<br />

sollen dem Gemeinwohl<br />

dienen. Die Durchbrechung des Prinzips muss<br />

ebenfalls auf einem Gemeinwohlanliegen von hohem<br />

Rang beruhen. Sonst steht die Steuergerechtigkeit,<br />

die Gleichheit der Steuerbelastung, auf tönernen<br />

Füßen.<br />

Gleichwohl kann es Gemeinwohlbedürfnisse geben,<br />

die gewichtiger sind als die isoliert betrachtete<br />

Steuergerechtigkeit. Steuerrechtlich lässt sich<br />

dazu allgemein feststellen: Eine steuerliche Ungleichbelastung<br />

ist nur gerechtfertigt, wenn sie<br />

dem Gemeinwohl mehr dient als die pure Steuergleichbelastung,<br />

insbesondere weil die Ungleichbelastung<br />

zu einem größeren gesamtgesellschaftlichen<br />

Nutzen führt. So lässt es sich beispielsweise<br />

rechtfertigen, beruflich veranlasste Geldstrafen<br />

und Geldbußen nicht zum Abzug als Erwerbsaufwendungen<br />

zuzulassen. Geht es um den materiellen<br />

Nutzen, so muss die Ungleichbelastung meines<br />

Erachtens nicht nur zu einem besseren wirtschaftlichen<br />

Makro-Ergebnis führen; vielmehr<br />

müssen aufgrund der Ungleichbelastung alle besser<br />

dastehen als bei Gleichbelastung aller. Nur bei<br />

einem solchen Ergebnis ließe sich von einer übergeordneten<br />

Gemeinwohlgerechtigkeit sprechen,<br />

die der isolierten, puren Steuergerechtigkeit im<br />

Wert überlegen wäre.<br />

Abgesehen davon: Das Leistungsfähigkeitsprinzip<br />

gilt nur für Steuern, nicht für Gebühren und Beiträge;<br />

für sie gilt das Äquivalenzprinzip. Die Juristen<br />

haben viel Mühe darauf verwendet, Steuern,<br />

Gebühren und Beiträge voneinander abzugrenzen.<br />

Wichtiger als die Begrifflichkeit ist aber die<br />

Frage: Unter welchen Voraussetzungen ist die auf<br />

Leistungsfähigkeit bezogene Steuer gerechtfertigt,<br />

und unter welchen Voraussetzungen ist die auf<br />

Äquivalenz (Nutzen, Kosten) bezogene Vorzugslast<br />

(Gebühr, Beitrag) gerechtfertigt Es geht um<br />

die Frage: Welche Abgabenart (Steuern oder Gebühren/Beiträge)<br />

ist jeweils vorzuziehen Dürfte<br />

zum Beispiel anstelle einer Müllabfuhrgebühr eine<br />

(progressive) Müllabfuhrsteuer erhoben werden<br />

Darüber scheint bisher wenig nachgedacht worden<br />

zu sein. Es ist jedenfalls nicht die angemessenste<br />

Lösung, alle Leistungsfähigen für alles zahlen<br />

zu lassen. Geht es um Vorteile, die nur einzelnen<br />

Gruppen zugute kommen und ihnen auch zugerechnet<br />

werden können, so kann es durchaus<br />

sachgerecht sein, nur diese Gruppen äquivalent<br />

oder adäquat zu belasten, statt alle Bürger heranzuziehen.<br />

Entstehen durch das Verhalten Einzelner<br />

oder einzelner Gruppen Kosten, so kann es<br />

durchaus sachgerecht sein, nur diese Einzelnen<br />

oder diese Gruppen mit einer Gebühr zu belasten,<br />

statt die Allgemeinheit der Steuerzahler. <br />

Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 109 (3/2006)<br />

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