ORIENTIERUNGEN - Ludwig-Erhard-Stiftung
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Wie müssen Reformen im Gesundheitswesen<br />
aussehen – Eine Skizze<br />
Dr. Boris Augurzky/Silja Göhlmann/Prof. Dr. Christoph M. Schmidt/Christoph Schwierz/<br />
Marcus Tamm/Dr. Harald Tauchmann<br />
Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) Essen<br />
Eine gewisse staatliche Regulierung im Gesundheitssystem ist nötig. Aber nur durch eine grundsätzliche marktwirtschaftliche<br />
Orientierung können Patienten gut und kostengünstig versorgt werden.<br />
2004 trat das Gesundheitsmodernisierungsgesetz<br />
(GMG) in Kraft. Mit ihm sollten die Beitragssätze<br />
zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gesenkt<br />
werden. Tatsächlich konnten die Ausgaben<br />
der GKV reduziert werden. Es entstanden bei den<br />
Krankenkassen Überschüsse. Sie wurden zum Abbau<br />
von Schulden verwendet. Aufgrund des unerwartet<br />
hohen Schuldenstands blieb kein Spielraum<br />
für nennenswerte Beitragssenkungen. In der<br />
Zwischenzeit ist eher mit steigenden als mit sinkenden<br />
Beitragssätzen zu rechnen. Die seit Herbst<br />
2005 regierende Große Koalition bereitet daher eine<br />
neue Gesundheitsreform vor, die 2007 in Kraft<br />
treten soll.<br />
Die Situation der GKV<br />
Folgende Argumente sprechen für in Zukunft steigende<br />
Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung:<br />
Die Ausgaben der GKV wachsen aufgrund des<br />
medizinisch-technischen Fortschritts. Er führt dazu,<br />
dass mehr Krankheiten behandelt werden können<br />
und dass sich die Behandlungsqualität verbessert.<br />
Diese Tatsache ist erfreulich, sie hat jedoch<br />
zunehmende Behandlungskosten zur Folge.<br />
Wegen der hohen Arbeitslosigkeit bleiben die<br />
tatsächlichen Einnahmen der GKV hinter den<br />
möglichen zurück. Durch die Koppelung der Versicherungsbeiträge<br />
an die Löhne und Gehälter<br />
sind die Einnahmen von der Zahl der sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigten abhängig, die seit<br />
einigen Jahren rückläufig ist.<br />
Schließlich erhöht die demographische Entwicklung<br />
tendenziell den Kostendruck. Langfristig<br />
wird es zu einem Rückgang der Zahl der Erwerbstätigen<br />
kommen, so dass selbst bei geringerer<br />
Arbeitslosigkeit die Einnahmen der GKV<br />
nicht mit ihren Ausgaben Schritt halten werden<br />
können.<br />
Um den Einfluss des steigendes Beitragssatzes einerseits<br />
und den der sinkenden Beschäftigung andererseits<br />
voneinander zu trennen, kann man die<br />
Einnahmen der GKV seit 1995 mit zwei hypothetischen<br />
Alternativen vergleichen: zum einen unter<br />
der Annahme, dass der durchschnittliche Beitragssatz<br />
seit 1995 unverändert bei 13,15 Prozent<br />
geblieben wäre, zum anderen unter der zusätzlichen<br />
Annahme, dass auch die Anzahl der sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigten auf dem Niveau<br />
von 1995 geblieben wäre.<br />
Aus dieser Gegenüberstellung wird deutlich, dass<br />
die GKV einerseits ein Einnahmenproblem hat:<br />
Wegen des Rückgangs der Zahl der sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigten ist ein Einnahmenrückgang<br />
in Höhe von real etwa 5,5 Milliarden zu<br />
beklagen (Differenz zwischen beiden fiktiven Szenarien).<br />
Gleichzeitig besteht ein Ausgabenproblem:<br />
Seit 1995 sind die Ausgaben real um fast vier<br />
Milliarden gestiegen. Beide Entwicklungen erklären<br />
den Anstieg des durchschnittlichen Beitragssatzes<br />
um circa einen Prozentpunkt auf 14,22 Prozent<br />
im Jahr 2004.<br />
Die Reformoption „Gesundheitsprämie“<br />
Eine grundsätzliche Reformoption besteht darin,<br />
bei der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung<br />
anzusetzen. Im Mittelpunkt der Diskussion<br />
stehen Gesundheitsprämie und Bürgerversicherung.<br />
Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung<br />
(RWI) spricht sich für die Einführung<br />
einer Gesundheitsprämie mit sozialem<br />
Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 109 (3/2006)<br />
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