ORIENTIERUNGEN - Ludwig-Erhard-Stiftung
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Zukunft der Arbeitsgesellschaft<br />
ne Auszubildende) in der Gesamtwirtschaft in der<br />
Zeitarbeit gegründet.“ 2<br />
Zeitarbeit ist heute nicht mehr allein mit dem hohen<br />
Wachstum von Bürotätigkeiten verbunden.<br />
Sie wächst in vielen Branchen. Besonders im Gesundheitsbereich<br />
wird ihr Nutzen zunehmend entdeckt.<br />
Die filigranen Fördermechanismen in der<br />
Pflegeversicherung haben den Zuwachs begünstigt,<br />
denn Veränderungen in den Pflegestufen<br />
wirken sich unmittelbar auf die personelle Situation<br />
innerhalb von Stationen und Pflegeeinrichtungen<br />
aus. Nur Zeitarbeit kann im Gesundheitswesen<br />
die erforderliche Flexibilität garantieren.<br />
In Anbetracht dieser Aspekte hat der Münsteraner<br />
Politikwissenschaftler Wichard Woyke der Zeitarbeit<br />
eine „Selbstheilungsfunktion des Arbeitsmarktes aus<br />
der Wirtschaft heraus“ zugeschrieben. Er erklärt:<br />
Zeitarbeitsunternehmen würden seit Jahren mit großer<br />
Selbstverständlichkeit die Flexibilität organisieren,<br />
die zu schaffen die Politik nicht in der Lage sei. 3<br />
Vermeintliche und wirkliche Probleme<br />
Der Einsatz von Zeitarbeitnehmern ist in der Praxis<br />
überwiegend unproblematisch. Anfangs hatte<br />
man geglaubt, dass es zu Spannungen zwischen<br />
Zeitarbeitnehmern und fest angestellten Mitarbeitern<br />
kommen müsse. Zudem wurde befürchtet,<br />
dass sich Zeitarbeitnehmer nicht mit dem<br />
Unternehmen identifizieren, in dem sie ihre Arbeit<br />
verrichten. Eine Untersuchung des DIW Berlin<br />
hat jedoch gezeigt, dass 78,4 Prozent der Zeitarbeitnehmer<br />
ein „gutes Verhältnis zu ihren Kollegen“<br />
haben. Mit diesem Wert liegt die Zeitarbeit<br />
noch oberhalb des gesamtwirtschaftlichen<br />
Durchschnitts, der bei nur 76,5 Prozent liegt.<br />
Ebenfalls günstiger schneiden Zeitarbeitnehmer<br />
bei der Frage ab, ob sie Arbeitslosigkeit fürchten.<br />
Gemäß der DIW-Studie haben in der Gesamtwirtschaft<br />
43,9 Prozent der Arbeitnehmer Angst vor<br />
Arbeitslosigkeit, unter den Zeitarbeitnehmern nur<br />
38,2 Prozent. Das ist verwunderlich, denn mit der<br />
Überlassung an einen anderen Betrieb ergeben<br />
sich für den Arbeitnehmer durchaus Risiken. Offensichtlich<br />
überwiegen die mit der Überlassung<br />
verbundenen Beschäftigungsperspektiven.<br />
2 Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftforschung (RWI)<br />
und Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG),<br />
Evaluation der Umsetzung der Vorschläge der Hartz-Kommission<br />
– Arbeitspaket 1, Essen und Köln 2005, Seiten 62 f.<br />
3 Vgl. Z direkt! 01/06, Seite 4 (www.z-direkt.de).<br />
Zeitarbeit wird zur Abfederung von Auftragsspitzen<br />
eingesetzt und bietet damit die Möglichkeit, Arbeitsabläufe<br />
in Betrieben zu vereinfachen. Aber sie<br />
erfüllt auch andere Aufgaben: Ein Beispiel ist das<br />
Bewerbungsmanagement, ein für mittelständische<br />
Firmen oftmals erheblicher Kostenfaktor. Über<br />
Zeitarbeit kann sich ein Unternehmen verschiedene<br />
Bewerber vorstellen lassen und diese quasi in unbefristeter<br />
Probezeit einsetzen. Bewährt sich ein<br />
Mitarbeiter, kann er in ein festes Arbeitsverhältnis<br />
übernommen werden. Die Quote der Mitarbeiterübernahme<br />
liegt derzeit bei fast 30 Prozent.<br />
Branchenstrukturen und Besonderheiten<br />
In struktureller Hinsicht ist die Zeitarbeitsbranche<br />
atypisch. Vor allem ist sie überdurchschnittlich<br />
klein- und mittelständisch orientiert. Das größte in<br />
Deutschland tätige Unternehmen, Randstad, erreicht<br />
einen Marktanteil von etwa neun Prozent.<br />
Die 15 größten Zeitarbeitsunternehmen decken<br />
zusammen nur einen Marktanteil von 42 Prozent<br />
ab. 4 Den größten Teil des Marktes teilen sich mithin<br />
die übrigen rund 4 500 Unternehmen.<br />
Die mittelständische Struktur bewirkt, dass die<br />
Unternehmen laufend nach Marktnischen Ausschau<br />
halten. Das heißt: Vor allem regional gut<br />
aufgestellte Unternehmen – Unternehmen, die<br />
die Kundenwünsche vor Ort am besten erfüllen –<br />
florieren. Besonders erfolgreich sind dabei Unternehmen,<br />
die sich auf die Vermittlung von hoch<br />
qualifizierten Arbeitnehmern spezialisiert haben.<br />
Sozialpartnerschaft und Tariflöhne<br />
Die Interessenvertretung der Zeitarbeitsbranche<br />
ist zersplittert: Unter anderem existieren drei<br />
nennenswerte Arbeitgeberverbände. Der mitgliederstärkste<br />
dieser Verbände ist der Interessenverband<br />
Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ);<br />
älter ist der Bundesverband Zeitarbeit (BZA); aus<br />
der Fusion von zwei regionalen Arbeitgeberverbänden<br />
ist der Arbeitgeberverband Mittelständischer<br />
Personaldienstleister (AMP) hervorgegangen.<br />
iGZ und BZA haben sich für eine Sozialpartnerschaft<br />
mit DGB-Gewerkschaften entschieden.<br />
Der AMP schließt seine Tarifverträge mit der Tarifgemeinschaft<br />
Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit<br />
und PSA (CGZP) ab.<br />
4 Vgl. Lünendonk-Studie, Führende Zeitarbeits- und Personaldienstleistungs-Unternehmen<br />
in Deutschland, Bad Wörishofen,<br />
Juli 2006, Seite 49.<br />
32 Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 109 (3/2006)