ORIENTIERUNGEN - Ludwig-Erhard-Stiftung
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Reformen des Gesundheitswesens<br />
sind die Behandlungshäufigkeit sowie standardisierte<br />
Qualitätskennzahlen. In Zukunft sollten weitere<br />
Informationen über die Behandlungsergebnisse<br />
und die -qualität veröffentlicht werden.<br />
Im deutschen Gesundheitssektor herrscht die<br />
Angebotsplanung vor, die sich vor allem in verschiedenen<br />
Bedarfsfestlegungen, zum Beispiel im<br />
Krankenhausplan und in der Kassenärzteplanung,<br />
widerspiegelt. Die Planung ist Ausdruck des Misstrauens<br />
gegenüber einer Wettbewerbsordnung, indem<br />
sie den offenen Marktzutritt verhindert und<br />
vermeintlich Versorgungssicherheit garantiert.<br />
Tatsächlich zementiert sie aber überkommene<br />
Strukturen. Um offenen Marktzutritt für die Anbieter<br />
und Vertragsfreiheit zu gewährleisten, ist<br />
die staatliche Krankenhausplanung auf eine Rahmenplanung<br />
umzustellen. Sie hat in erster Linie<br />
die Aufgabe, vor drohenden Versorgungsdefiziten<br />
zu warnen.<br />
In fast allen Teilmärkten des deutschen Gesundheitssektors<br />
sind staatlich regulierte Preise<br />
vorherrschend (Vertragsärzte, Krankenhäuser,<br />
Arzneimittel). Flexible Preise werden als Instrument<br />
der Diskriminierung von schwachen Nachfragern<br />
eingeschätzt und daher politisch abgelehnt.<br />
Die Steuerungswirkung von Preisen will<br />
man über Einheitspreise simulieren – ein falscher<br />
Weg, um wettbewerbliche Strukturen zu implementieren.<br />
7 Vielmehr sollte verstärkt eine effiziente<br />
Preissteuerung, zum Beispiel über die Einführung<br />
der Kostenerstattungsoption für Versicherte,<br />
umgesetzt werden. Eine prozentuale Preisbeteiligung<br />
der Patienten führt zur Suche nach effizienten<br />
Krankenhäusern.<br />
Krankenhäuser sind der Wettbewerbsaufsicht zu<br />
unterstellen, das heißt: Das Kartellrecht muss auch<br />
im Krankenhaussektor angewendet werden. Hier<br />
herrscht jedoch im Allgemeinen das Sozialrecht<br />
vor. Für eine wettbewerbliche Organisation des<br />
Gesundheitssektors ist dem Wettbewerbsrecht vor<br />
dem Sozialrecht Vorrang einzuräumen. Das Sozialrecht<br />
ist, ähnlich wie der Verbraucherschutz, für<br />
die Versicherten und Patienten einzusetzen.<br />
Die sozial motivierte Angebotsregulierung, die<br />
durch Einheitspreise für Krankenhausleistungen,<br />
Kollektivverträge und kostenfreie Behandlungen<br />
in der Krankenhausversorgung eine Diskriminierung<br />
der Patienten nach Kaufkraft verhindern<br />
7 Siehe Günter Neubauer, Krankenhausvergütung 2009: Festoder<br />
Wettbewerbspreise, in: f&w, Nr. 4, Juli/August 2006, 23.<br />
Jahrgang, Seiten 380-385.<br />
soll, ist durch Nachfragesteuerung zu ersetzen.<br />
Das Sozialprinzip ist auf die Ausstattung mit genügend<br />
Kaufkraft für obligaten Versicherungsschutz<br />
umzustellen. Die Absicherung sozial Schwacher ist<br />
aus wettbewerblicher Sicht über personenbezogene<br />
Individualförderung besser als über anbieterverpflichtende<br />
Kollektivverträge (Objektförderung)<br />
zu lösen. Die heute vorherrschende Pflichtversicherung<br />
für Arbeitnehmer mit einem Einkommen<br />
unter der Beitragsbemessungsgrenze ist<br />
in eine Versicherungspflicht umzuwandeln, um<br />
auch sozial Schwachen kostenfreien Zugang zu ermöglichen.<br />
Damit alle Versicherten eine hochwertige<br />
Versorgung erhalten, sind die Versicherungspflicht<br />
und der Versicherungsumfang so vorzuschreiben,<br />
dass keine unverhältnismäßige, systematische<br />
soziale Diskriminierung von Patienten<br />
erfolgt.<br />
Mehr Markt und Wettbewerb<br />
für mehr Effizienz<br />
Die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen und<br />
damit die Gesundheitsausgaben werden in absehbarer<br />
Zeit in allen Industriestaaten schneller ansteigen<br />
als das Bruttoinlandsprodukt. Ziel muss<br />
deshalb sein, das System möglichst effizient und<br />
nachfragegerecht zu gestalten. Diese Einschätzungen<br />
treffen auch auf den Krankenhausmarkt zu.<br />
Zum einen wird die Nachfrage nach stationären,<br />
teilstationären und ambulanten Krankenhausleistungen<br />
ansteigen, zum anderen wird der Kostenund<br />
Wettbewerbsdruck weiter zunehmen und die<br />
Krankenhauslandschaft zu nachhaltigen Veränderungen<br />
zwingen. So geht die Fachwelt von einer<br />
weiteren Reduktion der Zahl der Betten und Krankenhäuser<br />
– bei gleichzeitig steigender Nachfrage<br />
– aus. 8<br />
Ferner ist mit weiterer Konzentration zu rechnen.<br />
Heute beschäftigen etwa 400 Krankenhausunternehmen<br />
in rund 2 000 Betrieben etwa 1,1 Millionen<br />
Menschen. Das Institut für Gesundheitsökonomik<br />
geht davon aus, dass in 15 Jahren etwa 100 Unternehmen<br />
in rund 1 500 Betrieben etwa 1,5 Millionen<br />
Arbeitsplätze vorhalten werden. Damit wird deutlich,<br />
dass sich die Krankenhausversorgung zu einem<br />
so wichtigen Teil der Volkswirtschaft entwickelt,<br />
dass ohne Markt und Wettbewerb keine effiziente<br />
Versorgung möglich sein wird. <br />
8 Die Allianz Research Group schätzt diesen Rückgang bis zum<br />
Jahr 2020 auf jeweils gut 20 Prozent; vgl. Jürgen Stanowsky/Sabine<br />
Schmax/Rolf Sandvoß, Gesundheitsmarkt – ein Wachstumsmotor,<br />
Economic Research Group Allianz, Working Paper<br />
Nr. 17, München 2004.<br />
52 Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 109 (3/2006)