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ORIENTIERUNGEN - Ludwig-Erhard-Stiftung

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Reformen des Gesundheitswesens<br />

Gegenzug müssen sich die Versicherten an striktere<br />

Regeln halten und sind in ihrer Entscheidungsfreiheit<br />

eingeschränkt.<br />

Die Aufgaben der Gesundheitspolitik<br />

bei freier Tarifwahl<br />

Die fiktiven Modelle stellen einfache Grobskizzen<br />

dar. Der Markt beeinflusst die konkrete Ausgestaltung<br />

kontinuierlich, und zwischen den unterschiedlichen<br />

Anbietern sollen sich unterschiedliche<br />

Konzepte etablieren. Für die Gesundheitspolitik bedeutet<br />

das, dass sie sich nicht in die Details einmischen,<br />

sondern nur Rahmenbedingungen definieren<br />

darf. Dennoch bleiben wesentliche Aufgaben<br />

für staatliche oder nicht-staatliche Institutionen:<br />

Auch in einem kundenorientierten System bedarf<br />

es aus Verbraucherschutzgründen einer modifizierten<br />

und leistungsorientiert ausgestalteten<br />

Gebührenordnung für Ärzte. Sie soll aber nur angewandt<br />

werden, wenn keine anderen Verträge geschlossen<br />

wurden. Sie ist somit der „doppelte Boden“,<br />

damit es nicht zu Übervorteilungen kommt<br />

sowie Rechts- und Planungssicherheit besteht.<br />

Vielfalt führt zu Intransparenz, so dass sichergestellt<br />

werden muss, dass Versicherte die nötigen Informationen<br />

erhalten, um Entscheidungen treffen<br />

zu können. Hierzu müssen gewisse Standards der<br />

Kommunikation definiert werden, beispielsweise<br />

Zertifizierungen. Die Transparenzanforderungen<br />

könnten von nicht-staatlichen Organisationen wie<br />

der „<strong>Stiftung</strong> Warentest“ übernommen werden.<br />

Es müssen Versicherungskriterien definiert werden,<br />

die nicht unterschritten werden dürfen. Versicherungen<br />

dürfen nicht derart ausgehöhlt werden,<br />

dass sie zu Nicht-Versicherung führen und somit<br />

die Kosten – wie etwa in den USA – auf die Allgemeinheit<br />

umgewälzt werden.<br />

Der Krankenversicherungsmarkt ist dadurch gekennzeichnet,<br />

dass der zukünftige Bedarf nur<br />

schwer geschätzt werden kann. Auch in einem<br />

Wettbewerbsmodell mit extrem unterschiedlichen<br />

Vertragsformen bedarf es eines versicherungstechnischen<br />

Lastenausgleichs. Dieser könnte insofern<br />

abgeschwächt werden, dass individuelle Altersrückstellungen<br />

tarifunabhängig gebildet werden<br />

müssen. Damit wäre der wesentliche Umverteilungsfaktor<br />

Alter nicht mehr relevant, und es<br />

könnte sichergestellt werden, dass jederzeit problemlos<br />

zwischen den unterschiedlichen Versicherungsformen<br />

gewechselt werden kann.<br />

Das Gesundheitswesen<br />

aus Sicht der Dienstleister<br />

In diesem Bereich werden sehr unterschiedliche<br />

Konzepte vertreten, die eine jeweils eigenständige<br />

Beurteilung verlangen.<br />

1. Integrierte Versorgungskonzepte<br />

Das Referenzmodell für integrierte Versorgungskonzepte<br />

2 ist die populationsorientierte integrierte<br />

Versorgung. Dieses Versorgungssystem übernimmt<br />

für eine definierte Population für einen bestimmten<br />

Zeitrahmen die gesamte Versorgung.<br />

Hierfür erhält das System eine Kopfpauschale. Es<br />

koordiniert sämtliche Versorgungsleistungen entlang<br />

der medizinischen Wertschöpfungskette. Ausgehend<br />

von wohnortnahen medizinischen Versorgungszentren<br />

wird ein Teil der fachärztlichen Leistungen<br />

in ambulanten Praxen angeboten, der andere<br />

Teil in Ambulanzen auf dem Klinikgelände.<br />

Die stationäre Versorgung ist eng verzahnt mit den<br />

nachgelagerten Versorgungsstufen, vor allem mit<br />

den Pflegeheimen sowie der ambulanten häuslichen<br />

Versorgung. Ergänzt wird das System durch<br />

eine Vielzahl von Kooperationen mit staatlichen<br />

und nicht-staatlichen Initiativen (zum Beispiel Präventionsprogrammen).<br />

Insgesamt entsteht ein<br />

komplexes System, das die Versorgung der Population<br />

vollständig übernehmen kann. Hoch spezialisierte<br />

Leistungen, etwa die Versorgung schwerst<br />

Brandverletzter oder komplexe Transplantationen,<br />

werden nach außen verlagert.<br />

Entscheidend ist, dass in einem derartigen System<br />

vier Steuerungssysteme implementiert werden<br />

können: Schnittstellen übergreifende Versorgung<br />

entlang interner Versorgungspfade; Umsetzen einer<br />

gemeinsamen Unternehmenskultur über Sektoren<br />

und Berufsfelder hinweg; einheitliche interne<br />

elektronische Patientenakten; interne Anreize<br />

und Vergütungssysteme zur Förderung der Kooperation<br />

und Kommunikation. 3<br />

2 Vgl. Avensis Pharmaceuticals, Integrated Health System Digest,<br />

Bridgewater NJ, 2004, oder L. R. Burns/M. V. Pauly, Integrated<br />

Delivery Networks: A Detour on the Road to Integrated Health<br />

Care Health Affairs, Volume 21, No. 4, 2002, Seiten 128-143.<br />

3 Vgl. Volker E. Amelung/H. Voss/Katharina Janus, Ökonomische<br />

Anreize in integrierten Versorgungssystemen – Grundlage für<br />

Nachhaltigkeit und Motivation, in: Bernhard Badura/Olaf Iseringhausen<br />

(Hrsg.), Versorgungsforschung, Verlag Hans Huber 2005,<br />

Bern, Seiten 115-131, oder Katharina Janus/Volker E. Amelung,<br />

Integrierte Versorgung im Gesundheitswesen – Anreizorientierte<br />

Vergütungssysteme für Ärzte, zfo, 6/2004, 73. Jahrgang, 2004b,<br />

Seiten 304-311.<br />

54 Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 109 (3/2006)

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