ORIENTIERUNGEN - Ludwig-Erhard-Stiftung
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Prinzipien einer nachhaltigen Gesundheitspolitik<br />
Univ.-Prof. Dr. oec. Volker Amelung/Dr. med. Klaus Meyer-Lutterloh/Stefan Tilgner MA<br />
Bundesverband Managed Care e.V.<br />
Reformen im Gesundheitswesen scheinen dringend nötig, und zwar aus unterschiedlichen Gründen: Funktionsmängel<br />
müssen beseitigt, Ungerechtigkeiten korrigiert und Finanzierungslücken geschlossen werden. Mal erscheint dies, mal<br />
etwas anderes vordringlich. Man sollte sich aber vom Reformaktionismus nicht täuschen lassen: Eine Politikorientierung,<br />
die nur das aktuell Wichtige in den Blick nimmt, führt nur zu unzusammenhängenden und oft widersprüchlichen punktuellen<br />
Eingriffen. Eine überzeugungskräftige und nachhaltige Politik kann nur aus einer systematischen Betrachtung<br />
gewonnen werden.<br />
Durch mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen<br />
würden viele Versicherungsoptionen und Organisationsformen<br />
entstehen. Nur Vielfalt kann sicherstellen,<br />
dass den verschiedenen Bedürfnissen in der<br />
Bevölkerung adäquate Angebote gegenübergestellt<br />
werden können. So weit, so gut. Es lässt sich aber<br />
nicht vorab definieren, aus welcher Perspektive heraus<br />
die durch Wettbewerb ausgelöste Innovationskraft<br />
beurteilt werden soll. Die Ärzteschaft, die<br />
Krankenhäuser oder die Pharmaindustrie haben da<br />
durchaus unterschiedliche Vorstellungen.<br />
Die Sicht der Versicherten<br />
Die mehr oder weniger identischen Leistungspakete<br />
und Versorgungsstrukturen im System der gesetzlichen<br />
Krankenversicherung sind weder finanzierbar,<br />
noch entsprechen sie den Präferenzen der<br />
Versicherten. Eine der wesentlichen Veränderungen<br />
der Versorgungslandschaft im Gesundheitswesen<br />
werden deshalb differenzierte Versicherungsverträge<br />
sein. Folgendes Beispiel einer Versicherung,<br />
die vier unterschiedliche Tarife anbietet,<br />
könnte ein Modell für einen zukünftigen Versicherungsmarkt<br />
darstellen:<br />
Im Sachleistungstarif „Traditionell“ ändert sich<br />
für den Versicherten der gesetzlichen Krankenkasse<br />
wenig. Er erhält einen definierten Leistungsumfang,<br />
und die Vergütung erfolgt direkt zwischen<br />
dem Leistungserbringer und der Versicherung.<br />
Im Kostenerstattungstarif „Flex“ kann der Patient<br />
die Leistungserbringer frei wählen und erhält<br />
die Rechnungen, von denen er einen Teil selbst<br />
tragen muss. Hier sollten Selbstbehalte und Zuzahlungen<br />
kombiniert werden. Dieser Tarif könnte<br />
nach unterschiedlichem Leistungsumfang differenziert<br />
werden.<br />
Beim Tarif „Selekt“ handelt es sich um eine<br />
Kombination aus den beiden ersten Modellen. Bei<br />
ausgewählten Vertragspartnern der Krankenversicherung<br />
können Sachleistungen vereinbart werden,<br />
wogegen bei allen anderen Leistungserbringern<br />
der Versicherte zuerst die Rechnung bezahlen<br />
muss und anschließend einen vorab definierten<br />
Anteil von der Versicherung zurückerstattet bekommt.<br />
Der Versicherte erhält erhebliche Anreize,<br />
die ausgewählten Anbieter zu nutzen, ohne jedoch<br />
die generelle Wahlfreiheit aufzugeben. Für die<br />
Krankenversicherung entsteht die Möglichkeit, selektiv<br />
zu kontrahieren und entsprechend Einfluss<br />
auf die Kosten sowie die Qualität zu nehmen.<br />
Eine Sonderform ist der Tarif „Eco“, der auf einer<br />
populationsorientierten integrierten Versorgung<br />
aufbaut. Hier übernimmt ein integriertes Versorgungssystem<br />
die Versorgung für eine vorab definierte<br />
Population und erhält hierfür Kopfpauschalen. 1<br />
Entscheidend ist, dass die Versicherten den Umfang<br />
ihres Versicherungsschutzes und damit den<br />
zu zahlenden Beitrag wählen können. Es ist offensichtlich,<br />
dass der traditionelle Tarif die höchsten<br />
Prämien haben wird. Dafür muss der Versicherte<br />
sich weder einschränken noch Verantwortung<br />
übernehmen. Der Kostenerstattungstarif „Flex“ ist<br />
eine klassische Hochrisikoversicherung, entsprechend<br />
sind die Prämien niedriger. Der Tarif „Selekt“<br />
wird als ein Kompromiss zwischen den ersten<br />
beiden angesiedelt sein. Je nach Ausgestaltung<br />
wird die populationsorientierte integrierte Versorgung<br />
die niedrigsten Tarife anbieten können. Im<br />
1 Zur integrierten Versorgung vgl. Volker Amelung/Harald Schumacher,<br />
Managed Care – Neue Wege im Gesundheitswesen,<br />
3. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, Gabler-Verlag,<br />
Wiesbaden 2004, oder Volker E. Amelung/Katharina Janus,<br />
Konzepte und Modelle zur integrierten Versorgung im Spannungsfeld<br />
zwischen Management und Politik, in: Michael Arnold<br />
et al. (Hrsg.), Krankenhausreport 2005.<br />
Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 109 (3/2006)<br />
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